SCHÖN; FALSCH; UNANFECHTBAR

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.02.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht5|14055 Aufrufe

Das AG Büdingen hat aus Sicht eines Autofahrers, wie ich es auch bin, eine tolle Entscheidung erlassen, die tatsächliche oder vermeintliche Denunzianten in die Schranken verweist: Nach privaten Anzeigen gegen Falschparker soll es keine Halterhaftung nach § 25a StVG geben. Klasse! Und der entsprechende Beschluss des AG ist unanfechtbar. Das ist noch besser! Aber leider ist die Entscheidung wohl falsch, worauf der von mir sehr geschätzte RiKG Sandherr zutreffend in der aktuellen NZV-Februarausgabe hinweist. Ist aber für die Anwaltschaft unter den Leser*innen nicht so schlimm. Die wird jubeln.

Der Kostenbescheid des Regierungspräsidiums K. vom 23.02.2023 (351.120828.8) wird aufgehoben.

 Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.

 Gründe:

 I.

 Auf der Homepage der Gemeinde … befindet sich u.a. folgender Hinweis:

 „Jeder Bürger ist berechtigt, Verkehrsordnungswidrigkeiten anzuzeigen.

 Hierfür verwenden Sie bitte den Vordruck „Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeige“. Diesen können Sie ausdrucken und vollständig ausgefüllt beim Ordnungsamt der Gemeinde … einreichen.

 Sie sollten jedoch von dieser Möglichkeit nur mit dem richtigen Maß Gebrauch machen. Oftmals ist ein klärendes Gespräch besser, als eine Anzeige.

 Bedenken Sie bei einer Anzeige auch, dass Sie gegebenenfalls vor Gericht als Zeuge aussagen müssen. Daher ist es wichtig, dass Ihre Angaben der Wahrheit entsprechen. Haben Sie von einem Sachverhalt nur gehört oder wurde er Ihnen nur erzählt, sehen Sie bitte von einer Anzeige ab.“

 Am 04.11.20.. ging ein solcher, ausgefüllter Vordruck eines Bürgers mit einer Verkehrsordnungswidrigkeitsanzeige bezüglich eines Parkverstoßes bei der Gemeinde … ein, wobei ein Bild beigefügt war. Auf diesem ist zu erkennen, dass ein Fahrzeug auf einem Grundstück steht und die Vorderreifen über den Bordstein hinaus in den Seitenstreifen der Straße ragen.

 Aufgrund dessen wurde die Betroffene mit „Zeugenfragebogen“ des Regierungspräsidiums K. vom 08.12.20.. informiert, dass ihr Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … am 03.01.20.. um 09:40 Uhr in …, in der … verbotswidrig auf dem Gehweg geparkt gewesen sei, wodurch andere behindert worden seien (§§ 12 IV, 1 II, 49 StVO; § 24 I, III Nr. 5 StVG; Nr. 52a BKat; § 19 OWiG). Gleichzeitig wurde die Betroffene aufgefordert, die verantwortliche Person für den Parkverstoß zu benennen. Das Schreiben erhielt auch den Hinweis auf die möglicherweise drohende Kostenhaftung des Fahrzeughalters gemäß § 25a StVG, wenn der Fahrzeugführer nicht vor Eintritt der Verjährung ermittelt werden kann. Es folgte noch Schriftverkehr, wobei die Betroffene Beweismittel anforderte aber die verantwortliche Person nicht benannte.

 Mit Bescheid des Regierungspräsidiums K. vom 13.02.2023 wurde das Verfahren wegen des Halt- bzw. Parkverstoßes eingestellt und der Betroffenen als Halterin des Fahrzeugs die Kosten des Verfahrens (insgesamt 23,50 €) auferlegt.

 Gegen diesen, der Betroffenen am 01.03.2023 zugestellten, Bescheid hat die Betroffene mit am 15.03.2023 eingegangenen Schreiben sinngemäß Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Begründet wurde dies damit, dass eine Anhörung nicht bereits vor Abgabe an das Regierungspräsidium erfolgt sei. Der Fahrer sei nicht benannt worden, da sich der Widerspruch gegen den Vorwurf an sich gerichtet habe. Bei der Kontrolle vor Ort hätten die Personalien festgestellt werden können.

 Das Regierungspräsidium hat dem Antrag nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Amtsgericht vorgelegt.

 II.

 Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.

 Die Voraussetzungen des § 25 a StVG liegen im Ergebnis nicht vor. Die Verwaltungsbehörde durfte der Betroffenen als Halter des Fahrzeugs vorliegend die Kosten für den Verwaltungsaufwand nicht auferlegen. Voraussetzung hierfür wäre unter anderem, dass objektiv ein Halt- oder Parkverstoß festgestellt worden ist. Vorliegend wurde ein solcher Verstoß nicht von einem Gemeindebediensteten, sondern lediglich von einer Privatperson angezeigt, was nicht ausreichend ist.

 Zu der Frage, ob die durch einen Privaten durchgeführte Verkehrsüberwachung eine ausreichende Grundlage für den Erlass eines Kostenbescheides nach § 25a StVG darstellt, sind – soweit ersichtlich – nur vereinzelt Entscheidungen ergangen. Das Amtsgericht Düsseldorf (NZV 1999, S. 142 f.) hat dies ausdrücklich verneint. Diese Einschätzung wird in der Kommentarliteratur geteilt (vgl. Hadamitzky, in: Karlsruher Kommentar zum OWiG, 5. Auflage 2018, § 25a StVG Rn. 20).

