Parken gegenüber der Garageneinfahrt: Anspruch auf effektive Kontrolle durch die Stadt?

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 22.05.2023
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|3646 Aufrufe

Der Kläger ist sauer - immer wieder parken andere Verkehrsteilnehmer in der engen Straße vor seinem Haus auf der anderen Seite gegenüber seiner Garageneinfahrt. Das macht ihm wohl Schwierigkeiten. So klagte er gegen die Stadt - erfolglos. Gut so.

 

Die Klage wird abgewiesen.

 Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

 Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

 Tatbestand: 

 Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Zweifamilienhaus bebauten Grundstücks .... – str. .. in I. .

 Das Grundstück liegt unmittelbar an der südwestlichen Ecke der Straßenkreuzung der .... -straße mit der B. -straße und verfügt über jeweils eine Grundstückszufahrt zu einer Garage an der .... -straße und der B1. -straße.

 Nach dem unbestrittenen Vorbringen des Klägers ist der Bereich .... -straße/B2. -straße/L. -straße für Lkw-Verkehr gesperrt.

 Die .... -straße hat im Bereich der Grundstückszufahrt eine Fahrbahnbreite von 5,6 m. Der vor der Grundstückzufahrt gelegene Bürgersteig mit der angelegten Gehwegüberfahrt hat eine Breite von 1,4 m. Neben der Grundstückszufahrt zum klägerischen Grundstück befindet sich die Garagenzufahrt des Nachbargrundstücks ... straße ... Diese ist durch einen Kantenstein von der Zufahrt zur Garage des Klägers abgegrenzt. Dieser Kantenstein ist vom Gehweg aus beginnend auf einer Länge von etwa 1,40 m auf das Bodenniveau abgesenkt. Unmittelbar an den Garagen befindet sich zwischen den Zufahrten ein Niveauunterschied von einigen Zentimetern.

 Gegenüber der Grundstückszufahrt zur B3. -straße befindet sich zum Zeitpunkt des Ortstermins am 00. N. .... eine Fahrbahnmarkierung (Zeichen 299 der Anlage 2 zur Straßenverkehrsordnung -StVO). Diese wurde im Jahr .... angeordnet. Im P. .... sollte die Markierung ausweislich eines Vermerks in den Verwaltungsvorgängen der Beklagten durch das Auftragen schwarzer Farbe entfernt werden.

 Im E. .... wandte sich der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten an die Beklagte und schilderte, dass die Einfahrt in die an der .... -straße gelegene Grundstückszufahrt durch auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkte Fahrzeuge behindert werde. Dadurch sei es bereits zu erheblichen Beschädigungen an Felgen und Reifen seines Fahrzeugs gekommen, weil bei der Ausfahrt die Bordsteinkante teilweise nicht erkannt werden könne und sehr umständliches Rangieren erforderlich sei. Obwohl die Fahrzeugführer bereits mehrfach vom Kläger gebeten worden seien, dort nicht zu parken, sei festzustellen, dass immer wieder Fahrzeuge teils über mehrere Tage dort abgestellt würden. Der Ordnungsdient des Beklagten habe sich die Verhältnisse mehrfach angesehen, dem Kläger aber keine eindeutige Auskunft dazu gegeben ob und inwieweit hier das Parken eingeschränkt sei.

 Der Kläger sei der Ansicht, es handele sich um eine „schmale Straße“ im Sinne des § 12 Abs. 3 StVO.

 Er forderte die Beklagte unter Fristsetzung dazu auf, eine „rechtsmittelfähige Entscheidung“ zu treffen.

 Mit E-Mail vom 0. G. .... nahm die Beklagte gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Klägers Stellung. Unter Darlegung der in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zum Parkverbot gegenüber Grundstückszufahrten führte sie aus, dass aufgrund der nach den Angaben des Klägers auch beim Abstellen eines Fahrzeugs auf der gegenüberliegenden Fahrbahnseite verbliebenden Fahrbahnbreite von 3,05 m genügend Platz zum Rangieren vorhanden sei.

 Der Kläger hat am 0. N. .... Klage erhoben.

