Zeit-Chef di Lorenzo behauptet, er habe zweimal gewählt. Wäre das strafbar?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 26.05.2014

Aufsehen hat der Chefredakteur der "Zeit" damit erregt, dass er in der Jauch-Sendung behauptete, bei der Europawahl zweimal eine Stimme abgegeben zu haben (siehe hier). Dass dies nicht zulässig ist, ergibt sich aus § 6 Abs. 4 EUWG. Auch wer die Wahlberechtigung zu verschiedenen Teilkontingenten des Europaparlaments hat (entweder weil er Doppelstaatler ist oder aber, was der häufigere Fall ist, weil er als in Deutschland lebender Bürger eines anderen EU-Landes auch hier wahlberechtigt ist), darf nur einmal vom Wahlrecht Gebrauch machen. Dass Verstöße gegen diese Vorschrift kaum aufgedeckt werden können, war schon vorher bekannt (ausgerechnet  Zeit-Online berichtete darüber).

Wäre es aber auch strafbar?

Geht man von dem Sachverhalt aus, dass Herr di Lorenzo zunächst im italienischen Konsulat und sodann seine Stimme im deutschen Wahllokal abgegeben hat, stellt sich die Frage, ob er bei der zweiten Stimmabgabe  "unbefugt" im Sinne des § 107 a StGB gewählt hat. Die Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlamants liegen im Geltungsbereich dieser Norm (§ 108 d StGB). Allerdings gilt dies nur für den deutschen Teilausschnitt, d.h. die Wahl der deutschen Europaabgeordneten. Es kommt also darauf an, ob die Stimmabgabe im deutschen Wahllokal wegen der zuvor schon erfolgten Stimmabgabe "unbefugt" gewesen ist. Dies führt zurück zu § 6 Abs.4 EUWG, in dem dieser Fall ausdrücklich geregelt ist:

(4) Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind.

Wenn Herr di Lorenzo also mit seiner Aussage nicht nur auf das Problem hinweisen wollte, sondern er sich  tatsächlich so verhalten hat, dürfte er den objektiven Tatbestand des § 107a StGB erfüllt haben.

Nach Diskussion im Kollegenkreis: Fraglich ist aber, ob er auch den subjektiven Tatbestand erfüllt hat. Wird "unbefugt" als normatives Tatbestandsmerkmal aufgefasst, ist der Irrtum, unbefugt zu wählen, ein Tatbestandsirrtum, der den Vorsatz ausschließt. Das ist wohl die überwiegende Auffassung. Meinte also Herr di Lorenzo, er wähle "befugt" zweimal (so jedenfalls der Eindruck derer, die die Sendung gesehen haben), dann hat er demnach nur (straflos) fahrlässig unbefugt gewählt - er wäre dann "nochmal davongekommen".

Nach anderer Auffassung genügt es für den Vorsatz schon, die Umstände, die die Unbefugtheit begründen, zu kennen. Das wäre hier wohl der Fall und nach dieser Auffassung wäre auch der subjektive Tatbestand zu bejahen. Ein bloßer Verbotsirrtum, der dann vorläge, ließe die Strafbarkeit nicht entfallen, denn dieser wäre wohl vermeidbar.

Die Stimmabgabe im italienischen Konsulat wäre übrigens auch dann nicht strafbar nach § 107 a StGB, wenn sie zeitlich nach der deutschen Stimmabgabe erfolgt wäre. Die §§ 107 ff. StGB schützen nicht die Wahl der italienischen Abgeordneten zum Europaparlament. Möglicherweise wäre dies aber vom italienischen Strafrecht erfasst. Mit der Frage der angeblichen "Exterritorialität" hat das Ganze nichts zu tun.

Diskussion auch hier im Lawblog

und bei Legal Tribune Online.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

58 Kommentare

Kommentare als Feed abonnieren

Sehr geehrte Frau Schwinge,

ja den Artikel hatte ich oben verlinkt. Nach meinen Informationen ist dieser Artikel aber nur auf Zeit-Online erschienen, und Zeit-Online hat eine eigene Redaktion. Man müsste Herrn di Lorenzo schon nachweisen, dass er den Artikel (vor der Stimmabgabe) gelesen hat, auch wenn es in "seiner" Zeitung stand.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Ich denke, bevor man auf die Frage der Strafbarkeit springt, sollte man sich erst fragen, ob eine doppelte Stimmabgabe tatsächlich verboten ist. Der Umstand, daß di Lorenzo offensichtlich mit bestem Gewissen zweimal wählte, wird in der Berichterstattung und den Kommentaren zwar zur Kenntnis genommen, aber merkwürdigerweise nicht weiter hinterfragt, sondern sofort als Rechtsirrtum behandelt. Aber vielleicht lag er ja instinktiv richtig.

Daß ein entsprechendes Verbot tatsächlich in § 6 Abs. 4 Satz 2 EuWG und in Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/109/EG steht, muß nicht das letzte Wort sein, denn diese Umsetzungsakte des Sekundärrechts und des nationalen Rechts wären nichtig, wenn sie gegen Primärrecht, nämlich Art. 20 Abs. 2 b) AEUV und Art. 39 Abs. 1 GRCh verstießen.

Ausgangspunkt meines Einwands sind zwei Überlegungen: Das EU-Parlament wird nicht einheitlich gewählt, sondern es werden 28 nationale Kontingente von Abgeordneten gewählt. Es gibt im Grunde nicht eine Wahl, sondern 28 Wahlen. Die Regeln für diese Wahlen weichen voneinander ab, ebenso wie die Zählwerte der Stimmen. Demgemäß ist auch in Art. 14 Abs. 3 und Art. 39 Abs. 2 GRCh von den üblichen Wahlrechtsgrundsätzen das der Gleichheit der Wahl nicht genannt.

Als durch den Maastricht-Vertrag die Unionsbürgerschaft eingeführt wurde und mit ihr das Recht der Unionsbürger, an ihren Wohnort an der Wahl des EU-Parlaments teilzunehmen ("wobei für sie dieselben Bedingungen gelten wie für die Angehörigen des betreffenden Mitgliedstaats", jetzt Art. 20 Abs. 2 b) AEUV), dürfte für die meisten schon das Recht bestanden haben, unabhängig von ihrem Wohnort an der Wahl des Kontingents der Abgeordneten ihres Mitgliedsstaats teilzunehmen (vgl. jetzt § 6 Abs. 1 Nr. 2 b) EuWG). Eine echte Rechteerweiterung durch den Maastrichter Vertrag wäre es also nicht gewesen, wenn die neue Vorschrift so zu verstehen wäre, daß der Unionsbürger dann auf die Ausübung des Rechts, das er bereits hatte, verzichten müßte. Es hätte nahegelegen, dieses besondere Charakteristikum in die neue Vorschrift mit hineinzuschreiben. Zum Vergleich: Bei dem gleichzeitig eingeführten Kommunalwahlrecht für Unionsbürger würde niemand auf die Idee kommen, es dürfte am Hauptwohnort nicht ausgeübt werden, wenn der Bürger in einem anderen EU-Staat aufgrund eines Zweitwohnsitzes noch ein Kommunalwahlrecht hat und es dort ausübt.

Dreh- und Angelpunkt ist also, welche Bedeutung man der Zusammensetzung des EU-Parlaments durch nationale Abgeordnetenkontingente beimißt. Da die Abgeordneten immer auch Vertreter der (von ihnen definierten) Interessen des Herkunftsstaates sind, erscheint es mir nicht von vornherein illegitim, daß ein Unionsbürger mit mehreren Wohnsitzen und/oder Staatsangehörigkeiten über die Einbringung dieser verschiedenen lokalen/nationalen Interessen in das Parlament durch mehrfache Stimmabgabe mitbestimmt.

Es gibt auch gute Argumente für die Beschränkung auf eine Stimme. Ich will mich gar nicht festlegen, daß das Wahlverbot in § 6 Abs. 4 Satz 2 EuWG und in Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/109/EG primärrechtswidrig ist. Das müßte man wesentlich genauer analysieren. Ich meine jedoch, daß es nicht selbstverständlich ist, daß das Judiz von di Lorenzo falsch ist. Letztlich müßte der EuGH über die Vereinbarkeit von § 6 Abs. 4 Satz 2 EuWG und in Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/109/EG mit Art. 20 Abs. 2 b) AEUV und Art. 39 Abs. 1 GRCh entscheiden.

Noch etwas: Entgegen dem, was man in dem uninformierten ZEIT-Artikel und leider auch jetzt immer wieder liest, dürfte das doppelte Wahlrecht nur zu einem verschwindend geringen Teil mit einer doppelten Staatsangehörigkeit einhergehen. Die Mehrzahl der mehrfach Wahlberechtigten sind Unionsbürger mit _einer_ Staatsangehörigkeit. Auf Deutschland bezogen: "Nur-Deutsche", die in einem anderen Mitgliedsstaat einen Wohnsitz haben (nur oder auch, man denke nur an Ferienwohnungen) und "Nur-Italiener", "Nur-Spanier" etc., die in Deutschland einen Wohnsitz haben (nur oder auch).

4

Sehr geehrter Herr OG,

die Vorschrift des § 6 IV S.2 EuWG, Umsetzung des Art.4 der RiLi 93/109/EG, folgt möglicherweise  (mangels "Gleichheitsgebot" im EUV) nicht zwingend aus dem Primärrecht, aber dass die Vorschrift primärrechtswidrig und damit nichtig wäre, erscheint mir kaum begründbar. Worin soll der Verstoß denn begründet liegen? Dass Sie es für legitim halten, dass Doppelstaatler und solche mit einem Wohnsitz außerhalb ihres Herkunftsstaats doppelt abstimmen, zeigt noch keinen Verstoß gegen die Vorschriften auf. Also: Worin soll der Verstoß gegen Primärrecht liegen? Der Vergleich mit dem Kommunalrecht ist insofern unpassend, als es dabei um mehrere Parlamente geht, die über sachlich unterschiedliche Materien entscheiden. Dass jemand für dasselbe Parlament zweimal abstimmt, nur weil er zusätzlich eine weitere Staatsbürgerschaft innehat oder außerhalb seines Herkunftsstaats lebt, ist im Vergleich dazu doch etwas ganz anderes. Und dass eine gewisse Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes bei Wahlen, nämlich unterschiedliches Stimmgewicht (der einen Stimme) in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten es geradezu "verbieten" soll, andere Ungleichheiten (zwei Stimmen) zu vermeiden, erscheint mir sehr weit hergeholt.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

In den Wahlunterlagen war der ausdrückliche Hinweis auf das Verbot der doppelten Abstimmung enthalten. Wenn Herr di Lorenzo einen Richter findet, der ihm abnimmt, das er das gar nicht durchgelesen habe, entfällt also der zur Strafbarkeit erforderliche Vorsatz?!

