Bahn spricht GDL die Tariffähigkeit ab

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 05.01.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1312 Aufrufe

Die Deutsche Bahn (DB) lässt gerichtlich klären, ob die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) durch ihre Leiharbeiter-Genossenschaft Fair Train ihre Tariffähigkeit verloren hat. Einen entsprechenden Feststellungsantrag hat der Konzern beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht. Die Tarifunfähigkeit kommt laut DB unter anderem durch die personellen und organisatorischen Verflechtungen in den Führungspositionen von GDL und Fair Train zustande. Die Gewerkschaft würde mit der Gründung ihrer Leiharbeiter-Genossenschaft gleichzeitig auch Arbeitgeber und habe quasi mit sich selbst einen Tarifvertrag verhandelt und geschlossen. Das ist nach Auffassung der DB ein unzulässiges In-sich-Geschäft mit erheblichen Interessenkonflikten, denn die handelnden Personen bei GDL und Fair Train seien größtenteils dieselben. Damit sei die sogenannte Gegnerunabhängigkeit der Gewerkschaft nicht mehr gewahrt.

Die erstinstanzliche Zuständigkeit des Hessischen Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus § 97 Abs. 2 i.Vm. § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG. Es handelt sich um ein modifiziertes Beschlussverfahren. Die Rechtsbeschwerde geht vor das Bundesarbeitsgericht. Da kein vorläufiger Rechtsschutz beantragt ist, kann die endgültige Klärung dieser Rechtsfrage durchaus längere Zeit in Anspruch nehmen.

Die Erfolgsaussichten zu beurteilen, fällt schwer, da es in der Vergangenheit keine vergleichbaren Fallkonstellationen gegeben hat. Allerdings ist es schon mehrfach vorgekommen, dass Arbeitnehmervereinigungen für tarifunfähig erklärt worden sind. Dies geschah dann aber meistens wegen mangelnder sozialer Mächtigkeit. Soweit es um die Gegnerunabhängigkeit geht, wird allseits betont, diese dürfte nicht absolut, sondern nur relativ verstanden werden. Entscheidend ist, dass eine Koalition dem tariflichen Gegenspieler gegenüber unabhängig genug ist, um die Interessen ihrer Mitglieder wirksam und nachhaltig vertreten zu können. Gleichwohl erscheint es mir nicht ausgeschlossen, dass hier eine Grenze überschritten ist.

Die GDL hat inzwischen mitgeteilt, sich von den angekündigten Streiks hierdurch nicht abhalten zu lassen.

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