 Er vertieft sein bisheriges Vorbringen und ergänzt, er sei Eigentümer eines Fahrzeugs des Typs C. ...d. Seine Ehefrau sei gehbehindert, deshalb fahre er mit seinem Fahrzeug unmittelbar vor die Garage, damit der Weg für seine Frau möglichst kurz sei. Das Buschwerk an der Zufahrt habe er mittlerweile zurückgeschnitten, um eine bessere Rundumsicht zu ermöglichen.

 Trotz mehrfacher Erinnerung habe die Beklagte bislang keinen förmlichen Bescheid erteilt, sondern lediglich per EMail die Notwendigkeit von Maßnahmen verneint.

 Die Beklagte verkenne, dass es dem Kläger nicht darauf ankomme, eine bestimmte Beschilderung zu erreichen. Er wolle lediglich erreichen, dass die bestehende Straßenverkehrsordnung, wonach das Ein- und Ausfahren aus einer Grundstückszufahrt grundsätzlich unproblematisch möglich sein müsse, durch parkende Fahrzeuge eingehalten werde. Insoweit sei nochmals auf § 12 Abs. 3 StVO zu verweisen.

 Er beantragt,

 1. die Beklagte zu verpflichten, geeignete verkehrsrechtliche Maßnahmen zu treffen, um das Parken gegenüber seiner Grundstücksausfahrt .... -str. 00, ..... I. zu unterbinden, bzw. die Ein- und Ausfahrt zu und von seinem Grundstück sicherzustellen,

 hilfsweise,

 2. die Beklagte zu verpflichten, den Antrag des Klägers geeignete verkehrsrechtliche Maßnahmen zu treffen, um das Parken gegenüber seiner Grundstücksausfahrt .... – str. 00, ..... I. zu unterbinden, bzw. die Ein- und Ausfahrt zu und von seinem Grundstück sicherzustellen, zu bescheiden.

 Die Beklagte beantragt,

 die Klage abzuweisen.

 Zur Begründung bezieht sie sich auf die per EMail erfolgte Stellungnahme. Ergänzend führt sie aus, es fehle vorliegend bereits an der nach § 45 StVO erforderlichen zwingenden Erforderlichkeit der Anordnung von entsprechenden Verkehrsschildern.

 Sie habe sich im Rahmen eines Ortstermins einen Eindruck von den örtlichen Gegebenheiten gemacht. Das Ein- und Ausfahren von der Garagenauffahrt des Klägers auf die .... -straße sei möglich. Überdies habe der Kläger – entgegen der Angaben des Klägervertreters in der Klageschrift – persönlich gegenüber der Beklagten erklärt, dass eine Restfahrbahnbreite von 3,05 m gegeben sei.

 Zu der bestehenden Fahrbahnmarkierung auf der B. -straße könne keine Information gegeben werden. Diese sollte ausweislich des Verwaltungsvorgangs eigentlich entfernt werden, eine erneute Anordnung zum Anbringen einer Fahrbahnmarkierung sei nicht erfolgt.

 Der Einzelrichter hat die Örtlichkeit am 24. N. 2023 in Augenschein genommen. Auf das darüber gefertigte Protokoll wird Bezug genommen.

 Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten einschließlich der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten Hefte 1 und 2)

 Entscheidungsgründe: 

 Die Entscheidung erfolgt ohne mündliche Verhandlung, auf welche die Beteiligten verzichtet haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).

 Die Klage hat in Ermangelung einer Rechtsverletzung des Klägers keinen Erfolg, denn die Entscheidung der Beklagten, keine verkehrsrechtlichen Maßnahmen zu ergreifen, um ein Parken gegenüber der Zufahrt zum Grundstück .... -str. 00 zu unterbinden, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

 Der Kläger hat weder einen Anspruch auf das Ergreifen solcher Maßnahmen noch auf die hilfsweise geltend gemachte (Neu-)Bescheidung.

 Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Ablehnungsentscheidung nicht in der Gestalt eines förmlichen, mit einer Rechtsbehelfsbelehrungversehenen Bescheides erfolgte, sondern lediglich in Gestalt einer formlosen E-Mail. Es kann dahinstehen, ob eine solche E-Mail den formalen verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen an die Bekanntgabe einer behördlichen Entscheidung genügt.

