EU-Kommission hat Probleme mit der Vorratsdatenspeicherungs-RiLi

von Dr. Axel Spies, veröffentlicht am 09.01.2012

Ein Heise-Artikel zum hier schon häufiger behandelten Thema Vorratsdatenspeicherung enthält einige Aussagen, die ich gerne hiermit zur Diskussion stelle: So heißt es, rechtliche Unsicherheiten, die bei der Abfassung der Vorratsdatenspeicherungs-RiLi 2006/24/EG noch in Kauf genommen worden seien, stellen nach diesem Artikel die EU-Kommission vor Probleme. So bewahren, wie es in dem Artikel heißt,  Diensteanbieter auch Informationen etwa zu Chats, Instant Messaging oder Filesharing auf, obwohl diese größtenteils nicht zu den von der RiLi erfassten "Verkehrsdaten" zählen würden. Abgrenzungsschwierigkeiten  ergäben es ferner beim Mailverkehr, wo es sowohl die klassische E-Mail als auch webbasierte Services gibt.

Aus Wirtschaftssicht bestehe als „großes Minus“, dass die Richtlinie keine Vorgaben zur Kostenerstattung mache. Business-to-Business-Anbieter und mittelständische Provider hätten fast nie mit Anfragen von Sicherheitsbehörden zu rechnen, hätten aber fast die gleichen Kosten wie größere Konkurrenten

Die Kommission drängt trotz der Probleme auf die Implementierung der RiLi 2006/24/EG.

Was meinen Sie - sind die Argumente stichhaltig? 

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14 Kommentare

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Nach der EuGH-Entscheidung "Scarlet Extended" zu Filterpflichten der Accessprovider ist ein kostspieliges Filtersystem mit Art. 16 GRC nicht zu vereinbaren (Rn. 46 ff.). Dies hat auch Bedeutung für die Kostentragungsverteilung bei der Vorratsdatenspeicherung, zumal so mit Wettbewerbsverzerrung zu rechnen ist.

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Sehr geehrter Herr Dr. Spies,

 

mich wundert es kaum, dass die Provider mit dem Rechtsbegriff der "Verkehrsdaten" wenig anfangen können und daher auch zur Speicherung der von Ihnen erwähnten Informationen etwa zu Chats kommt. Das war absehbar und immer schon Teil der Argumentation der Gegner. Genauso wird niemand gewährleisten können, dass jeder private Telekommunikationsanbieter es mit der Sicherung der Daten und dem Schutz vor Zugriff Unbefugter und der Zweckentfremdung genau nehmen wird. Willkommen in der schönen neuen Welt der vorprogrammierten Datenskandale...

 

Mich schockiert weiterhin, dass es von zig Politikern als völlig normal betrachtet wird, persönlichkeitsrelevante Verkehrsdaten "auf Verdacht" flächendeckend zu speichern und für mehrere Monate zu archivieren und damit Risiken zu schaffen, die niemand kontrollieren kann. Hätte man das in den Achtziger Jahren gefordert, in einer Zeit, in der Datensparsamkeit nach dem Volkszählungsurteil in aller Munde war, wäre man als Politiker für verrückt erklärt worden. 9/11 hat die Spielregeln neu gestaltet und zu einem tiefgreifenden Auf- und Umbau der Sicherheitsarchitektur geführt.

 

Man kann der Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger nur wünschen, dass sie sich von ihrem Verweigerungskurs nicht abbringen lässt. Von der EU-Kommission erwarte ich datenschutzrechtlich im Übrigen so gut wie nichts mehr.

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Vielen Dank für die Kommentare. Wie stehen Sie denn zu dem Aspekt, dass Deutschland mit seiner Weigerung, die EU-RiLi fristgemäß umzusetzen (und evtl lieber die Strafe zu zahlen), der Rechtssicherheit in der EU schadet?

Dass eine Richtlinie auf unabsehbare Zeit nicht umgesetzt wird, ohne dass im Inland - mit Ausnahme eines unter Autoritätverlust leidenden Innenministers - großer Protest sich erhebt, ist eine bedenkliche Entwicklung, die zu der passt, deren Spitze die Abnabelung von Großbritannien und Griechenland darstellt. Das hat offenbar auch die Kommission zu spät erkannt.

Kritiker der Vorratsdatenspeicherung, die deren berechtigtes Ziel der Terrorismusbekämpfung nicht anerkennen, sind nicht glaubwürdig. Denen in die Hände spielen unbeabsichtigt letztlich die, die auch noch den davon umfassten Schutz zivilrechtlicher Ansprüche verlangen.

