ArbG Köln: Systematisch praktizierte befristete Arbeitszeiterhöhungen sind rechtwidrig

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 14.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1267 Aufrufe

Befristete Erhöhungen der Arbeitszeit beschäftigten die Gerichte immer wieder. Ein neueres Urteil des ArbG Köln (25.4.2024 – 8 Ca 423/24, BeckRS 2024, 12290) verdeutlicht anschaulich die Grenzen solcher Abreden. Ausgangspunkt ist die Rechtsprechung des BAG, wonach vorformulierte Teilbefristungen der AGB-Kontrolle nach § 307 BGB unterliegen. Im Falle einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit in erheblichem Umfang gilt einer verschärfter Prüfungsmaßstab. Die Annahme einer nicht unangemessenen Benachteiligung des Arbeitnehmers erfordert dann Umstände, die die Befristung eines über das erhöhte Arbeitszeitvolumen gesondert abgeschlossenen Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen würden. Eine solche Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang liegt vor, wenn sich das Erhöhungsvolumen auf mindestens 25 % eines entsprechenden Vollzeitarbeitsverhältnisses beläuft.

Im jetzt entschiedenen Fall hatte die Bekl. folgendes Modell praktiziert: „Im Bereich des Front Office der beklagten Stadt ist es üblich, dass Neueinstellungen zwar unbefristet vorgenommen werden, die Einstellung jedoch auf Wunsch der beklagten Stadt nur mit einem begrenzten Teilzeit-Stundenumfang und nicht mit einem Vollzeit-Stundenumfang erfolgt. Es erfolgt sodann regelmäßig zunächst eine befristete Arbeitszeiterhöhung für Schulung und Einarbeitung. Alsdann erfolgt regelmäßig eine zweijährige befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle. Bei Ablauf der zweijährigen Befristungszeit prüft die Beklagte, ob sich der Arbeitnehmer „bewährt“ hat. Insofern erfolgt eine Leistungsbeurteilung durch den Dienstvorgesetzten. Darüber hinaus wird berücksichtigt, ob der Mitarbeiter bereit war, Zusatzdienste zu übernehmen und ob die Abwesenheitszeiten nicht zu hoch waren. Wer sich nach dieser Beurteilung durch die Beklagte „bewährt“ hat, erhält von der Beklagten eine unbefristete Erhöhung der Arbeitszeit auf eine Vollzeitstelle angeboten, wer sich nach Beurteilung der Beklagten insofern nicht bewährt hat, erhält dieses Angebot nicht.“

Der Kläger war hiervon betroffen. Er hält die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für rechtswidrig. Er beantragt, festzustellen, dass seine wöchentliche Arbeitszeit weiterhin 100% der regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit beträgt.

Das ArbG Köln hat ihm recht gegeben. Das Gericht geht davon aus, dass die streitgegenständliche Erhöhung der Arbeitszeit erheblich ist, da sie mehr als 25 Prozent einer Vollzeitbeschäftigung ausmacht. Mithin hätte es für ihre Rechtfertigung eines Sachgrundes bedurft. An einem solchen Sachgrund fehle es aber vorliegend: Bei der Tätigkeit des Klägers im „Front Office“ der beklagten Stadt handele es sich um eine Dauer-Aufgabe, die nicht nur vorrübergehend anfalle. Der Sachgrund des nur vorrübergehenden betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG sei damit gerade nicht gegeben. Die beklagte Stadt beschäftige schon allein aufgrund ihrer Größe mit über einer Million Einwohner dauerhaft eine Vielzahl von Mitarbeitern im „Front Office“ der Bürgerdienste, aktuell mehr als 100 Mitarbeiter. Die Einstellung des Klägers erfolge gerade auch nicht zur Abdeckung einer besonderen Belastungsspitze. Im Gegenteil praktiziere die Beklagte ja gerade dauerhaft ihr System der befristeten Arbeitszeitaufstockung zur Bewährungserprobung grundsätzlich bei allen neu eingestellten Mitarbeitern in diesem Bereich und gerade nicht lediglich bei einzelnen, zur Abdeckung etwaiger Belastungsspitzen eingestellter Mitarbeiter. Der Wunsch, dass sich die Mitarbeiter ständig neu bewähren sollen und möglichst auch krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten vermeiden sollen, sei als Sachgrund für eine Befristung nicht geeignet. Nichts anderes könne auch für eine befristete Erhöhung von Arbeitszeit gelten, da ansonsten das gesetzliche Befristungsrecht umgangen würde.

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