 Die Klage wäre gemäß § 75 VwGO zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch dann zulässig, wenn diese E-Mail nicht als Bescheidung des klägerischen Antrags anzusehen wäre.

 Auch für die Begründetheit ist unerheblich, ob es sich bei dieser E-Mail um einen ablehnenden Bescheid handelt. In der hier gegebenen Situation der Verpflichtungsklage kommt es für den Erfolg der Klage allein darauf an, ob dem Kläger ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung zusteht, der sich gegebenenfalls dahingehend verdichten kann, dass ein Anspruch auf exakt die begehrte Maßnahme besteht.

 Ein solcher Anspruch besteht, aus den nachfolgend dargelegten Gründen nicht, so dass auch der auf eine Bescheidung gerichtete Hilfsantrag keinen Erfolg hat.

 Ob das Begehren des Klägers, welches bereits im Verwaltungsverfahren ausdrücklich nicht auf konkret benannte Maßnahmen gerichtet ist, sondern es der Auslegung durch die Beklagte, bzw. das Gericht überlässt, welche Maßnahmen getroffen werden sollen, um die von dem Kläger begehrte Durchsetzung der Straßenverkehrsordnung zu erreichen, hinreichend bestimmt ist, kann vorliegend dahinstehen.

 Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO soll die Klage einen bestimmten Antrag enthalten; spätestens zum Ende der mündlichen Verhandlung – bzw. bei einem Verzicht auf diese zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – muss ein solcher Antrag gestellt sein. Ein Klageantrag ist grundsätzlich nur dann hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der richterlichen Entscheidungsbefugnis (§ 88 VwGO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Dabei ist nicht nur auf den Wortlaut des Antrags abzustellen; vielmehr kann auch die Begründung der Klage zu seiner Auslegung herangezogen werden. Maßgeblich ist somit nicht die gewählte Formulierung, sondern der erkennbare Zweck des Rechtsschutzbegehrens.

 Vgl. VG München, Urteil vom 26. Juli 2005 – M 1 K 05.1110 –, juris 

 Aus der Klagebegründung sowie dem Vortrag im Verwaltungsverfahren folgt, dass der Kläger – sehr weit gefasst – eine Durchsetzung seiner vermeintlich aus der Straßenverkehrsordnung folgenden Rechtspositionen verfolgt.

 Welche Maßnahmen mit dem klägerischen Begehren genau verfolgt werden sollen, kann vorliegend dahinstehen, da keine Beeinträchtigung durch die Straßenverkehrsordnung oder sonstige Rechtsgrundlagen geschützter subjektiver Rechtspositionen des Klägers ersichtlich ist, welche ihm einen Anspruch auf eine Entscheidung der Beklagten einräumen würde.

 Im öffentlichen Recht gilt der Grundsatz, dass der Kläger nur die Verletzung ihm zustehender, subjektiver Rechte geltend machen kann. Er hat keinen allgemeinen Anspruch auf Einhaltung der Rechtsordnung und kann sich daher nur auf Normen berufen, die auch seinem Schutz zu dienen bestimmt sind. Dem Kläger steht deshalb kein allgemeiner auf die „Durchsetzung der Bestimmungen der STVO“ gerichteter Anspruch zu. Sowohl das Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG als auch das aus Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Rechtsstaatsprinzip gewähren keine subjektiven Rechte, sondern setzen sie voraus. Insbesondere ein allgemeiner „Rechtseinhaltungsanspruch“ des Einzelnen gegenüber dem Staat lässt sich aus diesen Bestimmungen nicht herleiten und ist dem bundesdeutschen Rechtssystem allgemein unbekannt.

 Ausgehend von der Klagebegründung und seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren kann der Antrag des Klägers konkretisierend dahingehend ausgelegt werden, dass er von der Beklagten entweder begehrt durch Kontrollen des ruhenden Verkehrs dafür zu sorgen, dass gegenüber seiner Garageneinfahrt nicht geparkt wird, weil dort ein Parkverbot nach § 12 Abs. 3 StVO besteht, oder durch verkehrsrechtliche Anordnungen nach § 45 StVO das Parken dort zu verbieten.

