Obama droht Bush: Foltervorwürfe sollen untersucht werden

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 13.01.2009

Langsam wird es eng für die noch wenige Tage amtierende US-Regierung: Der designierte US-Präsident Barack Obama schließt juristische Schritte wegen möglicher Menschenrechtsverletzungen der amtierenden US-Regierung nicht aus. " Niemand steht über dem Recht", sagt er. In der Vergangenheit musste man allerdings meinen, dass dieser Satz mancherorts völlig in Vergessenheit geraten ist. Inzwischen hat auch der US-Senat die Bush-Regierung für die Misshandlung von Häftlingen im Irak, in Afghanistan und im Gefangenenlager Guantánamo auf Kuba verantwortlich gemacht.

Im Gegensatz zu Obama hält US-Vize-Präsident Dick Cheney nach wie vor das berüchtigte Waterboarding für sinnvoll und stuft es als harte Verhörmaßnahme, nicht aber als Folter ein, weil sie US-Sicherheitskräfte hierdurch wertvolle Informationen vom Top-Terroristen erhalten hätten. Wie wertvoll können solche unter brutaler Folter erpresster Aussagen sein, die sich gerichtlicher Verwertung verschließen?

Dass über die juristische Aufarbeitung der künftige US-Präsident nachdenkt, darin liegt bereits ein wichtiges Signal für ein Land, das sicher einst eine große Nation war und und es wieder werden will (mein Zitat aus Vincent Bugliosi will ich nicht nochmals aufgreifen).

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

6 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Wieso ”war” das Land eine große Nation? Die USA ist auch heute eine große Nation, der wir viel zu verdanken haben und die Aufgaben in der Welt übernimmt, welche wir nicht schultern können. Der Wert von unter Folter erpressten Aussagen wird sich aus Cheneys Sicht nach ihrer Verwertbarkeit zur Gefahrenabwehr bemessen. Auch in Deutschland wurde anlässlich des Entführungsfalls Jakob von Metzler solches Vorgehen praktiziert und diskutiert.

