LAG Baden-Württemberg zu § 615 Satz 2 BGB

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 06.08.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1295 Aufrufe

Im Falle einer einseitigen Freistellung in der Kündigungsfrist nach einer arbeitgeberseitigen Kündigung unterlässt es der Arbeitnehmer innerhalb der Kündigungsfrist nicht böswillig, anderweitigen Verdienst zu erzielen, wenn er mit Bewerbungen auf vom Arbeitgeber mitgeteilte offene Stellen zuwartet bis zu einem zeitnah anberaumten Kammertermin über die Kündigungsschutzklage.

Das hat das LAG Baden-Württemberg entschieden.

Seit den Urteilen des Fünften Senats des BAG vom 27.5.2020 (5 AZR 387/19, NZA 2020, 1113) vom 12.10.2022 (5 AZR 30/22, NZA 2023, 229) und vom 07.02.2024 (5 AZR 177723, NZA 2024, 685) herrscht Bewegung bei der Auslegung von § 615 Satz 2 BGB und den in dieser Norm statuierten Obliegenheiten des Arbeitnehmers, sich während des Annahmeverzugs des Arbeitgebers um anderweitige Beschäftigung zu bemühen. Das LAG hat in einem weiteren Einzelfall konkret herausgearbeitet, warum dem Arbeitnehmer hier nicht der Vorwurf „böswilligen Unterlassens“ getroffen habe. Es verweist dabei sehr schön auf ein Urteil des BAG aus dem Jahre 1965: Danach sei „die Eingehung von Dauerarbeitsverhältnissen während des Annahmeverzuges des Arbeitgebers dem Arbeitnehmer im allgemeinen mit Rücksicht auf den Fortbestand des vom Annahmeverzug betroffenen Arbeitsverhältnisses in der Regel nicht zumutbar, jedenfalls dann, wenn ihm dadurch die Möglichkeit der alsbaldigen Rückkehr in die vertragsgemäße Position genommen oder erschwert werden würde. Der Arbeitgeber würde sonst vor allem bei für den Arbeitnehmer günstigeren Verhältnissen auf dem Arbeitsmarkt von den Rechtsfolgen des von ihm zu vertretenden Annahmeverzuges selbst weitgehend befreit werden. Dies sei jedoch nicht der Sinn der Anrechnungsvorschrift und erschiene überdies gerade in Fällen der vorliegenden Art in denen der Annahmeverzug durch ein vorsätzliches unrechtmäßiges Verhalten des Arbeitgebers ausgelöst worden ist durchaus unbillig.“

LAG Baden-Württemberg, Urt. vom 3.5.2024 – 9 Sa 4/24, BeckRS 2024, 16220

Die zugelassene Revision wurde eingelegt und ist beim BAG unter 5 AZR 127/24 anhängig

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