4

Sehr geehrter Her Huesch,

ja. Es begründet nur Fahrlässigkeit, wenn man etwas hätte lesen müssen oder hätte wissen können oder sich hätte denken können aber es tatsächlich nicht gelesen hat, nicht wusste bzw. sich nicht gedacht hat.

Und ehrlich gesagt lese ich mir auch nicht das Kleingedruckte auf der Wahlbenachrichtigung durch, Sie etwa?

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

Henning Ernst Müller schrieb:
 Es begründet nur Fahrlässigkeit, wenn man etwas hätte lesen müssen oder hätte wissen können oder sich hätte denken können aber es tatsächlich nicht gelesen hat, nicht wusste bzw. sich nicht gedacht hat.
Unwissenheit schützt vor Strafe nicht?

Oder gibt es neuerdings auch "fahrlässigen Mord", weil man das StGB noch nie gelesen hat?

Die amtliche Mitteilung über die Wahl ist immer noch die Wahlbenachrichtigung. Wenn Herr Di Lorenzo aus der Benachrichtigung wusste, wo er seine Stimme abgeben kann, dann hat er sie auch gelesen und kann sich nicht auf "nur teilweises Lesen" herausreden. Das ist schließlich kein Werbebrief, sondern ein an ihn persönlich gerichtetes amtliches Dokument.

Ich habe die Wahlbenachrichtigung auch nur überflogen um zu erfahren wo mein Wahllokal ist, aber die fettgedruckte Textpassage mit dem Verbot der doppelten Abstimmung ist auch mir aufgefallen - obwohl mich das nicht betrifft.

Sehr geehrter Herr Prof. Müller,

egal, ob der objektive Tatbestand erfüllt ist, die Erwägungen von OG könnten doch immerhin auf der Ebene des subjektiven Tatbestandes eine Rolle spielen: Wenn Herr Di Lorenzo also tatsächlich der Meinung gewesen sein sollte, dass er an zwei Wahlen teilnimmt, nämlich als italienischer Staatsbürger an der Wahl des italienischen Abgeordneten nach italienischem Wahlrecht und als Deutscher an der Wahl des deutschen Abgeordnenten nach deutschem Wahlrecht, dann sind wir doch in der strafrechtlichen Irrtumsproblematik. Jetzt stellt sich noch die Frage, ob der Irrtum vermeidbar war.

Ich würde einen solchen Irrtum für vermeidbar hlaten: Selbstverständlich muss sich ein "Doppelstaatsbürger" grundsätzlich die Frage stellen, ob er zweimal wählen darf. Deshalb hatte er vielleicht doch dringenden Anlaß, das Kleingedruckte in der Wahlbenachrichtigung zu lesen.

 

Mit freundlichem Gruß

Jonathan Forster

Nochmal für Dummies wie mich:

Wenn di Lorenzo einmal in Deutschland wählt und in Italien dann Pepe Grillo wählen muss, weil es "Die Partei" dort nicht gibt, warum soll das dann doppelte Stimmabgabe sein?

Es gibt in beiden Ländern einen Pool von Wahlberechtigten für jeweils länderspezifische Parteien.

Wenn man nun einzelne Wahlberechtigte in den jeweiligen Ländern nicht zulässt, beeinflusst das die Wahl doch viel mehr, da man das Recht auf Wählbarkeit in einem einschränkt, resp. die Erfolgsaussichten aller Parteien eines Landes beschränkt.

Der hat doch gar nicht doppelt abgestimmt, nur zweimal einzeln.

4

Lieber Herr Prof. Müller,

vorweg nochmal die Klarstellung, daß ich die Frage, ob das Wahlverbot primärrechtswidrig ist, hier aufwerfe, aber nicht soweit gehe, sie zu bejahen. Ich lasse sie offen und will nur eine Lanze dafür brechen, daß man - wie di Lorenzo es ja auch getan hat - der Meinung sein kann, es sei durchaus erlaubt und im Sinne des Wahlsystems konsequent, in bestimmten Konstellationen bei der Europawahl mehrfach zu wählen. Ich hab die Sendung nicht gesehen, aber ich nehme an, daß di Lorenzo nicht sagen wollte "Seht her, was bin ich doch für ein Schelm", sondern eher etwas wie "Ich bin sogar ein doppelt so guter 'Europäer'".

Ich bin ganz Ihrer Meinung, daß das - mögliche - Zwischenergebnis, daß es legitim ist, mehrfach zu wählen, noch lange nicht bedeuten muß, daß der Gesetzgeber nicht die Möglichkeit hätte, es zu verbieten. Der mögliche Verstoß gegen Primärrecht, den ich zur Diskussion stelle, würde darin liegen, daß Begrenzungen des Rechts aus Art. 20 Abs. 2 Unterabsatz 1 AEUV, die nach dessen Unterabsatz 2 (und nur nach ihm) möglich sind, nicht beliebiger Natur sein können, sondern systematisch schlüssig sein müssen. Die Besonderheit der Struktur des Wahlrechts zum EU-Parlament ist, daß tatsächlich nicht eine Wahl stattfindet, sondern 28 Wahlen (nach unterschiedlichen Regeln und zu teilweise unterschiedlichen Terminen). Mit dem durch Art. 20 Abs. 2 Unterabsatz 1 AEUV garantierten Wahlrecht ist also das Wahlrecht im jeweiligen Abgeordnetenkontingent gemeint. Wenn die Wahrnehmung dieses neuen Rechts den Ausschluß des zuvor schon bestehenden Wahlrecht (in einem anderen Kontingent) zur Folge haben sollte, dann wäre zu erwarten gewesen, daß dies primärrechtlich angeordnet wird und nicht in einer Ausführungsbestimmung. Denn immerhin stellt sich diese Frage ja nicht in besonderen Konstellationen, sondern fast regelmäßig.

Und dass eine gewisse Durchbrechung des Gleichheitsgrundsatzes bei Wahlen, nämlich unterschiedliches Stimmgewicht (der einen Stimme) in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten es geradezu "verbieten" soll, andere Ungleichheiten (zwei Stimmen) zu vermeiden, erscheint mir sehr weit hergeholt.

Das wollte ich mit dem Hinweis auf die fehlende Nennung des Grundsatzes der Gleichheit der Wahl nicht sagen. Das wäre in der Tat weit hergeholt. Es ist für mich lediglich ein weiterer Ausdruck davon, daß die Regeln für jede der 28 Wahlen für sich betrachtet werden müssen. Ob die Möglichkeit mehrfacher Abstimmung in verschiedenen Abgeordnetenkontingenten eine "Ungleichheit" ist, ist hier überhaupt die Frage.

Lieber Herr Forster,

wie Prof. Müller in seiner Ergänzung oben ausgeführt hat, kann man den (etwaigen) Irrtum nicht nur als Verbotsirrtum (§ 17 StGB) betrachten, sondern wegen der Fassung des Tatbestands des § 107a StGB vorrangig als Tatbestandsirrtum (§ 16 StGB). Dann kommt es nicht auf Vermeidbarkeit an. Fehlt der Vorsatz, kann allenfalls eine (hier nicht strafbare) Fahrlässigkeitstat vorliegen.

5

Für Dummies 2. Versuch:

Wir haben zwei Länder Aund B.

In Land A stellt sich Blau und Rot zur Wahl.

In Land B stellt sich Weiss und Schwarz zur Wahl.

Es koallieren immer Blau und Weiss, sowie Rot und Schwarz.

Es gibt in beiden Ländern zwei Wahlberechigte x und y, sowie z und y.

y ist Doppelbürger.

y will Rot und Weiss wählen.

 

???

1

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie schreiben:

Wenn man nun einzelne Wahlberechtigte in den jeweiligen Ländern nicht zulässt, beeinflusst das die Wahl doch viel mehr, da man das Recht auf Wählbarkeit in einem einschränkt, resp. die Erfolgsaussichten aller Parteien eines Landes beschränkt.

Der hat doch gar nicht doppelt abgestimmt, nur zweimal einzeln.

Da ein doppelt Wahlberechtigter sich aussuchen kann, wo er abstimmt, hat er schon mehr Auswahl als andere EU-Wahlbürger. Weder das Recht auf Wählbarkeit noch das Wahlrecht wird dadurch beschränkt. Benachteiligt sind hingegen diejenigen, die nur einen Wohnsitz bzw. eine Staatsbürgerschaft haben.

Wir haben zwei Länder Aund B. In Land A stellt sich Blau und Rot zur Wahl. In Land B stellt sich Weiss und Schwarz zur Wahl. Es koallieren immer Blau und Weiss, sowie Rot und Schwarz. Es gibt in beiden Ländern zwei Wahlberechigte x und y, sowie z und y. y ist Doppelbürger.

y will Rot und Weiss wählen.

Hier meine Erklärung ("für Dummies"):

Es geht nicht um die Frage, welche Regelung Sie persönlich für nett und sinnvoll hielten, sondern wie es geregelt IST. Und das steht in § 6 Abs.4 EuWG:

Das Wahlrecht darf nur einmal und nur persönlich ausgeübt werden. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind.
Sie können nun eine Partei gründen, z.B. die "Alternative für ein zweifaches Wahlrecht in Europa" (welche Farbe Sie Ihrer Partei geben, ob blau, rot oder weiss oder schwarz, bleibt ganz Ihnen überlassen) und nach Ihrem Wahlsieg (der sicherlich nicht ausbleiben wird) können Sie den § 6 Abs.4 EuWG streichen lassen. Bis dahin hat aber "Y" nur eine Stimme.  

