Der eigentliche BAMF-Skandal – erst der Rufmord, dann die Recherche?

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 14.06.2018
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Der Umgang der Medien und der Öffentlichkeit mit Kriminalität – ein weites Feld, das auch in der Kriminologie zunehmend Beachtung findet. Es ist nämlich oft nicht die tatsächliche Kriminalität, die Reaktionen der Gesellschaft hervorruft, sondern die von den Medien vermittelte Kriminalität. Das gilt für die Berichterstattung über die Kriminalstatistik ebenso wie für die Berichterstattung in einzelnen Fällen. Sensationseifer kann dann leicht dazu führen, dass einzelne Menschen vorzeitig als „schuldig“ und „kriminell“ abgestempelt werden und dass die Recherche erst beginnt, nachdem man den Ruf der Beschuldigten schon wochenlang ruiniert hat.  Ich habe für diesen Artikel nicht selbst zum Bremer Fall recherchiert, sondern nur Presseberichte und Sendungen ausgewertet. Ob diese Berichte  - auch die neuesten - stimmen, kann ich nicht beurteilen und wage auch nicht dies zu behaupten.

Die Enthüllung des Skandals

Am 20. April enthüllte ein „Recherchenetzwerk“ aus Journalisten der Süddeutschen Zeitung, des NDR und Radio Bremen schwerwiegende Vorgänge beim BAMF Außenstelle Bremen, konkret den Verdacht eines „weitreichenden Skandals“ bei der Bearbeitung von Asylanträgen, auch von "Korruption" und "Asylbetrug" war die Rede in vielen Berichten, die diese Erstberichte übernahmen. Die frühere Leiterin, Ulrike B., habe im Zusammenwirken mit drei Rechtsanwälten und einem Dolmetscher etwa 2000 Asylanträge rechtswidrig positiv beschieden. Nur für einen Bruchteil der Fälle (genau 98!) sei die Bremer Außenstelle zuständig gewesen, die große Mehrheit der Fälle stamme aus Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. Ein verdächtigter Anwalt habe dazu sogar Asylbewerber in angemieteten Bussen nach Bremen bringen lassen. Die Frage der Bestechlichkeit stehe im Raum, wenn auch im Moment noch nicht klar sei, ob Frau B. sich habe bezahlen lassen oder nur von Hotel- und Restaurantbesuchen profitiert habe.

Die Radionachrichten kündeten den ganzen Tag vom „Korruptionsskandal beim BAMF in Bremen“, am nächsten Tag standen ähnliche Schlagzeilen in vielen Presseorganen auf Seite eins.
Quellen für diese Rechercheergebnisse wurden nicht genannt, aber eine Bestätigung der Angaben ergab sich durch die von der Staatsanwaltschaft betriebenen Durchsuchungen im Rahmen von Ermittlungsverfahren wegen Bestechlichkeit und "Bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung“ nach § 84 Abs.3 Nr.2 Asylgesetz (Strafdrohung 6 Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) gegen sechs Beschuldigte.

Der Rufmord

Über die Identität der schon 2016 versetzten langjährigen Leiterin der BAMF in Bremen konnte sich jeder Internet-Nutzer in kürzester Zeit informieren. Etliche einschlägige  „flüchtlingskritische“ Betreiber von Blogs bzw. Accounts auf Facebook und Twitter taten das und veröffentlichten den vollständigen Namen, Bilder und weitere persönliche Daten der Hauptbeschuldigten. Sie schrieben dazu Texte, die diese Beamtin im beleidigenden bis hasserfüllten Duktus geradezu als Inkarnation des Bösen darstellen. Sie sei für horrende Schäden verantwortlich, ausgelöst durch die seit der unrechtmäßigen Anerkennung der Asylbewerber ihnen zugeflossenen Sozialleistungen und Unterkunftskosten. Die darunter von anonymen Lesern hinzugefügten Kommentare übertreffen dies noch. Ich werde solche Quellen nicht verlinken, aber sie sind wohl bezeichnend für ein aus dem Ruder laufendes Netz, wenn eine konkrete Person mit Straftatverdacht konfrontiert wird: Weder die Unschuldsvermutung noch eine auch nur ansatzweise menschliche Regung bleibt dann erhalten. Eine anonyme Masse wird zum Rufmord-Mob, der sich durch die Rechercheergebnisse der seriösen Presse und Sender, die man doch sonst auch gern der Lüge bezichtigt, geradezu ermuntert fühlt. Und Staatssekretär Mayer aus dem Innenministerium macht mit, er spricht bei Anne Will von "hoch kriminellen Mitarbeitern" des BAMF.
Nicht für alles das ist das Recherchenetzwerk verantwortlich, aber in der heutigen Zeit müssen Journalisten wissen, was ihre Berichte über ein Ermittlungsverfahren anrichten können. Umso besser und fundierter muss die Recherche sein.

