Der Cousin gehört nicht zur "Familie" - Folgen für die Eigenbedarfskündigung (zu BGH Urt. v. 10.7.2024, VIII ZR 276/23)

von Dr. Michael Selk, veröffentlicht am 12.07.2024

Mit Urteil vom 10.7.2024 (bislang liegt nur die Pressemitteilung vor) hat der VIII. Zivilsenat des BGH seine Kehrtwendung endgültig abgeschlossen. War noch vor Jahren relevant, ob zwischen Vermieter/in und Familienangehöriger ein "besonders enger Kontakt" bestand (so wurde vom Senat etwa noch Eigenbedarf auch zugunsten eines Schwagers angenommen, BGH NZM 2009, 353), so "kippte" diese Linie zuletzt immer mehr. Der Fall der Privilegierung der geschiedenen Ehefrau (NZFam 2020, 984 m.Anm. Selk) war Anlass für noch mehr Deutlichkeit gewesen: der Senat hatte den Begriff der "Familie" iSd § 577a Ia S.2 BGB gleichgestellt mit dem des "Familienangehörigen" iSd § 573 II Nr. 2 BGB und letztlich allein nur noch darauf abgestellt, ob es sich um eine/n Familienangehörige/n handelt, der in die Gruppe der Zeugnisverweigerungsberechtigten iSd § 383 I Nr. 2 ZPO falle.

 

Diese Linie setzt der Senat nun - dieses Mal in der Konsequenz zugunsten von Mietern - im Urteil vom 10.7.2024 fort, indem wie zuletzt gehabt der Begriff der Familie bzw. des Familienangehörigen eng auf die in § 383 I Nr. 2 ZPO genannten Personen beschränkt wird. Damit sind nun Cousins und Cousinen als  Verwandte in der Seitenlinie vierten Grades "raus". Mithin ist diese Entscheidung nur konsequent. Der Vorteil des insofern eher engen Familienbegriffs für Mieter im Rahmen des § 573 II Nr. 2 BGB ist zugleich bei § 577a Ia S. 2 BGB ein Mieternachteil. Das formale Abstellen auf  den Kreis der Zeugnisverweigerungsberechtigten und die Aufgabe eines wie auch immer gearteten Näheverhältnisses bzw. eines "besonders engen Kontaktes" führt aber eben auch dazu, dass Eigenbedarf zugunsten einer im absoluten Ehekrieg geschiedenen Ehefrau geltend gemacht werden kann.  Ob dies vom Normgeber so gewollt war, kann man diskutieren. Eine Lösung wäre, zu den formalen Anforderungen des Kreises der Personen gem. § 383 I Nr. 3 ZPO kumulativ noch ein "Näheverhältnis" , einen "besonders engen Kontakt" o.ä. zu fordern. Der dann folgende Einwand, dass dieses zusätzliche Kriterium nicht wirklich hinreichend bestimmt ist, ist voraussehbar. Die jetzige Lösung des Senats führt indes in bestimmten Fällen gerade bei Eigenbedarfskündigungen auch zu Friktionen.

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