 

Mit besten Grüßen Henning Ernst Müller  

Ich habe seit kurzer Zeit ebenfalls die doppelte Staatsbürgerschaft, sprich die deutsche angenommen, und genau auf diese Gesetzeslücke habe ich im Amt für Einbürgerung hingewiesen.

Dort hat man mir keine Antwort geben können (!) und nur mit den Schultern gezuckt (!!).

Ich habe dann per Briefwahl in D. gewählt.

Als die Wahlunterlagen aus meinem Geburtsland ( wie immer "auf dem letzten Drücker aber noch rechtzeitig") ankamen war ich gespannt, ob da etwas darüber steht.

Und in der Tat steht im Anschreiben direkt eingerahmt (ich übersetze mehr oder weniger wörtlich): " Wenn Sie in einem anderen EU-Land wohnhaft sind und entschieden haben, für die dortigen Vertreter zu stimmen, so können Sie im oben genannten Wahllokal für die ... Vertreter (meines Herkunftslandes) nicht zur Wahl gehen. Mehrfaches Wählen ist strafbar, und zwar mit 2 Jahren Gefängnis und 15.000 € Bußgeld".

Herrn di Lorenzo stand das mächtige Ego im Wege. Das bringt so ein Job mit sich.

Dass er dies aber bei Herrn Jauch auch noch herausposaunt, das zeugt nicht gerade von Helligkeit.

Ich hoffe, er lernt mit diesem Eigentor etwas mehr Demut.

Schade nur, dass er der doppelten Staatsbürgerschaft an sich damit sehr schadet und sie in Verruf bringt, denn die meisten "Doppelbürger" sind besonders gute Europäer, die eine Brücke zwischen den Kulturen schaffen und aktiv eben Europa vorantreiben (ich meine Europa und nicht die EU, das wird je nach Bedarf und Meinung gern in einen Topf geworfen. Die EU muss Europa werden und nicht umgekehrt, und das ist noch ein langer Weg, so lange unsere jeweiligen Politiker die EU je nach Laune als Vexierbild oder als Butzemann (Sündenbock) mißbrauchen!

M.

5

PS zu meinem Kommentar oben: Der Hinweis auf Strafbarkeit bei doppeltem Wählen war nicht kleingedruckt, sondern fett und eingerahmt. Hier gilt keine Nachlässigkeit, gerade für Herrn di Lorenzo nicht, der als Vorbild gelten dürfte. Ich finde diese Rechtsverdrehungen und die Beliebigkeit der Interpretationen, die ständig nach Bedarf erweitert werden als ginge es um die Plastizität unseres Gehirns gefährlich für die Demokratie, denn wer ein gutes Standing hat, Geld und Connections kommt durch und einfache Bürger nicht. Das nennt man m.W. Oligarchie und wir steuern darauf zu.

Außerdem scheint mir, dass die meisten nicht wissen, wie eine doppelte Staatsbürgerschaft auch zustande kommt. Im letzten Jahr hat z.B. der regierende Bürgermeister Hamburgs in einem offenen Schreiben an alle EUStaaten-Bürger der Stadt, die hier länger wohnen aufgefordert darüber nachzudenken, ob man nicht die deutsche bzw. die doppelte Staatsbürgerschaft annehmen wolle.   Das Verfahren ist nicht "billig", im Falle einer Ablehnung bekommt man dieses Geld nicht zurück und auch keine Begründung, und es wird sehr gründlich nach Herkunft und allen Lebensumständen geforscht und geprüft.  http://einbuergerung.hamburg.de/der-weg-zur-einbuergerung/

Ich glaube also kaum, wie hier oben am Rande angedeutet, dass alle EUBürger mit doppeltem Wohnsitz auch eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen.

M.

5

Sehr geehrter M.,

danke für Ihre Mitteilung, dass die Wahlunterlagen sehr deutlich den Hinweis enthielten, dass eine doppelte Stimmabgabe nicht zulässig und sogar strafbar sei. Das wird man bei der Frage des Vorsatzes durchaus (als Indiz) berücksichtigen können. Ich war auch erst der Ansicht, am Vorsatz bestehe kein Zweifel, bis mich diejenigen, die die Sendung gesehen haben, darauf hinwiesen, dass Herr di Lorenzo wohl sehr überzeugt gewesen sei, doppelt abstimmen zu dürfen.

Mit der doppelten Staatsbürgerschaft hat diese Frage nicht viel zu tun, denn jede/r EU-Ausländer, der z.B. drei Monate in Deutschland wohnt, kann schon für das deutsche Kontingent wahlberechtigt sein, also z.B. auch Erasmus-Studenten. Also: EU-Bürger mit Wohnsitz in einem zweiten EU-Staat haben zwar längst nicht die doppelte Staatsbürgerschaft, aber eine Wahlberechtigung in zwei Staaten, die sie aber nur einmal wahrnehmen dürfen. § 6 Abs.3 EuWG:

Wahlberechtigt sind auch alle Staatsangehörigen der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Unionsbürger), die in der Bundesrepublik Deutschland eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten und die am Wahltage

1. das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben,

2. seit mindestens drei Monaten a) in der Bundesrepublik Deutschland oder b) in den übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten,

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Sehr geehrter Herr Professor Müller,

 

danke für die Aufklärung. Sehen Sie, ich lebe schon so lange in Deutschland und wähnte mich informiert..

Das klärt auch einiges Rätselhafte auf, denn in meinem Bekanntenkreis gibt es tatsächlich jede Konstellation und wir haben uns von Frage zu Frage geangelt...

 

Ich denke, Herr di Lorenzo wird seine italienischen Wahlunterlagen mitsamt Anschreiben vorlegen können. Aus dem geht klar hervor, was die Ausgangslage für ihn war, auch wenn er sie nicht durchgelesen hat.

Und da wir dabei sind wollte auch ich das Ganze gründlich wissen :-)

Von deutscher Seite wiederum steht, und das prüfe ich jetzt gerade, auf dem Antrag für Unionsbürger auf Eintragung in das Wählerverzeichnis zur Europawahl 2014 gemäß ³ 17a Absatz 2 der Europawahlordnung (Auf Seite 1 von 4!!) 

unter:

(11) Ich nehme an der Wahl zum Europäischen Parlament in keinem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union teil und habe keinen anderen Antrag auf Eintragung in das Wählerverzeichnis für die Wahl zum Europäischen Parlament der Bundesrepublik Deutschland gestellt.

(12): Mir ist bekannt, dass ich bei künftigen Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlaments von Amts wegen in das Wählerverzeichnis eingetragen werde, wenn dieser Antrag zur Eintragung geführt hat und die sonstigen wahlrechtlichen Voraussetzungen vorliegen.

(13) Mit ist bekannt, dass sich strafbar macht, wer durch falsche Angaben die Eintragung in das Wählerverzeichnis erwirkt oder unbefugt wählt oder unbefugt zu wählen versucht.

Ich werde deshalb unverzüglich gegenüber der GEmeindebehörde diesen Antrag zurücknehmen bzw. die GEmeindebehörde entsprechend informieren und an der Wahl nicht teilnehmen, wenn ich bis zum Wahltag dieser Europawahl oder einer künftigen Europawahl nicht mehr Staatsangehöriger(r) eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sein sollte, vom Wahlrecht ausgeschlossen sein sollte oder in der Bundesrepublik DEutschland keine Wohnung mehr innehaben oder keinen sonstigen Aufenthalt mehr haben sollte.

Ich habe das hier sorgfältig abgetippt, damit klarer wird, weswegen das Wählen immer mehr zu einer Doktorarbeit mutiert, was genau das Gegenteil von der Idee einer basisdemokratischen

Wahl ist.

Und das bedeutet ja nicht, dass Wähler dumm sind, sondern dass im Amt nicht gut, sprich einfach vorgearbeitet wurde.

Erfolg ist, sich in die Mokassins des Anderen zu begeben und drei Wochen damit herumzulaufen. Sagte Henry Ford, kopiert von einem großen Indianerhäuptling...

 Diese vielen Anmerkungen im Vorvorvorfeld dienen eher dem vorauseilenden Selbstschutz einer Behörde denn einer wirklichen (im Sinne von wirksamen) Aufklärung. Diese muss am Tag passieren, an dem gewählt wird, denn dies entspricht dem menschlichen Hirn. (Ich hoffe wiederum, ich habe mich in der Eile verständlich ausgedrückt..) 

M.

5

Das mit der "Überzeugung" di Lorenzos, zweimal wählen zu dürfen, ist mE  genauso überzeugend wie die Auffassung diverser Leute, man dürfe bei Cum-Ex-Geschäften eine tatsächlich nur einmal abgeführte Steuer auf Kapitalerträge deshalb zweimal absetzen, weil aus quasi "technischen" Gründen zwei Steuerbescheinigungen ausgestellt werden.

5

Ja, ich stimme dem zu.

Das nennt man "Selbstgerechtigkeit" und diese wächst exponentiell bis inflationär wie schwarze Löcher .. wenn Materie in der Nähe ist. Das kennt man ja schon aus der Astro-Physik.

Aber am Anfang und in der Mitte werden diese Leute so hofiert und gehuldigt, dass sie am Ende überzeugt sind, mehr zu sein als andere, und das führt dann zu solchen irrlogischen Höhenflügen, die uns dann alle so überraschenderweise überraschen. Es hat System. Insofern trifft uns alle die Verantwortung. 

5

Sehr geehrter Herr Professor,

vielen Dank für Ihre Erklärung.

Es stellt sich mir einfach die Frage, welches Rechtsgut mit der Strafnorm geschützt werden soll. Gerade da mein kleines Modell ja zeigt, dass eine entsprechende Durchsetzung das Wahlergebnis verfälscht. Allen  Parteien eines Landes werden Wählerstimme entzogen.

