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Meine Kommentare
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Vgl. jetzt auch meine Anmerkung in MMR zu dieser Entscheidung (Link).
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Saint John,
für Ihre Diskussionsbeteiligung meinen Dank. Pauschal- und Vorurteile sollen hier nicht vorherrschen. Um in dem "Konflikt" zu vermitteln:
1. Ja, es sind in dieser Auseinandersetzung auch "pauschale" Urteile und auch Vorurteile geäußert worden. Allerdings gibt die anfangs wenig transparente und zum Ende auch nicht nachvollziehbare "Klärung" im Ermittlungsverfahren solchen Pauschal- und Vorurteilen Raum. Ich gehe davon aus, dass eine gerichtliche Klärung hier sehr viel sorgfältiger ans Werk ginge. Dass die Polizeibeamten kein "faires Verfahren" erwartet, halte ich für ausgeschlossen. Selbst die Organisatoren der Podiumsdiskussion und der Demonstration haben sich bemüht, keine polizeifeindliche Stimmung aufkommen zu lassen oder zu verbreiten.
2. Klar ist auch, dass Psychologen kein Wundermittel sind und selbstverständlich auch geschützt werden müssten gegen einen potentiellen Angreifer, dessen Gefährlichkeit sich nicht abschätzen lässt.
3. Hier sind vier Streifenwagen unkoordiniert am "Tatort" eingetroffen, eine Einsatzleitung existierte nicht und wurde auch nicht ad hoc bestimmt. Dass auch der Einsatz insgesamt dann unkoordiniert verlief, liegt m. E. recht nahe, dies wird jedoch von den polizeilichen Verantwortlichen bislang bestritten. Alle acht Beamten sind in das enge Treppenhaus gegangen. Die "Enge" wird heute als maßgeblicher Grund dafür angegeben, dass man nicht (ohne zugleich Kollegen zu gefährden) angemessen reagieren konnte und der schnelle Rückzug unmöglich wurde. Das ist ein Punkt, der zwar nicht strafrechtlich jedem einzelnen Beamten zur Last fallen mag, aber den Gesamteinsatz betrifft. Ein Einsatzleiter hätte vielleicht die Enge des Treppenhauses richtig eingeschätzt und eine Vorhut mit besonders besonnenen Beamt/inn/en zur Abklärung hineingeschickt. Diese hätten sich leichter zurückziehen können, ohne die Kollegen "im Rücken" zu haben. Aber wie gesagt - ich bin kein Experte in Polizeitaktik.
4. Es existiert in Regensburg ein "Verhandlungsteam" mit psychologisch besonders geschulten Beamten für Fälle mit Geiselnehmern oder (etwa) psychisch auffälligen Suizidenten u.ä. Dass man dieses Team für sinnvoll hält in bestimmten Fällen, ergibt sich daraus, dass es existiert. Dieses Team wurde nicht herbeigeholt. Man hat dies auch offenbar nicht geplant. Hätte man daran gedacht und vorerst nur sicher gestellt, dass T.E. nicht andere Personen gefährdet, wäre es vielleicht nicht zu diesem tragischen Ereignis gekommen. Das ist "hätte, würde, könnte" - natürlich ist es das. Aber dass es keine Garantie dafür gibt, dass ein Psychologe geholfen hätte, scheint mir kein überzeugendes Gegenargument. Offenbar (natürlich "ungewollt") hat der konkret stattgefundene Einsatz jedenfalls kein optimales Ergebnis gebracht.
Mit besten Grüßen
Henning Ernst Müller
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Kompa,
Ihren verlinkten Artikel nehme ich mal zum Anlass der Feststellung, dass die Berichterstattung der Presse dann (und erst Recht) in Ordnung ist, wenn sie sich auf eine Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft stützen kann. Umso mehr ist zu beachten, dass die Behörde - als oftmals entscheidender Filter der Presseberichterstattung - bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit in laufenden Verfahren zurückhaltend agiert, meines Erachtens sollte über laufende Ermittlungsverfahren von Polizei/Staatsanwaltschaft idealerweise gar nichts an die Öffentlichkeit gegeben werden.
