Bundesregierung will rasch eine zentrale Gerichtsbarkeit für Bundeswehrsoldaten aufbauen - Geht das denn verfassungsrechtlich?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 10.11.2009

Angesichts der Diskussion um den tödlichen Luftangriff in Afghanistan will die Bundesregierung in Potsdam rasch eine zentrale Gerichtsbarkeit für Bundeswehrsoldaten im Auslandseinsatz mit einem zentral zuständigen Landgericht aufbauen. Die Linke warnte vor einer Sonderbehandlung der Soldaten und auch bei den Grünen stößt die geplante zentrale Gerichtsbarkeit auf Widerstand.

In Übereinstimmung mit der Einschätzung des Deutschen Richterbunds (DRB) würde ich mit einem zentral zuständigen Landgericht einen Verstoß gegen das Grundgesetz sehen. Als einzige Möglichkeit kann auch aus meiner Sicht nur ein neues zentrales Bundesgericht für Wehrstrafsachen zur Diskussion stehen. 

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6 Kommentare

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man könnte auch einfach den Einsatz in A. offiziell als Kriegseinsatz deklarieren, dann könnte man sich diesen Moloch "Bundesgericht für Wehrstrafsachen" sparen.

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Gleich ob verfassungsgemäß oder nicht. Das was herauskommen könnte wäre vermutlich etwas wie das Gericht in Hamburg in Sachen Medienrecht:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/31/31434/1.html

 

Ich kann mir nicht vorstellen wie man das wirkungsvoll verhindern will. Ich kann jedoch vorstellen das man es sich durchaus in etwa so wünscht. Der Ungemach daraus wäre absehbar.

 

Grüße

ALOA

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@Dr. Graf, RiBGH:

 

Sie können unbesorgt sein was die obergerichtliche Zuständigkeit des BGHs für Revisionen gegen die Urteile der noch zu schaffenden Wehrstrafgerichte angeht, denn Art. 96 Abs. 3 GG sieht vor, dass Oberster Gerichtshof möglicher Wehrstrafgerichte der BGH würde.

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@MaM:

Der von Ihnen zitierte Art. 96 III GG bezieht sich u.a. auf Art. 96 II GG. Dort heißt es in Satz zwei: 

Sie können die Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind.

Aber nach der hier präsentierten Idee soll das Bundesgericht für Wehrstrafsachen eben auch in Fällen zuständig sein, die nicht den Verteidigungsfall betreffen. Oder zeigt das "oder" in Art. 96 II GG an, dass die Vorraussetzungen "Verteidigungsfall" und "Angehörige der Streitkräfte im Ausland" nur alternativ, aber nicht kumulativ erfüllt sein müssen?

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Damit bei all denen, die unsere Diskussion begleiten und/oder verfolgen, keine Missverständnisse entstehen, erlaube ich mir folgende Hinweise:

Bei der angedachten zentralen Gerichtsbarkeit geht es um die nach Art. 96 Abs. 2 GG seit langem gegebene Möglichkeit, dass der Bund Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte eingerichtet und zwar insbesondere für Angehörige der Streitkräfte, die in das Ausland entsandt sind. An ein solches Gesetz ist nicht gedacht, weil vermutlich nach wie vor politisch ein heißes Eisen. Sofort würde die Diskussion um die Kriegsgericht der Zweiten Weltkrieg wohl wieder hochkommen und vielleicht erinnert sich der eine oder andere noch an die "Filbinger"-Diskussion.

 

Art. 96 GG (nur die ersten drei Absätze)

 (1) Der Bund kann für Angelegenheiten des gewerblichen Rechtsschutzes ein Bundesgericht errichten.

  (2) 1Der Bund kann Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte errichten. 2Sie können die Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfalle sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind. 3Das Nähere regelt ein Bundesgesetz. 4Diese Gerichte gehören zum Geschäftsbereich des Bundesjustizministers. 5Ihre hauptamtlichen Richter müssen die Befähigung zum Richteramt haben.

  (3) Oberster Gerichtshof für die in Absatz 1 und 2 genannten Gerichte ist der Bundesgerichtshof.

 

Hervorzuheben ist, dass auch im Punkt Gerichtsbarkeit die Situation für die zumal in Afghanistan stationierten Soldaten sehr unbefriedigend ist. Die für den Heimatsstandort zuständige Staatsanwaltschaft kann nicht vom Schreibtisch aus in Deutschland ermitteln, was in Afghanistan in einer bestimmten Situation sich ereignet hat - von den völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und einsatzrechtlichen Fragen ganz abgesehen.

Sehr unbefriedigend ist es auch, dass vor Ort Beweise von Personen gesichert werden, die zugleich für das Disziplinarverfahren zuständig sind. Denn im Disziplinarverfahren muss der Beschuldigte aussagen, im Strafverfahren hat er dagegen das Recht zu schweigen.

Der Rechtsschutz für die im Auslandseinsatz befindlichen Soldaten ist zweifelsohne zu verbessern. Ein zentral zuständiges Landgericht (mit der angegliederten Staatsanwaltschaft), wenn dies überhaupt verfassungsrechtlich  zulässig sein sollte, würde jedenfalls nur ein Teil der Probleme lösen, die man schon seit längerem hätte angehen müssen.

 

Man muss sicher dafür sorgen das den Soldaten im Ausland ein gleichartiger Rechtsschutz gewährt wird wie jedem anderen auch.

 

Ein zentraler Standort in D ist dafür jedoch nicht geeignet. Das führt wie Herr Finger und zuvor ich schon ausgeführt hatten zu der Gefahr, das einem separaten Gericht eine separate Rechtsauslegung oder sogar separate Gesetze folgen. Das wird dann vermutlich noch mit einem besonderen Werdegang der zu berufenden Richter gepaart und schon ist ein Schritt hin zum Miasma des "Staat im Staate" gemacht. Sollte irgendwann eine Freiwilligen-/Berufsarmee folgen kommt ein weiterer hinzu.

 

Dem sollte man sich nicht aussetzen - auch wenn es verfassungsrechtlichen möglich wäre. Der maßgebliche Sachzwang dafür erscheint nicht sonderlich groß. Da haben die anderen von Prof. Heintschel-Heinegg genannten Dinge, nämlich die Rechte der Soldaten vor Ort, wichtiger und sollten lange davor angegangen werden.

 

Grüße

ALOA

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