Es mutet geradezu grotesk an, wenn ein Professor dafür plädiert, dass man Bundesdeutsche Bürger für die Ausübung ihres Wahlrechts mit Gefängnis bestrafen sollte. 

Dieses seltsame Demokratie Verständnis ist klar verfassungswidrig, auch wenn "das da steht".

Das einem geraten wird, man solle eine Partei gründen, damit in Deutschland eine verfassungskonforme Rechtsanwendung einzieht, betrübt einen dann doch sehr.

Es mögen sich die anderen 61 Mio. Wahlberechtigten halt krampfhaft an ihre Mindermeinung klammern, aber Gleiches wird gleich behandelt und Ungleiches ungleich. Was soll der Neid denn? 

Dem Gesagten schadet auch nicht, dass man anhand der Wohnortstheorie die Wahlberechtigung von der Staatbürgerschaft abzukoppeln versucht. Diese Regelung führt ja zu noch weiteren Verdrehungen des Repräsentationsystems. Aus Köln kommend darf ich zur Illustration wohl das theoretische Beispiel eines Landes anführen, dass Millionen seiner Bürger emmigrieren lässt, dort eine "Tochterpartei" gründet, die aber streng nationalistische Verbundenheit zur Altheimat propagiert und somit Sitze aus dem Kontingent

des anderen Landes dann im EU Parlament per Fraktion wieder zusammen führt.

Das soll also die Idee der gemeinsamen Willensbildung sein?

Einige Mitkommentatoren scheinen die EU als Institution der Schuldenvergemeinschaftung und sozialer Übernahmung der Haftungsrisiken der Banken toll zu finden, es sei aber darauf hingewiesen, das der EWR und das Schengenabkommen keine Errungenschaften der EU sind.

 

Liebe Grüsse

 

 

 

3

Sehr geehrter Herr Mustermann,

Sie schreiben:.

Es stellt sich mir einfach die Frage, welches Rechtsgut mit der Strafnorm geschützt werden soll.

Rechtsgut ist das Interesse der Allgemeinheit an ordnungsgemäßen Wahlen. Welches diese Ordnung ist, ergibt sich aus anderen Normen (u.a. EuWG), die jeweils durch ein demokratisches Verfahren in Geltung gesetzt wurden.

Gerade da mein kleines Modell ja zeigt, dass eine entsprechende Durchsetzung das Wahlergebnis verfälscht.

Nein.

Allen  Parteien eines Landes werden Wählerstimme entzogen.

Das ist nicht der Fall.

Es mutet geradezu grotesk an, wenn ein Professor dafür plädiert, dass man Bundesdeutsche Bürger für die Ausübung ihres Wahlrechts mit Gefängnis bestrafen sollte. 

Nicht für die Ausübung des Wahlrechts, sondern für die doppelte (und daher unbefugte) Ausübung des Wahlrechts, das eben für das Europaparlament auch für Doppelstaatler nach den geltenden Normen  insgesamt nur einmal besteht.

Dieses seltsame Demokratie Verständnis ist klar verfassungswidrig, auch wenn "das da steht".

Ich halte eher ein Demokratieverständnis für "grotesk", das propagiert, es müsse denjenigen, die in mehreren Nationen wahlberechtigt sind, auch ein mehrfaches Stimmrecht gewährt werden, wenn es um die Wahl zu einem übernationalen Parlament geht, und dies solle auch dann gelten, wenn die (demokratisch zustandegekommenen) Gesetze etwas anderes vorsehen.

Das einem geraten wird, man solle eine Partei gründen, damit in Deutschland eine verfassungskonforme Rechtsanwendung einzieht, betrübt einen dann doch sehr.

Das EuWG ist geltendes Recht. Wenn Sie die Gesetze ändern wollen, brauchen Sie dafür eine Bundestagsmehrheit (so ist Demokratie). Sie können  (bzw. Herr di Lorenzo kann) aber auch den Rechtsweg bis zum BVerfG beschreiten und überprüfen lassen, ob das EuWG in diesem Punkt mit dem GG übereinstimmt. Ich bin relativ sicher, dass die Norm vom BVerfG bestätigt wird.

Es mögen sich die anderen 61 Mio. Wahlberechtigten halt krampfhaft an ihre Mindermeinung klammern, aber Gleiches wird gleich behandelt und Ungleiches ungleich. Was soll der Neid denn? 

Welcher Neid? Welche Mindermeinung?

Dem Gesagten schadet auch nicht, dass man anhand der Wohnortstheorie die Wahlberechtigung von der Staatbürgerschaft abzukoppeln versucht.

Jeder EU-Bürger ist nur einmal EU-Bürger, auch wenn er innerhalb der EU mehrere Staatsbürgerschaften gesammelt hat. Warum sollte ihm das das Recht geben (neben dem Wahlrecht zum je eigenen Parlament) im Europaparlament mehrere Stimmen abzugeben?

Diese Regelung führt ja zu noch weiteren Verdrehungen des Repräsentationsystems. Aus Köln kommend darf ich zur Illustration wohl das theoretische Beispiel eines Landes anführen, dass Millionen seiner Bürger emmigrieren lässt, dort eine "Tochterpartei" gründet, die aber streng nationalistische Verbundenheit zur Altheimat propagiert und somit Sitze aus dem Kontingent

des anderen Landes dann im EU Parlament per Fraktion wieder zusammen führt.

Möglich, ja. Aber nicht so einfach, wie Sie denken. Meist gibt es dann doch so unterschiedliche Interessen innerhalb der Staaten und innerhalb der Gruppe der daraus emigrierten Menschen, dass sich eine Kontingentverstärkung nicht so schlicht ergibt.

Das soll also die Idee der gemeinsamen Willensbildung sein?

Aber Ihre Idee (mehrfaches Wahlrecht für Mehrstaatler) würde das Problem lösen? Das von Ihnen geschilderte Problem wäre doch dann (mit mehrfachem Stimmrecht der Betreffenden) eher noch größer!

Einige Mitkommentatoren scheinen die EU als Institution der Schuldenvergemeinschaftung und sozialer Übernahmung der Haftungsrisiken der Banken toll zu finden, es sei aber darauf hingewiesen, das der EWR und das Schengenabkommen keine Errungenschaften der EU sind.

Andere Baustelle. Ich für mein Teil denke: Wer bei einem gemeinsamen EU-Parlament darauf besteht, Doppelstaatler müssten zweimal wählen dürfen, der  beharrt auf nationalistischen Ideen, die in Europa gerade überwunden werden sollen.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Interessant, was alles hier für Stand-Punkte und Meinungen kundgetan werden.

Ich finde ebenfalls, dass es eine Wahl-Pflicht geben sollte. Denn wer in der Lage ist, ein Konto zu eröffnen, Geschäfte zu tätigen und ein Auto zu fahren, vom ganzen Rest zu schweigen, den nenne ich Mensch. Und der lebt in einer Gesellschaft. Und an der hat er auch teilzuhaben. Auch wenn es starke Kräfte gibt, die mit aller Macht versuchen, aus dem homo (oder hormo??) sapiens ein homo economicus Wesen zu drechseln. Sonst hat die Menschheit als solche einfach keine Zukunft. Leider werden solch wichtige Themen aus dem Curriculum in der Schule herausgenommen.

Vielleicht soll der NeoCortex einfach wieder verschwinden? Wenn ich mir manches durchlese, was in Foren so zu lesen ist, so komme ich zu dem Schluss dass wir auf bestem Wege sind.

 

5

Sehr geehrter Herr Professor,

Sie haben natürlich recht, dass das BVerfG in Europafragen unzuverlässig geworden ist.

Das wahlverfälschende Resultat liegt eben darin begründet, dass es nationale Wahlen sind und nicht europaweite Wahlen, da die Parteien nicht europaweit antreten. Auch wenn man den Stimmbürger vorgaukelt es gäbe einen Spitzenkanditaten. Aber Irreführung kann man in dem Zusammenhang ja schon als Tradition auffassen.

Wenn man also die freie Wahlausübung des Herrn di Lorenzo in Deutschland bestraft, greift man umgekehrt einschränkend in die Wahlen in Italien ein. Man zwingt Herrn di Lorenzo also seinen löblichen kosmopolitischen Ansatz abzulegen und in nationalistische Denkmuster zurückzuverfallen.

Die Parteien treten ja nicht losgelöst von ihren nationalen Mandatsüberträgern auf, sondern vertreten ja gerade deren Interessen im Parlament. Zumindest den Wahlversprechern eines Herrn Seehofers nach, der meint, wer ein starkes Bayern in Europa möchte, müsse CSU wählen.

 

Beste Grüsse

3

Max Mustermann schrieb:
Wenn man also die freie Wahlausübung des Herrn di Lorenzo in Deutschland bestraft, greift man umgekehrt einschränkend in die Wahlen in Italien ein. Man zwingt Herrn di Lorenzo also seinen löblichen kosmopolitischen Ansatz abzulegen und in nationalistische Denkmuster zurückzuverfallen.
Herr Di Lorenzo war zu keinem Zeitpunkt an einer gesetzestreuen Ausübung seines Wahlrechts gehindert. Er hatte sogar die Wahl, entweder für italienische oder für deutsche Parteien zu stimmen und hatte so eine "freiere" Wahl als geschätzt 90% der Wähler.

Mein Name schrieb:

Er hatte sogar die Wahl, entweder für italienische oder für deutsche Parteien zu stimmen und hatte so eine "freiere" Wahl als geschätzt 90% der Wähler.

Sag ich doch, da keimt der Nationalismus wieder auf. Er soll sich also gefälligst wieder seiner völkischen Zugehörigkeit versichern.

Das europäische Wahlrecht basiert eben gerade nicht auf dem von Ihnen propagierten one man-one vote Ansatz. Und dass hat ja gute Gründe.

Es sind nationale Wahlen mit festen Kontingenten in Brüssel...

 

2

Max Mustermann schrieb:

Sag ich doch, da keimt der Nationalismus wieder auf. Er soll sich also gefälligst wieder seiner völkischen Zugehörigkeit versichern.

Kompletter ... 

