ParkOWi kommt bei OLGen nicht so oft vor....

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 08.08.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht|896 Aufrufe

Das OLG Schleswig hatte gerade Gelegenheit, zur Erkennbarkeit einer Parkflläche bzw. Parkverbotsfläche Stellung zu nehmen. Ein wechselnder Straßenbelag soll noch (allein) keine Abgrenzbarkeit der Flächen ermöglichen:

Auf den Antrag des Betroffenen, die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 11. September 2023 – 46 Owi 560 Js 27880/23- zuzulassen, hat der II. Senat für Bußgeldsachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein in der Besetzung mit einem Richter durch die Richterin am Oberlandesgericht E. über die Zulassung der Rechtsbeschwerde und die Übertragung der Sache auf den Senat und im Übrigen durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. P., die Richterin am Landgericht G. und die Richterin am Oberlandesgericht E. am 28. Juni 2024 beschlossen:

 Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

 Die Sache wird auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

 Auf die Rechtsbeschwerde wird das Urteil des Amtsgerichts K. vom 11. September 2023 – 46 Owi 560 Js 27880/23- aufgehoben und der Betroffene auf Kosten der Landeskasse, die auch seine notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

 Gründe: 

 I.

 Das Amtsgericht K. hat den Betroffenen mit Urteil vom 11. September 2023 wegen fahrlässigen verbotswidrigen Parkens im eingeschränkten Halteverbot gemäß §§ 41 Abs. 1, 49 StVO, 24 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 5 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 25,00 EUR verurteilt.

 Das Amtsgericht hat dazu folgende Feststellungen getroffen:

 „Der Betroffene fuhr am 17.10.2022 vor 11:19 Uhr mit dem Pkw VW, amtliches Kennzeichen …, von der F.-Straße kommend in die Straße B- Weg in K. ein. Hierbei handelt es sich um die einzige mit dem Auto befahrbare Zuwegung von der F.-Straße aus. Beim Einbiegen passierte der Betroffene das gut sichtbare Verkehrszeichen 290.1, das den gesamten nachfolgenden Bereich einschließlich des späteren Abstellortes als eingeschränkte Halteverbotszone mit Befreiung der dortigen Bewohner (Parkausweis Nr. G) durch entsprechende Zusatzbeschilderung ausweist.

 Wegen der Einzelheiten dieser Beschilderung und Zuwegung wird auf die Lichtbilder, Bl. 74 d.A., verwiesen, § 267 Abs. 1 StPO.

 Unmittelbar hinter dem Einmündungsbereich, also zu Beginn der Straße B. Weg, liegt rechts der Fahrbahn eine Parkfläche, die durch Verkehrszeichen 314 mit weißem Pfeil in Fahrtrichtung und den Zusatz „mit Parkschein“ ausgewiesen ist. Hierdurch wurde in Ausnahme zu dem geltenden eingeschränkten Halteverbot im dortigen Bereich eine legale, entgeltliche Parkmöglichkeit für Personen ohne Parkausweis Nr. G etabliert. Diese Parkfläche erstreckt sich auf eine Länge von etwa 50 m und ist – anders als der vom Betroffenen gewählte spätere Abstellort seines Fahrzeugs – durch eine in den Boden eingelassene Reihe von Pflastersteinen von der Fahrbahn abgegrenzt. Zu den übrigen Seiten hin ist die Parkfläche ebenso durch Pflastersteine und zum Teil durch Bepflanzungen eingefasst. Sie ist derart angelegt, dass sie das Parken quer zur Fahrbahn erlaubt. Das Verkehrszeichen 314 selbst befindet sich nicht unmittelbar am Fahrbahnrand, sondern zurückgesetzt, im hinteren Eck der Parkfläche.

 Hinsichtlich der Einzelheiten der Parkfläche einschließlich ihrer Beschilderung wird auf die Lichtbilder Bl. 72 bis 75 d.A., verwiesen, § 267 Abs. 1 StPO.