Zwar wurde in den ursprünglichen Berichten durch gelegentlich eingestreute Konjunktive und „soll getan haben“ formal den Richtlinien der Verdachtsberichterstattung genüge getan, aber durch die geschilderten konkreten Details und die Bezeichnung als „Recherchenetzwerk“ kamen kaum Zweifel auf, dass Frau B. tatsächlich in enormem Umfang Unrecht begangen hatte. Auch ich habe diese Vorwürfe zunächst geglaubt, weil ich den Journalisten der öffentlichen-rechtlichen Sender und der Süddeutschen Zeitung, gerade weil sie sonst tendenziell eine eher flüchtlingspolitikfreundliche Berichterstattung pflegen, einen erheblichen Vertrauensvorschuss gegeben habe. Die würden so etwas doch nicht als „Coup“ veröffentlichen, wenn sie es nicht hieb- und stichfest belegen könnten, so mein Eindruck Ende April. 

Andererseits: Warum wurde in der Presse mal von 1200 Fällen, dann aber wieder von 2000 Fällen geschrieben? Warum wurde einerseits geschrieben, dass es sich in der Mehrheit um jesidische Asylbewerber handelte, die ohnehin wegen der grausamen Verfolgung durch den IS in hoher Zahl anerkannt werden, andererseits aber alle (nämlich 1200 oder 2000) Fälle als „unberechtigt beschieden“ bezeichnet? Dieser Widerspruch fällt doch sofort auf und MUSS Nachfragen veranlassen. Welche Rolle spielen eigentlich interne Zuständigkeitsregeln der Außenstellen derselben Bundesbehörde für die Rechtmäßigkeit der Bescheide? Fragen, die ein Rechercheur schon vor einer Veröffentlichung hätte klären können und müssen.

Verlautbarungsjournalismus, mal so, mal anders

Ende Mai äußerten sich die Strafverteidiger von Ulrike B. und eines der beschuldigten Anwälte: Sie hätten noch keine Akteneinsicht, aber von Bestechlichkeit könne keine Rede sein, auch die Busse seien nicht von einem Anwalt organisiert worden. Zudem sei die Bremer Außenstelle durchaus zuständig gewesen, da sie aus Kapazitätsgründen Fälle von anderen Außenstellen übernommen bzw. zugewiesen bekommen habe.

Nun wäre es an der Zeit gewesen für ein „Recherchenetzwerk“, seine ursprüngliche Berichterstattung zu verteidigen: „Moment, die behaupten einfach, es habe keine von einem Anwalt organisierten Busse gegeben, aber das haben wir doch recherchiert. Die behaupten einfach, das BAMF in Bremen sei zuständig gewesen, aber wir haben doch das Gegenteil davon recherchiert, haben zuverlässige Quellen dafür, nämlich dass Bremen nur für 98 von 1200 rechtswidrig befürworteten Anträgen zuständig war“, usw.
Apropos: 1200 Fälle? Waren es nicht 2000? Na, schreiben wir einfach ab jetzt „mindestens 1200“ oder „bis zu 2000“ – wird schon irgendwie stimmen, ist ja schließlich gut recherchiert.

