BGH: Zur Bestimmung des Ausgleichs und der Abfindung im BGAV anhand des Börsenwerts

von Julia MacDonald, veröffentlicht am 17.05.2024

Der BGH hat die Voraussetzungen, unter denen der zur Ermittlung des Ausgleichs und der Abfindung im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) nach §§ 304, 305 AktG heranzuziehende Unternehmenswert anhand des Börsenwerts der Gesellschaft geschätzt werden kann, konkretisiert (Beschluss vom 31. Januar 2024, II ZB 5/22).

Die spätere Mehrheitsaktionärin hatte ein öffentliches Übernahmeangebot für die Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von EUR 84,50 abgegeben. Rund ein halbes Jahr später schloss die Mehrheitsaktionärin einen BGAV mit der Zielgesellschaft. Die festgesetzte Abfindung nach § 305 AktG i. H. v. EUR 84,53 pro Aktie und die jährliche Ausgleichszahlung nach § 304 AktG i. H. v. EUR 3,77 wurden unter Berücksichtigung des den Ertragswert übersteigenden volumengewichteten durchschnittlichen Börsenkurses der letzten drei Monate vor Ankündigung des BGAV vereinbart; der gerichtlich bestellte Vertragsprüfer hielt die Kompensation für angemessen. Die auf Erhöhung der Kompensation gerichteten Spruchverfahrensanträge von Minderheitsaktionären blieben erfolglos. Das Beschwerdegericht bestimmte den Unternehmenswert anhand des Börsenwerts beider Gesellschaften, wobei es den Stichtag offenließ, da der Anteilswert in allen in Betracht kommenden Referenzzeiträumen unter der vertraglich vereinbarten Abfindung lag. Der BGH wies die dagegen gerichteten Rechtsbeschwerden zurück.

In Anknüpfung an die Rechtsprechung des BGH vom 23. Februar 2023 (II ZB 12/21) kommt der Senat zu dem Ergebnis, dass der Rückgriff auf den Börsenkurs der Gesellschaft im tatrichterlichen Ermessen grundsätzlich eine geeignete Methode zur Bestimmung der Abfindung und des Ausgleichs beim BGAV ist.

Nach Ansicht des Senats scheidet ein Rückgriff auf den Börsenkurs nur aus, wenn im konkreten Fall „ein funktionsfähiger Kapitalmarkt nicht gegeben“ ist. Dies könne etwa der Fall sein, wenn über einen längeren Zeitraum praktisch kein Handel mit Aktien der Gesellschaft stattfinde oder eine Marktenge vorliege. Ein „Zustand perfekten Wettbewerbs“ sei hingegen keine Voraussetzung für die Heranziehung des Börsenkurses.

Der Senat bestätigt, dass die vorliegend gewählte Methode zur Ableitung des Ausgleichs unter Rückgriff auf den Credit Spread des herrschenden Unternehmens rechtsfehlerfrei erfolgt ist. Es bestehe kein sachlicher Grund für eine zwingende Anknüpfung des Verrentungszinssatzes an den im Rahmen des Ertragswertverfahrens anzusetzenden Kapitalisierungszins. Eine solche zwingende Anknüpfung sei mit der Anerkennung der marktorientieren Methode, die den Börsenkurs zur Bestimmung der Ertragsaussichten der Gesellschaft heranziehe, nicht vereinbar.

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