Kappungsgrenze der Geschäftsgebühr am Ende?

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 03.03.2011

 

Brisant ist die Entscheidung des BGH vom 13.01.2011 - IX ZR 110/10-; sie behandelt zwei gebührenrechtliche Aspekte. Zum einen beschäftigte sich der BGH mit der Frage,  ob die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts vor Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage mit der 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG oder mit der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG (Rahmen von 0,5 - 2,5) zu vergüten ist. Zu Recht stellte sich der BGH auf den Standpunkt, dass insoweit der Vergütungstatbestand Nr. 2300 VV RVG einschlägig sei, der Begriff des „Betreiben des Geschäfts“ sei weit auszulegen. Was die Höhe des Gebührensatzes anging – und hier liegt wohl die eigentliche Bedeutung der Entscheidung- , war in dem vom BGH entschiedenen Fall eine 1,5 Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht worden. Der BGH hat diese Gebühr akzeptiert, und zwar mit der bemerkenswerten Begründung, dass jedenfalls eine 1,3-fache Geschäftsgebühr als Regelgebühr in einer durchschnittlichen Rechtssache berechtigt gewesen wäre. Die Erhöhung der 1,3-fachen Regelgebühr auf eine 1,5-fache Gebühr sei jedoch einer gerichtlichen Überprüfung entzogen, es entspreche allgemeiner Meinung, dass dem Rechtsanwalt bei Rahmengebühren bei der Festlegung der konkreten Gebühr ein Spielraum von 20 % zustehe. Falls es sich der Anwalt innerhalb dieser Grenze halte, sei die von ihm festgelegte Gebühr jedenfalls nicht im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG unbillig und daher von dem Ersatzpflichtigen hinzunehmen.

Fazit: Die Kappungsgrenze von 1,3 bei der Geschäftsgebühr wird weitgehend an Bedeutung verlieren

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4 Kommentare

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Das BVerwG vertritt nach meiner Einschätzung in dieser Frage eine durchaus differenziertere Auffassung

- vgl. u.a. B. v. 17.08.2005 in 6 C 13/04 http://www.bverwg.de/enid/9c3af570f4ad1cd40952b39680c95e37,520e25655f76696577092d0964657461696c093a09636f6e5f6964092d0936303831093a095f7472636964092d093133333431/Entscheidungen/Entscheidung_8n.html.

Aus den Gründen:

"bb) Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Klägers lässt sich der Mittelwert aber nicht in der Weise mit dem Ermessensspielraum des Rechtsanwalts nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG) verbinden, dass der Rechtsanwalt für berechtigt gehalten wird, diesen Wert ohne weitere Begründung um 20 % zu erhöhen. Denn durch die Maßgeblichkeit des Mittelwerts im Normalfall wird wie soeben dargelegt der Ermessensspielraum des Rechtsanwalts nach § 12 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (§ 14 Abs. 1 Satz 1 RVG) im Interesse einer sachgerechten und gleichmäßigen Ermessensausübung begrenzt. Wäre es dem Rechtsanwalt gestattet, bei der Gebührenbestimmung auch in durchschnittlichen Fällen immer um bis zu 20 % über den mittleren Gebührensatz hinauszugehen, so würde dieser Gebührensatz in der Rechtspraxis weitgehend durch eine Gebühr in der Nähe der vollen Gebühr abgelöst werden. Dadurch würde der zur Verfügung stehende Gebührenrahmen nach oben verzerrt und der Zweck des Mittelwerts, in einem Großteil der Fälle deren zutreffende Einordnung innerhalb dieses Rahmens zu ermöglichen, vereitelt werden.

25Hiernach muss der mittlere Gebührensatz in den ihm zugeordneten durchschnittlichen Fällen als ein fester, vom Rechtsanwalt nicht zu überschreitender Wert verstanden werden. Unterscheidet sich die zu beurteilende Tätigkeit des Rechtsanwalts unter den maßgeblichen Gesichtspunkten nicht vom Normalfall, so ist allein die Bestimmung der Mittelgebühr billig, die Bestimmung einer höheren Gebühr hingegen unbillig und darum für den erstattungsverpflichteten Dritten gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 BRAGO (§ 14 Abs. 1 Satz 4 RVG) nicht verbindlich. Ein Spielraum des Rechtsanwalts zur Bestimmung einer höheren Gebühr besteht folglich nur dann, wenn besondere Umstände vorliegen, die geeignet sind, eine solche Gebührenbestimmung zu rechtfertigen. Anderenfalls hat es mit der Mittelgebühr sein Bewenden, weil auch in Anbetracht des grundsätzlichen Ermessensspielraums des Rechtsanwalts seine Tätigkeit nur mit dieser Gebühr zutreffend bewertet ist (ebenso BVerwG, Beschluss vom 18. September 2001 BVerwG 1 WB 28.01 Buchholz 311 § 20 WBO Nr. 2 = NVwZ-RR 2002, 73; BSG, Urteile vom 7. Dezember 1983 9a RVs 5/82 JurBüro 1984, 1511 und vom 26. Februar 1992 9a RVs 3/90 Rechtsbeistand 1994, 31 ; OLG Celle, Beschluss vom 31. August 2001 15 WF 170/01 Anwaltsgebühren spezial 2001, 268; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. November 2001 4 WF 138/01 MDR 2002, 666; vgl. auch BFH, Beschluss vom 19. Oktober 2004 VII B 1/04 BFH/NV 2005, 561).

