Nochmals Schmiergeldaffaire: Staatsanwaltschaft München I erlässt Bußgeldbescheid in Höhe von 395 Millionen € gegen Siemens

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 16.12.2008

Die Staatsanwaltschaft München I am 15.12. 2008 gegen die Siemens AG eine Bußgeldbescheid in Höhe von 395 Millionen € erlassen. Der Bescheid ahndet die Verletzung der Aufsichtspflicht des Gesamtvorstands durch die mangelhafte Compliancestruktur des Konzerns. Dadurch kam es in vielen Geschäftsbereichen zur Bildung von schwarzen Kassen, welche zur Zahlung von Bestechungsgeldern verwendet wurden. Die hiermit erzielten Gewinne werden durch den Bescheid abgeschöpft.

Das frühere Compliancesystem der Siemens AG war unzureichend, weil eine tatsächliche Umsetzung der Vorgaben des Konzerns in den Geschäftsbereichen nicht möglich war. Hierzu fehlten ausreichende personelle Ressourcen bei den Complianceabteilungen und ein wirksames Kontrollsystem zur Aufdeckung sowie Verfolgung von Complianceverstößen. Die zentrale Complianceabteilung hatte z.B. keine Möglichkeit, in eigener Zuständigkeit Untersuchungen von relevanten Vorgängen selbst vorzunehmen.

Bereits am 3.10.2007 hatte das LG München I gegen die Siemens AG eine Geldbuße in Höhe von 201 Millionen € verhängt. Anknüpfungspunkt war das Strafverfahren gegen einen früheren Mitarbeiter des Geschäftsbereichs ICN (Information and  Communication Networks), den das Gericht wegen Untreue durch die Bildung schwarzer Kassen verurteilte.  Im Gegensatz hierzu knüpft der gestern ergangene Bußgeldbescheid nicht an Straftaten, sondern an das Aufsichtsverschulden des Gesamtvorstandes des Konzerns an. Die Verletzung der Aufsichtspflicht wird nach § 130 OWiG als Ordnungswidrigkeit geahndet, für deren Verfolgung die Staatsanwaltschaft zuständig ist.

Der rasche Abschluss des Verfahrens wurde durch die große Kooperationsbereitschaft der Siemens AG bei den Ermittlungen möglich.  Die Staatsanwaltschaft arbeitete außerdem eng mit den U.S.-amerikanischen Behörden (U.S. Department of Justice [DOJ] und U.S. Securities ans Exchange Commission [SEC]) zusammen. Dadurch konnte erreicht werden, dass die Entscheidungen aller drei Behörden aufeinander abgestimmt wurden nun auch am gleichen Tag bekanntgemacht werden konnten.

Mit dem Erlass dieses Bußgeldbescheides sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München I gegen die Siemens AG als juristische Person abgeschlossen davon unberührt bleiben aber die eingeleiteten Ermittlungs- und Bußgeldverfahren gegen die früheren Vorstände und Mitarbeiter sowie andere Einzelpersonen. Diese Verfahren werden unverändert weitergeführt und dürften noch erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.

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Eine andere Fallgestaltung kenne ich persönlich: Formal und öffentlich-publizistich gut eingeführte Compliance wird durch Druck - meist aus der Personalabteilung - unterlaufen und dient geschäftlichen Vorteilnahmen, eben gerade unter Missachtung dieser Richtlinien.

Es ist schwierig, einer Compliance-Struktur Mängel nachzuweisen, wie z.B. die abschließende Stellungnahme der BaFin im Zusammenhang mit Untersuchungen, die zum Rücktritt des damaligen Personalvorstands der Commerzbank, Andreas de Maizière, geführt hatte, zeigt.

Wo aber soll die Staatsanwaltschaft ansetzen, wenn systematisch Menschenrechte verletzt werden?

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