Informationsfreiheitsgesetz: Die Prägekraft des BVerwG und Perspektiven

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 28.06.2024
Rechtsgebiete: Verlag|363 Aufrufe

Erfahren Sie im Gastbeitrag von Prof. Dr. Friedrich Schoch, wie das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) den Zugang zu amtlichen Informationen revolutioniert hat und welche rechtlichen Auswirkungen diese Veränderung bis heute nach sich zieht. Schoch eröffnet in seinem Beitrag auch Perspektiven für die Zukunft der Informationsfreiheit.

Von Prof. Dr. Friedrich Schoch.

I. Paradigmenwechsel durch das IFG

Das am 1. Januar 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) hat seinerzeit einen Paradigmenwechsel bewirkt. Die Arkantradition des deutschen Verwaltungsrechts ist abgelöst worden durch das Prinzip des freien Zugangs zu amtlichen Informationen, eingehegt durch schützenswerte öffentliche Belange und private Interessen Dritter.

Damit hat Deutschland Anschluss gefunden an die europäische und internationale Entwicklung im Informationsfreiheitsrecht. Zudem hat das IFG Impulse für die Landesgesetzgebung gesetzt. Inzwischen verfügen 14 der 16 deutschen Länder über ein Landes-IFG oder sogar über ein Landes-Transparenzgesetz, wodurch der Zugang zu amtlichen Informationen bei Landesbehörden und Kommunen sowie sonstigen Trägern mittelbarer Staatsverwaltung (z. B. IHK, Rechtsanwaltskammern, Sparkassen, Hochschulen, Rundfunkanstalten) geregelt wird.

II. IFG und spezielle Informationszugangsbestimmungen

Das IFG findet nur Anwendung, wenn nicht Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen eingreifen. Der gesetzlich angeordnete Vorrang von Spezialbestimmungen zum Informationszugang (§ 1 Abs. 3 IFG) ist von großer praktischer Bedeutung und wirft komplexe rechtliche Fragestellungen auf. Bereits hier entscheidet sich oftmals, ob der begehrte Informationszugang gewährt oder abgelehnt wird.

Unabhängig davon müssen Rechtsanwender in der Praxis gewärtigen, dass der Gesetzgeber im Fachrecht fortwährend Bestimmungen trifft, die eine Anwendung des IFG ausschließen. Das betrifft z. B. die Abgabenordnung, die Finanzverwaltung, das Lobbyregister und das Recht Kritischer Infrastrukturen. Rechtspolitisch leuchtet nicht in jedem Fall ein, warum das IFG keine Geltung beanspruchen kann.

III. Prägekraft des BVerwG

Die Konsolidierungsphase des IFG ist abgeschlossen. Weitgehend geklärt ist der Kreis der informationspflichtigen Stellen, großenteils beantwortet sind Fragen zum normativen Gehalt der Ausnahmetatbestände (Informationsverweigerungsgründe), gut erkennbar sind die Konturen des Verwaltungsverfahrens beim Zugang zu amtlichen Informationen, Grenzen gesetzt sind der Kostenerhebung im Informationsfreiheitsrecht, herausgearbeitet sind die Anforderungen an den gerichtlichen Rechtsschutz.

Die Klärung dieser und weiterer Fragen ist in erster Linie eine Leistung der Rechtsprechung, die freilich vielfach auf wissenschaftliche Vorarbeiten zurückgreifen konnte. Mit neuen Herausforderungen tut sich die Rechtsprechung indessen schwer. So meint etwa das BVerwG (zu Unrecht), Twitter-Direktnachrichten des BMI seien keine "amtlichen Informationen" i.S.d. IFG (BVerwG NVwZ 2022, 326); die für Nachrichtendienste geltende Bereichsausnahme vom Informationszugang (§ 3 Nr. 8 IFG) wird auf das Bundeskanzleramt und auf Bundesministerien (in Aufsichtsfunktion) ausgedehnt (BVerwG NVwZ 2018, 1229); die Verfahrensbestimmung für den Fall eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands (§ 7 Abs. 2 S. 1 IFG) wird zu einem - auch - materiellen Ausschlusstatbestand umdeklariert (BVerwG NVwZ 2023, 1755).

IV. Einwirkungen des EU-Rechts

Das EU-Recht nimmt zunehmend Einfluss auf das nationale Informationsfreiheitsrecht. Beim UIG beruht dies auf der Umweltinformations-Richtlinie. Die Einwirkungen des Unionsrechts auf das IFG betreffen die Ausnahmetatbestände. Der Schutz personenbezogener Daten (§ 5 IFG) wird nur vor dem Hintergrund der EU-Datenschutz-Grundverordnung verständlich, der Schutz des geistigen Eigentums (§ 6 S. 1 IFG) wird maßgeblich durch die InfoSoc-Richtlinie vorgeprägt, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 6 S. 2 IFG) sieht sich neuerdings mit der Frage zur Geltung der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie der EU konfrontiert.

Die korrekte Rezeption des Unionsrechts setzt die Kenntnis der dazu ergangenen Rechtsprechung des EuGH voraus. Für die unionsrechtskonforme Auslegung und Anwendung des IFG ist es unabdingbar, die Judikatur des Gerichtshofs zu analysieren und in den Strukturen des IFG zu verarbeiten. Darin liegt, wie die Erfahrung lehrt, eine besondere Herausforderung für die Rechtspraxis.

V. Perspektiven

Der praktische Wert des IFG wird zunehmend von der Rechtsprechung bestimmt. Nicht immer gelingt den Gerichten die zutreffende rechtliche Kontextualisierung neuer Fragestellungen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Judikatur ist unabdingbar.

Ein Desiderat ist der substantielle verfassungsrechtliche Schutz der Informationsfreiheit nach dem IFG. Das BVerfG hat zwar das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gegenüber dem IFG geöffnet (BVerfG NVwZ 2017, 1618), es jedoch vermieden, die Konsequenzen aus dem Befund zu ziehen. Wird § 1 Abs. 1 S. 1 IFG als Widmungsakt für die Schaffung einer "allgemein zugänglichen Quelle" erkannt, ist der Zugang zu amtlichen Informationen grundrechtlich abgesichert, Informationsrestriktionen müssen sich als Schrankenregelungen an Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen.

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