Nochmals was "für lau": Aus dem Beck-Fachdienst Strafrecht - OLG Brandenburg zu Vorsatz und BAK

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 14.10.2009

Der Beck-Fachdienst Strafrecht hat mal wieder eine verkehrsrechtliche Besprechung online: OLG Brandenburg, Beschluss vom 10.06.2009 - 2 Ss 17/09, BeckRS 2009, 24152 (auf die Entscheidung war bereits im Blog hingewiesen worden). Es geht um das altbekannte Problem der Bedeutung der Höhe der BAK für die Beurteilung des Vorsatzes bei der Trunkenheitsfahrt. Aus der Besprechung:

"...Sachverhalt :Das LG verurteilte den Angeklagten wegen einer vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt. Nach den Feststellungen des LG führte er nachts einen PKW, wurde wegen unangepasster Geschwindigkeit kontrolliert und zeigte Ausfallerscheinungen. Die entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 2,37 mg/g. Nach der Widmarkformel müsste der Angeklagte bei einer Trinkzeit von einer Stunde 166 g bis 222g Alkohol zu sich genommen haben, also mindestens 4,1 l Bier, ca. 2,1 l Wein oder ca. 0,5 l Schnaps. Bei längerer Trinkdauer - mit Unterbrechungen - entsprechend höhere Mengen. Es sei nicht anzunehmen, dass er die Alkoholmengen unbewusst zu sich genommen hat. Auch die Wirkung des Alkohols auf die Kritikfähigkeit führe nicht dazu, dass diese Kenntnis verloren gehe, auch wenn der Angeklagte das Gefühl hatte, noch oder wieder fahrtüchtig zu sein. Das LG ist daher zu der Überzeugung gekommen, dass die hohe Alkoholkonzentration im Blut des Angeklagten und die damit verbundene Kenntnis von den genossenen Alkoholmengen und Arten bei ihm zu dem Bewusstsein geführt hat, dass er bei Fahrtantritt jedenfalls die Möglichkeit einer Fahruntüchtigkeit in Kauf genommen haben muss. Bei der Tat war der Angeklagte in seiner Schuldfähigkeit nicht aufgehoben, jedoch vermindert. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, der die Verletzung sachlichen Rechts rügt.

 

Rechtliche Wertung: Die Revision ist begründet. Die vom LG getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht. Das LG hat die Annahme einer vorsätzlichen Tat allein auf die Höhe der BAK bei der Trunkenheitsfahrt gestützt. Dies ist nicht möglich. Aus der BAK allein kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände auf vorsätzliches Handeln geschlossen werden (BGH, Urteil vom 08.06.1995 - 4 StR 189/95, DAR 1996, 175). Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit erkennt. Mit steigender Alkoholisierung verringert sich vielmehr die Erkenntnis- und Kritikfähigkeit, so dass die Fähigkeit, die eigene Fahruntüchtigkeit zu erkennen, in einer - zwar den Vorwurf der Fahrlässig­keit begründenden - jedoch den Vorsatz ausschließenden Weise beeinträchtigt sein kann.Um auf eine vorsätzliche Begehungsweise schließen zu können, müssen weitere darauf hinweisende Umstände hinzutreten. Dabei kommt es auf die vom Tatgericht näher festzustellende Erkenntnis­fähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an. Die Argumentation des LG, die im Wesent­lichen auf der Rückrechnung von der BAK des Angeklagten auf Art und Menge der von ihm - möglicherweise - konsumierten alkoholischen Getränke beruht, ist nicht schlüssig. Zwar ist auch der Senat der Auffassung, dass derjenige, der eine Stunde vor Fahrtantritt mehr als vier Liter Bier trinkt, seine daraus resultierende Fahruntüchtigkeit zumindest billigend in Kauf nimmt. Gleiches gelte für denjenigen, der mehr als zwei Liter Wein oder einen halben Liter Schnaps trinkt. Der Schwachpunkt dieser Argumentation ist aber, dass das LG über den Zeitpunkt der Alkoholauf­nahme und die Art und Menge der genossenen alkoholischen Getränke gerade keine Fest­stellungen getroffen hat. Die diesbezüglichen Ausführungen des LG sind bloße Vermutungen. Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass auch andere Geschehensabläufe denkbar sind, die nicht ohne weiteres den Schluss auf ein zumindest bedingt vorsätzliches Handeln des Angeklagten zulassen. So ist es ebenso möglich, dass der Angeklagte alkoholische Mixgetränke konsumiert hat, deren Alkoholgehalt er nicht kannte. Ebenso ist es möglich, dass der Angeklagte nach Beendigung der Alkoholaufnahme einige Stunden geschlafen und sich dann vor Fahrtantritt keine Gedanken über seine alkoholische Beeinflussung gemacht hatte..."

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