Er hat die Wahl, in seinem Aufenthaltsland zu stimmen oder im Land seiner Staatsangehörigkeit. Und so lange nationale Staatsangehörigkeiten in der EU bestehen, wird das auch weiterhin so sein. Das ist ein organisatorisches Problem und hat nichts mit Nationalismus zu tun und mit "völkischer" Zugehörigkeit schon gar nicht: wenn die Geschichte Europas eines lehrt, dann, dass Volk und Nationalstaat - ein im geschichtlichen Rückblick junge Idee - so gut wie nie identisch waren und sind und "Ein Volk - ein Staat" noch nie realistisch war.

Lieber Herr Prof. Müller,

ich hatte eigentlich nicht mehr vor, noch mehr zu dem Thema zu schreiben, tue es nun aber doch, da ich mich durch diese Passage angesprochen fühle:

Ich halte eher ein Demokratieverständnis für "grotesk", das propagiert, es müsse denjenigen, die in mehreren Nationen wahlberechtigt sind, auch ein mehrfaches Stimmrecht gewährt werden, wenn es um die Wahl zu einem übernationalen Parlament geht, und dies solle auch dann gelten, wenn die (demokratisch zustandegekommenen) Gesetze etwas anderes vorsehen.

Da Sie damit sowohl di Lorenzos Vorverständnis als auch meine Argumentation als "grotesk" bezeichnen, will ich noch einmal meinen Ausgangspunkt beschreiben:

In der jetzigen Diskussion liest man (etwa bei den Kommentaren im Lawblog von Udo Vetter) oft sinngemäß "So ein Dummkopf, das weiß doch jedes Kind, daß man nicht mehrfach wählen darf." Es ist diese Art von Bauchgefühl-Lösungen, die mich stört. Bei einem genaueren Blick auf die Konzeption von Regelungen kann man zu Ergebnissen kommen, die zwar überraschen, trotzdem aber schlüssig sind. So ist, glaube ich, hier: Der Umstand, daß es sich nicht um eine, sondern um mehrere Wahlen handelt, die die Zusammensetzung des EU-Parlaments bestimmen, ist für mich entscheidend dafür, daß es - jedenfalls zunächst - seine Richtigkeit damit hat, daß jemand mehrfach eine Stimme abgeben kann. Das neu eingeführte Wahlrecht für Unionsbürger ist nicht lediglich eine verkappte Regelung der "örtlichen Zuständigkeit" für eine vorher schon mögliche Wahlrechtsausübung, sondern die Anerkennung, daß die Unionsbürger über die Belange ihres Wohnorts mitzuentscheiden haben, nicht "nur", sondern "auch". Ob diese Möglichkeit durch eine ausdrückliche Ausnahmeregelung nach Art. 20 Abs. 2 Unterabsatz 2 AEUV wieder genommen werden kann, ist eine zweite Frage. Deshalb halte ich di Lorenzos Vorverständnis für völlig im Einklang mit den Grundprinzipien der Wahlen zum EU-Parlament und was man ihm allenfalls vorwerfen kann, ist, daß er sich mit dem "Kleingedruckten" nicht ausreichend auseinandergesetzt hat.

Da die Wahlen zum EU-Parlament so ungewöhnlich strukturiert sind, fällt es schwer, aus anderen Zeiten oder Orten Parallelfälle zu finden, die helfen, das Problem etwas zu abstrahieren. Ein Beispiel fällt mir immerhin ein - der Vergleich hinkt wahrscheinlich in mehrfacher Hinsicht, aber er kann vielleicht einen Denkanstoß liefern: In den USA finden zum (Bundes-)Senat, deren Mitglieder eine Amtszeit von sechs Jahren haben, alle zwei Jahre Wahlen statt. Dabei wird jeweils ein Drittel der Senatorensitze neu besetzt. Jeder Staat stellt zwei Senatoren. Wenn ein Bürger aus einem Staat (A) in einen anderen (B) übersiedelt, kann es passieren, daß er zwei Senatoren für seinen vorherigen Staat A gewählt hat und bei der nächsten Wahl einen Senator für seinen neuen Staat B. Im Ergebnis hat er also statt über zwei Senatorensitze - wie es eigentlich gedacht ist - über drei entschieden. Man könnte also sagen, er ist übermäßig repräsentiert, das ist doch ungleich und ungerecht. Wenn ein einfaches Gesetz darauf reagieren würde und ihm bei der dritten Wahl die Stimme entziehen würde aus dem Grund, er habe im gegenwärtigen Senat schon über zwei Sitze entschieden, dann würde es mich nicht wundern, wenn der Oberste Gerichtshof dieses Gesetz für verfassungswidrig erklärt mit der Begründung, der Wähler habe als neuer Bürger des Staates B das legitime und verfassungsrechtlich geschützte Interesse daran, wie die Belange gerade des Staates B im Senat vertreten werden. Seine Wahlrechtsausübung in einem anderen Staat habe damit nichts zu tun, denn dort gehe es um die Vertretung der Belange dieses anderen Staates.

Das EuWG ist geltendes Recht. Wenn Sie die Gesetze ändern wollen, brauchen Sie dafür eine Bundestagsmehrheit (so ist Demokratie). Sie können (bzw. Herr di Lorenzo kann) aber auch den Rechtsweg bis zum BVerfG beschreiten und überprüfen lassen, ob das EuWG in diesem Punkt mit dem GG übereinstimmt. Ich bin relativ sicher, dass die Norm vom BVerfG bestätigt wird.

Der Bundestag hat keine Möglichkeit, § 6 Abs. 4 Satz 2 EuWG zu ändern, denn dabei handelt es sich um eine Umsetzung von Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/109/EG ohne Handlungsspielraum. Deshalb hat das BVerfG über § 6 Abs. 4 Satz 2 EuWG auch keine Jurisdiktion (http://dejure.org/2011,137). Ob Art. 4 Abs. 1 Richtlinie 93/109/EG gültig ist, entscheidet allein der EuGH, aber am Maßstab des Primärrechts.

4

@Mein Name

Mit Ihrer überzogenen Vorstellung werden Sie aber dem Wahlsystem nicht gerecht.

Es seien auf die Ausführungen von OG verwiesen. Der Fall ist keineswegs klar.

Sie unterschlagen nämlich den Umstand, dass Sie mit absprechen des Stimmrechtes eines Bürgers in einem Land den dort ansässigen Parteien Stimmen entziehen und somit in deren Rechte eingreifen.

Der entzogene "Anteilsschein" aus dem Pool der Stimmberechtigten wird also von Parteien genommen die mit den Parteien in dem entsprechenden Land gar nicht im Wahlkampf stehen. Die Parteiprogramme sind auf länderübergreifenden Wahlkampf auch nicht ausgelegt.

Ihre und des Professors Ansicht, dass Herr die Lorenzo ja noch freier in seiner Wahl, resp. noch mehr Auswahl hätte und so die anderen Wahlberechtigten benachteiligt wären, ist eben irrig und kann auch nicht überzeugen.

  

1

Das Schreiben von OG hier oben ist zwar nur an den lieben Herrn Prof. Müller gerichtet, ich möchte aber doch etwas dazu antworten.

Klar kann man sich jetzt in interessanten Gedankenwindungen über zwei Stimmen bei zwei Staatsbürgerschaften verlieren.

Es ist nur so: Das ist so marginal und überflüssig wie sonst etwas angesichts der wirklichen Probleme, die es gibt.

Ich habe, wie Herrn di Lorenzo auch, eine andere (europäische) Provenienz, empfinde es aber als grunddemokratisch, dass ich nur in einem Land wähle (und nicht in beiden).

Ich empfinde es schon als Privileg, dass ich mehr Auswahl habe als die meisten anderen.

Jede andere Diskussion dazu ist aus meiner Sicht ein typischer Fall von "diskutieren, um nicht zu handeln" bzw. klare Spielregeln, die eine Gesellschaft braucht, um noch Bestand zu haben noch mehr verwässern. Es tut niemandem gut.

Eine Person = Eine Stimme. Daran zu rütteln führt wiederum in recht gefährliche Gefielden.

Ich wundere mich, dass es so viele Diskussionen gibt. Herr di Lorenzo kann bei aller Sympathie als gebildeter Mann gelten, der ja eine Zeitschrift herausgibt und auch am Wahlsonntag lesen kann, wie an anderen Tagen auch. Dass er dies übersehen hat fällt unter "shit happens" und dass er sich darum auch noch rühmt dürfte auf die schlechte Angewohnheit ruhen, sich für gleicher zu halten als alle anderen. Nun muss und wird er natürlich von juristischer Seite belangt und das ist normal und gut.

Zum Schluß diese kleine Geschichte, die wir in Japan ansiedeln damit es weit weit weg von hier ist:

In einem japanischen Zen-Kloster sitzt im Zazen der Klostervorsteher und wirft sich mit dem Oberkörper zu Boden, rufend: Ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts..

Ein Novize, der in den Raum kommt und das sieht, setzt sich sofort daneben und auch er wirft sich mit dem Oberkörper zu Boden und ruft: Ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts..

Da kommt der Mann, der im Kloster fegt, er fegt gerade den Raum und sieht die beiden, setzt sich ganz hinten im Raum und wirft sich ebenfalls zu Boden:  Ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts, ich bin ein Nichts..

Da dreht sich der Klostervorsteher empört um, sieht das und sagt zum Novizen neben ihm: "Sieh mal einer an, wer sich hier alles für ein Nichts hält!"

 

5

Ich denke, dass der Grundsatz ein Wähler eine Stimme richtig ist.

Bei der Bundestagswahl kann jemand, der im Bundesland A wohnt und im Bundesland B arbeitet, schliesslich auch nicht in A und B an der Wahl teilnehmen.

Fragwürdig ist allerdings wie das realisiert wird. Das EU-Bürger in Deutschland wählen dürfen ist an sich auch nicht verkehrt, wenn sie hier leben. Dann müßte allerdings die Wahlbenachrichtigung des EU-Landes, dessen Staatsbürger sie sind, vorgelegt werden und mit dem Pass abgeglichen werden. Dazu dürften dann natürlich Wahlbenachrichtigungen bzw. Unterlagen nur einmal zugänglich sein. Sollte vorher im Konsulat gewählt werden, dann müßte die Benachrichtigung dort eingezogen werden.