0

Sehr geehrter Herr Heintschel-Heinegg, sehr geehrter Herr Goldkamp,

die Verdienste der USA in der Vergangenheit werden nicht geschmälert durch eine zum Teil verbrecherisch agierende Regierung Bush. Und natürlich ist die USA welthistorisch eine "große Nation", wenn man mit solchen Bewertungen überhaupt etwas anfangen kann.
Der Vergleich mit der Folterdrohung im Fall Metzler ist allerdings problematisch.
In den USA wurde nach dem Untersuchungsergebnis des entsprechenden Senats-Unterausschusses auf höchster Regierungsebene diskutiert und beschlossen, Methoden, die im Koreaskrieg gegen kriegsgefangene US-Soldaten eingesetzt worden waren und die bei deren Rückkehr dokumentiert worden waren (sogenannte SERE-Techniken), gegen Gefangene aus Afghanistan und dem Irak in Guantanamo und anderswo einzusetzen. Auf Grundlage entsprechender Genehmigungen wurden Gefangene teils wochenlang in menschenrechtsverletzender Weise behandelt und verhört. Hinzu kommt die jahrelange Inhaftierung von Gefangenen, darunter Jugendliche, ohne Kriegsgefangenenstatus und ohne Rechtsschutzmöglichkeit, darunter viele, die nicht einmal konkret verdächtigt wurden, einer Terrorgruppe anzugehören, ganz zu schweigen von Entführungen außerhalb des Kriegsschauplatzes mit dem Ziel der Folter in anderen Staaten. Bei einer Reihe von Personen erhielten amerikanische Geheimdienste "grünes Licht", die Gefangennahme zu verheimlichen, um dem IRK keine Möglichkeit der Intervention zu geben. Die Reduktion auf das "Waterboarding" zur akuten Gefahrenabwehr in krassen Ausnahmefällen und als ultima ratio ist irreführend. Mit "ticking bomb"-Szenarien wie in der Fernsehserie "24" wird versucht, in der Öffentlichkeit Verständnis zu wecken für die Vorgehensweise der USA in einem asymmetrischen Krieg, den man durch bloße militärische Überlegenheit nicht gewinnen kann. Tatsächlich sollen damit aber auch die genannten Menschenrechtsverletzungen außerhalb solcher akuten Extremsituationen nachträglich legitimiert werden oder die Verantwortung dafür auf die unterste Ebene (ein paar Soldaten in Abu Ghraib seien eben undiszipliniert und überfordert gewesen) verschoben werden.
Dies alles hat eine ganz andere Qualität als die (rechtswidrige) Einzelaktion eines höheren Polizeibeamten in einem einzelnen Ermittlungsverfahren (wobei auch von einer Methode wie "waterboarding" nicht im entferntesten die Rede war). Aus diesem einen Fall lässt sich auch keinerlei Schluss auf die rechtliche Beurteilung des Vorgehens der amerikanischen Regierung ziehen, weder die Prämissen noch die Folgen stimmen überein, nur das in beiden Situationen und Debatten auftauchende Wort "Folter".
Natürlich verweist Cheney als - künftiger - Beschuldigter auf diesen einen Aspekt seiner Tätigkeit und darauf, dass hier lebenswichtige Informationen erzielt wurden, weil allenfalls für diesen Aspekt des ganzen Systems Verständnis erzielt werden könnte. Jedoch sind es eben nicht nur die drei waterboarding-Fälle (auch da ist übrigens von neutraler Seite bisher nicht bekannt geworden, welche wichtigen und zutreffenden Informationen hier erzielt worden sein sollen), sondern das gesamte oben geschilderte System wird untersucht werden müssen. Möglicherweise erweisen sich die so erhaltenen "wichtigen" Informationen auch von der Qualität vergleichbar denjenigen, die unter Folterdrohung von einem Al Libi erzielt wurden, die dann in einer Power-Point-Präsentation zur Täuschung der UNO dienten, um die Zustimmung zum Irak-Krieg zu erhalten (dass er für diese Lügen instrumentalisiert wurde, ist Colin Powell heute äußerst peinlich. Das würde bestätigen, dass die Methoden der Kommunisten in Korea, die von der US-Regierung übernommen wurden, gar nicht darauf zielten, korrekte Informationen zu erlangen, sondern darauf, die US-Soldaten zum offenen Loyalitätsbruch mit ihrem Land (damals wurden die gebrochenen Kriegsgefangenen etwa im Film vorgeführt) zu bewegen. "Falschgeständnisse" und "Brechen des Widerstands" sind offen eingeräumte Ziele solcher Methoden, wobei es im Übrigen unter Vernehmungsspezialisten fast unbestritten ist, dass die Qualität der so erhaltenen Informationen vergleichsweise mager ist.
Im Übrigen: Sollten doch keine strafrechtlichen Untersuchungen folgen, wäre es in Zukunft für Angehörige der dann ehemaligen US-Regierung äußerst heikel z.B. nach Deutschland zu reisen. Denn die Argumentation der Bundesanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens gegen Rumsfeld wäre dann kaum mehr tragfähig.

Ich bin wirklich gespannt wie diese Sache ausgeht.

0

...um der gerechtfertigten Bitte um Belege für meine obigen Ausführungen abzuhelfen, will ich nicht (was zu einer unübersehbaren Flut von Quellen unterschiedlicher Güte führt) auf Google verweisen, sondern empfehle nachdrücklich zwei Bücher, die von der journalistischen Qualität her nur wenige Ansprüche unerfüllt lassen:
Philippe Sands, Folter Team (dt. Ausgabe des Titels "torture team")
Jane Mayer, The Dark Side (bisher nur engl.)