 Das Amtsgericht Gelnhausen (Beschluss vom 08.05.2012 – 44 OWi 14/12 –, BeckRS 2013, 1537) hat ebenfalls eine Privatanzeige als ausreichende Grundlage für den Erlass eines Kostenbescheides verneint und hierzu wörtlich ausgeführt:

 „Dagegen spricht, dass zunächst durch die private Verkehrsüberwachung und Anzeigenerstattung -anders als bei Einsatz von Beamten keinerlei Kosten bei der Behörde anfallen und die Behörde selbst nach Eingang der Anzeige bzw. nach Anhörung des Betroffenen entscheiden kann, ob sie ein kostenverursachendes Verfahren (weiter-)betreibt. Erforderlich ist im Übrigen bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten die konkrete Feststellung, welche Qualität der jeweilige Parkverstoß erreicht und ob unter Berücksichtigung des Opportunitätsprinzips eine Verfolgung des Parkverstoßes nach Ermessensausübung des jeweiligen Beamten bzw. der Ordnungsbehörde erfolgt. Dies ist bei einer privaten Verkehrsüberwachung bzw. Anzeigenerstattung durch einen Anwohner nicht gewährleistet, selbst wenn Lichtbilder vorliegen, welche den Parkverstoß zeigen. Zu beachten ist weiterhin, dass eine gerichtliche Entscheidung hinsichtlich eines Kostenbescheides in der Regel ohne mündliche Verhandlung ergeht. Das Gericht ist deshalb in besonderem Maße auf die Angaben in der Akte angewiesen, eine Zeugenvernehmung findet nicht statt. Anzeigen von Polizei- oder Ordnungsbehördenbeamten sind regelmäßig nachvollziehbar gefertigt und aufgrund der dienstlichen Tätigkeit des Anzeigenden, kann in der Regel festgestellt werden, ob ein bzw. welcher Ordnungswidrigkeitstatbestand objektiv verwirklicht wurde, was Voraussetzung für den Erlass eines Kostenbescheides ist (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl. § 25a Rn. 5). Auch wenn es keinen Grundsatz gibt, wonach die Angaben eines solchen Beamten stets als zutreffend zu berücksichtigen sind, so bieten sie in der Regel eine verlässliche Grundlage. Bei Anzeigen durch Privatpersonen hat die Behörde regelmäßig weder Kenntnisse um die Glaubhaftigkeit der Angaben und die Glaubwürdigkeit der Person zu beurteilen noch über die Motivation für die Anzeige, die nicht aufgrund dienstlicher Tätigkeit gefertigt wurde. Deshalb ist eine durch eine Privatperson durchgeführte Verkehrsüberwachung, sei es auch ein Einzelfall, keine ausreichende Grundlage für den Erlass eines Kostenbescheides nach § 25a StVG. Sollten sich Verstöße häufen, bleibt es den Behörden unbenommen, die hierfür zuständigen Bediensteten vor Ort einzusetzen.“

 Dieser Begründung wird gefolgt, zumal sich in den letzten Jahren eine äußerst kritische Entwicklung gezeigt hat. So rufen Privatpersonen, Firmen oder Interessengruppen über Internetseiten oder Apps teilweise ausdrücklich die Bevölkerung dazu auf, jegliche Parkverstöße anzuzeigen (vgl. die Apps „weg.li“, „Wegegeld“, „falschparkermelden.de“ und „Wiado“). Auch informieren viele Städte und Gemeinden auf ihren Webseiten nicht nur über die Möglichkeit, Parkverstöße zur Anzeige zu bringen, sondern sie stellen hierfür Onlineverfahren bzw. Formulare bereit, die die Anzeigenerstattung erheblich erleichtern. All dies führt dazu, dass die Anzahl der Anzeigen von Halt- und Parkverstöße erheblich zugenommen hat (vgl. Hamburger Abendblatt vom 03.08.2021, https://www.abendblatt.de/hamburg/article232949313/warum-mehr-privatleut...).

 Zwar ist der Gemeinde …, die ein vorbereitetes Anzeigenformular auf ihrer Homepage zur Verfügung stellt, zuzugestehen, dass sie gleichzeitig ausdrücklich darauf hinweist, dass man von der Möglichkeit der Anzeige nur maßvoll Gebrauch machen soll und dass direkte Gespräche vorzuziehen seien. Dies ändert jedoch nichts daran, dass durch Apps, Onlineangebote und vorbereiteten Formulare insgesamt ein Klima des gegenseitigen Überwachens und Verpetzens zu befürchten ist. Dieses würde noch weiter gefördert, wenn man auf Grundlage solcher Anzeigen nicht nur den Erlass von Bußgeldbescheiden (falls die verantwortliche Person feststeht), sondern auch den Erlass von Halterkostenbescheiden nach § 25a StVG für möglich erachtet.

 Ein weiteres gewichtiges Argument gegen die Anwendung des § 25a StVG in diesen Fällen ist, dass den Behörden aufgrund der Privatanzeigen, insbesondere, wenn diese mit den zur Verfügung gestellten Onlineformularen gefertigt werden, keine nennenswerten Kosten entstehen. So werden lediglich wenige Daten in das System übernommen und ein automatisiertes Anhörungsschreiben produziert, dass regelmäßig mittels einfacher Post verschickt wird. Bei der herkömmlichen Verkehrsüberwachung durch eigene Bedienstete fallen hingegen zusätzlich die Personalkosten sowie Personalnebenkosten an, die aufgrund der Außendiensttätigkeit entstehen. Dies spricht ebenfalls für eine Auslegung des § 25a StVG dahin, dass die Kosten des Verfahrens dem Halter nur bei tatsächlicher hoheitlicher Überwachung auferlegt werden können.

