Verena Becker bestreitet Beteiligung an Buback-Attentat

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 14.05.2012

Nach ersten Presseberichten hat Verena Becker heute in der Hauptverhandlung jegliche Beteiligung an dem Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter (Wolfgang Göbel und Georg Wurster) im April 1977 bestritten. Sie sei weder am Tatort gewesen, noch sei sie an der Vorbereitung beteiligt gewesen.

“Ich habe mich nie versteckt oder in Schweigen geflüchtet. Ich habe mich mit der Vergangenheit auseinandergesetzt. Schon ab Mitte der 80er Jahre bin ich meinen eigenen Weg gegangen und daran hat sich nichts geändert.” (Quelle: SWR/Holger Schmidt)

"Die Tatvorwürfe sind alles falsche Behauptungen, die ich so nicht stehen lassen kann", sagte Becker. "Ich war bis zu meiner Verhaftung im Mai 1977 nie in Karlsruhe gewesen", sagte sie. (Quelle: SZ)

Sie sei auch nicht an der Planung des Attentats beteiligt gewesen. Zur Zeit des Attentats habe sie sich «im Nahen Osten» aufgehalten. Von dort sei sie erst am Tag nach dem Attentat nach Europa zurückgekehrt. (Quelle: Zeit-Online)

Sie sei im Jemen gewesen und erst am Tag nach dem Attentat über Rom in die Bundesrepublik zurückgekehrt. "Ich erfuhr in Rom aus Zeitungen vom Anschlag auf Buback."

"Wer Ihren Vater getötet hat, kann ich nicht beantworten. Ich war nicht dabei."(Quelle:tagesschau)

Zur Begründung, warum sie nicht als Todesschützin in Frage komme, sagte Becker auch: „Ich kann nicht Motorrad fahren.“ Mit einer HK 43 (Heckler & Koch) könne sie auch gar nicht umgehen. (Quelle: BILD)

Update: Auf SPON ist jetzt der komplette Wortlaut der Erklärung publiziert.

 

Welche Auswirkungen diese Äußerungen für den Fortgang und Ausgang des Prozesses haben werden, ist fraglich. Michael Buback wird - laut seinen Angaben - seinen Verdacht, Becker sei die Schützin auf dem Motorrad gewesen, dann fallenlassen, wenn Frau Becker eine plausible Erklärung / ein glaubhaftes Alibi nennt bzw. den wirklichen Schützen bezeichnet. Wichtig wäre z.B. zu erfahren, wie und wann sie Sonnenberg getroffen hat bzw. wie es dazu kam, dass sie mit der bei der Tat verwendeten Waffe (und dem Suzuki-Schraubendreher) festgenommen wurde.  Bleibt es bei einem Bestreiten ohne nähere Einzelheiten,  wäre für die Aufklärung aber nichts gewonnen, zumal die Hauptverhandlung bislang wenig  beweiskräftiges erbracht hat, was eine Mittäterschaft Beckers stützt.

((Interview mit Michael Buback von vergangener Woche - Schwäbische Allgemeine)

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4 Kommentare

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Wie kann es sein, dass der Prozess jahrelang vorbereitet wird, Frau Becker in Untersuchungshaft muss und dann Frau Becker ein einfaches klares Alibi hat? Das kann doch nicht nur Schlamperei sein!

Vielmehr drängt sich eine von zwei Varianten auf:

a) Frau Becker wurde trotz klarem Alibi verhaftet und angeklagt. Irgend jemand hatte eine Rechnung mit ihr offen und hat sie auf diese Art und Weise einschüchtern wollen. Dies wäre eine klare Straftat im Bereich des Generalbundesanwalt.

b) Frau Becker drohte damit in einem Prozess die Verwicklung des Verfassungsschutzes in die Anschläge offen zu legen. Seit dem Celler Loch ist bekannt, dass der Verfassungsschutz vor fingierten Anschlägen zur Aufheitzung der Stimmung in der Bevölkerung nicht zurückschreckt. Damit würde dann offen gelegt, dass der Verfassungsschutz nicht nur beim Rechtsterrorismus sondern auch beim Linksterrorismus aktiv mitgemischt hat. Um dies zu verhindern kommt Frau Becker ungeschoren davon in dem ihr ein fingiertes Alibi zugestanden wird. Auch dies wäre eine klare Straftat im Bereich der Bundesanwaltschaft.

Leider wird dies wohl jedoch nicht aufgeklärt werden - wer sollte denn gegen die Generalbundesanwalt Anklage erheben? Ein Indiz dafür, dass es keine Schlamperei war, wäre wenn Herr Range nicht zurücktritt, sondern für seine Vorgehensweise politische Rückendeckung erhält.

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"ich war im Jemen" würde ich nicht als "einfaches klares Alibi" bezeichnen - zumindest nicht so lange das jemand Vertrauenswürdiges bezeugen kann oder durch Sachbeweise wie Visastempel belegt wird.

