Sachgrundlose Befristung trotz arbeitsvertraglicher Benennung eines Sachgrundes

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 05.10.2011
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtBefristungsachgrundlose Befristung3|6846 Aufrufe

Die Befristung eines Arbeitsvertrages ist entweder mit sachlichem Grund (§ 14 Abs. 1 TzBfG) oder - unter gewissen Einschränkungen - ohne einen solchen zulässig (§ 14 Abs. 2 TzBfG). Nicht selten fixieren die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag einen bestimmten Sachgrund (z.B. Übernahme eines bestimmten Projekts), der sich im Streitfall aber nicht als tragfähig erweist. Dann stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber zur Rechtfertigung auf eine sachgrundlose Befristung ausweichen darf, soweit deren Voraussetzungen erfüllt sind. Dies hat das BAG in einem jetzt veröffentlichten Urteil (vom 29.06.2011 - 7 AZR 774/09, BeckRS 2011, 76303) grundsätzlich erneut bejaht und dabei an seiner bisherigen Linie festgehalten:

§ 14 Abs. 2 TzBfG ermöglicht als einseitig zwingende gesetzliche Vorschrift die Vereinbarung einer für den Arbeitnehmer günstigeren Regelung. Eine solche Abbedingung kann sowohl ausdrücklich als auch konkludent erfolgen. An einen konkludenten Ausschluss der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 1 TzBfG ist vor allem dann zu denken, wenn der Arbeitnehmer die Erklärungen des Arbeitgebers dahin verstehen darf, dass die Befristung ausschließlich auf einen bestimmten Sachgrund gestützt werden und von dessen Bestehen abhängig sein soll. Dabei sind die Umstände des Einzelfalles entscheidend. Die Benennung eines Sachgrundes kann hierbei ein wesentliches Indiz sein. Sie allein reicht allerdings noch nicht aus, um anzunehmen, die sachgrundlose Befristung solle damit ausgeschlossen sein. Vielmehr müssen im Einzelfall noch zusätzliche Umstände hinzutreten. Ob die Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG vertraglich abbedungen wurde, ist im Einzelfall durch Auslegung der vertraglichen Vereinbarung zu ermitteln (so das BAG schon früher zu § 1 BeschFG, vgl. Urt. vom 04.12.2002 - 7 AZR 545/01, NZA 2003, 916).

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3 Kommentare

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Von den Urteilen, in denen das BAG mit AGB hantieren muss, bin ich nicht zum ersten Mal überrascht.

Ich kann dem Argumentationsgang der Erfurter Richter insoweit folgen und stimme auch dem Teilergebnis zu, sofern es um die Frage geht, ob in der Nennung eines nicht existenten Sachgrundes konkludent der Ausschluss der Befristung als solcher liegt.

Das Problem liegt aber m. E. auf einer Prüfungsstufe vorher.

Das BAG nimmt nämlich mit Recht zunächst eine AGB-Kontrolle vor, bei der es die Befristungsabrede untersucht. Eine ABG-Kontrolle an Hand des § 307 BGB, wie vom BAG geschehen, setzt aber zwingend voraus, dass es sich um dispositives Recht handelt, von dem die betreffende Klausel abweichen soll. Hätten die Parteien die Befristung nicht vereinbart, so würde kraft Gesetzes gelten, dass das Arbeitsverhältnis unbefristet ist. Bei der Überprüfung der Frage, ob hiervon, also von der "Unbefristetheit", auf unangemessene, den Geboten von Treu und Glauben zuwiderlaufende Weise und damit AGB-widrig abgewichen werde, stieß das BAG auf die Frage, ob die Regelung intransparent sei. Hierbei heißt es in der Entscheidung: "Weil die Rechtsgrundlage der Befristung nicht Vertragsinhalt geworden sein muss, hindert deren missverständliche Beschreibung im Arbeitsvertrag nicht die Wirksamkeit der Befristung."

Hiergegen ist m. E. dreierlei dogmatisch einzuwenden:

Erstens: Für die Frage, ob AGB intransparent sind, ist es entgegen dem BAG m. E. gleichgültig, ob das, was missverständlich formuliert ist, "Vertragsinhalt geworden" ist oder nicht. Im Gegenteil: Intransparenz im Sinne des AGB-Rechts kann gerade deshalb vorliegen, weil nicht zu erkennen ist, was Vertragsinhalt wurde und was nicht.

Zweitens: Warum sollte der im Vertrag genannte Sachgrund der Befristung, vom BAG sogar als "Rechtsgrundlage der Befristung" bezeichnet, nicht Vertragsinhalt sein? Nun gut, da kommt es wohl auf den Einzelfall an.

Aber drittens: entgegen dem BAG war das Problem nicht die "missverständliche Beschreibung" des Sachgrundes. Das BAG nimmt eine künstliche Trennung vor, indem es den falschen Sachgrund als angeblichlich "nicht Vertragsinhalt geworden" rechtsirrig von der AGB-Kontrolle ausnimmt, um dann dem verbliebenen Rest, nämlich der Befristung als solcher und dem Endatum der Befristung zu attestieren, das sei doch alles ganz eindeutig. In Wahrheit ist doch auch der Sachgrund - entgegen dem BAG - nicht Opfer "missverständlicher Beschreibung" geworden, sondern genauso klar und eindeutig im Arbeitsvertrag geregelt wie die Befristung als solche und deren Enddatum. Das Problem ist nicht, dass der Sachgrund missverständlich beschrieben wurde, das Problem ist, dass der unmissverständlich (!) beschriebene Sachgrund nicht existierte. Das leitet zu der vom BAG nicht beantworteten Frage über: Sind an sich transparente AGB deshalb intransparent, wei sie "falsch" sind?  M. E. ja, denn das Gesetz sanktioniert, wenn "entgegen den Geboten von Treu und Glauben" der Vertragspartner "unangemessen benachteilig[t]" wird. Eine eindeutige und zugleich eindeutig falsche Aussage ist nach meinem Dafürhalten erst recht undurchsichtig und benachteiligend.

@ #1

Vielleicht wird es klarer, wenn man genauer zwischen Vertragsinhalt, Rechtsgrundlage und Tatsachen differenziert. Vertragsinhalt ist die Befristung: "Das Arbeitsverhältnis endet  mit Ablauf des 16.07.2008". Das ist transparent. Rechtsgrundlagen sind die Vorschriften, an denen die Rechtmäßigkeit des Vertragsinhalts gemessen wird, und dabei sind grundsätzlich alle in Frage kommenden (und damit sowohl § 14 Abs. 1 als auch Abs. 2 TzBfG) in die Prüfung mit einzubeziehen. Grundlage der Prüfung sind die (vorgetragenen) Tatsachen. Und hier reichte die Tatsache "Neueinstellung". Es war lediglich fraglich, ob die Angabe der Tatsache "zur Probe" (also der Wunsch des Arbeitgebers, die Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers besser kennenzulernen) im Arbeitsvertrag die Berufung auf die nichtgenannte, aber unstreitige und beiden Parteien offenkundige Tatsache "Neueinstellung" ausschloss. Und die Antwort des BAG ist völlig plausibel: Man kann so etwas zwar machen, aber allein der Hinweis auf bestimmte Tatsachen bedeutet nicht, dass andere Tatsachen von vornherein keine Rolle mehr spielen. Warum sollte es auch? Mit AGB-Kontrolle hat das nichts zu tun. Das Befristungsrecht ist zu Lasten der Arbeitnehmer ohnehin nicht dispositiv (§ 22 TzBfG).

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