 Im Übrigen sollte auch der Gefahr begegnet werden, dass wirtschaftliche Interessen im Zusammenhang mit der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten in den Vordergrund treten könnten. So dürften nicht nur die Betreiber der Apps vor allem wirtschaftliche Interessen haben, sondern auch für Behörden dürfte es äußerst lukrativ sein, wenn vermehrt Privatanzeigen eingehen, die bei Unmöglichkeit der Ermittlung des Fahrzeugführers in Halterkostenbescheiden münden.

 Zwar mag es durchaus so sein, dass die Rücksichtslosigkeit und auch die Anzahl der tatsächlichen Halt- und Parkverstöße in den letzten Jahren, mit Ausnahme der Zeit während der „Corona-Maßnahmen“, zugenommen haben. Es bleibt den Behörden aber unbenommen, insbesondere bei gravierenden oder wiederholten Verstößen, durch vermehrten und gezielten Einsatz von Bediensteten im Außendienst einzuschreiten. Diese können vor Ort entscheiden, ob tatsächlich ein Verfahren einzuleiten ist oder eine Ansprache des Fahrzeugführers ausreicht. Im vorliegenden Fall enthält die Anzeige als Tatzeit lediglich die Angabe „09:40 Uhr“. Wie lange das Fahrzeug so gestanden hat und ob der Fahrer sich nicht in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs befunden hat, wie die Betroffene vorgetragen hat, ist unklar. So erscheint es durchaus denkbar, dass bei Anwesenheit eines Ordnungspolizeibeamten vor Ort aufgrund der möglichen Geringfügigkeit des Verstoßes kein Bußgeldverfahren eingeleitet worden wäre. Die schematische Kostenauferlegung im Rahmen des § 25a StVG aufgrund einer Anzeige einer Privatperson wird dem hingegen nicht gerecht.

 Wenn die verantwortliche Person (Fahrer) festgestellt ist, ist hingegen der Erlass eines Bußgeldbescheides aufgrund einer Privatanzeige nicht ausgeschlossen. Falls der Betroffene Einspruch einlegt, kann dieser ebenso wie der anzeigende Zeuge in der Hauptverhandlung gehört werden.

 Die Entscheidung ist gemäß § 25 a Abs. 3 S. 3 StVG unanfechtbar.

 Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.

AG Büdingen Beschl. v. 16.5.2023 – 60 OWi 46/23, BeckRS 2023, 16678

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5 Kommentare

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Schon ärgerlich für das Gericht. Diese ganzen Verfahren, die es nur gibt, weil Private Aufgaben übernehmen, die dem Staat zu teuer sind. Wo kommen wir denn da hin, wenn sich am Ende noch jeder an die STVO halten muss? 

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Die Ohrfeige für das AG Büdingen in der NZV ist zu Recht schallend: kurz, prägnant und eingängig. Denn hier zeigt sich die Tendenz, dass die Amtsrichter auf einem Rechtsgebiet, in dem sie ausnahmsweise keiner obergerichtlichen Kontrolle unterliegen (§ 25a Abs. 3 Satz 3 StVG), einfach mal eine komplett falsche Rechtsprechung tradieren.

Schon wie das AG die anderen Urteile zitiert und - wo möglich - kopiert, ist unerträglich. Und dann das Moralisieren gegen "Denunizanten". Wenn aber wegen eines Falschparkers ein Fußgänger oder Radfahrer unter einen Lkw gerät, weil er beim Ausweichen auf die Fahrbahn nicht genügend aufgepasst hat oder einfach nicht genügend Erfahrung hatte (Schulkinder!), ist das Geschrei groß.

Nur in einem Punkt gebe ich dem AG Büdingen Recht:

"Im vorliegenden Fall enthält die Anzeige als Tatzeit lediglich die Angabe „09:40 Uhr“. Wie lange das Fahrzeug so gestanden hat und ob der Fahrer sich nicht in unmittelbarer Nähe des Fahrzeugs befunden hat, wie die Betroffene vorgetragen hat, ist unklar. So erscheint es durchaus denkbar, dass bei Anwesenheit eines Ordnungspolizeibeamten vor Ort aufgrund der möglichen Geringfügigkeit des Verstoßes kein Bußgeldverfahren eingeleitet worden wäre."

Hier hat das AG einen Punkt! In den Fällen in den ein Parkverbot besteht, muss man zudm feststellen, ob das Fahrzeug nicht doch nur kurz gehalten hat. In jedem Fall wäre für eine angemessene Ermessensentscheidung über die Einleitung eines OWi-Verfahrens ein wenig mehr Sachverhalt als bloß eine Aufnahme und eine Anzeige über den Zustand in einem Zeitpunkt nötig. Da muss der Zeuge schon mehr liefern.