Besten Gruß
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Saint John,
das Theorie/Praxis-Problem einer rechtlichen Aufarbeitung eines tatsächlichen Geschehens ist mehr oder weniger das Grundproblem jedes Strafverfahrens. Wenn deshalb jedes Verfahren eingestellt werden müsste, könnten wir gar kein Strafrecht mehr durchsetzen. Wenn sich aber
"selbst Spezialeinheiten mit Messer bewaffneten Störern nur mit Kettenpanzer und etwa 2 Meter langen Stangen bewaffnet nähern"
fragt sich natürlich, warum eben diese von Ihnen als selbstverständlich geschilderte polizieliche Erkenntnis eben gerade hier nicht bzw. unzureichend berücksichtigt wurde und man sich dann also "sehenden Auges" in eine absehbare Notwehrsitaution hineinbegeben hat. Natürlich musste T.E. auch als Tatverdächtiger (hinsichtlich des von seinem Mitbewohner geschilderten Verhaltens) angesehen werden, aber was soll das hinichtlich der konkreten Einsatzsituation ändern? Da er nicht flüchtig war, hätte man für die Festnahme und Klärung des Tatverdachts noch lange Zeit gehabt.
Drogeneinnahme wurde hier durch die Rechtsmedizin ausgeschlossen, ist aber natürlich in anderen Fällen ein Thema, das auch bei Gewalttätigkeit gegen Polizeibeamte zu beachten ist.
Es würde sicherlich zu weit führen, allg. polizeiliche Einsatztaktik hier zu diskutieren - einerseits bin ich da wirklich kein Experte, andererseits werden solche Taktiken ja auch von den Experten nur ganz eingeschränkt in der Öffentlichkeit diskutiert, aus richtigen und nachvollziehbaren Gründen. Was die konkrete Taktik bei dem hier besprochenen Einsatz betrifft, gibt es widersprüchliche Angaben. Einerseits hat man doch den Eindruck, hier sei - ob strafrechtlich vorwerfbar oder nicht - doch jedenfalls etwas "schief" gegangen: Ein Beamter begibt sich, seiner Angabe nach durchaus taktisch überlegt ("das habe man so trainiert") , in eine Raumecke, in der er dann aber nur Sekunden später von seinen Kollegen per Schusswaffeneinsatz "gerettet" werden muss. Andererseits wird behauptet, der Einsatz sei - auch in der Abfolge - richtig gewesen und würde sich womöglich heute wieder so ereignen. Gerade um solche Widersprüche aufzuklären, erscheint mir ein transparentes Hauptverfahren unerlässlich.
Mit besten Grüßen
Henning Ernst Müller
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrte/r Herr/Frau rub1kon, sehr geehrte Frau Ertan,
§ 227 StGB verlangt Vorsatz nur hinsichtlich der Körperverletzung und eine (im Gefahrzusammenhang damit zurechenbar verursachte) fahrlässig herbeigeführteTodesfolge (§ 18 StGB).
Ein Körperverletzungsvorsatz ist hier wegen der Misshandlung, die in der Einführung einer Magensonde und Verabreichung eines Brechmittels zu sehen ist, gegeben. Das Grunddelikt entfiele also nur bei einer Rechtfertigung (hier: durch die StPO). Da die "Befürchtung" von Gesundheitsnachteilen (vgl. § 81a StPO) nahe liegt, halte ich diese Rechtfertigung für zweifelhaft (s.o.). Da § 223 StGB vorliegt und die Todesfolge mit dieser Körperverletzung im Gefahrzusammenhang steht, ist eine Verwirklichung des § 227 StGB nicht fernliegend - es wird auf die subj. Vorhersehbarkeit ankommen.Nach den bekannten Einschätzungen des Ärztetages (eine trotz des Einwands von Frau Ertan nicht ganz zu vernachlässigende Stimme), wird es m.E. aber schwierig sein, die - auch tödlichen Gefahren - die bei der zwangsweisen Magensondierung bestehen, zu ignorieren.
Zur "fahrlässigen Mittäterschaft" - auch dies darf durchaus in der Examensklausur angesprochen werden. Ich halte diese Konstruktion aber meist (und auch im hiesigen Fall) für überflüssig - die Tatbeiträge sind hier durchaus unterschiedliche: Ltd. Polizeibeamter ordnet an, Polizeibeamte halten das Opfer fest, Arzt führt aus, Notarzt wird später herbeigerufen, um... - ja was eigentlich hat der getan? - offenbar hat er nur dabei gestanden und das "Sterben" überwacht, die Misshandlung wurde nämlich vom "jungen Kollegen" fortgesetzt, obwohl man (er?) ja schon einen "Notfall" annahm.
Frau Ertan hat insofern Recht, dass auch ein Übernahmeverschulden nicht von vornherein "fest steht". Aber das LG hatte dies nicht einmal geprüft. Aus eben Ihren Einwänden gegen ein Übernahmeverschulden des jungen Kollegen entnehme ich, dass die Verantwortung hier bei den Polizeibeamten gesucht werden muss (sie hatten keinen Richter oder Staatsanwalt hinzugezogen, wegen angebl. "Gefahr im Verzug").