 Der Kläger hat keinen allgemeinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf die Kontrolle eines bestehenden Parkverbots. Die Überwachung des ruhenden Verkehrs dient neben der Abwehr einer durch Gesetzesverstöße bestehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung auch dem Repressiven Zweck der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Im ersteren Fall steht das Eingreifen im Ermessen des Beklagten, im letzteren Fall gilt das sogenannte „Opportunitätsprinzip“, nach dem die Beklagte nicht verpflichtet ist, Ordnungswidrigkeiten zu ahnden, sondern im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens davon abzusehen. Unabhängig davon fehlt es vorliegend bereits am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung eines Verkehrsverstoßes, denn das Parken von Pkw in diesem Bereich der .... -straße ist nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung zulässig. Die Entscheidung der Beklagten, die Parkmöglichkeiten nicht zugunsten einer Verbesserung der Zufahrtsmöglichkeit zum klägerischen Grundstück zu beschränken, ist nicht zu beanstanden.

 Als Rechtsgrundlage für verkehrsleitende Maßnahmen – hier in Gestalt eines Parkverbots, welches entweder durch das Verkehrszeichen 296 der Anlage 2 zur StVO oder eine Fahrbahnmarkierung (Zeichen 299 der Anlage 2 zur StVO) gekennzeichnet ist, kommt allein § 45 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO in Betracht. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO können die zuständigen Straßenverkehrsbehörden die Benutzung bestimmter Straßen oder Straßenstrecken aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs beschränken und verbieten oder den Verkehr umleiten. Nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO sind Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen nur dann anzuordnen, wenn dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend geboten ist. Zwingend geboten ist ein Verkehrszeichen unter Berücksichtigung des Regelungszwecks und des Wortlauts der Vorschrift nur dann, wenn das Verkehrszeichen die zur Gefahrenabwehr unbedingt erforderliche und allein in Betracht kommende Maßnahme ist. Das ist nicht der Fall, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung – wie z.B. die Regelung in § 12 StVO – mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf gewährleisten.

 Die Regelung des § 45 Abs. 1 StVO ist zwar grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit gerichtet. Es entspricht aber gesicherter Rechtsprechung, dass der Einzelne bei der Anordnung von Verkehrsregelungen einen auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde gerichteten Anspruch hat, wenn eine Verletzung seiner geschützten Individualinteressen in Betracht kommt. Hinsichtlich der behördlichen Ermessensausübung kann er allerdings nur verlangen, dass seine eigenen Interessen ohne Rechtsfehler abgewogen werden mit den Interessen der Allgemeinheit und anderer Betroffener, die für die Verkehrsbeschränkung sprechen.

 Vgl. BVerwG, Urteil vom 4. Juni 1986 – 7 C 76.84 –, NJW 1986, 2655; OVG NRW, Urteile vom 12. Januar 1996 – 25 A 2475/93 –, NJW 1996, 3024 und vom 1. Juni 2005 – 8 A 2350/04 –, NWVBl. 2006, 145 sowie Beschluss vom 21. Dezember 2006 – 8 A 4515/05 -.

 Als weiterer Grundsatz ist zu beachten, dass das der Beklagten eingeräumte Ermessen gerichtlich nur in den Grenzen des § 114 VwGO überprüft werden kann. Das Gericht prüft ausschließlich, ob die Behörde in der Erkenntnis des ihr eingeräumten Ermessens alle die den Rechtsstreit kennzeichnenden Belange in ihre Erwägung eingestellt hat, dabei von richtigen und vollständigen Tatsachen ausgegangen ist, die Gewichtung dieser Belange der Sache angemessen erfolgt ist und das Abwägungsergebnis vertretbar ist, insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht verstößt.

 Aus den oben dargestellten Grundsätzen ergibt sich somit, dass die Straßenverkehrsbehörde bei einer Entscheidung über eine Verkehrsregelung die Interessen der Anlieger in ihre Erwägungen einzustellen hat. Insoweit gilt, dass dem objektiv-rechtlichen Grundsatz ein subjektives öffentliches Recht des betroffenen Anliegers auf fehlerfreie Berücksichtigung seiner privaten Belange entspricht.

 Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. März 1983 – 4 C 80.79 –, NJW 1983, 2429; OVG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 1991 – 23 B 2230/91 –, Juris 

 In die Abwägung einzustellen sind dann alle mehr als nur geringfügig schutzwürdigen Interessen, die von der Verkehrsregelung betroffen sind. Hierzu können insbesondere auch die Gründe der Erreichbarkeit eines Anliegergrundstücks gehören. Dies folgt aus der Rechtsposition der Antragsteller aus dem in Art. 14 GG geschützten Eigentumsrecht bzw. aus ihrem dieses Eigentumsrecht konkretisierenden Anliegerrecht aus § 14a Straßen- und Wegegesetz NRW (StrWG).

 In der Rechtsprechung ist indessen anerkannt, dass der Anliegergebrauch die Erreichbarkeit eines Grundstückes nicht uneingeschränkt sichert, sondern nur in seinem Kernbereich. Dieser einfachgesetzlich geschützte,

 vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 VR 7.99 –, NVwZ 1999, OVG NRW, Beschluss vom 19. Februar 2004 – 11 B 2601/03 – und vom 30. Juli 2007 – 11 B 113/07 –, 

 Kernbereich geht grundsätzlich nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert.

 Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. August 1982 – 4 C 58.80 –, DVBl. 1982, 1098 und vom 8. September 1993 – 11 C 38.92 –, NJW 1994, 1080 u. st. Rspr.; für das Landesrecht: OVG NRW, Beschluss vom 25. Oktober 1999 – 23 A 4398/96 -.

 Gewährleistet ist danach vor allem der grundsätzliche Zugang zur Straße und die Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße her, nicht hingegen eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße oder die Gewährleistung von Bequemlichkeit des Zu- und Abgangs unter Aufrechterhaltung vorteilhafter Verkehrspositionen.

 Hiervon ausgehend ist festzustellen, dass die Garageneinfahrt des Klägers an das öffentliche Wegenetz angeschlossen und über dieses zu erreichen ist. Den Verwaltungsvorgängen des Beklagten ist zu entnehmen, dass sich die örtlichen Gegebenheiten, insbesondere die Straßenbreite, seit Jahrzehnten nicht verändert haben. Gegenteiliges wird von den Beteiligten auch nicht vorgetragen. Bei der .... -straße handelt es sich um eine typische, im Ruhrgebiet häufig anzutreffende, praktisch einspurige Erschließungsstraße innerhalb eines durch Wohnbebauung geprägten Gebiets. Nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers ist das Gebiet, auch die .... -straße, für Lkw-Verkehr ab 7,5 t gesperrt.

 Obschon die vorhandene Straßenbreite – gerade beim Rangieren mit einem großen Pkw – durchaus nicht großzügig bemessen ist, handelt es sich nach dem Eindruck, den der Einzelrichter im Ortstermin gewonnen hat, im Bereich der klägerischen Grundstückszufahrt noch nicht um eine „schmale Straße“ im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO, in der das Parken gegenüber der Grundstückszufahrt auch ohne besondere Anordnung eines Parkverbots unzulässig ist. Die Anordnung und Umsetzung von verkehrsrechtlichen Maßnahmen ist vorliegend aber trotz der vorhandenen Fahrbahnbreite nicht zwingend erforderlich, um die Erschließung des Grundstücks zu gewährleisten.

 Nach § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ist das Parken vor Grundstücksein- und -ausfahrten unzulässig, auf schmalen Fahrbahnen auch ihnen gegenüber. Über das Tatbestandsmerkmal „schmal“ soll der Anlieger vor Beeinträchtigungen der Zugänglichkeit seines Grundstücks von der Straße her bzw. umgekehrt der Straße vom Grundstück aus geschützt werden.