Tatsächlich ist das Grundproblem aber eher, dass die EU ein Verbund von Staaten und kein Staatenverbund mit zentralen Einrichtungen ist. Die Aussage, dass in Deutschland auch EU-Bürger wählen dürfen, besagt eigentlich, dass diese 2 mal wählen dürfen, so sie nicht die deutsche Staatsbürgerschaft haben.

Sprich, wenn Bundesland B erklärt alle deutschen Staatsbürger dürfen in B den Bundestag wählen, dann dürfen die von A eben auch in B wählen.

Bei echter doppelter Staatsbürgerschaft, sollte zumindest festgelegt werden in welchen Land man "Wahlbürger" sein möchte.

Aus meiner Sicht ist auch nicht klar inwieweit die doppelte Wahlmöglichkeit durch die Belehrungen wirklich ausgeschlossen sind, denn der Dreh- und Angelpunkt ist trotzdem, wenn EU-Bürger wählen dürfen, was heisst das letzlich.

Deshalb bin ich Hernn di Lorenzo durchaus dankbar, diese Frage öffentlich gestellt zu haben.

0

Susi64 schrieb:

Ich denke, dass der Grundsatz ein Wähler eine Stimme richtig ist.

Die Europawahl ist aber nicht nach diesem Grundsatz gestaltet. Man könnte es eher als "doppelte Verhältniswahl" umschrieben. Aufgrund des länderspezifischen Umrechnungsschlüssel werden die einzelnen Stimmen unterschiedlich gewichtet.

Eine Stimmzettel aus Deutschland beeinflusst die Zusammensetzung des EU-Parlaments in einem viel geringeren Masse als einer aus einem Kleinstaat.

Dieser Umstand ist aber auch gar nicht entscheidend. Denn eine Wahlberechtigung bezieht sich immer nur auf die Stimmverhältnisse in einem Kontingent.

Es ist auch irreführend in diesem Zusammenhang von EU Bürger zu sprechen. Wir haben schon eine Staatsangehörigkeit und entsenden nur entsprechende Verhandlungsdelegationen nach Brüssel.

Es kommt ja auch niemand auf die Idee, Herr di Lorenzo für die Teilnahme an der Bundestagswahl zu bestrafen, nur weil er auf die Regierungsbildung in Italien per Wahl schon Einfluss genommen hat.

Das Wahlrecht leitet sich eben aus der Staatsangehörigkeit ab. Ein Grundsatz dem das BVerfG auch stets gefolgt ist, bis der Vertrag von Maastricht auch das Kommunalwahlrecht für EU-Ausländer möglich gemacht hat.

Dass diese Wohnsitztheorie grobe Mängel aufweist, sehen wir ja jetzt. 

Man sollte in der Diskussion daher die beiden Fallkonstellationen auseinanderhalten.

Interessant wäre es auch zu wissen, ob die Regelung des Verbots der doppelten Staatsbürgerschaft flächendeckend gilt, also bspw. auch in Island und Belgien, ode ob es für diese Bürger erlaubt ist.

1

Sehr geehrter OG,

Sie schreiben:

Da Sie damit sowohl di Lorenzos Vorverständnis als auch meine Argumentation als "grotesk" bezeichnen

Mein Bezeichnung als "eher grotesk" bezog sich auf folgende  Bemerkung von Mustermann:

Es mutet geradezu grotesk an, wenn ein Professor dafür plädiert, dass man Bundesdeutsche Bürger für die Ausübung ihres Wahlrechts mit Gefängnis bestrafen sollte. Dieses seltsame Demokratie Verständnis ist klar verfassungswidrig, auch wenn "das da steht".

Herr Mustermann bezeichnet es als "geradezu grotesk" und "klar verfassungswidrig", wenn ein Professor die bestehenden Gesetze für gültig hält? Entspricht das tatsächlich Ihrem Vorverständnis? Nur wenn Sie diese Sichtweise teilen, dann halte ich auch Ihr Vorverständnis für "eher" grotesk. Ich gehe aber davon aus, dass Sie dieser Auffassung nicht sind. Bislang haben Sie zwar Argumente dafür geliefert, dass man das mit dem Wahlrecht auch hätte anders regeln "können" (im Sinne mehrerer Stimmabgabe durch mehrfach Wahlberechtigte, etwa wie im US-Senat, bei Umzug zwischen den Wahlterminen), aber Sie haben m. E.  immer noch kein stichhaltiges Argument dafür angegeben, warum § 6 Abs.4 EUWG kein derzeit geltendes Recht sein sollte. Das wäre doch nur der Fall, wenn die RiLi und ihre Umsetzungen nichtig wären. Und dazu haben Sie ja auch schon klargestellt, dass Sie gar nicht unbedingt dieser Meinung sind, es nur für möglich halten, dass es so sei, weil es eben eine Kontingentwahl sei (so wie Sie ja auch die potentielle Rechtsprechung des US Supreme Court zutreffend konjunktivisch formulieren): kann sein, kann aber auch nicht sein. Jedenfalls denke ich nicht, dass eine Staatsanwaltschaft verpflichtet wäre, erst einmal beim EuGH nachzufragen, ob die zweite Wahl des Herrn diLorenzo  doch "befugt" war (wegen Nichtigkeit des § 6 Abs.4 EuWG), bevor sie Anklage erhebt.

Im Hinblick auf den Vorsatz habe ich ja oben in meinem Beitrag schon alles gesagt: War Herr diLorenzo (weil er die Warnhinweise übersehen hat) der Ansicht, er dürfe ein zweites Mal wählen, dann unterlag er einem Tatbestandsirrtum. Offenbar ist auch er ja derzeit nicht mehr Ansicht, er sei befugt gewesen, zweimal abzustimmen, beruft sich also nicht mehr auf die von Ihnen empfohlene Verteidigungslinie bzw. auf Ihr "Vorverständnis".

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

 

Sehr geehrter Mein Name,

Sie schreiben:

Unwissenheit schützt vor Strafe nicht?

Ich weiß nicht, wer diesen angeblichen "Grundsatz" in die Welt gesetzt hat. Er stimmt einfach nicht!  In § 16 StGB steht jedenfalls das Gegenteil. Natürlich muss für den Vorsatz jemand Kenntnis von den Umständen haben, die die Tat zur Straftat machen.

Oder gibt es neuerdings auch "fahrlässigen Mord", weil man das StGB noch nie gelesen hat?

Das ist überhaupt kein Gegenargument, denn für den Mordvorsatz müssen nur die in §§ 212, 211 StGB geregelten Tatbestandsmerkmale gewusst und gewollt sein und die unterscheiden sich von denjenigen in § 107 a StGB.

Die amtliche Mitteilung über die Wahl ist immer noch die Wahlbenachrichtigung. Wenn Herr Di Lorenzo aus der Benachrichtigung wusste, wo er seine Stimme abgeben kann, dann hat er sie auch gelesen und kann sich nicht auf "nur teilweises Lesen" herausreden. Das ist schließlich kein Werbebrief, sondern ein an ihn persönlich gerichtetes amtliches Dokument.

Nein, das ist keine schlüssige Vorsatzargumentation. In unzähligen Klausurenkorrekturen musste ich schon darauf hinweisen, dass "Wissenmüssen" oder "damit rechnen müssen" keinen Vorsatz begründet, sondern nur Fahrlässigkeit.

Ich habe die Wahlbenachrichtigung auch nur überflogen um zu erfahren wo mein Wahllokal ist, aber die fettgedruckte Textpassage mit dem Verbot der doppelten Abstimmung ist auch mir aufgefallen - obwohl mich das nicht betrifft.

Was Sie getan haben oder gewusst haben, spielt für die Verurteilung von Herrn diLorenzo keine Rolle. (Im Übrigen: Mir ist dieser Hinweis nicht aufgefallen, und ich weiß von früheren Gelegenheiten ohnehin, wo ich wählen muss)

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

 

Henning Ernst Müller schrieb:
 Die Wahlen der Abgeordneten des Europäischen Parlamants liegen im Geltungsbereich dieser Norm (§ 108 d StGB). Allerdings gilt dies nur für den deutschen Teilausschnitt, d.h. die Wahl der deutschen Europaabgeordneten. [...] Die §§ 107 ff. StGB schützen nicht die Wahl der italienischen Abgeordneten zum Europaparlament.
Weshalb? Das StGB gilt für Straftaten im Inland und darunter fällt auch ein italienisches Konsulat auf deutschem Staatsgebiet. Der Verzicht auf die Ausübung gewisser Hoheitsrechte (Steuern z.B.) und die Immunität von Konsularbeamten gemäß Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ändert nichts daran, dass ein Konsulat (ebenso wie eine Botschaft) kein exterritoriales Gebiet ist, sondern dort die Gesetze des Empfangsstaates gelten und Straftaten, die von Personen begangen werden, die nicht gemäß Abkommen Immunität genießen, nach den Gesetzen des Empfangsstaates be- und verhandelt werden. § 108 d StGB ist nicht auf die Wahl des deutschen Abgeordneten zum EP beschränkt (jedenfalls lese ich nichts Derartiges im Gesetzestext), sondern gilt für die gesamte Europawahl.

Henning Ernst Müller schrieb:
ich weiß von früheren Gelegenheiten ohnehin, wo ich wählen muss
Das dachte ich auch, aber diesmal war mein Wahllokal ein anderes als bei den letzten 10 Wahlen. Jedenfalls war auch Herr Di Lorenzo irgendwann mal Erstwähler zum Europaparlament und hatte damals seine Wahlbenachrichtigung gelesen.

Wie, außer durch ein Geständnis oder die Unterschrift auf einem Wahlschein bei Briefwahl, sollte sonst Vorsatz nachgewiesen werden können? (Sollte Herr Di Lorenzo schon einmal bei einer Europawahl per Briefwahl gestimmt haben, kann er sich jedenfalls nicht auf Fahrlässigkeit bzw. Verbotsirrtum berufen. Denn dann hätte er damals unterschrieben, dass er das Verbot der Doppelabstimmung zur Kenntnis genommen hat.)

