EuGH: Zur Haftung von wirtschaftlichen Rechtsnachfolgern im Kartellschadensersatzrecht („Skanska“)

von Ulrike Wollenweber, veröffentlicht am 24.05.2019

Der EuGH hat mit Urteil vom 14. März 2019 (C-724/17, BeckRS 2019, 3341) entschieden, dass wirtschaftliche Rechtsnachfolger für Kartellschadensersatz haftbar gemacht werden können.

Der Fall betraf ein Kartell auf dem finnischen Asphaltmarkt. Einige der an dem Kartell beteiligten Unternehmen wurden im Rahmen von Share Deals verkauft und liquidiert, wobei die Erwerber die Geschäftstätigkeit weiterführten. Nachdem verschiedenen Unternehmen Kartellbußen auferlegt worden waren, wurden u. a. die Erwerber zivilrechtlich auf kartellrechtlichen Schadensersatz verklagt.

Der EuGH bejaht in diesem Fall eine mögliche Schadensersatzpflicht der Erwerber. Der Unternehmensbegriff im Sinne des in Art. 101 AEUV geregelten Kartellverbots gelte hier auch für die Beurteilung der Frage der Passivlegitimation. Im Ergebnis überträgt der EuGH damit seine für Bußgeldverfahren entwickelte weite Auslegung des Unternehmensbegriffs auf den zivilrechtlichen Kartellschadensersatz. Zur Begründung wird angeführt, dass das Kartellschadensersatzrecht ein integraler Bestandteil des Systems zur Durchsetzung der europäischen Wettbewerbsregeln sei. Zur effektiven Durchsetzung müsse der im Bußgeldverfahren geltende Unternehmensbegriff auch im Kartellschadensersatzrecht anwendbar sein.

Somit haftet der Rechtsnachfolger eines Unternehmens, das gegen europäisches Kartellrecht verstoßen hat, auch dann, wenn – wie hier – die ursprünglich haftende Gesellschaft nicht mehr existiert, die wirtschaftliche Tätigkeit aber fortgeführt wird. Im deutschen Recht galt dies gemäß der im Jahr 2017 in § 81 GWB eingeführten Absätze 3a bis 3e bislang nur für Bußgeldverfahren; im Schadensersatzrecht wurde zur Passivlegitimation keine Regelung getroffen (vgl. § 33a GWB).

Der EuGH hat die zeitliche Reichweite der Entscheidung nicht begrenzt, so dass grundsätzlich auch Fälle in der Vergangenheit von dieser neuen Rechtsprechung erfasst sind. Es bleibt abzuwarten, wie dies in der nationalen Rechtsprechung aufgenommen wird.

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