 Die Beantwortung der Frage, wann eine Fahrbahn „schmal“ im Sinne von § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO ist, entzieht sich einer allgemein gültigen Beantwortung. Eine starre Grenze gibt es nicht. Wollte man das Tatbestandsmerkmal „schmal“ nur dann bejahen, wenn durch das gegenüber geparkte Fahrzeug eine Einfahrt bzw. Ausfahrt praktisch unmöglich wird oder dabei auf die Fähigkeiten eines optimalen Kraftfahrers beim Rangieren abstellen, wäre den berechtigten Interessen des Anliegers nicht hinreichend Rechnung getragen. Vielmehr kommt es auf die Verkehrsbestimmung der jeweiligen Straße sowie auf die Eigenheiten des ein- und ausfahrenden Verkehrs an. Entscheidend ist darauf abzustellen, welche Erschwernisse der Benutzer einer Grundstücksein- oder -ausfahrt unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Straßenverkehrsrechts, Gefahren und vermeidbare Behinderungen von Verkehrsteilnehmern abzuwenden, bei Beachtung der nach § 10 Satz 1 und 2 StVO gegebenenfalls obliegenden Pflichten im Einzelfall zumutbar sind. In diese situationsbezogene Betrachtung sind das sowohl den ein- oder ausfahrenden als auch den parkenden Verkehrsteilnehmer treffende Rücksichtnahmegebot, das Anliegen der Leichtigkeit des fließenden sowie des konkret ein- und ausfahrenden Verkehrs, ferner das Interesse an der Verfügbarkeit ausreichen-den Parkraums mit dem ihm jeweils konkret zukommenden Gewicht einzustellen. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift soll demjenigen, der eine Grundstücksein- oder -ausfahrt bestimmungsgemäß benutzen will, diese Nutzung gewährleistet und der Berechtigte vor Beeinträchtigungen dieser Nutzung geschützt werden, die von gegenüber parkenden Verkehrsteilnehmern ausgehen. Dabei kommt es nicht allein auf die Fahrbahnbreite an. Auch ein vor dem Grundstück verlaufender Gehweg ist einzubeziehen. Abzustellen ist auf die objektiven Feststellungen der Verhältnisse des konkret zur Verfügung stehenden Verkehrsraums für die Benutzung der Zufahrt sowie die Betrachtung der gesamten Verkehrssituation im fraglichen Straßenbereich. Auch die Notwendigkeit eines mehrmaligen Rangierens kann zumutbar sein. Des Weiteren sind zumutbare Abhilfemaßnahmen auf dem eigenen Grundstück in Betracht zu ziehen. Schließlich muss sich der Kraftfahrer grundsätzlich den verkehrlichen Gegebenheiten anpassen, nicht aber müssen letztere dem Können eines minder geübten Kraftfahrers angepasst werden.

 Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8. März 1993 – 13 A 403/92 –, juris, VG Würzburg, Urteil vom 20. August 2014 – W 6 K 13.854 –, juris unter Verweis auf BayVGH, Beschluss vom 2. August 2012 – 11 ZB 12.199 –, juris; Urteil vom 28. September 2011 – 11 B 11.910 –, juris; Beschluss vom 21. Dezember 2005 – 11 CS 05.1329 – juris; Urteil vom 12. Januar 1998 – 11 B 96.2895 –, BayVBl. 1998, 341; siehe auch VG Saarland, Urteil vom 25. April 2013 – 10 K 777/12 – juris und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11. Mai 1999 – 7 A 12290/98 –, juris.

 Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die vorliegende Klage abzuweisen, denn die Fahrbahnbreite von 5,6 Metern lässt selbst dann, wenn ein Fahrzeug in der verkehrsrechtlich maximal zulässigen Breite von 2,5 m am gegenüberliegenden Fahrbahnrand abgestellt wird, eine verbliebende Fahrbahnbreite von 3,1 m. Im Ortstermin wurde eine verbleibende Fahrbahnbreite bis zum Außenspiegel eines gegenüber geparkten handelsüblichen Pkw von 3,6 m gemessen. Dieser Fahrbahnbreite ist die Tiefe der Gehwegüberfahrt von 1,4 m hinzuzurechnen. Bei dieser verbliebenden Fahrbahnbreite ist es einem durchschnittlich geübten Kraftfahrer offenkundig unter zumutbarem Rangieraufwand möglich, die Garagenzufahrt zu nutzen. Soweit der Kläger sich auf die Länge des von ihm genutzten Fahrzeugtyps – nach Werksangaben 5098 mm – beruft, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen.