Man hätte als Leser der früheren Berichte jedenfalls erwartet, dass das Recherchenetzwerk nun die Verteidigerangaben kritisch kommentiert. Aber dies passierte nicht. Wie zuvor über den Skandal in Bremen aus ungenannten Quellen berichtet wurde, wurden nun praktisch unkommentiert die Äußerungen des Verteidigers wiedergegeben. Die Recherche entpuppte sich nun mehr und mehr als Verlautbarungsjournalismus: Mal offenbar für eine Konkurrentin um den Leitungsposten in Bremen, mal für einen angeblichen Intriganten aus der Behörde, mal für die Staatsanwaltschaft, mal für die Verteidigung. Sogar ein Interview mit Frau B. wurde freundlicherweise in der BILD veröffentlicht (SPON). Alles kann nicht gleichzeitig richtig und wahr sein, aber eine journalistische Einordnung in den Gesamtzusammenhang fehlte völlig. Dann müsste man ja einräumen, dass man trotz Rechercheversuchen eigentlich nichts Genaues weiß. Dass man sich möglicherweise zunächst auf unzuverlässige Quellen verlassen hat. Dass die Staatsanwaltschaft bislang möglicherweise auch keine besseren Quellen hat. Aber man wollte wohl lieber jeden Tag neue, sich widersprechende Berichte zur Unterhaltung des Volkes und zur praktischen Stützung derjenigen publizieren, die jetzt immer lauter einen Untersuchungsausschuss fordern.

In der vergangenen Woche dann noch dies: Ein interner Revisionsbericht bestätigt angeblich, dass Frau B. „schuldig“ ist und in "krimineller Absicht" (Deutsche Welle, 7.06.) gehandelt habe. Dass dieser Revisionsbericht keine strafrechtliche Untersuchung ist oder diese ersetzt, dass es also nicht um strafrechtliche Schuld gehen kann, geschenkt. Aber auch diesmal wird nicht skeptisch nachgefragt oder recherchiert, sondern einfach nur verlautbart, welche Informationen der Bericht (angeblich) enthält. Eine Einordnung für den Leser fehlt, ebenso der Zahlenabgleich mit den früheren Berichten.

Acht Wochen nach der Publikation: Es wird recherchiert

Wenige Tage später, nämlich vorgestern: Tagesschau , NDR-Panorama, und die SZ berichten nun, es sei alles ganz anders. Der interne Revisionsbericht, vor Tagen bestätigte er noch die „Schuld“ der Beamtin B., jetzt heißt es: Der stimme nicht.

Die neuen Berichte entlarven, was für mich inzwischen der eigentliche Skandal ist: Von den Fakten im ursprünglichen Bericht, den die SZ am 20. April veröffentlicht hat, stimmt offenbar so gut wie gar nichts. Nach den neuesten Berichten handelt es sich um eine Zeitungsente:

1. SZ, 20.04. „soll in etwa 2000 Fällen Asyl gewährt haben, obwohl die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben waren“

Neue Info SZ vom 13.06.: es geht weder um 2000 noch um 1200 Fälle, sondern um 975 Fälle, die „nicht plausibel“ seien, was aber nicht unbedingt heiße, sie seien falsch beschieden worden. In 578 Fällen (davon? oder zusätzlich?) sei ein Widerruf geboten – der könne aber auch auf neuen Tatsachen beruhen, die z. Zt. der Entscheidung des BAMF Bremen noch gar nicht bekannt gewesen seien (tagesschau). Also: Wie viele Bescheide sind tatsächlich unrechtmäßig ergangen? Es könnten einige hundert sein, aber vielleicht auch gar keiner (?). Und gegen welche Vorschriften wurde (möglicherweise) dabei verstoßen - gegen behördeninterne Vorschriften oder gegen gesetzliche Normen?
TAZ, 14.06. : „Sein Urteil hatte Seehofer schon am 23. Mai verkündet. Da teilte seine Pressestelle, gestützt auf den Revisionsbericht, mit, dass „im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden“. Auf die Nachfrage, um welche es sich dabei konkret handele, erhielt die taz zunächst lange keine Antwort. Vergangenen Freitag antwortete schließlich ein Ministeriumssprecher telefonisch: „Das, was ich Ihnen sagen kann, wird Sie nicht zufriedenstellen.“ Denn: „Auf die Frage können wir keine Antwort geben.“

