"Und dann gehe ich bis nach Karlsruhe..."

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 15.12.2010

... so hört man es immer wieder (mit drohendem Unterton) von Verfahrensbeteiligten, denen das Gericht deutlich macht, dass es ihrer Auffassung nicht zu folgen gedenkt.

Eine interessante Statistik im Bereich der Kindschftssachen dazu:

2008 haben die Familiengerichte 92.732 Sorgerechtsverfahren und 44.780 Umgangsrechtsverfahren entschieden.

Bei dem BVerfG sind im gleichen Jahr 134 Verfassungsbeschwerden in Sorgerechtsverfahren und 56 Verfassungsbeschwerden  in Umgangsrechtsverfahren eingegangen. 7 Verfahren waren Verfassungsbeschwerden, die sich sowohl auf Sorge wie auf Umgang bezogen.

Erfolgreich davon waren in Sorgerechtsverfahren 4 und in Umgangsrechtsverfahren 3 Verfassungsbeschwerden.

Quelle: Zuck FamRZ 2010, 1946 (auch "im Übrigen" sehr lesenswert)

 

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11 Kommentare

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Vermutlich gäbe es auch noch deutlich mehr Umgangsrechtsfälle, wenn sie nicht völlig Ergebnislos wären.

 

Zwar bekommt ein umgangsbegehrender Elternteil ein mehr oder weniger ausreichendes Umgangsrecht mit seinem Kind zugesprochen, nur stellt er danach ziemlich schnell fest, dass er zwar ein schönes Stück Recyclinpapier erhalten hat, mit dem der nur überhaupt nichts anfangen kann.

 

In der allgemeinen Rechtspraxis werden Umgangsurteile nämlich nicht vollstreckt. Oder kennen sie auch eine Zahl, wieviele der 44.780 Umgangsverfahren auch zu Umgang führen?

 

Natürlich geht jemand, der einmal diese Erfahrung gemacht hat, nie wieder zu einem Gericht, dass zwar Geld von ihm verlangt, aber dafür nichts brauchbares liefert.

Warum auch sollte ein Vater sich Jahrelang zum BVerfG hoch klagen damit ihm dieses dann vielleicht sagt, jawohl mein Freund, sie hätten das Recht auf Umgang mit ihrem Kind gehabt, leider ist es inzwischen volljährig. Da können wir jetzt auch nichts mehr für sie tun.

 

Die niedrige Antrags- und Erfolgsquote beim BVerfG ist also keineswegs ein Ausdruck dafür, das alles ganz wunderbar ist, sondern eher dafür, dass die Recht suchenden resigniert haben.

Wunderbar ist das nur für diejenigen, denen an diesem katastophalen Zustand etwas gelegen ist.

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Viel wichtiger erscheint es mir da, Familienstreitigkeiten wieder zu entrechtlichen.

Wie meinen Sie das?

Das ist freilich kein Thema, das mit denen zu diskutieren ist, die davon leben.

Mein Gehalt kommt jeden Monat pünktlich, gleich ob 1 oder 100 Sorge/Umgangsrechtsfälle anhängig sind.

In der allgemeinen Rechtspraxis werden Umgangsurteile nämlich nicht vollstreckt.

Stimmt, was aber daran liegt, dass es Umgangsurteile nicht gibt

Hopper schrieb:

Stimmt, was aber daran liegt, dass es Umgangsurteile nicht gibt

Achso, na das erklärt natürlich alles.

Mal abgesehen davon, dass Familienrichter sowieso fast immer zu einem noch nutzloseren aber dafür teureren Vergleich (oder hieß es jetzt Einigung?) drängen, der noch viel weniger durchgesetzt werden kann als ein Beschluss ändert das Vokabular auch nichts an der Misere, das nach 2 Jahren über 50% der Väter den Kampf um ihre Kinder völlig entnervt und finanziell ruiniert aufgeben.

Danach kann man natürlich noch viel besser nachtreten und billige Schmähartikel über diese verantwortungslosen Drückeberger schreiben, die sich ja noch nicht mal um ihre Kinder kümmern (dürfen)!

Aber Hauptsache das Vokabular wird reformiert.