Sehr geehrter Herr Professor,

Sie erlauben mir ein Wort zur Klarstellung.

Es ist richtig, dass ich bei meiner Formulierung mehr Bedacht darauf legen hätte sollen, dass diese entpersonalisierter wirkt.

Weder kann ich in Ihren Kopf gucken und Ihr allgemeines Verständnis und insbesonder Ihr politisches erforschen, noch würde ich mir erlauben, aus der Ferne (aus der Nähe übrigens auch nicht) mir ein Urteil aufgrund einiger posts zu bilden.

Ich darf vielleicht darauf hinweisen, dass ich im Gegensatz zu Herrn Garcia kein Jura studiert habe und somit weder die Tiefenkenntnisse noch die sprachlichen Geschliefenheit und Trennschärfe mitbringe, um meinem Rechtsgefühl eine akkurate Form geben zu können. Ich bin nur ein schlichter Mensch mit sehr begrenzter Ausbildung, der sich einfache Fragen stellt. Ich glaube mit ein wenig gutem Willen und Verständnis, kann man die eigentlich beabsichtigte Aussage, dass eine Richtlinie, die in ihrer Nonchalance eines der wichtigsten Grundrechte in der Demokratie einschränkt, von ein seltsamem Demokratieverständnis (des Gesetzgebers) zeugt und durchaus Zweifel an seiner Verfasungsmässigkeit erlaubt.

Und natürlich fühlt man sich als einfacher Dummie von der Strasse zu Widerspruch provoziert, wenn man erfährt, dass der Schutzzweck der Norm ein ordentliches Verfahren ist.

Polemisch formuliert, führt deutsche Gründlichkeit dazu, dass Regeln um der Regeln willen zu befolgen sind. Und je grösser der Unsinn ist, der dort steht, desto grösser sei das Interesse der Allgemeinheit daran, an diesem festzuhalten. Notfalls mit Drohung von Gefägnisstrafe.

Und damit stossen Sie durchaus die Türe ins Politische auf.

Europa ist eben nicht einfach eine Geschichte des bösen Deutschen, sondern auch eine Geschichte des Widerstandes. Widerstand gegen undemokratischen Grössenwahn und unerträgliches Unrecht. Hat man sich nicht sogar im Mauerschützenurteil auf den Standpunkt gestellt, dass bestraft wird, wer nicht Widerstand leistet gegen das, was gilt? Oder verkürze ich da zu sehr?

Vielleicht lohnt es sich nicht so sehr wegen diesem spezifischen Normanwendungsfall eine Revolution vom Zaun zu brechen, aber es befriedigt mich als Schlichtgemüt nicht besonders, dass man auch alles hätte anders regeln können, aber nicht getan hat, deshalb wäre der Grundrechtseingriff gerechtfertigt. Denn die Ergebnisse der Wahl sind rein technisch betrachtet dadurch verfälscht.

Langer Rede, kurzer Sinn, nehmen Sie das alles bitte nicht so persönlich, morgen rede ich ja schon wieder neuen Unsinn.

 

Gruss

 

0

Lieber Herr Prof. Müller,

dann habe ich Sie falsch verstanden.

Natürlich halte ich es nicht für grotesk oder verfassungswidrig, wenn ein Professor die bestehenden Gesetze für gültig hält.

Beste Grüße

0

Auf ein Vorsatzproblem wäre ich selber nicht gekommen.

Ich denke, der Täter wählt schon dann vorsätzlich unbefugt, wenn er zweimal wählt und weiß, dass er dadurch gegenüber anderen Wählern sein Stimmrecht aufwertet und diese Aufwertung den demokratischen Wahlgrundsätzen widerspricht. Ein Irrtum über die Befugnis dazu wäre m.E. allenfalls nur dann relevant, wenn es die Befugnis überhaupt gäbe, zweimal wählen zu dürfen. Gibt es aber in einer demokratischen Wahl nicht.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Kommentatoren auch mit fundierten Argumenten mühselig gegen Formaljuristen behaupten müssen, die mit erbsenteilenden, juristischen Kniffen grundlegende Selbstverständlichkeiten einer demokratischen Wahl wie "1 Parlament - 1 Wähler - 1 Stimme" aushebeln wollen. Dass der smarte Lorenzo sicher nicht der einzige Doppelwähler zur Rettung der Wahlbeteiligung und gefühlten Mitte war, ist wohl eigentlicher Hintergrund der nachträglichen Bemühungen zur Erteilung der Absolution. Nur so kann ja auch die Kiewer Regierung als parlamentarisch gewählt und legitim durchgehen. Man stelle sich vor, Kauder verzichtet auf Einzelgespräche mit wackligen Fraktionsmitgliedern und sammelt stattdessen deren Stimmzettel zur eigenen Verwendung ein und droht Widersachern Prügel an. Vielleicht kommt diese Form der "offen bekennenden Demokratur" ja irgendwann, gute Kontakte zu Paramilitärs pflegt man ja schon. Die Juristen werden dem wohl kaum im Wege stehen, zumindest nicht die deutschen. Bis dahin gelten jedoch noch ein paar grundsätzliche Regeln, die auch nicht durch das Kleingedruckte außer Kraft gesetzt werden.

In mittlerweile 5 Jahren Gerichtserfahrung mit mehreren Dutzend Beschlüssen und beteiligten Juristen ist mir die Formaljuristerei zur Umgehung rechtsstaatlicher Grundsätze wohlbekannt. Die Entlastung "er hat es nicht gelesen oder nicht gewusst" kam auch dort grundsätzlich nur für Juristen und "Befreundete" in Frage. So werden auch Richter, Anwälte und anerkannte Persönlichkeiten in letzter Not vor Konsequenzen ihres Handelns bewahrt. Die "Zeit" ist sicher ein befreundetes Blatt, da gibt es schon mal Sippenschutz. Der Rest der Bevölkerung wird "Im Namen des Volkes" ohne Gnade reglementiert und abkassiert. Wie wenig dabei formale Regelungen beachtet werden, ist Juristen hier wohl kein Geheimnis. Erschreckend finde ich, dass gebildete Menschen nicht erkennen, dass dieses sie umgebende System und ihr eigenes Mitwirken keinerlei eigene Überlebensfähigkeit hat. Es saugt einzig und allein parasitär an der abkassierten Menge. Sollte das vom Volk einmal umfassend erkannt werden, dann erübrigt sich das pseudo-intellektuelle, formalistische Geschwätz. Dann hilft nur noch ""ich habe es nicht gelesen oder "ich habe nicht gewusst" und ein gnädiger Richter.

5

Herr Lippke,

bitte erläutern Sie, wie die pauschale Behauptung, Herr di Lorenzo hat gewusst, dass er nicht hätte zwei Mal wählen dürfen, rechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht.

Interessant fände ich auch eine nachvollziehbare Erklärung, wie "Formaljuristerei" ihrer Ansicht nach rechtsstaatlichen Grundsätze zuwiderlaufen kann.

0

@Lippke

Ich versuche es noch ein letztes Mal, das Problem zu verdeutlichen.

 

Wir wählen nicht ein Parlament in Europa in dem Sinne, dass die Wählerstimme in einem Topf kommen und den Ausdruck über die Repräsentation des Willens der Wählers in der poltische Landschaft ermöglichen.

Wir haben 28 (!) Töpfe.

In der Sendung von Herrn Jauch hat der SPD Mann gleich gerufen, er hätte in Zukunft gerne 4 Pässe. 

Ich glaube, dieser Ausruf kam weniger aus dem parteiindoktriniertem natürlichem Neid  anderen wegzunehmen, was man selber nicht hat, aber selber gerne hätte, sondern aus der Überlegung heraus, man könne dann vier mal SPD wählen und somit die Gewichtung in Brüssel zu seinen Gunsten beeinflussen.

Dem ist aber nicht so. Die SPD tritt nicht 4 mal an. Sondern nur einmal. Es gibt sicher sozialdemokratische Parteien in ganz Europa, die dann in Brüssel eine Fraktion bilden.

 

Die Fraktionsfrage ist aber nicht Wahlfrage/- gegenstand.

 

Auch wenn die Überlegung natürlich wirkt, dass die mehrfache Stimmabgabe gegen das Gleilchheitsgebot der Wähler verstösst, so ist sie nicht richtig. 

Das Gegenteil ist der Fall.

Die Gleichheit der Wähler muss nur innerhalb iher Topfes gewährleistet werden.

Dehnt man die Wirkung einer Stimme über ihren Topf hinaus aus, ist der Grundsatz der freien und fairen Wahl verletzt. Denn es verstösst gegen die Gleichheit der Wahlchancen der <strong>Parteien</strong>.

Die Abgabe einer Stimme in Deutschland kann nicht zulasten von Parteien in Italien gehen, die mit diesen nicht in direkter Konkurenz stehen. Da liegt der Verstoss gegen das Gleichheitsgebot!  

Nicht von den Wählern muss gedacht werden, sondern vom freien Kampf der Parteien um die Wählerstimmen.

Die Fraktionsbildung ist nicht Kern der Wahl und steht auch ausserhalb des Wählereinflusses.

Meiner Ansicht nach würde das BVerfG dem auch folgen, aber nichts genaues weiss man nicht.

 

     

0

Hallo Herr Mustermann,

Sie reiten ein totes Pferd! Es ist doch oben schon klar herausgearbeitet worden, dass die Wahlgesetze jedem EU Bürger nur einen Wahlgang erlauben. Damit  ist die Rechtslage eineindeutig.

 

und lieber Herr Lippke,

versuchen Sie doch bitte zu verstehen, dass hier juristische Argumente auf verschiedenen Diskussionsebenen ausgetauscht werden.

"Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich Kommentatoren auch mit fundierten Argumenten mühselig gegen Formaljuristen behaupten müssen, die mit erbsenteilenden, juristischen Kniffen grundlegende Selbstverständlichkeiten einer demokratischen Wahl wie "1 Parlament - 1 Wähler - 1 Stimme" aushebeln wollen."