2. SZ, 20.04.: „Die Außenstelle Bremen sei demnach formal für die Antragssteller nicht zuständig gewesen, die Leiterin habe über die Anträge in Eigenregie offenbar dennoch entschieden.“

Heute (Tagesschau faktenfinder): „Auf Nachfrage erklärte das BAMF nun gegenüber NDR und Radio Bremen, (…)  die Bremer Außenstelle sei "zeitweise für Antragstellende aus anderen Zuständigkeitsbereichen zuständig" gewesen. Dies sei der Revision "zum Zeitpunkt der Prüfung nicht bekannt" gewesen.“ Die Außenstelle Bremen hatte also Fälle aus dem Umland übernommen, um die dortigen Behörden zu entlasten.
Die interne Revision prüft also, ob Ulrike B. Fehler gemacht hat, informiert die Presse, es gebe hunderte, tausende Fälle von Unzuständigkeit, und jetzt heißt es schlicht, sorry, dass sie doch zuständig war, war zum Zeitpunkt der Prüfung nicht bekannt. Aber, so müsste man ergänzen: Wir haben unsere (ehem.) Behördenleiterin trotzdem schon einmal vorab der Presse zum Fraß vorgeworfen.

3. SZ, 20.04: „Ein beschuldigter Anwalt aus Hildesheim soll dafür Bustransporte organisiert haben und mit der ehemaligen Bamf-Leiterin mit Hilfe von vorab ausgestellten Listen für eine priorisierte Bearbeitung der Fälle in Bremen gesorgt haben.“
Heute (Panorama): Busfahrten gab es tatsächlich, aber sie wurden offenbar nicht von einem Anwalt organisiert, sondern von den Behörden der Bundesländer, die die Bremer Außenstelle um Hilfe bei der Bearbeitung gebeten haben.
Ob es überhaupt (rechtswidrige) Absprachen mit Anwälten gab, bleibt im Panorama-Bericht offen.

4. SZ, 20.04.: „Noch ist nicht klar, ob und wie die Beamtin oder die Anwälte mit der Sache Geld verdienten. Die ehemalige Bamf-Mitarbeiterin soll zumindest Zuwendungen, etwa in Form von Restaurant-Einladungen, erhalten haben.“
Heute: Zumindest das „zumindest“ ist sehr fraglich geworden und die Behauptung wird jetzt auch nicht mehr wiederholt. Tagesschau Faktenfinder: „Beweise, dass Ulrike B. Bestechungsgelder angenommen hätte, gibt es bis heute keine. Ihrem Anwalt zufolge geht es um Hotelübernachtungen, die bei der Reservierung vom Anwalt bezahlt wurden. Allerdings existiere eine Quittung, die belege, dass Ulrike B. die Kosten erstattet habe. Zudem gehe es um ein jesidisches Neujahrsfest, wo es Essen und Trinken gegeben habe. Dem NDR sagte der Anwalt: "Das war eine öffentliche Einladung, zu der jeder gehen konnte. Ob sie dort überhaupt etwas gegessen oder getrunken hat, weiß ich nicht."

Der eigentliche Skandal

Die Rechercheure von SZ, NDR und Radio Bremen haben etwas getan, was sie auf keinen Fall tun durften: Sie haben  Menschen mit Vorwürfen maximal geschadet, um eine Geschichte zu bringen, die schlecht recherchiert und unausgegoren war und damit den Rufmord vor die Recherche gestellt. Und als sich fast zwei Monate später herausstellt, dass sie daneben lagen, haben sie sich weder entschuldigt noch ihre ursprünglichen Berichte transparent berichtigt, sondern einfach geschrieben: „Zunächst hatte es geheißen“ (SZ 13.06.).

HINWEIS: An dieser Stelle endete mein ursprünglicher Beitrag vom 14. Juni 2018. In den folgenden Updates habe ich jeweils Ergänzungen anhand der jeweils neuen Nachrichtenlage eingefügt.
Das Fazit (ganz unten) habe ich ebenfalls regelmäßig aktualisiert.

