Früherer Hafturlaub für lebenslänglich Verurteilte?

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 11.04.2012

Strafvollzug ist seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 Ländersache. Jetzt streiten die Justizminister der Länder über Hafterleichterungen von Straftätern, die zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurden. Ein Musterentwurf von zehn Bundesländern sieht, auch um den föderalen Flickenteppich zu begrenzen, nun bereits nach fünf Jahren (und nicht wie bisher nach zehn Jahren; Bayern: zwölf Jahre) Hafturlaub von bis zu 21 Tagen vor (sog. Langzeitausgang) .

Dafür wird der Resozialisierungsauftrag, das Senken der Rückfallquote, die Rechtsprechung des BVerfG sowie die Humanität ins Feld geführt. Dagegen spricht das Sicherheitsbedürfnis und das gerade in diesem Bereich sehr sensible Rechtsempfinden vieler Bürger.

Der richtige Ansatzpunkt liegt aus meiner Sicht im Resozialisierungsgedanken, der nicht allein durch Absenken der Hürden für einen Hafturlaub umgesetzt wird, sondern von einer vorausschauenden Resozialisierungsarbeit und dem Willen des zu Integrierenden abhängt. Andernfalls ist die Gesetzesinitiative nur als "nichts den Steuerzahler kostende" Scheinlösung anzusehen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

2 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Ich denke, dass eine frühere Möglichkeit für Hafturlaub kein Automatismus sein darf, sondern an (strenge) Bedingungen geknüpft werden müsste. Dabei muss nicht der Staat in der Bringschuld sein, sondern der Straftäter muss im Zweifelsfalle nachweisen, dass er die Bedingungen erfüllt.

Das bedeutet auch, dass das Absitzen der Strafe, ohne dabei negativ aufzufallen, für eine entsprechende "Vorzugsbehandlung" nicht ausreichen sollte.

Wer sich aber frühzeitig darum bemüht, dass seine spätere Resozialisierung erfolgreich verlaufen wird (was auch immer im Einzelfall dazugehört an Therapien, Fortbildungen - aber auch Einsicht über die Tat und ggf. eine Entschuldigung bei Opferangehörigen) sollte von so einer Möglichkeit profitieren können.

4

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme des bayerischen Justizministeriums, wonach der Hafturlaub der Entlassungsvorbereitung diene, was zehn Jahre vor der Freilassung eines Straftäters nicht in Betracht komme. (http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,826742,00.html) Den Damen und Herren des bayerischen Justizministeriums sei eine der jüngeren Entscheidungen des BVerfG zur Lektüre empfohlen: BVerfG StV 2011, 488. Dort wird geradezu lehrbuchmäßig der Sinn und Zweck von Vollzugslockerungen bei zu lebenslänglicher Haft Verurteilten ausgeführt. Das BVerfG betont u.a., dass es falsch sei, Lockerungen wie Urlaub und Ausgang bei Lebenslänglichen ausschließlich auf die Funktion der Entlassungsvorbereitung zu reduzieren. Vielmehr dienten Lockerungen bei Lebenslänglichen in erster Linie dazu, den schädlichen Wirkungen der langen Inhaftierung entgegenzuwirken (sog. Gegensteuerungsgrundsatz, § 3 Abs. 2 StVollzG). Die bayerische Auffassung ist folglich nicht mit der verfassungsgerichtlichtlichen (!) Rechtsprechung vereinbar!

Wenig nachvollziehbar erscheint mir auch der (sonst in vielen Bereichen des Strafvollzugs leider zutreffende) Einwand des CDU-Landtagsfraktionsvize (NRW) Laschet, der befürchtet, es gehe nur um Kostenersparnis (zu Lasten der Sicherheit). MMn dürfte das Gegenteil der Fall sein: Um in Fällen geringerer Verbüßungsdauer eine Flucht- und Missbrauchsgefahr (§ 11 Abs. 2 StVollzG) auszuschließen, dürfte es vermehrt zur kostenträchtigen Beauftragung externer Gutachter kommen.

Und schließlich wird wieder mit klassischen generalpräventiven Argumenten und dem "Sicherheitsgefühl der Bevölkerung" Stimmung gemacht, obwohl dieser Argumentation jede strafvollzugsrechtliche wie empirische Grundlage fehlt. Zum einen ist bekanntlich die Missbrauchsquote (insbesondere wegen der restriktiven Gewährung) bei Lockerungen extrem niedrig. Senkt man jetzt die formelle Hürde, führt dies zunächst nur zu einer Erweiterung des Kreises potentieller Antragsteller. Um eine Prüfung der materiellen Voraussetzungen (§ 11 Abs. 2 StVollzG) kommt kein Mörder herum. Deshalb spricht aus meiner Sicht nichts dagegen, die formellen Hürden abzusenken und im Einzelfall (auf der Grundlage kriminologischer Beurteilung) Lockerungen zu gewähren. Zum anderen spielen die Gefühle der Opfer und Angehörigen für die Gestaltung des Strafvollzugs (zum Glück) keine Rolle. Wie Prof. von Heintschel-Heinegg zutreffend anführt, geht es (im Interesse der Allgemeinheit) um die Resozialisierung des Straftäters. Soweit es also für die Wiedereingliederung eines Mörders zuträglich und im Übrigen verantwortbar ist, ist ihm Urlaub etc. zu gewähren. Ich persönlich möchte jedenfalls nicht in einer Gesellschaft leben, in der Straftäter im Vergeltungsinteresse der Opfer/Angehörigen ohne Lockerungen etc. weggesperrt werden, um zwanzig Jahre später völlig degeneriert wieder in Freiheit zu kommen... Ein solch restriktiver Strafvollzug dient niemandem.

5

Kommentar hinzufügen