Mal wieder: Verkehrsrechtliche Anordnung .... kein Erfolg beim OLG Karlsruhe

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 16.06.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|547 Aufrufe

Immer mal wieder laufen Fälle durch die Presse, bei denen Messungen in einem Bereich einer "falschen Geschwindigkeitsbeschränkung" stattgefunden haben. Manchmal weiß niemand, wer in der Stadt etwa ein Schild aufgestellt hat, mal sind die falschen Schilder aufgestellt. Oder eine Beschilderungsanordnung war abgelaufen. Verteidiger/Betroffene haben da immer wieder Schwierigkeiten, so etwas zu überprüfen und werden mit dem Problem oft im gerichtlichen Verfahren nicht gehört. So auch hier beim OLG Karlsruhe:

 

Soweit der Betroffene in diesem Zusammenhang beanstandet, mit den Ausführungen zu der begehrten Information über die verkehrsrechtliche Anordnung der geschwindigkeitsbeschränkenden Beschilderung (2 d ff) weiche der Senat von Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Saarbrücken (Beschluss vom 13.7.2022 – 1 Ss (OWi) 59/21 = DAR 2022, 580, ebenso Beschluss vom 14.3.2024 – 1 Ss (OWi) 36/23 n.v.) ab, was die Vorlage an den Bundesgerichtshof gemäß § 121 Abs. 2 GVG geboten hätte, sieht der Senat die Voraussetzungen für eine Divergenzvorlage aus mehreren Gründen nicht gegeben. Zum einen liegt den Entscheidungen des Oberlandesgerichts Saarbrücken, das sich dabei an die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, namentlich den Beschluss vom 27.4.2018 (Lv 1/18 = NZV 2018, 275), gebunden fühlt, tragend die Zuordnung des Auskunftsrechts des Betroffenen zum Anspruch auf rechtliches Gehör zugrunde. Dagegen ist durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, der nach der bundesrechtlichen Kompetenzordnung (vgl. für die Gesetzgebung Art. 31 GG) Vorrang zukommt, klargestellt, dass der Anspruch allein im Recht auf ein faires Verfahren zu verorten ist. Zum anderen ist der Senat der Auffassung, dass – wie bei den Daten der Messreihe (dazu BGH NStZ-RR 2022, 220) – die Beurteilung der Entscheidungsrelevanz von den Umständen des Einzelfalls abhängt, es sich mithin nicht um eine Rechts-, sondern eine Tatsachenfrage handelt. Im Übrigen hält der Senat an der im Beschluss vom 31.10.2023 vorgenommenen Beurteilung der Entscheidungsrelevanz für den vorliegenden Fall fest (vgl. dazu auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 21.3.2024 – 1 ORbs 360 Ss 30/24 – zur Veröffentlichung vorgesehen).

 Ergänzend ist zu diesem Punkt zu bemerken, dass nach der Auffassung des Senats der Betroffene von der Bußgeldbehörde Beschilderungsplan und verkehrsrechtliche Anordnung einer Beschilderung im Übrigen nur dann verlangen kann, wenn die Bußgeldbehörde tatsächlich über diese Informationen verfügt.

 In der diesbezüglich maßgeblichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.11.2020 (Rn. 50 f.) ist zum Gehalt des Rechts auf ein faires Verfahren, aus dem der Auskunftsanspruch herzuleiten ist, ausgeführt [Hervorhebungen durch den Senat]: „Ein rechtsstaatliches und faires Verfahren fordert „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Beschuldigten andererseits. Der Beschuldigte hat deshalb ein Recht auf möglichst frühzeitigen und umfassenden Zugang zu Beweismitteln und Ermittlungsvorgängen und auf die Vermittlung der erforderlichen materiell- und prozessrechtlichen Informationen, ohne die er seine Rechte nicht wirkungsvoll wahrnehmen könnte […]. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt hiernach, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden […].“

 Die „Waffengleichheit“ kann danach nur bezüglich solcher Information einen Auskunftsanspruch gegenüber der Bußgeldbehörde begründen, die sie tatsächlich erhoben und gesammelt hat, hingegen begründet auch das Recht auf ein faires Verfahren keine Pflicht der Verwaltungsbehörde zur Aktenerweiterung. Bei Beschilderungsplan und der einer Beschilderung zugrunde liegenden verkehrsrechtlichen Anordnungen versteht es sich aber keineswegs von selbst, dass diese im Verantwortungsbereich einer anderen funktionellen Behörde – der Verkehrsbehörde – liegenden Informationen von der Bußgeldbehörde im Bußgeldverfahren erhoben und zur Akte genommen wurden. Ansonsten ist der Betroffene darauf zu verweisen, sich die begehrten Informationen bei der zuständigen (Verkehrs-) Behörde zu beschaffen. Die an § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO auszurichtende Zulässigkeit einer Beanstandung im Rechtsbeschwerdeverfahren setzt danach die bestimmte Behauptung voraus, dass im konkreten Einzelfall die begehrte Information von der Bußgeldbehörde tatsächlich erhoben wurde. Daran fehlt es vorliegend jedenfalls hinsichtlich der verkehrsrechtlichen Anordnung der geschwindigkeitsbeschränkenden Beschilderung, der gegenüber der Beschilderungsplan nur untergeordnete Bedeutung besitzt, weil er für sich genommen keinen verlässlichen Rückschluss auf die Rechtmäßigkeit der Beschilderung zulässt.

OLG Karlsruhe Beschl. v. 25.4.2024 – 35 Ss 425/23, BeckRS 2024, 9953

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