Woche des europäischen Arbeitsrechts, Teil 2: Kirchliches Arbeitsrecht

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 27.02.2018
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht2|4474 Aufrufe

Heute verhandelt die Große Kammer des EuGH über die Kündigung des Chefarztes eines katholischen Krankenhauses wegen der (weltlichen) Eingehung einer zweiten Ehe.

Der Kläger, Jahrgang 1962, ist in einem katholischen Krankenhaus seit dem Jahr 2000 als Chefarzt beschäftigt. Seine erste Ehefrau hatte sich 2005 von ihm getrennt, die Ehe wurde 2008 geschieden. Noch im gleichen Jahr heiratete er standesamtlich seine jetzige Ehefrau. Die kirchenrechtliche Annullierung der ersten Ehe wurde ihm versagt. Am 30.3.2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgerecht. Mit der Eingehung der zweiten Ehe habe er gegen die Grundordnung der katholischen Kirche verstoßen.

Die Prozessgeschichte ist etwas umfangreicher als üblich: Seine Kündigungsschutzklage hatte in allen drei Instanzen Erfolg (ArbG Düsseldorf, Urt. vom 30.7.2009 - 6 Ca 2377/09, BeckRS 2012, 66906; LAG Düsseldorf, Urt. vom 1.7.2010 - 5 Sa 996/09, BeckRS 2010, 70725; BAG, Urt. v. 8.9.2011 − 2 AZR 543/10, NZA 2012, 443). Auf die Verfassungsbeschwerde der Beklagten hat das BVerfG allerdings das letztinstanzliche Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit an das BAG zurückverwiesen (BVerfG, Beschl. v. 22.10.2014 – 2 BvR 661/12, NZA 2014, 1387). Das BAG aber mochte dem BVerfG nicht ohne weiteres folgen und hat den EuGH um Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 4 Abs. 2 UAbs. 2 RL 2000/78/EG ersucht, auf dem § 9 Abs. 2 AGG beruht (Vorlagefragen hier im BeckBlog).

Bis der EuGH ein Urteil verkündet, werden sicher noch ein paar Monate ins Land gehen. Man darf gespannt sein, ob der EuGH hier in einen Konflikt mit dem BVerfG geht.

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2 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Rolfs,

spannender als ein möglicher Konflikt des EuGH mit dem BVerfG ist aus meiner Sicht die Frage, weshalb das kirchliche Selbstbestimmungsrecht auch heute noch einen so weiten Gestaltungsspielraum in Bereichen eröffnet, die nicht konfessionsgebunden sind und insbesondere zu der katholischen Glaubenslehre gar keinen Bezug mehr haben. Man möchte meinen, dass der Bestandsschutz aus Art. 12 Abs. 1 GG und das hieraus entwickelte Kündigungsschutzrecht im Wege praktischer Konkordanz nicht gar so einfach zurücktreten müsste, nur weil der Arbeitgeber zufällig eine Kirche ist. Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist dort angebracht und berechtigt, wo es um genuin kirchliche Fragen geht, etwa bei der kirchlichen Lehre. Gerade der Bereich der Daseinsvorsorge unterscheidet sich allerdings nicht mehr zu regulären privatrechtlichen Arbeitgebern. Insoweit ist es dogmatisch sehr gut vertretbar, Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV endlich auf den Bereich zu begrenzen, in dem konfessionelle Themen wirklich von entscheidender Bedeutung sind. Es ist schade, dass das BVerfG diese Gelegenheit versäumt hat.

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Herr Neu übersieht, dass zum Vollzug des Kircheseins nach deren eigener Auffassung im christlichen Bereich Lehre UND Liturgie UND Caritas/Diakonie gehören. Das war 1918/1919 so, das war 1949 so, das ist so und das bleibt so. Das hat nach Art. 140 GG auch so zu bleiben. Und danach ist es Sache der Kirche(n), selbst zu definieren, was und in welcher Intensität und Präzision dabei von "entscheidender Bedeutung" ist. Mir ist klar, dass das auf EU-Ebene schon ansatzweise attackiert worden ist. Das BVerfG hat den Stand des deutschen Verfassungsrechts angemessen dargelegt. Sollte mit "Daseinsvorsorge" etw auch Schule oder Lrankenversorgung gemeint sein, so ist es schon eine anmaßende, auch realitätsferne Annahme, derartige Arbeitgeber unterschieden sich "nicht mehr" von regulären Arbeitgebern . Etwa um es einmal zu exemplifizieren - muss nicht jeder Arbeitgeber die vorsätzliche,  nach staatlichem Recht rechtswidrige Tötung menschlichen Lebens mitbetreiben.

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