Die Schere zwischen denen, die Vorratsdatenspeicherung, Abo-Fallen, Persönlichkeitsrechts- oder Urheberrechtsverfolgung ausgesetzt sind, und denen, die sich durch Anonymität dagegen zu schützen wissen, wird immer größer. Gerechtigkeit ist nicht damit zu vereinbaren, dass die Anforderungen an Intelligenz und Bildung der User zu hoch angesetzt werden. Das (Straf-)Recht muss auch die "Dummen" schützen.

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"Kritiker der Vorratsdatenspeicherung, die deren berechtigtes Ziel der Terrorismusbekämpfung nicht anerkennen, sind nicht glaubwürdig."

 

Das Problem dabei ist, dass das Argument der Terrorismusbekämpfung schlicht vorgeschoben erscheint, wenn man sich den Katalog anschaut, für welche Taten die Daten beauskunftet werden. Da sind so schöne Sachen bei wie eine mittels Telekommunikationseinrichtungen begangene Beleidigung. Das hat - mit Verlaub - mit Terrorismusbekämpfung nichts zu tun (es sei denn, man würde mittels TK begangene Beleidigungen als Terrorismus definieren; das scheint mir aber an den Haaren herbeigezogen [vulgo: schlicht unvertretbar]).

 
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Ebenso wie bei Großbritannien und Griechenland muss auch bei der Vorratsdatenspeicherung ein Bereinigungsprozess einsetzen, der klarstellt, welche Verbindungsdaten zu speichern sind und wer die umsatzunabhängigen Investitionskosten zu tragen hat.

Die Speicherung zu zivilrechtlichen Zwecken darf hiermit keinesfalls vermengt werden, zumal hierfür die dafür vorgesehenen Instrumentarien zur Verfügung stehen. Der EuGH weist in der Entscheidung zu eBay darauf hin, dass der Intermediär zur Drittauskunfterteilung verpflichtet ist. Entsprechendes gilt nach der Enforcement-RL.

Richtig ist aber auch, dass sich nicht Daten zu jedem Kommunikationsprozess speichern lassen. Wichtige Ermittlungsansätze lassen sich auch aus dem Vorfeld konspirativer Kommunikation etwa durch Boten oder Steganographie entnehmen.

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Wie man bei jeder Vertragsgestaltung weiß und wie gerade die Fälle von Großbritannien und Griechenland zeigen, darf man weder darauf vertrauen, dass alles schon gut geht, noch darauf, dass die Gerichte schon alles retten werden. Zumal diese bisweilen, wie die Bespiele des Sharehosting (OLG Düsseldorf) oder der Abofallen zeigen, überfordert sind. Insofern sind nicht die Anforderungen der User sondern der Gesetzgeber an Intelligenz und Bilderung höher anzusetzen.
Denn wie kann es sein, dass in der Enforcement-RL Drittauskunftsansprüche enthalten sind, die dem natürlichen Interesse der Intermediäre zuwiderlaufen, ohne entsprechende maßvolle Speicherpflichten vorzusehen. Hier liegt ein schwerer handwerklicher Fehler vor, den auch die Gerichte nicht adäquat kitten können.
Wer will es dann den Rechteinhabern verdenken, dass sie sich bei der Vorratsdaten-RL sachwidriger Weise versuchen zu nehmen, was ihnen an anderer Stelle versäumt wurde, einzuräumen. Gleichfalls probelmatisch ist die Wettbewerbsverzerrung, die aufgrund der Vorratsdatenspeicherung für die Provider sowohl innerhalb als auch zwischen den Mitgliedstaaten droht. Die aber von den Verwaltungsgerichten vollkommen ignoriert wurde; auch vom BVerfG!