0

So sehe ich das auch: Die USA haben als weltweiter Vorkämpfer für Demokratie und Menschenrechte - und all das was für die Nachkriegspolitik mit Blick auf Deutschland steht - unbestritten große Verdienste erworben. Abu Graib und Guantánamo aber haben das amerikanische Rechtssystem schwer beschädigt (darauf bezieht sich das "war" in meinem ersten Beitrag). Jimmy Carter durchbrach deshalb sogar die eiserne Regel, dass sich ein ehemaliger Präsident jeder Kritik an einem seiner Nachfolger enthält: "Unser Land hat erstmals in meinem Leben die grundlegenden Prinzipien der Menschenrechte aufgegeben" (zitiert nach Egmont R. Koch, Die CIA-Lüge. Folter im Namen der Demokratie, 2008, S. 13).

Die Überlegung "Waterboarding" in meinem Startbeitrag mit einem Video zu dieser grausamen Foltertechnik unterlegen, habe ich schnell wieder verworfen, als mir nur zwei einschlägige Videos angeschaut hatte. Das ist so schrecklich anzusehen, dass ich für meine Person nicht mehr darüber diskutieren mag, ob es sich vielleicht nicht doch noch um eine zulässige Verhörmethode handelt - angewandt im Kampf gegen den Terror auch bei solchen Gefangenen, die entweder gänzlich unschuldig waren oder jedenfalls keine intimen Kenner der Führungsstrukturen waren.

Der Fall Daschner liegt, wie von Herrn Prof. Müller angesprochen, in der Sache anders. In Abu Graib und Guantánamo ging es nicht um "Rettungsfolter", sondern um den systematischen Einsatz von Folter zur Durchsetzung der Regierungslinie. Übrigens: Während in den USA anfänglich sich nur wenige an der Debatte über die Rückkehr der Folter beteiligten, setzte über die "Rettungsfolter" in Deutschland sehr schnell eine heftige Diskussuion ein.

0

Es ist immer schwierig, großen Ankündigungen die ganz bodenständigen tatsächlichen Handlungen folgen zu lassen. Aus diesem Artikel:

http://www.politico.com/news/stories/0109/18063.html

ist erkennbar, dass auch die Regierung Obama wohl Zurückhaltung an den Tag legen wird, wenn es darum geht, etwa die juristische Beratung in Folterdingen (straf-)rechtlich zu evaluieren. So soll einer der damaligen Protagonisten, der Rechtsprofessor Yoo, der in einem Memorandum für das Weiße Haus den Präsidenten in Kriegszeiten als über Recht und Gesetz stehend beurteilte, und Folter so eng definierte, dass sie selbst bei offensichtlichen Fällen nicht vorliegen soll, nun gegen die Klage eines Folteropfers (Jose Padilla) verteidigt werden. In dieser Klage ist das Justice Department, da Yoo als Vertreter der US-Regierung angegriffen wird, auf der Beklagten-Seite. Die neue Politik Obamas kann nun von den Juristen des Departmenst in ihrer Beklagtenverterter-Rolle nicht vertreten werden.
Überhaupt gilt es als unwahrscheinlich, dass die (maßgeblich an den Folterentscheidungen beteiligten) Regierungsjuristen der Bush-Administration jemals in den USA angeklagt werden.

0

Endgültig scheint mir noch nicht entschieden, dass es zu keiner strafrechtlichen Aufarbeitung kommt:

Der neue Chef des US-Justizministeriums Eric Holder - zugleich Generalstaatsanwalt - hat während des Bestätigungsverfahrens eine Strafverfolgung von Regierungs- und Geheimdienstbeamten wegen Folterverhören nicht ausgeschlossen. Unmissverständlich bezeichnete er die von der Bush-Regierung verteidigte Verhör-Methode des simulierten Ertränkens ("Waterboarding") als Folter.

Der neue 58-jährige US-Justizminister gilt als enger Vertrauter des Präsidenten. Unter Präsident Bill Clinton hatte er schon den Vize-Posten im Ministerium inne, war Bundesrichter und verfolgte als Staatsanwalt politische Korruptionsfälle.

0

Kommentar hinzufügen