Schon bei den Hamburger ADFC-Anzeigen Ende 2003 (Das Abendblatt berichtete zutreffend von "mehr als 1000 Anzeigen") über direkt neben oder auf dem Radweg stehende Kfz war klar, dass man die Strecke im zeitlichen Abstand von 5 bis 10 Minuten zweimal abgehen muss, um der (unwilligen) Polizei keinen Raum zu lassen, auszuweichen. Denn die hätte immer gesagt, dass nicht mal feststeht, das geparkt worden sei. Und leider war eben nicht immer die Fensterscheibe so stark beschlagen oder die Schneeauflage vom Vorabend so eindeutig, dass man sich den zweiten Angang sparen konnte.

Hätte das AG sich also einfach darauf beschränkt zu begründen, dass selbst beim Feststehen der Person, die das Fahrzeug abgestellt hat, aufgrund der schwachen Beweislage und Unkenntnis des Sachverhalts kein OWi-Verfahren eingeleitet worden wäre, und deshalb gem. § 25a Abs. 1 Satz 3 StVG von einer Festsetzung der Kostenbelastung abzusehen war, wäre alles gut gewesen. Aber nein - es musste brav alles aufgeschrieben werden, was man mal gelesen hat.

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Ich halte die Entscheidung auch für falsch. Vielleicht noch erwähnenswert: Voraussetzung für den Kostenbescheid ist selbstverständlich, dass die Behörde ein OwiG-Verfahren eingeleitet & dem Halter Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat. 

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Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Sa, 2024-01-27 01:24 PERMANENTER LINK hat nachgezählt, jetzt kommen 29000 Wörter auf 89 Seiten, es folgt der achte Teil:

Vorwurf der medialen Manipulation und Zensur

Mitte 2014 zeigten sich Journalistenverbände über die Medienfreiheit in Serbien besorgt.[25] Dabei wurde Vučić als Ministerpräsident scharf kritisiert. So gebe es im Lande beinahe keine Opposition mehr. Des Weiteren wird berichtet, dass „die Boulevardpresse wie ein Schlaghammer der Regierung“ ist, der „Rufmord an Regimegegnern begeht“, und dass es kaum regimekritische Medien gäbe, da sich Vučić über staatliche Institutionen stellen würde.[25] Die in Serbien bekannte Journalistin Jovana Gligorijević äußerte sich ebenfalls besorgt und sagte, dass „die Redefreiheit sehr wohl bedroht sei, denn Websites wurden neulich blockiert, Blogs entfernt und Blogger festgenommen“, wofür Gligorijević indirekt Vučić verantwortlich machte. Sie beklagte, dass es sich in allen Fällen um regimekritische Inhalte handle und dass es auf der anderen Seite in der Tagespresse kaum regimekritische Artikel gebe, was zur Selbstzensur führe. Die Situation verschärfte sich, als die Beauftragte für Medienfreiheit der OSZE, Dunja Mijatović, den serbischen Regierungschef schriftlich auf die „Unterdrückung der Medien“ aufmerksam machte. Vučić erwiderte im Jahr 2015, dass viele Vertreter der internationalen Gemeinschaft, ausländische Botschafter sowie die OSZE eine Kampagne gegen ihn führen würden, „weil Serbien gegen Russland keine Sanktionen wegen der Ukrainekrise verhängen will“ und dass eine Unterdrückung der Medien „Quatsch“ sei.[25] Zusätzlich wies er darauf hin, dass meistens jene Journalisten über mangelnde Pressefreiheit klagen würden, „die am freiesten mit ihren Beleidigungen und ihren erfundenen Geschichten sind“.[26] Stand 2023 übt der serbische Staatsapparat unter Präsident Aleksandar Vučić als größter Geldgeber und Werbekunde den bedeutendsten Einfluss auf serbische Medien aus. So wird in vielen serbischen Medien Stimmung gegen die Europäische Union und pro Russland gemacht.[27][28]

Die Medien in Serbien sind bis auf wenige verbliebene Ausnahmen ganz auf ihn ausgerichtet. Der serbische Medienunternehmer Goran Veselinović und der Oligarch Željko Mitrović (über TV Pink) betreiben eine ausschließlich positive Berichterstattung über Vučić. Als zwei der wenigen verbliebenen unabhängigen Zeitungen sind das liberale Belgrader Blatt „Danas“ und die Wochenzeitung „Vreme“ zu nennen. Im Fernsehen sind das serbische Programm der „Deutschen Welle“ und „N1“ die wenigen Medien, die auch kritisch berichten und zudem Vučićs Gegner zu Wort kommen lassen.[29] Die sieben größten Tageszeitungen Serbiens erschienen zum Abschluss der Wahlkampagne Vučićs mit identischer Titelseite – den Initialen „A“ und „V“ sowie dem Wahlkampfslogan: „Schneller. Stärker. Besser. Serbien. Wählt Vucic!“[8]

  1. ↑ Hochspringen nach:a b c Andrej Ivanji: Die Pampigkeit des Herrn Vucic. In: Die Tageszeitung, 21. Juli 2015.

  2.  Aleksandar Vucic: "Wir wollen eine rasche Lösung für den Kosovo". Interview mit Christian Wehrschütz. In: Kleine Zeitung. 2. Februar 2018, abgerufen am 14. Januar 2022.

  3.  tagesschau.de: EU-Kandidat Serbien: "Der Einfluss russischer Medien ist riesig". 13. Januar 2023, abgerufen am 12. April 2023.

  4.  tagesschau.de: Serbische Medien: Wie deutsche Firmen Desinformation finanzieren. 12. April 2023, abgerufen am 12. April 2023.