 

Update (16.06.): Gestern abend wurde im NDR ein weiterer ca. 30minütiger Bericht zur "Akte Ulrike B." gesendet. Offenbar handelt es sich um eine Langfassung des schon vor wenigen Tagen auf Panorama 3 gesendeten Beitrags (oben verlinkt). Insbesondere das Fazit am Ende der Sendung kann ich voll unterschreiben:
"Für die einen ist Ulrike B. kriminell, für die anderen unschuldig. Aber das zu beurteilen ist viel zu früh. Sie heute schon schuldig zu sprechen, heißt sie zum Sündenbock machen für das Chaos der Vergangenheit."
Ein Fazit, das auch Journalisten nicht nur in diesem Fall, sondern auch in vielen anderen beherzigen sollten, von Anfang an. 

Update (19.06.): Dieser Beitrag wird heute auch auf uebermedien.de (medienkritisches Internet-Magazin von Stefan Niggemeier u.a.) erscheinen. Dort wird wohl auch eine Antwort des Recherchenetzwerks veröffentlicht.

Update (24.06.): Auch wenn mein Artikel v.a. die vergangene Berichterstattung unter die Lupe genommen hat, bin ich natürlich nach wie vor daran interessiert, wie es nun weitergeht im Fall des BAMF Bremen. Da eine - angeblich - 50köpfige Ermittlungsgruppe der Polizei (Bundespolizei und Bremer Polizei) in dem Fall ermittelt sowie eine Revision aller Entscheidungen des BAMF-Bremen durchgeführt wird, erscheint mir jedenfalls interessant, was von den Ergebnissen dieser Ermittlungen nach außen dringt und von der Presse im weiteren Verlauf veröffentlicht wird. Zwei Artikel vom Wochenende seien hier verlinkt:

1. Die Stuttgarter Zeitung resümiert am 22.06. (vorläufig) es handele sich möglicherweise doch nur um ein "Skandälchen", und listet im Wesentlichen auf, was schon hier im Artikel steht.

2. Der Spiegel (kostenpflichtiger Blendle-Link) hingegen berichtet in seiner neuesten Ausgabe, die Überprüfung der E-Mails und Chats der Frau B. auf ihrem Handy habe belastendes Material gegen sie ergeben und Hinweise darauf, dass sie über Jahre hinweg systematisch mit zwei Anwälten zusammengearbeitet habe, um Asylanträge schneller positiv zu bescheiden. Es wird auch ein Prüfer der Innenrevision zitiert, der sagt: Verdachtsmomente erhärten sich, "dass Frau B. über Jahre hinweg massiv gegen geltendes Recht (...) verstoßen hat".

3. Ich habe einen Hinweis erhalten auf eine "beschleunigte Prozedur", die syrische, jesidische und christliche Asylbewerber betreffen sollte und vielleicht den Hintergrund beleuchtet, vor dem schon ab ca. 2015 Anträge bevorzugt behandelt wurden Zitat: "Asylverfahren von syrischen Antragstellern und von irakischen Antragstellern jezidischen oder christlichen Glaubens werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ab sofort prioritär in einem vereinfachten Verfahren bearbeitet. Damit wird die gemeinsame Erklärung der Innenminister von Bund und Ländern vom 17.10.2014 in einem wichtigen Punkt umgesetzt. Diese sieht eine zügige Bearbeitung von Asylanträgen von Flüchtlingen aus extrem unsicheren Herkunftsländern vor. Mit dieser Maßnahme wird angestrebt, eine positive Entscheidung über die Anträge von Asylbewerbern aus diesen Herkunftsländern zu treffen, noch bevor sie auf die Kommunen verteilt werden. Damit trägt der Bund zur Entlastung der Kommunen bei. Durch den Einsatz von Fragebögen und anderer administrativer Maßnahmen, können die Verfahren im Idealfall innerhalb von 11 Tagen nach Antragstellung abgeschlossen werden." (Quelle: Folgen Sie diesem Link.)

Update (28.06.2018): In der taz findet sich heute ein Interview mit der Linken-Politikerin Leonidakis (Bürgerschaftsabgeordnete in Bremen und flüchtlingspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion). Jedenfalls ihre Äußerungen zur medialen Aufbereitung des "Skandals" sowie den jetzigen Überprüfungen können als Ergänzung zum Artikel oben angesehen werden.