Reaktionen:

Michael Buback zeigte sich kaum zufrieden mit den Aussagen: O-Ton: "Also, ich hatte keine großen Erwartungen an die Aussage. Aber sie sind eher noch untertroffen worden. Ich habe auch nichts gelernt über ihre Wechselwirkungen mit dem Verfassungsschutz, über die ja viele Zeugen hier gesprochen haben. Gar nicht, wer die Karlsruher Täter ein könnten, obwohl ich davon ausgehe, wenn sie schon selbst nicht dabeigewesen ist, dass sie doch zumindest Kenntnis darüber haben muss." Beckers Anwalt Walter Venedey sagte dazu: O-Ton: "Ich habe herausgehört, dass Herr Professor Buback gesagt hat, dass er die Erklärung sehr ernst nimmt und er im übrigen erwartet hätte, dass er Klarheit und Gewissheit über die Täter bekommt. Wir haben erklärt, warum das nicht sein kann. Und deswegen glaube ich, dass Herr Buback das verstanden hat, dass in diesem Punkt seine Erwartungen nicht erfüllt werden können." (Quelle: Stern)

Bundesanwalt Hemberger bemängelte dann in einer ersten kurzen Stellungnahme, dass die Angeklagte offensichtlich ihre späte Einlassung „an die bisherige Beweiserhebung“ angepasst habe. Sie sei dabei „nur den halben Weg“ gegangen. Auch wenn sie selbst nicht in Karlsruhe dabei war, glaubte Hemberger, „dass Sie wissen wie es war.“ Mit Blick auf die Angehörigen der Opfer sagte der Ankläger: „Sie hätten hier weiterhelfen können.“ Auch vermisse er eine Äußerung bezüglich der RAF-Taten, „dass Sie sagen, dass es ein Fehler war.“ Auch Michael Buback bezeichnet Beckers Erklärung als „in allen wesentlichen Punkten völlig unzureichend.“ Buback: „Ich hatte einen ganz kleinen Funken Hoffnung.“ Der glimmt wohl immer noch. Denn sogleich schlug er der Angeklagten vor, darüber nachzudenken, ob „Sie Ihre Erklärung erweitern könnten.“ Frau Becker schwieg. Und das Gericht brauchte erst mal eine Pause um zu beraten, wie es im Prozess weitergehen soll.(Quelle: Focus)

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Verena Becker bricht bei RAF-Prozess ihr Schweigen: „Mit der HK 43 habe ich nie geschossen“ - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/raf/in-der-mit-spannung-erwartet.... (Quelle: Focus) ...
Verena Becker bricht bei RAF-Prozess ihr Schweigen: „Mit der HK 43 habe ich nie geschossen“ - weiter lesen auf FOCUS Online: http://www.focus.de/politik/deutschland/raf/in-der-mit-spannung-erwartet...

Michael Buback hat nun in seinem Blog eine ausführliche Stellungnahme publiziert.

Neben dem schon oben angegebenen Punkt, die Erwartungen seien noch untertroffen worden, verwundert ihn die Reaktion der Bundesanwaltschaft, die es offenbar hinnehme, dass ihrer Anklage der Boden entzogen werde:

Da Frau Becker erklärt hat, sie sei im März 1977 in den Nahen Osten gefahren und von dort am 8. April 1977 zurückgekehrt, entsteht allerdings ein unmittelbarer Widerspruch zu der in der Anklage aufgeführten Beobachtung der Zeugin Beate K., wonach diese die Angeklagte am 6. April 1977 nahe beim Ort des Karlsruher Attentats gesehen habe. Bundesanwalt Hemberger meint, die Sache mit der Zeugin Beate K. sei ein komplexes Thema, zu dem er sich im Plädoyer äußern werde.

(...)

Ich wundere mich sehr über die zurückhaltenden Äußerungen des Bundesanwalts. Immerhin hat die Angeklagte gerade alle wesentlichen Anklagepunkte weggewischt: Sie sei nicht an der konkreten Planung des Anschlags beteiligt gewesen, vor allem nicht an dem in der Anklageschrift beschriebenen Ausspähen des Tatorts am Tag vor dem Anschlag, da sie zu diesem Zeitpunkt noch im Nahen Osten gewesen sei. Ihr Beitrag beim Versenden der Bekennerbriefe sei nicht geplant gewesen.

(...)

Wenn Bundesanwalt Hemberger nun akzeptiert, dass Frau Becker am Tattag und an den Tagen zuvor nicht in Deutschland war, hat er kaum noch etwas gegen sie in der Hand. Im Gegenteil – die Angeklagte erklärt, ohne falsche Behauptungen wäre die Anklageerhebung nicht möglich gewesen. Bundesanwalt Hemberger hätte demnach falsche Hinweise nicht erkannt und für seine Anklage benutzt. Es ist erschreckend zu sehen, wie Walter Hemberger die Behauptungen toleriert, die Frau Becker weg von Karlsruhe und weg vom Motorrad bringen.

 

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