  5.  Michael Martens: Präsidentschaftswahl: Wie Serbiens Regierungschef seine Macht ausbaut. In: faz.net. 2. April 2017, abgerufen am 25. November 2017.

Gast kommentiert am Mo, 2024-01-15 14:09 PERMANENTER LINK

Aljaksandr Ryhorawitsch Lukaschenka (belarussisch Аляксандр Рыгоравіч Лукашэнка [alʲakˈsand(a)r rɨˈɣɔravʲit͡ʂ lukaˈʂɛnka], russisch Алекса́ндр Григо́рьевич Лукаше́нко [ɐlʲɪkˈsandr ɡrʲɪˈɡorʲjɪvʲɪtɕ lʊkɐˈʂɛnkə], deutsch ‚Alexander Grigorjewitsch Lukaschenko‘;[1] * 30. August 1954 in KopysWeißrussische SSRSowjetunion) ist ein belarussischer Politiker und seit dem 20. Juli 1994 der faktische Präsident von Belarus. Von der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und einer Reihe weiterer Staaten wird er seit der gefälschten Präsidentschaftswahl 2020 und den darauf folgenden Massenprotesten im Land nicht mehr als legitimes Staatsoberhaupt anerkannt.[2][3] Wegen seines autoritären Regierungsstils bezeichnen ihn Politikwissenschaftler und Beobachter als „letzten Diktator Europas“.[4][5][6][7]

Lukaschenka entmachtete mit mehreren im Allgemeinen als undemokratisch[8] eingeschätzten Volksabstimmungen das aus Rat der Republik und Repräsentantenhaus bestehende Parlament. Er regiert das Land seitdem als faktischer Alleinherrscher.[9][10] Auf die Massenproteste gegen die Herrschaft Lukaschenkas 2020 reagierten die Behörden mit Gewalt. Am 1. September 2020 meldete das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, seit dem Tag der Präsidentschaftswahl Berichte zu über 450 dokumentierten Fällen von Folter und Misshandlungen erhalten zu haben, darunter auch über Anwendung von Gewalt gegen Frauen und Kinder sowie sexuellen MissbrauchVergewaltigung und Verschwindenlassen von Regierungsgegnern.[11]

  1.  Betonung Alexánder Grigórjewitsch Lukaschénko.

  2.  show #solidaritywithbelarus now! Abgerufen am 1. Dezember 2022 (russisch).

  3.  El Pais interview with HR/VP Borrell: „Lukashenko is like Maduro. We do not recognize him but we must deal with him“. In: eeas.europa.eu. 22. Juli 2020, abgerufen am 25. August 2020.

  4.  Weißrussland: Lukaschenko – Der letzte Diktator Europas – Bilder & Fotos. In: welt.de. Abgerufen am 2. September 2020.

  5.  Juan Moreno: Proteste gegen Lukaschenko in Belarus: Wie lang hält sich Europas letzter Diktator? In: Der Spiegel. Abgerufen am 2. September 2020.

  6.  Inna Hartwich aus Moskau: Stürzt der «letzte Diktator Europas»? 5 Fragen und Antworten zu den Protesten in Weissrussland. Abgerufen am 2. September 2020.

  7.  Hollie McKay: Who is Belarus President Alexander Lukashenko, „Europe’s Last Dictator“? 17. August 2020, abgerufen am 2. September 2020 (amerikanisches Englisch).

  8.  Warum die Opposition von Wahlfälschung spricht, deutschlandfunk.de, 10. August 2020, abgerufen am 7. April 2021.

  9.  Alexander Lukaschenko: 25 Jahre Alleinherrschaft und kein Ende. In: Deutsche Welle. 10. Juli 2019, abgerufen am 2. September 2020.

  10.  Belarus president rejects calls for new election as opposition grows. Abgerufen am 2. September 2020 (englisch).

  11.  UN human rights experts: Belarus must stop torturing protesters and prevent enforced disappearances. In: ohcr.org. 1. September 2020, abgerufen am 1. September 2020 (englisch).

Gast kommentiert am Mi, 2024-01-17 11:50 PERMANENTER LINK

Putin gilt als Gegner des Antisemitismus. 2003 etwa verurteilte er am Jahrestag der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz jeden Antisemitismus. In seinem Kampf gegen die russischen Oligarchen, von denen mehrere jüdischer Herkunft sind, benutzte er keinerlei antisemitische Polemik.[380] 2005 besuchte er als erster russischer Präsident Israel und betonte die Verbundenheit beider Völker durch Kultur und Geschichte. 2016 rief er die Juden Westeuropas angesichts muslimischer Einwanderung und zunehmenden Antisemitismus dazu auf, nach Russland auszuwandern.[381]

Der Historiker Matthias Vetter versteht diese Haltung Putins als Teil einer Strategie, mit der der Ruf Russlands im Ausland verbessert und die verschiedenen Ethnien im Land im Gleichgewicht gehalten werden sollen. Seine Staatsideologie weise zudem Gemeinsamkeiten mit dem Weltbild der Antisemiten auf, nämlich eine grundsätzliche Positionierung gegen die westliche Welt, die Vorstellung, dass das eurasisch und orthodox geprägte Russland sich vom Rest der Welt grundsätzlich unterscheide, sowie die Neigung, unerwünschte Entwicklungen mit Verschwörungstheorien zu erklären. Daher könne er mit russischen Nationalisten wie Alexander Geljewitsch Dugin ohne Probleme zusammenarbeiten.[380] Die amerikanischen Politikwissenschaftler James L. Gibson und Marc Morjé Howard verweisen auf die wirksame Werbung für Toleranz, die Putin, ganz unabhängig von seinen Intentionen, mit seinen Bemühungen gelang. In dieser entschiedenen, öffentlichen Verdammung des Antisemitismus durch die Eliten sehen sie einen wichtigen Unterschied zwischen dem Russland des Jahres 2007 und dem in früheren Zeiten.[382]