 In der wohngebietstypischen Verkehrssituation erfordert die Benutzung eines solchen Fahrzeugs – etwa bei Begegnungsverkehr – ohnehin größere Sorgfalt und ist mit Einschränkungen verbunden, die auf einer Hauptstraße nicht bestehen. Die geschilderten Schwierigkeiten bei der Einfahrt in die Grundstückszufahrt beruhen neben der Länge des Fahrzeugs auch auf der konkreten Anlage der Zufahrt. Diese ist momentan rechtwinklig zur Straße und lediglich in der Breite der Garage angelegt. Insoweit ist es dem Kläger zuzumuten, durch die Gestaltung der en Garagenzufahrt – über die bereits erfolgte teilweise Absenkung des Kantensteins zur Nachbareinfahrt hinaus etwa durch eine „trichterförmige“ Erweiterung der Zufahrt nach Norden – den seit Jahrzehnten bestehenden Straßenverhältnissen Rechnung zu tragen.

 Selbst wenn abweichend von der oben getroffenen Einschätzung des Einzelrichters angesichts der örtlichen Verhältnisse doch von einer schmalen Straße im Sinne des § 12 Abs. 3 StVO auszugehen wäre, hätte die Klage keinen Erfolg.

 Unter Zugrundelegung dieser Annahme wäre das Parken gegenüber der Einfahrt auch ohne die vom Kläger begehrte verkehrsrechtliche Regelung nicht erlaubt und eine zusätzliche Beschilderung regelmäßig nicht zwingend geboten und damit sogar unzulässig. Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 StVO kann ferner gefolgert werden, dass allen Verkehrsteilnehmern die Verpflichtung obliegt, die allgemeinen und besonderen Verhaltensvorschriften dieser Verordnung eigenverantwortlich zu beachten.

 Verkehrsrechtliche Maßnahmen im Bereich der hier in Rede stehenden Grundstückseinfahrt wären dann nur unter den zuvor genannten Voraussetzungen, nämlich der fehlenden Nutzbarkeit der Einfahrt auch bei zumutbarem Rangieren oder gestalterischen Maßnahmen auf dem eigenen Grundstück, zulässig.

 Diese Voraussetzungen sind aber, wie oben bereits dargelegt, nicht erfüllt.

 Danach kann offen bleiben, ob es vorliegend bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 45 StVO i.V.m. § 12 Abs. 3 Nr. 3 StVO für eine Ermessensentscheidung der Beklagten über ein eventuelles Einschreiten fehlt, weil der Kläger auch ohne eine verkehrsrechtliche Anordnung seine Grundstücksein- und -ausfahrt in zumutbarer Weise befahren kann und damit eine Beeinträchtigung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs, welche die Beklagte zu einer Abwägung der insoweit durch § 45 StVO geschützten Individualinteressen des Klägers veranlassen müsste, hier nicht vorliegt, wofür überwiegendes spricht, oder ob die Beklagte bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen eine nach sachgerechter Ermessensbetätigung inhaltlich nicht zu beanstandende Ablehnungsentscheidung getroffen hat.

 Auch aus der Tatsache, dass gegenüber der Zufahrt an der B1. -straße eine Fahrbahnmarkierung (Zeichen 299) aufgebracht ist, kann der Kläger keinen Anspruch auf eine Entscheidung der Beklagten zu seinen Gunsten herleiten.

 Dabei kann dahinstehen, ob diese Fahrbahnmarkierung rechtmäßig besteht. Für den Fall, dass die Markierung erforderlich ist, weil ein gegenüber der Einfahrt bestehendes Parkverbot anderenfalls nicht zu erkennen und die Einfahrt nicht mit zumutbarem Aufwand zu nutzen wäre, wäre die Markierung dort rechtmäßig. Daraus ließe sich allerdings keine Einschränkung des der Beklagten zustehenden Ermessens ableiten, da die Situation gegenüber der Einfahrt auf der .... -straße aus den oben genannten Gründen nicht vergleichbar wäre.

 Besteht die Fahrbahnmarkierung zu Unrecht, wovon die Beklagte ausweislich der bereits vor Jahren getroffenen Entscheidung, die Markierung zu entfernen ausgeht, könnte der Kläger daraus keine Rechte herleiten. Es ist allgemein anerkannt, dass kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht besteht.

VG Gelsenkirchen Urt. v. 6.4.2023 – 14 K 1133/22, BeckRS 2023, 8159

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