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Wie man bei jeder Vertragsgestaltung weiß und wie gerade die Fälle von Großbritannien und Griechenland zeigen, darf man weder darauf vertrauen, dass alles schon gut geht, noch darauf, dass die Gerichte schon alles retten werden. Zumal diese bisweilen, wie die Bespiele des Sharehosting (OLG Düsseldorf) oder der Abofallen zeigen, überfordert sind. Insofern sind nicht die Anforderungen der User sondern der Gesetzgeber an Intelligenz und Bilderung höher anzusetzen.
Denn wie kann es sein, dass in der Enforcement-RL Drittauskunftsansprüche enthalten sind, die dem natürlichen Interesse der Intermediäre zuwiderlaufen, ohne entsprechende maßvolle Speicherpflichten vorzusehen. Hier liegt ein schwerer handwerklicher Fehler vor, den auch die Gerichte nicht adäquat kitten können.
Wer will es dann den Rechteinhabern verdenken, dass sie sich bei der Vorratsdaten-RL sachwidriger Weise versuchen zu nehmen, was ihnen an anderer Stelle versäumt wurde, einzuräumen. Gleichfalls probelmatisch ist die Wettbewerbsverzerrung, die aufgrund der Vorratsdatenspeicherung für die Provider sowohl innerhalb als auch zwischen den Mitgliedstaaten droht. Die aber von den Verwaltungsgerichten vollkommen ignoriert wurde; auch vom BVerfG!

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Danke. Es wäre gut, wir wir uns etwas mehr auf die Frage konzentrieren, ob die Verweigerung der Umsetzung der RiLi der Rechtssicherheit allgemein in der EU schadet. Die Rechtssicherheit ist eine der Grundpfeiler der EU - was immer man allgemein gegen die Vorratsdatenspeicherung anführen kann.  Setzt Deutschland damit nicht ein schlechtes Beispiel für andere Länder?

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Wieso werfen denn hier selbst Doktoren Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit munter durcheinander?

Schon bisher hat doch trotz RiLi jeder EU-Staat einen Spielraum, was die Umsetzung in nationales Recht angeht. Das kann zu krassen Unterschieden führen: so berücksichtigt z.B. Österreich bei der Zeitarbeit das "Equal Pay"-Prinzip im Gesetz ohne Ausnahme (und berücksichtigt damit im Gegensatz zu Deutschland elementare volkswirtschaftliche Prinzipien, aber das nur nebenbei), während in Deutschland die Hintertür zum Lohndumping über Tarifverträge und Pseudogewerkschaften geöffnet wurde. Hat diese RiLi-Umsetzung angesichts der CGZP-Urteile etwa Rechtssicherheit gebracht?

Es gibt Bundesstaaten in den USA, in denen die Todesstrafe ausgesprochen und vollzogen wird und solche, in denen sie verboten ist. Besteht da Ihrer Ansicht nach etwa keine Rechtssicherheit, nur weil  es keine Einheitlichkeit gibt?

Kopfschüttelnd und Haareraufend vor dem Rechner sitzend ...

Da bin ich mir meiner Frage mißverstanden worden. Es geht nicht schwerpunktmäig um die Rechtseinheitlichkeit innerhalb der EU, sondern darum, dass, wenn ein großer EU-Mitgliedsstaat EU einfach nicht umsetzt (und lieber eine Strafe zahlt), die Rechtssicherheit in der EU, u.a. durch das schlechte Beispiel, gefährdet ist.

Die "Todesstrafe" hier bei uns ist eine ganz andere Problematik: Es gibt (zum Glück) kein US-Bundsrecht, das die Einführung der Todesstrafe in den Bundesstaaten verbietet. Gäbe es dieses Gesetz und würde sich ein Bundesstaat einfach darüber hinwegsetzen (egal was der Richter sagt), wäre die Rechtssicherheit gefährdet.

Grüsse aus Washington, AS

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Fiat iustitia!

Hat eigentlich mal einer die Provider gefragt, wer ihnen die Investitionskosten in sechststelliger Höhe ersetzt, die nach der BVerfG-Entscheidung nutzlos geworden sind und selbst nach Wiederumsetzung der RL weitgehend nutzlos bleiben angesichts der erforderlichen Beachtung neuer technischer Vorgaben des BVerfG. Zum Glück gibt es keinen Staatshaftungsanspruch.

Wenn offenbar nicht alle Mitgliedstaaten mitziehen und bei der Art. 20 Gruppe sowie bei der Kommission Zweifel auftauchen, sollten diese nicht behoben werden. Oder sollen die Provider erneut Kostenrisiken ausgesetzt werden, die die Politik schafft.

Die bereits mehrfach zuvor angesprochenen Zerfallserscheinungen lässt sich gerade nicht durch blindes Umsetzen vorbeugen, sondern nur durch solides verantwortungsvolles Arbeiten!

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Haben denn die Bedenken des Europäischen Datenschutzbeauftragten Hustinx und des deutschen BfDI Schaar absolut keine Berechtigung?

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