Heilung einer Überentnahme für Zwecke des § 4 Abs. 4a EStG durch Verschmelzung? (FG Berlin-Brandenburg v. 19.3.2024 – 15 K 15090/22)

von Gastbeitrag Steuerrecht, veröffentlicht am 27.06.2024
Rechtsgebiete: Steuerrecht|647 Aufrufe

Neben Restriktionen wie der Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) kennt das deutsche Ertragsteuerrecht speziell für den Fall von Überentnahmen eine Einschränkung nach § 4 Abs. 4a EStG. Kann hier eine Einlage durch eine Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf den Einzelunternehmer (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) induziert werden? Unser Autor Richard Preuß untersucht diese Fragestellung in seinem Gastbeitrag anhand eines neuen Urteils des FG Cottbus.  

Grundsätzlich steht es jedem Steuerpflichtigen frei, die Finanzierung seines Unternehmens nach seinem Belieben zu stemmen (z.B. BFH v. 12.7.2016 – IX R 29/15, BeckRS 2016, 95464 Rz. 35). Verlässt die Wahl, insbesondere hinsichtlich des Anlasses der Finanzierung, jedoch die Grenzen des betrieblich veranlassten, so ist Vorsicht geboten.

So sind Schuldzinsen eines Betriebs grundsätzlich abziehbare Aufwendungen (§ 4 Abs. 4 EStG). Dies gilt allerdings nur, sofern sie durch den Betrieb veranlasst sind und keine Überentnahmen i.S.d. § 4 Abs. 4a EStG getätigt wurden, der Steuerpflichtige also mehr aus seinem Betrieb entnommen hat, als er in Summe an Gewinn erwirtschaftet und an Einlagen geleistet hat. Insofern könnte es u.U. schwer werden, die private Anschaffung eines für die angekündigten Temperaturen durchaus wünschenswerten Cabrios über das eigene Unternehmen zu finanzieren, ohne am Ende vielleicht doch ungewollte Konsequenzen fürchten zu müssen.

§ 4 Abs. 4a S. 3 EStG bestimmt eine pauschale Hinzurechnung in Höhe von 6% der Überentnahme, gedeckelt durch einen Höchstbetrag, der um den Kürzungsbetrag von 2.050 € gemindert wird (§ 4 Abs. 4a S. 4 EStG). Für den Gewinn-, Entnahme- und Einlagenbegriff gelten hier die allgemeinen Grundsätze (BMF v. 02.11.2018, BStBl. 2018 I S. 1207, Rz. 8). Daraus folgt, dass Einlagen gem. § 4 Abs. 1 S. 8 1. HS EStG alle Wirtschaftsgüter, auch Bareinzahlungen, sind, die der Steuerpflichtige dem Betrieb im Laufe des Wirtschaftsjahres zugeführt hat. Als Einlage gelten hierbei nicht, gerade im Hinblick auf die Vermeidung der Überentnahmen, gestaltungsmissbräuchlich kurz vor Jahresende geleistete Einlagen, welche kurz nach Beginn des Folgejahres wieder auf ein privates Girokonto zurücktransferiert werden (BFH vom 21.08.2012 – VIII R 32/09, BeckRS 2012, 96511).

Eine solidere Form der Einlage könnte die Übernahme von Eigenkapital im Rahmen einer Verschmelzung sein. So ist dem Urteilsfall des FG Berlin-Brandenburg (v. 19.3.2024 – 15 K 15090/22, BeckRS 2024, 12423) zu entnehmen, dass auch die Übernahme des Eigenkapitals einer auf ein Einzelunternehmen verschmolzenen GmbH (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG) als Einlage zu qualifizieren ist, folglich die Einlagen auch für die Betrachtung des § 4 Abs. 4a EStG erhöht. Das gilt insbesondere (Rz. 20 des Urteils)

(...) nachdem im Zusammenhang mit der (...) Verschmelzung (...) ein Veräußerungsgewinn im Sinne von § 17 EStG zum Ansatz gekommen ist. Damit ist das vormals in der GmbH gebundene Betriebsvermögen gleichsam steuerlich entstrickt worden und rechnete nach Abzug dieser steuerlichen Belastung im verbliebenen Differenzbetrag zum Eigenvermögen des Klägers. Ohne es etwa als ihm frei verfügbares Privatvermögen zu behandeln, rechnete er es fortwährend dem Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens zu, was ohne Weiteres als Einlage(-nleistung) anzusehen ist.

Das beklagte Finanzamt hob im Urteilsfall hervor, dass betriebliche Umstrukturierungen von vornherein keine Entnahmen- und/oder Einlagenvorgänge im Sinne von § 4 Abs. 4a EStG auslösen könnten, da die entstandenen Über- und/oder Unterentnahmen allein rechtsnachfolgebedingt auf den übernehmende Rechtsträger übergehen. Deswegen könne von einer (aktiven) Einlagenleistung des Klägers keine Rede sein.

Der Kläger hielt dem zu recht entgegen, es könne für den umgekehrten Fall der Einbringung einer Kapitalgesellschaft in ein Einzelunternehmen nichts anderes gelten als in Rz. 39 des BMF-Schreibens vom 2. November 2018 (BStBl. I 2018, 1207), wonach im Falle der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft gemäß § 20 UmwStG eine Entnahme in Höhe des gewährten Wertansatzes zu berücksichtigen sei.

Dem kann man folgen. Schließlich muss die Entscheidung, das Wirtschaftsgut dem Betrieb zu widmen, durch das objektive Verhalten des Steuerpflichtigen für Dritte erkennbar zum Ausdruck gebracht werden (BFH vom 22.09.1993 – X R 37/91, BeckRS 1993, 22010840), was in der Überlassung des Eigenkapitals, wie das Gericht feststellte, gegeben ist. Dem kann (nach Auffassung des FG, siehe Rz. 21 des Urteils) auch nicht entgegenstehen,

dass der die Einlage(-nleistung) aufbringende Steuerpflichtige sie im Zusammenhang mit einer Verschmelzung im Sinne von § 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG, also einem davon bestimmten Verschmelzungsvorgang, dass eine natürliche Person als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernimmt, auf sein Einzelunternehmen übergehen lässt.

 

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