Aber wie oben schon geschrieben: Es ist heikel, sich auf Zwischenergebnisse aus den Ermittlungen zu verlassen. Die Strafbarkeit nach § 84 Abs.3 Nr.2 AsylG hängt letztlich davon ab, ob die Anträge (mit Wissen der Beteiligten) im Ergebnis missbräuchlich gestellt wurden/werden sollten, nicht ob Verfahrensfehler bei ihrer Prüfung gemacht wurden, die zur Beschleunigung führten. Wie viele Anträge im Ergebnis falsch beschieden wurden, ist bisher aber nicht bekannt.

Update (28.07.2018): Hier der vollständige Text der Frage und Antwort des BMI zur bisherigen Aufklärunge des großen Bremer BAMF-Skandals. Text  stammt von der Website MdB Ulla Jelpke (Linke) :

Frage
In welchem Umfang gab es bislang Widerrufe oder Rücknahmen (bitte differenzie- ren) in den von der Internen Revision des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) genannten 578 Fälle positiver Entscheidungen der Bremer Außenstelle des BAMF, in denen dies angeblich geboten sei (Ausschussdrucksache 19(4)46, Seite 13; bitte dabei beispielhaft genauere Angaben zu den Gründen der Widerru- fe/Rücknahmen, zu den Herkunftsländern der Betroffenen usw. machen), und welche Erkenntnisse gibt es inzwischen dazu, in wie vielen der von der Internen Revision monierten 824 Fälle der Bremer BAMF-Außenstelle, in denen Regeln zur Identitäts- feststellung missachtet worden seien (vgl. Plenarprotokoll 19/35, Frage 43, Seite 3326), tatsächlich eine falsche Identität/Herkunft vorgegeben worden ist (bitte so dif- ferenziert wie möglich zum Stand der diesbezüglichen Aufklärung antworten)?

Antwort
Im Zusammenhang mit der Überprüfung von positiven Entscheidungen der Bremer Außenstelle (Prüfung der Internen Revision sowie Vollprüfung der positiven Entscheidungen ab dem Jahr 2000) gab es bislang vier Widerrufe und 13 Rücknahmen. Gegenwärtig wird zudem in 13 Fällen ein Rücknahmeverfahren und in drei Fällen ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Die Überprüfung dauert derzeit weiter an.
Gründe für die Rücknahmen waren mehrheitlich offensichtlich rechtswidrige Bescheide, bei denen der Antrag unzulässig war bzw. die Rechtsgrundlage zur Durchführung des Verfahrens fehlte. In Einzelfällen wurden zudem Ausschlussgründe gemäß § 60 Absatz 8 Aufenthaltsgesetz nicht berücksichtigt. Bei den Widerrufen sind u.a. Rückreisen in das Herkunftsland von Bedeutung. Es wird daraufhingewiesen, dass dies eine zusammenfassende Auskunft ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führt keine einzelfallbezogene Statistik zu den Widerrufs- und Rücknahmegründen.
Aufgrund der laufenden Überprüfungen kann zum aktuellen Zeitpunkt keine Aussage getroffen werden, inwieweit und in wie vielen Fällen tatsächlich eine falsche Identität/Herkunft vorgegeben wurde.

Update (16.08.2018):

Auch Focus-Online vermeldet jetzt, "wie der Bamf Skandal in sich zusammenbricht" und fasst die Hinweise darauf in einem längeren Artikel zusammen. Bislang neu ist, dass auch die Überprüfung der verdächtigten Anwaltskanzleien "keine Hinweise auf Fehlverhalten" erbracht hätten:

 

Zu den kolportierten Vorwürfen gehörte außerdem, dass bestimmte Anwaltskanzleien bei den Asylverfahren bevorzugt behandelt worden seien und für ihre Mandanten besonders oft einen positiven Asylbescheid erreicht hätten. Ein Revisionsbericht des Bamf lässt jedoch keine ungewöhnlich hohe „Erfolgsquote“ der Kanzleien erkennen. In der Antwort der Bundesregierung vom 24. Juli auf eine Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion ist die Rede von 4568 überprüften Verfahren, in denen Asylbewerber von den verdächtigten Kanzleien vertreten worden seien. Der Untersuchungszeitraum war demnach vom 1. Januar 2013 bis 16. November 2017.