 Nachdem der Betroffene die Parkfläche passiert hatte, stellte er sein Fahrzeug in Längsrichtung am rechten Fahrbahnrand der Straße B. Weg gegenüber Hausnummer 8 ab. Dabei war dem Betroffenen bewusst, dass dort anders als im Fall der zuvor beschriebenen Parkfläche keine Schilder aufgestellt waren, die den betreffenden Bereich als legale, entgeltliche Parkfläche ausgewiesen. Der Betroffene zog einen Parkschein aus einem der zurückliegenden Parkscheinautomaten, legte ihn lesbar auf das Armaturenbrett seines Pkw und entfernte sich zu Fuß. Bei der anschließenden Kontrolle durch die Zeugin K., Mitarbeiterin der Stadt K., wurde festgestellt, dass das Fahrzeug dort (mindestens) in der Zeit von 11:19 Uhr bis 11:27 Uhr stand.

 Wegen der Einzelheiten der Abstellsituation wird auf die Lichtbilder, Bl. 21 d.A., verwiesen, § 276 Abs. 1 StPO.“

 Im Rahmen der rechtlichen Würdigung führt das Amtsgericht aus, dass der Betroffene sein Fahrzeug in einem Bereich geparkt habe, in dem keine Ausnahme von dem angeordneten eingeschränkten Halteverbot gegolten habe. Es handele sich bei dem gesamten dortigen Bereich um eine eingeschränkte Halteverbotszone.

 Weiter für das Amtsgericht aus:

 „Das Verkehrszeichen 314 mit weißem Pfeil und dem Zusatz „mit Parkschein“ war für jedermann ersichtlich allein auf die baulich von der Fahrbahn abgegrenzte Fläche bezogen.

 Dies folgte nicht nur durch die Anlage der Parkfläche selbst, die anders als am Abstellort räumlich zurückgesetzt ist und ein Parken quer zur Fahrbahn ermöglicht, sondern auch den Umstand, dass das Verkehrszeichen nicht unmittelbar an der Straße, sondern im rückwärtigen Bereich der ausgewiesenen Fläche angebracht ist; nicht zuletzt hierdurch ist ein eindeutiger, ausschließlicher Zusammenhang zwischen der betreffenden Fläche und dem darauf befindlichen Schild hergestellt. Dass die Parkfläche am anderen Ende nicht durch ein weiteres Verkehrszeichen 314 mit einem in die entgegengesetzte Richtung weisenden Pfeil beschildert ist, spielt keine Rolle, solange ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer – wie hier – erkennen kann, welcher Bereich von der eingeschränkten Halteverbotszone ausgenommen und dem entgeltlichen Parken zugänglich sein soll.

 Entsprechend hat die Zeugin K. bekundet, dass sie im Rahmen ihrer Kontrolltätigkeit bislang von keinem anderen Verkehrsteilnehmer darauf hingewiesen wurde, dass die Beschilderung vor Ort missverständlich sei und das Parken an dem vom Betroffenen gewählten Abstellort eigentlich zulässig sein müsse.“

 Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des materiellen Rechts, den er mit Schriftsatz vom 17. November 2023 begründet hat. Er ist der Auffassung, wenn durch einen Richtungspfeil bei einem Parkerlaubnisschild von einem bestimmten Punkt an das Parken erlaubt sei, müsse der Verkehrsteilnehmer darauf vertrauen können, dass die Parkerlaubnis auf derselben Straßenseite solange gelte, bis sie durch ein Schild mit entgegengesetztem Richtungspfeil wieder aufgehoben werde.

 Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ihrer Zuschrift vom 3. Mai 2024 beantragt, die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts Kiel vom 11. September 2023 aufzuheben und den Betroffenen freizusprechen.

 II.

 Der Senat folgt den Anträgen der Generalstaatsanwaltschaft.

 1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2, 80 Abs. 1 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere war der Betroffene als Rechtsanwalt auch berechtigt, den Antrag selbst schriftlich zu begründen und die Begründung selbst zu unterzeichnen (BeckOK StPO/Wiedner, 51. Edition 2024, StPO, § 345 Rn. 29).

 Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen (§ 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG) und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80 a Abs. 3 S. 1 OWiG). Der Fall wirft die entscheidungserhebliche, abstraktionsfähige und – soweit ersichtlich – bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärte Rechtsfrage auf, ob das Ende einer erlaubten Parkfläche innerhalb einer eingeschränkten Halteverbotszone, deren Anfang durch ein Verkehrszeichen 314 mit einem in Fahrtrichtung weisenden waagerechten weißen Pfeil gekennzeichnet ist, auch durch ein entsprechendes Verkehrszeichen 314 mit einem gegen die Fahrtrichtung weisenden Pfeil gekennzeichnet werden muss.

 2. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

 Die Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Kiel tragen nicht den Schuldspruch wegen fahrlässigen verbotswidrigen Parkens im eingeschränkten Halteverbot.

 Nach der vom Amtsgericht festgestellten Beschilderung hat der Betroffene nicht verbotswidrig im eingeschränkten Halteverbot geparkt. Denn entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Beschilderung nicht den Regelungsgehalt, dass innerhalb der eingeschränkten Halteverbotszone die durch das Zeichen 314 mit in Fahrtrichtung zeigendem weißen Pfeil und dem Zusatz „mit Parkschein“ erteilte Erlaubnis zum Parken auf eine Parkfläche von 50 m Länge beschränkt ist.

 Denn der Beginn der Parkzone ist durch das Verkehrszeichen 314 mit in Fahrtrichtung zeigendem Pfeil gekennzeichnet, das Ende der Parkzone ist jedoch nicht – insbesondere nicht mit einem Verkehrszeichen 314 mit gegen die Fahrtrichtung zeigendem Pfeil -gekennzeichnet.

 Soweit sich nach Auffassung des Amtsgerichts die Parkfläche aus deren Gestaltung, insbesondere der Pflasterung und teilweisen Einfassung durch Bepflanzungen, und dem Ort des Verkehrszeichens 314 im hinteren Eck der Parkfläche ergeben soll, fehlt es an der notwendigen Bestimmtheit des Verkehrszeichens, die rechtsstaatliche Voraussetzung für die Sanktionierung einer fahrlässigen Zuwiderhandlung ist.

 Zwar ist für die Geltung des Zeichens 314 eine Kennzeichnung mit Richtungspfeilen nicht zwingend. Nach der Erläuterung Nr. 1 zu Zeichen 314 (Anlage 3 zu § 42 StVO) kann aber der Anfang des erlaubten Parkens durch einen zur Fahrbahn weisenden waagerechten weißen Pfeil im Zeichen, das Ende durch einen solchen von der Fahrbahn wegweisenden Pfeil gekennzeichnet sein.

 Gebots- und Verbotszeichen im Straßenverkehr müssen aus sich heraus deutlich erkennbar und ohne weiteres verständlich sein; es kann von einem Kraftfahrzeugführer nicht verlangt werden, dass er aufgrund der äußeren Umstände (hier Ausformung der gekennzeichneten Fläche) zusätzliche Überlegungen zum möglichen Regelungsinhalt eines Verkehrsschildes anstellt (OLG Hamm, Beschluss vom 27. Januar 2005 – 3 Ss OWi 49/05 –, juris). Derartige Überlegungen würden den durchschnittlichen Kraftfahrer beim heutigen schnellen Verkehrsfluss und der zunehmenden Internationalisierung des Straßenverkehrs überfordern und überdies bei verschiedenen Kraftfahrern zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen und Reaktionen führen.

 Da der Anfang der erlaubten Parkfläche durch das Verkehrszeichen 314 mit in Fahrtrichtung weisendem weißen Pfeil gekennzeichnet war, durfte der durchschnittliche Kraftfahrer darauf vertrauen, dass auch das Ende der erlaubten Parkfläche mit einem gegen die Fahrtrichtung weisenden Pfeil gekennzeichnet ist.

 Die Straßenverkehrsbehörde hätte kraft Amtspflicht für den eindeutigen Regelungsgehalt der Verkehrszeichen Sorge tragen müssen.

 Das angegriffene Urteil war nach Vorstehendem aufzuheben und der Betroffene freizusprechen. Der Senat konnte gemäß § 79 Abs. 6 OwiG in der Sache selbst entscheiden, da keine weiteren entscheidungserheblichen Feststellungen zu erwarten waren.

OLG Schleswig Beschl. v. 28.6.2024 – II ORbs 26/24, BeckRS 2024, 15108

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