Am 5. September 2023 begründete Putin den Krieg gegen die Ukraine mit der Behauptung, der „ethnische Jude“ Selenskyj sei installiert worden, um von „Nazismus“ in der Ukraine abzulenken. Der Sprecher des ukrainischen Außenministeriums Oleg Nikolenko wertete diese und andere Äußerungen Putins als Zeichen für dessen „tief verwurzelten Antisemitismus“.[383]

  1. ↑ Hochspringen nach:a b Matthias Vetter: Russland nach dem Ende der Sowjetunion. In: Wolfgang Benz (Hrsg.): Handbuch des Antisemitismus. Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart, Band 1: Länder und Regionen. De Gruyter Saur, Berlin 2010, ISBN 978-3-11-023510-4, S. 310.

  2.  Lidia Averbukh, Margarete Klein: Machtpolitik und selektive Kooperation. Russland und Israel im Zeichen des Syrienkriegs. In: Osteuropa 69, Heft 9/11: Migration, Identität, Politik: Trans-inter-national: Russland, Israel, Deutschland. (2019), S. 317–332, hier S. 320 f.

  3.  James L. Gibson, Marc Morjé Howard: Russian Anti-Semitism and the Scapegoating of Jews. In: British Journal of Political Science 37, Heft 2 (2007), S. 193–223, hier S. 281 f.

  4.  Ulrike Hagen: „Ethnischer Jude“ Selenskyj als Kriegsgrund: Putin legt krude nach – „Geradezu besessen“. Frankfurter Rundschau, 6. September 2023

Gast kommentiert am Fr, 2024-01-19 10:25 PERMANENTER LINK

Propaganda

Im April 2017 berichtete Doschd über die Gründung einer Arbeitsgruppe des Präsidenten, die gegen Nawalny eine Diskreditierungskampagne führen soll. Es werden per Outsourcing Videos, Filme, Videospiele und manipulative Medienberichte erstellt. Nach Angaben der Quellen soll „ungefähr wie mit Hitler“ gekämpft werden.[229] Gleich nach diesem Bericht erschien ein Video auf YouTube unter dem Titel Hitler 1945. Nawalny 2018 – Wir können es wiederholen, in dem Nawalny direkt mit Hitler verglichen wird. Laut Frankfurter Rundschau gehört dieses Video zur Staatspropaganda. Gleichzeitig sagte der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Gennadi Sjuganow in der Staatsduma, es sei bereits ein „neuer Führer“ erschienen. Beobachter hielten diese Bemerkung für auf Nawalny gemünzt.[230]

  1.   – Doschd, 18. April 2017.

  2.  „Hitler 1945. Nawalny 2018“ – Frankfurter Rundschau, 21. April 2017.

Gast kommentiert am Mi, 2024-02-21 15:41 PERMANENTER LINK

Der Migrationsforscher Jannis Panagiotidis geht davon aus, dass ein Viertel der russischsprachigen Menschen in Deutschland unter dem Einfluss von russischer Propaganda steht. Die prorussischen Protest haben seiner Meinung nach mit der Angst vor angeblicher Russophobie zu tun, die in sozialen Netzwerken mit Fakes gezielt geschürt würde.[94] Panagiotidis hielt es für keinen Zufall, „dass die Autokorsos in verschiedenen deutschen Städten gegen Diskriminierung mobilisierten und nicht etwa explizit für den Krieg.“ So habe sich die sonst politisch eher passive russischsprachige Community mobilisieren lassen.[95]

Laut der Osteuropa-Historikerin Susanne Spahn sollte das von den russischen Staatsmedien RT und SNA geschürte Thema der angeblichen Diskriminierung von Russen und russischsprachigen Menschen in Deutschland differenziert gesehen werden. Es gäbe einen Unterschied zwischen real existierenden anti-russischen Anfeindungen und einer Kampagne, die das für politische Ziele aufbaut und nutzt.[96]

Die Slawistin Gesine Dornblüth sah bei den prorussischen Protesten Parallelen zu den 2016 verbreiteten Fake News im Fall Lisa,[1] den der Historiker Hubertus Knabe als russischen Einflussversuch in Deutschland wertete.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) wies auf gezielte Desinformationskampagnen hin, die das Ausmaß von Übergriffen und Anfeindungen gegen russischstämmige Personen überhöhen. Laut dem BfV habe die Russische Botschaft in Berlin viele unbestätigte Fälle von Übergriffen oder Diskriminierungen gegen diesen Personenkreis gesammelt und verbreitet.[81]

In einer Handreichung des Schleswig-Holsteinischen Innenministeriums für Kommunen und Polizei heißt es zu prorussischen Protesten: „Das Thema richtet sich in diesen Fällen nur vordergründig gegen die Diskriminierung russischsprachiger Mitbürgerinnen und Mitbürger in Deutschland, um den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands zu unterstützen.“[78][97]