Dass jeder Wähler nur eine Stimme zur Wahl des EU-Parlamentes hat, kann man nach allen Ausführungen in diesem Forum juristisch nicht mehr bestreiten.

Zu diskutieren ist allerdings die Ausgangsfrage, ob ein Verstoß gegen das Verbot mehrfacher Wahl im Falle von Herrn di Giovanni strafbar ist. Und dabei ist es sehr wohl berechtigt, sich im Detail mit Für und Wider auseinanderzusetzen und verschiedene Argumentionsketten auszuprobieren. Ich bin stolz darauf, dass wir in der deutschen Rechtskultur die Fähigkeit zur Abwägung sehr hoch entwickelt haben. Das sollte Vorbild sein für andere Rechtsstaaten.  Dabei geht es nicht um Erbsen teilen oder darum, Recht mit juristischen Kniffen auszuhebeln. Vielmehr geht es darum die persönliche Schuld des Täters zu ermitteln.

 

Was sind eigentlich Formaljuristen und was haben Sie dagegen?

 

Mit freundlichem Gruß

 

Jonathan Forster

5

zu #42

Sehr geehrter Herr Konstanz,

ich hatte nicht pauschal behauptet, dass Herr di Lorenzo gewusst hatte, dass er nicht zwei Mal wählen darf. Ich hatte nur pauschal behauptet, dass es sich bei diesem Wissen um eine grundlegende Selbstverständlichkeit handelt. Insofern interessiert mich zuvorderst die politische Dimension zur Führungskraft des deutschen, politischen Leitmediums wie der "Zeit". Noch vor der Wahl am 21.05. berichtete Zeit-Online über die unzulässige! Möglichkeit der Doppelwahl für ca. 1 Mio EU-Bürger mit deutschem Pass und zweiter EU-Staatsbürgerschaft. Konkret wird die leichte Manipulationsmöglichkeit für Italiener mit deutschem Pass erwähnt. Auch ein Verweis auf die Strafbarkeit einer Doppelwahl enthält der Artikel.

http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/europawahl-doppelte-staatsbue...

Wenn nun suggeriert wird, dass nur das strafverdächtig ist, was ein Täter 100 % beweisbar selbst als strafbar kannte und keinerlei Rückgriff auf übliches Allgemeinwissen erfolgt, dann gäbe das vermutlich Anlass für viele Wiederaufnahmeverfahren und leere Knäste.
     
Zur Formaljuristerei möchte ich meine Kritik so klarstellen. Gesetze, ihre Auslegung durch Gerichte und die reale Verfahrensführung (Fristen, Tatsachenerhebung, Entscheidungserheblichkeit, Protokollierung, Vollständigkeit der Rechts- und Sachverhaltsklärung) laufen desöfteren rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwider. Dieses Zuwiderlaufen wird dann jedoch hinterher mit formalen juristischen Mitteln abgesichert, z.B. werden Rechtsmittel oder Rügen schlicht ignoriert oder für unzulässig erklärt. Dabei kann es sich  um Einwendungen zu unbestreitbaren Verfahrensfehlern oder falscher Rechtsanwendung handeln.  Ein  Beispiel dafür ist die Gehörsrüge. Da nur Gehörsrügen mit "berechtigter" Begründung zulässig sind, kann der gerügte Richter selbst die als unbegründet angesehene Rüge als unzulässig abweisen. Verfassungsbeschwerden, die für den Einreicher einen erheblichen Aufwand bedeuten, werden zum überwiegenden Teil ohne Begründung nicht angenommen. Eine weitere Fehlerkontrolle oder statistische Evaluation findet nicht statt. Sie wird von der Justiz als Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit verpönt. Mit Doppelmoral ist auch ein selektierender Doppelformalismus zu Lasten "normaler" Rechtssuchender verbunden. Falsche Gesetzesauslegung und Verfahrensführung können sich so als systembedingt und in Juristenkreisen anerkannt etablieren. Formaljuristen stellen solche Fehlentwicklungen nicht in Frage, sondern finden bei Widerspruch formalistische Konsistenz selbst der abwegigsten Auslegungen. Alternativ könnte man eine Klärung z.B. durch Rechtsbeschwerde oder Verfassungsbeschwerde unterstützen. Aber warum?

0

Sie Glücklicher !

Rechtstaatliche Grundsätze beherrschen Sie aus dem Efef, deren Anwendung betreiben Sie mit dem gesunden Menschenverstand und jeder Richter, der zu anderen Ergebissen kommt ist ein Formaljurist.

 

ich bin auch glücklich, weil ich in einem Land lebe, wo unterschiedliche Meinungen ausdiskutiert werden und die Juristen die Interessenabwägung beherrschen, wie sonst wahrscheinlich nirgendwo auf der Welt.

 

Sehr geehrter Herr Forster,

rechtsstaatliche Grundsätze beherrsche ich nicht aus dem Effeff, sondern sind national im Grundgesetz, den Landesverfassungen, den Verfahrensordnungen StPO, ZPO niedergelegt.  Diese Regeln sind einzuhalten. Wer eine anständige und ehrliche Erziehung genossen hat, muss dazu nicht alles auswendig wissen. Das z.B. demokratische Wahlen gleiche Stimmrechte bedingen, kann Ihnen ein Erstklässler vermitteln. Wer das Grundlegende verweigert und sich stattdessen mit formalen Hilfslösungen aus der Affäre zieht, kommt dank Formaljuristerei meist um die notwendigen Konsequenzen herum. Eine Krähe hackt der anderen ... Dafür werden die Verfahrensordnungen zurechtreformiert, z.B. die ZPO um 2002. Gern werden dafür Mischmasch-Modernisierungspakete geschnürt oder große Ziele proklamiert und dann aber nie evaluiert. Man befördert sich gegenseitig, liefert sich Scheindebatten und lobt sich über den Klee. Eine Schutzgemeinschaft der intriganten Unnützlichen. Die Kosten für die Gesellschaft sind enorm, positive Effekte nicht erkennbar. Die Belege für diese Üblichkeiten sind eindeutig und öffentlich. Sie wurden in besonders krassen Fällen bekannt, gegen maximalen Widerstand aus Justiz, Politik und Medien. Die vielen "normalen" Fälle interessieren schon Niemanden mehr. Man will es in der ganzen Breite lieber nicht wissen. Die Devise ist Hauptsache selbst nicht betroffen. Es ist mir schwer vorstellbar, wie man in Kenntnis der Tatsachen zu Ihrer glücklichen Haltung kommen kann. Es ist kaum vorstellbar, dass Sie Jurist sind. Rechtsstaatlichkeit ist kein Diskussionsprozess und keine Interessenabwägung, sondern Schutz des Einzelnen vor Willkür, Gewalt, Betrug, Anmaßung und Rechtsbruch u.a. auch des Staates. Nur weil die Bevölkerung wie selbstverständlich die meisten Regeln einhält, spricht das nicht automatisch für eine akzeptable Politik und Justiz. Die hat sich über ihr eigenes Wirken zu rechtfertigen. Hierzu bleiben Sie jede Auskunft zum Grund Ihres Jubels schuldig. Genau so hält es auch die Justiz.

0

Sorry, Her Lippke,

 

"Diese Regeln sind einzuhalten" Das ist klassische "Formaljuristerei, jedenfalls, Wenn man -wie Sie -ausschließlich die wörtliche Auslegung zulässt.

 

"Dass demokratische Wahlen gleiche Stimmrechte bedingen, kann Ihnenjeder Erstklässler vermitteln." Mag ja sein, trifft aber in der Praxis nie zu! Und deswegen müssen wir eben doch diskutieren, wie wir dem Ideal möglichst nahe kommen. Dazu bedarf es einer vielschichtigen Erörterung und vor einer Entscheidung eine sachgerechte Abwägung. 

Sehr geehrter Herr Forster,

ich kann Ihnen leider nicht mehr im Detail antworten, da unsere Diskussion damit vom Realen und dem hiesigen Thema abdriftet. Ein Hinweis nur, ich bestimme was ich denke, meine oder mitteile, nicht Sie.

Wieder zum eigentlichen Thema:

Die hier diskutierte Frage ist, ob sich der EU-Doppelwähler strafbar macht. Vor der Frage der Strafbarkeit steht natürlich die Frage der Unzulässigkeit und des Verbots. Prof. Müller verweist auf § 6 EUWG. Dagegen argumentieren Einige, es handele sich nicht um eine Wahl sondern um 28 Wahlen zu verschiedenen Kontingenten. Nehme ich zum Vergleich die Bundestagswahl, dann wäre in letzterem Sinn die Erststimme (Direktwahl) in jedem Wahlbezirk eine separate Wahl eines Kontingents. Kann ein Wahlberechtigter am Hauptwohnsitz und an seinen Nebenwohnsitzen jeweils einen Direktkandidaten wählen? Wie sieht es bei Landes- und Kommunalwahlen aus?

Ohne Detailkenntnis gehe ich mal davon aus, dass mehrfaches Wählen in den verschiedenen Kontingenten (Wahlbezirken) bei nationalen Wahlen im Grundsatz verboten ist. Unterscheidet sich nun das EU-Wahlrecht hiervon grundsätzlich? Haben die Befürworter einer zulässigen Mehrfachwahl das geprüft?

Das Strafmaß einer Wahlfälschung hängt ganz sicher auch mit der möglichen Zwangsfolge einer Ungültigkeit der Wahl und (theoretischen) Bedeutung für eine Demokratie zusammen. Die Frage Ungültigkeit der EU-Wahl vom 25.5.2014 muss ja noch geprüft werden.

Zur individuellen Frage, ob di Lorenzo sich strafbar verhielt oder nicht, interessiert mich persönlich nur die Argumentationweisen zu dessen Entlastung, die zukünftig wohl jeder Verdächtigte einfordern darf. Betrachtet man hierzu z.B. den Fall Edathy, ergeben sich dringend zu beantwortende Fragen. Grundsätzliche Fragen an die Justiz und die Rechtswissenschaften.

0

Seiten

Kommentar hinzufügen