Zum Gefahrzusammenhang: Sowohl im Hamburger als auch im Bremer Fall fanden sich Gutachter, die die Magensondierung als ungefährlich bezeichneten und den Tod auf Herzschäden zurückführten. Im Bremer Fall äußerte sich Chefarzt Püschel, der zuvor in Hamburg mitverantwortlich war, entsprechend im Sinne der Verteidigung.
Mit freundlichen Grüßen
Henning Ernst Müller
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Mediziner,
in der Tat ein spannendes und lesenswertes Dokument, diese Radioreportage. Leider findet sich wirklich nichts über die Auseinandersetzung selbst oder über die Art und Weise, wie bzw. wie lange "Mauro" angegriffen wurde oder wie er entkommen ist. Dieser Teil wird ja leider komplett ausgespart.
Auch dies übrigens ein Punkt, der in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung zu klären wäre.
Besten Gruß
Henning Ernst Müller
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Kurzer Nachtrag:
Nach dieser Quelle (mit einer Chronologie des Bremer Falls) widersprach das Vorgehen offenbar auch der Dienstanweisung des "ärztlichen Beweissicherungsdienstes":
"13. Januar 2005: Bei einer Sitzung der Innendeputation wird bekannt, das gemäß einer Dienstanweisung des ärztlichen Beweissicherungsdienstes aus dem Jahr 2001 die Vergabe von Brechmitteln per Magensonde bei "heftiger Gegenwehr" unzulässig ist. Die Bremer Ärztekammer kündigt rechtliche Schritte gegen den an den Zwangsmaßnahmen beteiligten Mediziner I. V. an."
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Herr/Frau Ass. Iur.,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Der BGH selbst hat die "Nebentäterschaft"-Frage ja schon angesprochen. So heißt es in der Pressemitteilung.
"Den unerfahrenen und mit einem solchen Eingriff stark überforderten Angeklagten treffe auch ein Übernahmeverschulden, das durch ebenfalls todesursächliche Pflichtverletzungen Dritter (Notarzt, Organisatoren des Beweismittelsicherungsdienstes) nicht beseitigt werden konnte. Diese seien – bisher unbehelligt gebliebene – Nebentäter."
Anstiftung oder Mittäterschaft kommt bei Fahrlässigkeitsdelikten nicht in Betracht. Ich würde in einem solchen Fall aber Examenskandidaten z.B. empfehlen, § 227 StGB zu prüfen. Ob nämlich eine Rechtfertigung durch § 81a StPO (nach den oben wiedergegebenen medizinischen Einwänden der Bundesärztekammer) noch gegeben ist, erscheint höchst fraglich. Schon 2002 schätzten Binder /Seemann (NStZ 2002, 234) die zwangsweise Verabreichung per Magensonde als nicht von § 81a StPO gedeckt ein. Nicht nur die Verletzungsgefahr bei sich wehrenden Personen, sondern auch die Tatsache, dass deren Gesundheitszustand meist vorher nicht eindeutig geklärt werden könne, sei hierbei zu beachten. § 81a Abs.1 StPO lässt den Eingriff schließlich nur zu, "wenn kein Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist".
Besten Gruß
Henning Ernst Müller
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Lieber Joachim,
danke für Deine detaillierte Einschätzung aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht. Im Ergebnis sind wir uns ja (de lege lata) einig. Aber siehst Du hier wie ich strafrechtlichen Regelungsbedarf? Oder genügt eine Regulierung durch ärztliches Berufsrecht und interne Kontrollen (etwa) der Kassenärztlichen Vereinigung?
Besten Gruß
Henning
Prof. Dr. Henning Ernst Müller kommentiert am Permanenter Link
Ein paar Eindrücke von der Diskussion gestern Abend gibt es dort
regensburg-digital.de
und dort
mittelbayerische (video)
Mittelbayerische Zeitung (Artikel)
Wer sich bislang schon hier oder woanders über den Fall informiert hat, hat sicherlich nicht viel Neues erfahren. Beeindruckend war, dass an dem Abend des Fußballspiels FC Bayern-Lyon sich ca. 200 Menschen einfanden, um über den Fall zu sprechen. Das zeigt das nach wie vor große öffentliche Interesse in Regensburg an der Aufklärung dieses Falles. Der Polizeipräsident der Oberpfalz selbst stellte sich dieser öffentlichen Diskussion, auch wenn er (vorhersehbar) wenig Zustimmung bekam.
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