Letzte Generation: Festkleben schon vor Erscheinen der Polizei kann späteren § 113 StGB begründen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 20.11.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|1052 Aufrufe

Ach, diese niedlichen Mädchen und Jungen der letzten Generation. Die haben immer was vor. Und so kamen sie auch schon häufiger im Blog hier vor. Zum Beispiel kleben die sich auch schon einmal auf Straßen fest. Und die Spielregeln danach sind: Menschen regen sich auf, Polizei erscheint, Polizei kann die Fahrbahn nicht räumen, weil die jungen Mensch*innen ja festkleben. Das nervt! In Bayern ist man damit natürlich sogar schon (fast) eine kriminelle Vereinigung. Und das Kammergericht meint sogar: Das vorherige Festkleben kann für einen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamt*innen reichen.  Vielleicht stimmt es.

1. Um die Beweiswürdigung des Tatrichters auf sachlich-rechtliche Fehler hin überprüfen zu können, bedarf es einer geschlossenen und zusammenhängenden Wiedergabe wenigstens der wesentlichen Grundzüge der Einlassung des Angeklagten. Der bloße Hinweis, das Geständnis entspreche dem „aktenkundigen Ermittlungsergebnis“, genügt dafür nicht.

 2. Eine Strafbarkeit wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nach § 113 I StGB kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Täter bereits vor Beginn der Vollstreckungshandlung auf der Fahrbahn mit Sekundenkleber oder Ähnlichem festklebt, um die von ihm erwartete alsbaldige polizeiliche Räumung der Fahrbahn nicht nur unwesentlich zu erschweren.

 3. Um ein gezieltes Verhalten des Täters vom bloßen Ausnutzen eines bereits vorhandenen Hindernisses abzugrenzen, muss in derartigen Fallgestaltungen der Wille des Täters dahin gehen, durch seine Tätigkeit den Widerstand vorzubereiten.

 4. Dass Polizeibeamte das durch Festkleben entstandene physische Hindernis durch Geschicklichkeit – hier unter Verwendung eines Lösungsmittels – zu beseitigen in der Lage sind, steht dem Merkmal der Gewalt nicht grundsätzlich entgegen und nimmt ihm in Bezug auf den Vollstreckungsbeamten nicht ohne Weiteres die körperliche Spürbarkeit.

KG NJW 2023, 2792

 

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