Zwischen den Akteuren prorussischer Autokorsos und dem Umfeld der Querdenker-, Coronaleugner und Impfgegner-Szene bestanden Verbindungen: Aufrufe zu Autokorsos wurden in den Telegramkanälen von Querdenker-Gruppen geteilt.[98]

  1.  Annushka Schwarz: Berlin: Warum Autokorsos Propaganda für Putin machen bei Deutsche Welle vom 12. April 2022

  2.  Jan-Frederik Fischer, Sabrina Morenz: Russophobie: So viele Fälle sind bekannt bei zdf.de vom 29. April 2022

  3.  Orestis Skenderis: Warum Putins Propaganda auch auf Russlanddeutsche in Bremen abzielt bei Buten un Binnen vom 30. April 2022

  4.  Handreichung zum Umgang mit pro-russischen Versammlungen. In: Ministerium für Inneres, ländliche Räume, Integration und Gleichstellung Schleswig-Holstein. Abgerufen am 30. Dezember 2022.

  5.  Jannis Große: Kriegsverharmloser auf Tour in Neues Deutschland vom 10. April 2022

Gast kommentiert am Do, 2024-02-22 11:31 PERMANENTER LINK

Putins Krieger – Russische Überläufer packen aus ist eine Dokumentations-Fernsehserie des ZDF aus dem Jahr 2024. Darin geben vier ehemalige russische Soldaten Einblicke in die russische Armee und berichten über Gewalt und Kriegsverbrechen im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine, der russischen Beteiligung im Bürgerkrieg in Syrien sowie in russischen Gefangenenlagern.[1][2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  „Putins Krieger“ im ZDF: An der Spitze der Armee „sitzen komplette Idioten“, auf faz.net, vom 21. Februar 2024. Abgerufen am 22. Februar 2024.

  2.  Grobe Verletzung der Menschenrechte: Eine ZDF-Doku, die aufhorchen lässt: Jetzt packen „Putins Krieger“ aus, auf focus.de, vom 19. Februar 2024. Abgerufen am 22. Februar 2024.

Gast kommentiert am Di, 2024-03-05 12:49 PERMANENTER LINK

The German Taurus leak was a military communications leak that resulted from Russia's interception of a top-secret discussion between German military officials about sending long-range Taurus missiles to Ukraine.[2] The 38-minute recording was released on social media on 1 March 2024 by Margarita Simonyan, the editor-in-chief of Russia's RT channel.[1] Germany confirmed the recording was of a real conversation but said it couldn't rule out that the recording might have been edited; Chancellor Olaf Scholz promised a quick investigation.[3]

The leak of the conversation between Ingo Gerhartz, commander of the Luftwaffe, and three subordinates was profoundly embarrassing to Germany, and a propaganda coup for Russia.[2][1] Among the topics the officials discussed in their conversation, conducted using standard commercial Webex video conferencing software, were the presence of UK and US military personnel in Ukraine and the potential use of Taurus missiles to blow up the Crimean Bridge.[1][4]

References

  1. Jump up to:a b c d Sabbagh, Dan (4 March 2024). "How significant is Russia's apparent interception of military talks on Ukraine?". The Guardian. ISSN 0261-3077. Retrieved 4 March 2024.

  2. Jump up to:a b "Gleeful Russia relishes German Taurus leak scandal". POLITICO. 4 March 2024. Retrieved 4 March 2024.

  3. ^ "Germany confirms leak of Bundeswehr Ukraine war talks – DW – 03/02/2024". dw.com. Retrieved 4 March 2024.

  4. ^ Pancevski, Bojan. "Russian Tape of Secret German Meeting Reveals Berlin's Thinking on Sending Missiles to Ukraine". WSJ. Retrieved 4 March 2024.

External links

Gast kommentiert am Di, 2024-03-05 08:37 PERMANENTER LINK

Der Taurus-Abhörfall betrifft eine geleakte Webkonferenz von Offizieren der Luftwaffe im Februar 2024, bei der Rahmenbedingungen einer möglichen Lieferung und Einsatzzenarien deutscher Taurus-Marschflugkörper im Russisch-Ukrainischen Krieg besprochen wurden. Veröffentlicht wurde der Taurus-Leak am 1. März 2024 von der Chefredakteurin des russischen Auslands- und Propagandasender RTMargarita Simonjan, auf ihrem Telegram-Kanal und daraufhin von anderen Medien weiter verbreitet.[1]

Hintergrund

Im Februar 2024 hatte der deutsche BundeskanzlerOlaf Scholz, angedeutet, dass britische Truppen dabei hälfen, die von ihnen gelieferten Storm Shadow/SCALP-Flugkörper abzufeuern.[2] Scholz blockiert die mögliche Lieferung von Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine, weil er befürchtete, sie könnten für einen Angriff auf Moskau genutzt werden.[3]

In diesem Zusammenhang wurde ein Gespräch anlässlich der Vorbereitung eines Briefings für den Bundesminister der VerteidigungBoris Pistorius, zum Thema Taurus am 19. Februar 2024 im mutmaßlich russischen Auftrag abgehört und aufgezeichnet. Gesprächsteilnehmer waren der Inspekteur der LuftwaffeIngo Gerhartz, und der Abteilungsleiter für Einsätze und Übungen im Kommando LuftwaffeFrank Gräfe, der aus einem Hotel in Singapur zugeschaltet war, sowie zwei Oberstleutnante aus dem Zentrum Luftoperationen beziehungsweise dem Taktischen Luftwaffengeschwader 33.[4][5][6][7][8]