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Sind diese Konflikte wirklich justitiabel oder sollten sie stärker ausserhalb des Bereichs der Justiz gelöst werden, also "entrechtlicht"? Was ist zu lernen von dem in anderen Ländern praktizierten Prinzip, Schlichtung und Mediation vorzuziehen, bevor man sich im Gerichtssaal trifft? Ist das Recht normenklar und praktikabel genug, wenn es zu so vielen strittigen Verfahren und Anwaltseinsätzen führt? Sind Anwälte als agens wirklich sinnvoll, wenn sich Eltern ums Sorgerecht streiten oder wären dort Psychologen, gut ausgebildete Berater, Mediatoren nötiger? Was sind die langfristigen Folgen von Entscheidungen, die vor Gericht getroffen werden und von Konfliktlösungen in einer Mediation?

Da rennen Sie bei mir offene Türen ein. Das Cochemer Modell ist ein Ansatz.

Gleichwohl wird es immer eine Restmenge von Fällen geben, die das Gericht lösen muss.

Hopper schrieb:
Gleichwohl wird es immer eine Restmenge von Fällen geben, die das Gericht lösen muss.

Diesen Standpunkt teile ich mit Ihnen und Herrn Untermann.

Das Problem ist nur, dass die meisten Familienrichter gerade diese Fälle gar nicht lösen können und oft nicht mal wollen.

Hartnäckige Fälle werden durch endlose neue Verfahren und immer mehr XY-Pfleger, Gutachter und andere teure Hilfskräfte in die Kostensackgasse getrieben und solange von links nach rechts gedreht, bis der Vater aufgibt. So wie es oben schon geschrieben wurde.

Die wenigen Druckmittel, die es gibt, werden nicht nicht eingesetzt, weil deren Anwendung immer als unverträglich mit dem Kindeswohl angesehen wird, da Mutter und Kind stehts als Einheit gesehen werden.

Und am Ende kommt dann meist das stille Eingeständnis:

"Wenn die Mutter nicht will, kann man nichts machen"

Wenn er dann immer noch nicht aufgibt, gibt es eben Umgangsausschluß.

Klappe zu Affe tot.

Das heißt aber, dass die Gerichte für die einfachen Fälle völlig unnötiger Overkill sind und für die schwierigen Fälle unwillig oder unfähig. Oft beides.

Riesen Aufwand, Null Ergebnis.

Schlechter hätte ich es auch nicht gekonnt.

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Etwas wie das Cochemer Modell gibt es meines Wissens sonst nirgends, aber das hat auch in Deutschland nie richtig gezündet. Rudolph ist in Pension, die paar Ableger seines Modells sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt.

Große Teile des Modells sind im FamFG Gesetz geworden

Etwas wie das Cochemer Modell gibt es meines Wissens sonst nirgends, aber das hat auch in Deutschland nie richtig gezündet. Rudolph ist in Pension, die paar Ableger seines Modells sind teilweise bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt.

Große Teile des Modells sind im FamFG Gesetz geworden

manchmal lohnt auch der Weg noch weiter:

"Väter dürfen zu ihren leiblichen Kindern auch dann regelmäßigen Kontakt pflegen, wenn vor dem Gesetz ein anderer Mann als rechtlicher Vater gilt. Familiäre Beziehungen zu den leiblichen Kindern aufzubauen unterliege dem Schutz des Privat- und Familienlebens der Europäischen Menschenrechtskonvention, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Die Straßburger Richter gaben damit einem Nigerianer recht, dessen Ex-Freundin ihm den Umgang mit seinen beiden Kindern verboten hatte (AZ. 20578/07)."

mehr unter http://www.abendblatt.de/politik/article1734985/Europaeisches-Urteil-staerkt-die-Stellung-leiblicher-Vaeter.html

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Ja, das ist mal eine wieder eine schöne Ohrfeige für das deutsche Familienrecht, das eben keineswegs so schön ist, wie von seinen Protagonisten immer behauptet.

 

Es ist wieder mal für Menschenrechtswidrig befunden worden.

Diesmal die diskriminierende Unterscheidung nach leiblichem und juristischen Vater, die es natürlich auch wieder nur für Männer aber nicht für Frauen gibt.

Der Versuch, dem Vater die Schuld zu geben, indem er sich ja gar nicht gekümmert hätte, ist ebenso üblich, wie fadenscheinig.

Als "nur leiblicher" aber nicht juristischer Vater hat er überhaupt kein Recht, irgendeine Art von Verantwortung zu übernehmen.

Er existiert einfach nicht für seine Kinder.

Dass ihm die Justiz, sein Menschenrecht als Vater nicht nur vorenthält, sondern ihm das auch noch zum Vorwurf macht ist die übliche Perfidie, dieses väterfeindlichen Systems.

 

Weiter so!

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