26Im Einklang damit hat der Senat in seinem Beschluss vom 16. August 1983 BVerwG 6 B 22.83 (juris) und in seinem Urteil vom 7. Juni 1986 BVerwG 6 C 63.83 (a.a.O. S. 1813) unter Hinweis auf sein Urteil vom 8. Mai 1981 BVerwG 6 C 153.81 (BVerwGE 62, 196) klargestellt, dass die Überschreitung des Mittelwerts der näheren Begründung anhand der besonderen Umstände des Einzelfalls bedürfe und dass darum die vom Rechtsanwalt angesetzte Gebühr auch dann schon unbillig hoch sein könne, wenn sie die Mittelgebühr um weniger als 20 % übersteige. Auch in seinem Beschluss vom 1. September 1997 BVerwG 6 B 43.97 (a.a.O.) hat er an der Notwendigkeit festgehalten, eine den Mittelwert überschreitende Gebührenbestimmung des Rechtsanwalts durch besondere Umstände zu rechtfertigen. Soweit in dem zuletzt genannten Beschluss zugleich davon die Rede ist, bei einer Überschreitung des Mittelwerts um (genau) 20 % sei die Annahme einer Unbilligkeit gerade noch ausgeschlossen, darf dies nicht dahin verstanden werden, dass eine solche Überschreitung ohne die Feststellung besonderer Rechtfertigungsgründe zulässig ist. Ob der dem Rechtsanwalt eröffnete Ermessensspielraum mit der vom Senat angenommenen 20%-Grenze zutreffend umschrieben ist (zweifelnd BSG, Urteile vom 7. Dezember 1983 a.a.O. und vom 22. März 1984 11 RA 58/83 SozR 1300 § 63 Nr. 4; OLG Celle, Beschluss vom 31. August 2001 a.a.O.), bedarf aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits keiner Überprüfung. Denn der Prozessbevollmächtigte des Klägers war, wie sich aus den vorangehenden und den nachfolgenden Ausführungen ergibt, bei seiner Gebührenbestimmung an den Mittelwert gebunden, verfügte also über keine Gestaltungsmöglichkeiten."

 

Ob ein Bemessungskriterien des § 14 RVG durchschnittlich, leicht unterdurchschnittlich oder leicht überdurchschnittlich vorhanden ist, ist in vielen Fällen nicht mit einhelliger Meinung zu klären. Deshalb muss es den Toleranzspielraum geben. Dabei kann es keinerlei Unterschied machen, ob  die Bewertungsschwierigkeiten auftreten bei einer Gebühr von 1,0, 1,3, 1,5 oder 2,0. Die Bedeutung der Entscheidung des BGH liegt darin, dass auch bei der Kappungsgrenze von 1,3 der Toleranzspielraum angewandt wurde.

Der rechnerische Mittelwert eines Rahmens von 0,5 und 2,5 ist 1,5 (0,5 + 2,5 ./. 2). Unter den ReNos wird die Gebühr von 1,3 gern "Kopfaus-Gebühr" genannt. Im Rahmen der Diskussion um die Erhöhung der RVG-Gebühren könnte schon hier angesetzt und neu formuliert werden: "Eine höhere Gebühr als die Mittelgebühr von 1,5 kann nur gefordert werden, wenn ...".

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"Leitsatz:

Soweit keine besonderen Umstände vorliegen, entspricht allein die Bestimmung des Mittelwerts der gesetzlichen Rahmengebühr durch den Rechtsanwalt billigem Ermessen. Für die Berücksichtigung einer darüber hinausgehenden Toleranzgrenze bleibt in einem solchen Fall kein Raum (wie Beschluss vom 18. September 2001 BVerwG 1 WB 28.01 Buchholz 311 § 20 WBO Nr. 2 = NVwZ-RR 2002, 73).

Urteil des 6. Senats vom 17. August 2005 BVerwG 6 C 7.04"

http://www.bverwg.de/enid/7b515ce12cf8cf9800368628c2fce67a,80cf60655f76696577092d0964657461696c093a09636f6e5f6964092d0936303836093a095f7472636964092d093133333431/Entscheidungen/Entscheidung_8n.html

 

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