Die doppelte Witwe und ihre Rente

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 07.02.2017
Rechtsgebiete: Familienrecht|4032 Aufrufe

Die 76jährige Klägerin bezog von der beklagten Rentenversicherung nach dem Tode ihres (ersten) Ehemannes ab 01.04.1996 Witwenrente. Die Rentenversicherung hatte ihr 1996 schriftlich mitgeteilt: „Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen.“ 

Im Juni 2014 beantragte die Klägerin bei der Rentenversicherung erneut die Gewährung einer Witwenrente. Sie habe im April 2003 in Las Vegas geheiratet, ihr (zweiter) Ehemann sei im Mai 2014 verstorben. Die Rentenversicherung bewilligte ihr daraufhin zwar eine große Witwenrente in Höhe von monatlich rund 660 €, teilte aber gleichzeitig mit, dass wegen der Wiederheirat rückwirkend ab dem 01.05.2003 kein Anspruch mehr auf die (erste) Witwenrente bestanden habe. Von den erhaltenen Zahlungen müsse die Klägerin rund 71.000 € zurückzahlen. 

Die Klägerin hat sich gegen die Erstattungsforderung gewehrt. Sie habe eigentlich nicht noch einmal heiraten wollen. Ihr Lebensgefährte habe sie zu Weihnachten 2002 mit Flugtickets nach Las Vegas überrascht. Zwar habe man dort „spontan“ in der „Candlelight Wedding Chaple“ unter Vorlage der Ausweisdokumente die Daten für die Heiratslizenz aufnehmen und dann „in Country-Kleidung“ eine Trauungszeremonie in englischer Sprache durch einen Pastor mit Tausch der Eheringe in Anwesenheit eines Trauzeugen durchführen lassen und ein „Marriage Certificate“ des Staates Nevada erhalten. Sie habe auch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes dabei gehabt. Man sei aber tatsächlich davon ausgegangen, dass die Ehe eine Art „Urlaubsspaß“ und in Deutschland nicht rechtsgültig gewesen sei. In Deutschland sei man auch nie als Ehepaar aufgetreten. Erst nach dem Tode ihres (zweiten) „Ehemannes“ sei sie vom Notar darauf hingewiesen worden, dass sie als Ehefrau Erbin sei. Man könne ihr die unterlassene Anzeige der zweiten Eheschließung nicht als grob fahrlässiges Verhalten vorwerfen.

Das Sozialgericht Stuttgart hat der Klägerin in erster Instanz Recht gegeben. Zwar sei die 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland wirksam und die Klägerin habe ihre gesetzlich vorgeschriebene Mitteilungspflicht verletzt. Allerdings habe sie dies nicht grob fahrlässig getan. Das Sozialgericht hat der Klägerin geglaubt, dass sie davon ausgegangen sei, die Eheschließung sei in Deutschland unwirksam.

Die Richterinnen und Richter des 13. Senats des Landessozialgerichts haben dies anders bewertet, das Urteil des Sozialgerichts aufgehoben und der Rentenversicherung Recht gegeben. Nach Auffassung des Landessozialgerichts hätte die Klägerin erkennen können, dass sie die Hochzeit in Las Vegas der Rentenversicherung mitteilen muss, weil sie wusste oder jedenfalls mit einfachsten und ganz naheliegenden Überlegungen hätte wissen müssen, dass die Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt. Die Trauungszeremonie war ausweislich der Heiratsurkunde eine ernsthafte Eheschließung und in Deutschland wirksam. Dass die Heiratszeremonie in Las Vegas nicht ohne jede rechtliche Bedeutung war, hätte ihr ohne weiteres einleuchten müssen. Für die Heirat waren Gebühren zu entrichten und weitere Formalien zu erfüllen. So benötigte die Klägerin z.B. ihren Reisepass und musste Angaben zum Familienstand machen. Ferner führte sie nach eigenen Angaben sogar die Sterbeurkunde ihres verstorbenen ersten Ehemannes mit. Angesichts dieser Umstände war es für den Senat nicht glaubhaft, dass die Heirat spontan und unvorbereitet ohne jegliche Überlegung zur Ernsthaftigkeit der Sache erfolgt sein soll.

LSG Stuttgart Urteil vom 24.01.2017, L 13 R 923/16

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