AG Herford/OLG Hamm: Die nicht ordnungegemäße Verfahrensrüge im Volltext!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 12.04.2011

Das AG Herford hatte bekanntlich in großem Umfange freigesprochen - weil für die Fertigung von Messfotos keine Ermächtigungsgrundlage existiere. Die Revision der StA hatte keinen Erfolg. Interessant vor allem, was sich in dem Beschluss des OLG zur Verfahrensrüge findet:

"....Die Verfahrensrüge greift nicht durch, denn die Rüge genügt nicht der durch § 344 Abs. 2 StPO i. V. m. § 79 Abs. 3 OWiG vorgeschriebenen Form.

Nach der genannten Vorschrift ist eine Verfahrensrüge nur dann in zulässiger Form erhoben, wenn „die den Mangel enthaltenen Tatsachen angegeben“ sind. Diese Angaben haben mit Bestimmtheit und so genau und vollständig zu erfolgen, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtsmittelbegründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn die behaupteten Tatsachen zutreffen. Eine Aufklärungsrüge ist nur dann begründet, wenn der Tatrichter es unterlassen hat, eine bestimmte Beweistatsache unter Benutzung eines bestimmten Beweismittels aufzuklären, obwohl sich ihm die unterbliebene Beweiserhebung aufdrängen musste (vgl. BGHR StPO, § 344 Abs. 2 S. 2 Aufklärungsrüge 6 m. w. N.).

Soll mit der Revision bzw. der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden, dass der Tatrichter zu Unrecht von einem Verwertungsverbot ausgegangen ist, ist im Rahmen der Aufklärungsrüge auch der Inhalt des nicht verwerteten Beweismittels mitzuteilen (vgl. R. Hamm, Die Revision in Strafsachen, 7. Aufl. 2010, Rdnr. 1023 m. w. N.; BGH NJW 1995, 2047). Wird etwa beanstandet, dass eine Urkunde nicht verlesen oder im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführt worden ist, so ist es in der Regel erforderlich, dass die Revision den Wortlaut der Urkunde wiedergibt (vgl. Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 244 Rdnr. 368 m. w. N.; BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011, a. a. O.). Bei der Rüge, ein Lichtbild sei fehlerhaft nicht in Augenschein genommen worden, muss dieses in die Revisionsbegründung aufgenommen werden (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 344 Rdnr. 22; BGH StV 2004, 304; BGH Beschluss vom 03. Mai 1993 - 5 StR 180/93, veröffentlicht bei BeckRS 1993, 31088832). Nur bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ist das Revisionsgericht in der Lage zu prüfen, ob sich das Tatgericht aufgrund seiner Aufklärungspflicht zur Beweiserhebung über den Inhalt des Beweismittels hätte gedrängt sehen müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Januar 2011, a. a. O.). Ferner setzt die Prüfung, ob das freisprechende Urteil auf der - etwa rechtsfehlerhaft - unterbliebenen Verwertung des Beweismittels beruht, die Kenntnis vom Inhalt des Beweismittels voraus (BGH NJW 1995, 2047).

Die Revisionsrechtfertigung genügt diesen Anforderungen nicht. Zwar führt die Revision aus, dass das Amtsgericht seine Beweisaufnahme nicht auf das gefertigte Radarfoto erstreckt habe, obwohl dieses Lichtbild zur Identitätsfeststellung des Betroffenen generell geeignet sei, so dass bei Berücksichtigung dieses Beweismittels im Rahmen der Beweisaufnahme die Fahrereigenschaft des Betroffenen festgestellt und der Betroffene wegen der ihm zur Last gelegten Verkehrsordnungswidrigkeit verurteilt worden wäre. Dies ist jedoch deshalb nicht ausreichend, weil das betreffende Radarfoto nicht durch eine Ablichtung zum Gegenstand der Revisionsbegründung gemacht worden ist. Auch enthält die Revisionsbegründungsschrift keine Ausführungen zur konkreten  Bildqualität und eine genaue Beschreibung der abgebildeten Person. Das Revisionsgericht ist deshalb nicht in der Lage, die konkrete Eignung des Radarfotos zur Identifizierung des Betroffenen nachzuvollziehen.

Da der Tatrichter das Radarfoto nicht durch Verweisung nach § 267 Abs. 1 S. 3 StPO zum Gegenstand der Urteilsgründe gemacht hat, führt auch die zulässig erhobene Sachrüge, aufgrund derer das Rechtsbeschwerdegericht die Gesamtheit der Urteilsfeststellungen zur Kenntnis nimmt, diesbezüglich nicht weiter.

Bereits aufgrund dieses Mangels ist das Rechtsbeschwerdegericht nicht in der Lage nachzuprüfen, ob der Tatrichter die Inaugenscheinnahme des Radarfotos zu Unrecht unterlassen hat, um die Identifizierung des Betroffenen unter Benutzung des Radarfotos aufzuklären; war das Radarfoto aufgrund der Abbildung an sich schon zur Identifizierung nicht hinreichend geeignet, scheidet eine Verletzung der Aufklärungspflicht durch die unterbliebene Inaugenscheinnahme von vornherein aus...." ..."

OLG Hamm, Beschluss vom 15.03.2011 - III-3 RBs 62/11, 3 RBs 62/11  = BeckRS 2011, 07063

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