Inhalte und Veröffentlichung

Bei dem 38 Minuten langen Mitschnitt wurde über geheimhaltungsbedürftige Informationen mittels der nicht für diesen Geheimhaltungsgrad zugelassenen Videokonferenz-Software Webex des US-amerikanischen Anbieters Cisco gesprochen. Laut dem Portal heise.de können per Telefon zugeschaltete Gesprächsteilnehmer keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung aufbauen.[9]

Zu den mutmaßlich als Verschlusssache und Staatsgeheimnis zu betrachtenden Inhalten zählten Details zu Fähigkeiten des Flugkörpers wie Flughöhen, der Zeit zur Vorbereitung eines Einsatzes, Ausbildungsmöglichkeiten und -dauer von Soldaten der ukrainischen Streitkräfte an dem Waffensystem, die Montage des Taurus an ukrainischen Suchoi-Flugzeugen, die Zielprogrammierung der Taurus-Marschflugkörper, russische Munitionsdepots und die Kertsch-Brücke als mögliche Ziele und die Verlagerung der Zuarbeit bei der Zielprogrammierung auf das Rüstungsunternehmen MBDA Deutschland. Die Teilnehmer sprechen nicht nur über Taurus, sondern auch über das von Briten und Franzosen gelieferte Storm Shadow/SCALP, über die Zusammenarbeit in diesem Bereich mit den Ukrainern, über die Anzahl der verfügbarer Storm Shadow/SCALP sowie der einsatzbereiten ukrainischen Trägerflugzeuge. Es wird auch angedeutet, dass sich britische und US-amerikanischen Personen in der Ukraine befinden. Sie hätten „mehrere Leute vor Ort“, so Gerhartz.[4][5][6][7][3]

Die Anwesenheit von Personal anderer Länder wurde von der ukrainischen Regierung bisher verneint. Ein Gesprächsteilnehmer erwähnte, dass er weitere Informationen per „WhatsApp“ verschicken könne, ein weiterer möglicher Sicherheitsverstoß. Ein weiterer Teilnehmer der Telefonkonferenz besprach die Ausbildung ukrainischer Truppen auf deutschem Boden und erklärte, nachdem sie ausgebildet worden seien und bereit seien, in die Ukraine zurückzukehren, sei es die „richtige Vorgehensweise“, dass Großbritannien die weitere Begleitung übernehme.[3] Weiterhin widersprechen einige Details der Gesprächsinhalte der Begründung des Bundeskanzlers Scholz, er werde keine Taurus an die Ukraine liefern, weil dafür der Einsatz von deutschen Soldaten vor Ort erforderlich sei.[10][11]

Weblinks

Einzelnachweise

  1.  Germany to investigate Russia’s apparent interception of military talks on Ukraine. In: The Guardian. 3. März 2024, abgerufen am 3. März 2024.

  2.  Geheimdienst-Infos verraten? Sicherheitsexperte entsetzt von Scholz. In: Frankfurter Rundschau. 4. März 2024, abgerufen am 5. März 2024.

  3. ↑ Hochspringen nach:a b c d James Jackson: Germany spills British military secrets to Russia. In: telegraph.co.uk. 3. März 2024, abgerufen am 4. März 2024 (englisch).

  4. ↑ Hochspringen nach:a b Marco Seliger: Gegen alle Sicherheitsregeln: Russen hören Taurus-Gespräch deutscher Generale ab. In: Neue Zürcher Zeitung. 2. März 2024, ISSN 0376-6829 (nzz.ch [abgerufen am 2. März 2024]).

  5. ↑ Hochspringen nach:a b Georg Ismar: Bundeswehr-Abhörfall: Eine verhängnisvolle Schalte. In: sueddeutsche.de. 2. März 2024, abgerufen am 3. März 2024.

  6. ↑ Hochspringen nach:a b Kerstin Münstermann: Debatte über Taurus-Lieferung: Zumindest Scholz’ Schweigen hat ein Ende. 26. Februar 2024, abgerufen am 2. März 2024.

  7. ↑ Hochspringen nach:a b Bundeswehr-Abhörskandal: CDU-Experte bezeichnet Scholz als „Sicherheitsrisiko“ – und äußert Befürchtung. In: fr.de. 2. März 2024, abgerufen am 3. März 2024.

  8.  Scholz's 'sore spot': Impact of Bundeswehr leak on Ukraine's Taurus missiles bid. Abgerufen am 4. März 2024 (englisch).

  9.  Nico Ernst: Bundeswehr wurde bei Diskussion über Taurus per WebEx abgehört. In: heise.de. 2. März 2024, abgerufen am 3. März 2024.

  10.  Bundeswehr abgehört: Union stellt Scholz' Glaubwürdigkeit infrage. In: tagesschau.de. 3. März 2024, abgerufen am 3. März 2024.

  11.  Patrick Heinemann: Taurus-Leak: Rechtsfragen und Antworten. In: lto.de. 4. März 2024, abgerufen am 4. März 2024.

 

Jüngere Frauen mit Ha

Zum Abschluss des langatmigen, schwerblütigen Abschnitts Politische Ideengeschichte Europas erlaube ich mir einen Sprung über den großen Teich mitten in den amerikanischen Präsidentschafts-Wahlkampf. Das Finale im November zwischen Nikki Haley und Kamala Harris findet bedauerlicherweise nicht statt, so dass die alten, schrulligen Europeens auch nicht aufatmen können. 

 

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