In mehr als zwei Dritteln der untersuchten Fälle erhielten die Asylbewerber Schutz in Deutschland. Zählt man auch die Fälle hinzu, in denen aus humanitären Gründen Abschiebeverbote ausgesprochen wurde, kommt man auf eine Schutzquote von rund 80 Prozent.

Das klingt viel. Jedoch ist mittlerweile bekannt, dass in der Bremer Bamf-Außenstelle in den vergangenen Jahren besonders viele Jesiden Asylanträge stellten. Die religiöse Minderheit wird seit Jahrhunderten verfolgt. Im Jahr 2014 verübte die Terrormiliz IS zahlreiche Massaker an Jesiden. Die Vereinten Nationen und die Europäische Union erkennen die Vorgänge als Völkermord an. Deswegen ist die Schutzquote für Jesiden sehr hoch. Tagesschau.de gibt sie für die Jahre 2013 bis 2017 mit 86,44 Prozent bundesweit an.

Update (20.08.2018):

Es gibt einige neue - allerdings in der Tendenz widersprüchliche - Berichte zum Bremer BAMF-Skandal.

Das Innenministerium hat auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jelpke nun umfangreich (20 Seiten) geantwortet. Auf den meisten Seiten geht es um das Ergebnis der Überprüfungen von Bescheiden des BAMF im Allgemeinen bzw. in anderen Zusammenhängen. Die Antwort zur Frage 14 (Stand der Überprüfungen der 18000 Bremer Bescheide, Seite 14) fällt kurz aus: Damit seien 68 Mitarbeiter beschäftigt, die Überprüfung sei abgeschlossen, aktuell erfolge die „finale Auswertung“, diese ist also noch nicht verfügbar.

Die Tagesschau bringt heute eine Chronologie der Ereignisse, die im Wesentlichen das hier im Beck-Blog und im Focus (s.o.) wiedergegebene Bild bestätigt: Der zunächst große Korruptions-Skandal beim BAMF in Bremen erweise sich beim näheren Hinsehen als eher nur lokal wohlwollende Grenzüberschreitung der Behördenleiterin im Milieu einer arbeitsmäßig überlasteten Gesamtbehörde. Ulrike B. wurde dafür auch schon disziplinarisch belangt. Die nachträgliche Überprüfung der Bescheide habe ergeben, dass es tatsächlich nur relativ wenige im Ergebnis rechtswidrige Bescheide gab. Die Chronologie endet jedoch im Juli 2018. Ganz aktuelle Informationen enthält sie also nicht.

Ein ähnliches Bild gibt der zeitgleich erschienene Artikel in der Süddeutschen Zeitung , worin aus der Antwort auf die Anfrage der Bundestagsabgeordneten Jelpke (Linke) referiert wird, Auszug:

„Die Befürchtung, viele Flüchtlinge könnten zu Unrecht Schutz in Deutschland erhalten haben, lässt sich durch aktuelle Prüfzahlen nicht bestätigen. Demnach endeten im ersten Halbjahr 2018 von mehr als 43 000 abgeschlossenen Prüfverfahren nur 307 damit, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) den Geflüchteten den bereits gewährten Schutzstatus wieder entzog. Nur in 0,7 Prozent der untersuchten Fälle widerrief das Amt also den Schutzbescheid. 99,3 Prozent der überprüften Flüchtlinge behielten das Recht, bleiben zu dürfen.“

Offen bleibt hier, ob in den 43000 nun die 18000 Bremer Überprüfungsfälle einbezogen sind oder nicht. Auch der Anteil von Rücknahmen (ursprünglich rechtswidriger Bescheide) wird nicht konkretisiert, obwohl allenfalls dieser Anteil etwas über systematische Missbräuche in Bremen aussagen könnte. Wenn die SZ nicht mehr haben sollte als die schon oben zitierte Antwort an Jelpke, dann muss man sagen: Konkret zu Bremen gibt es offenbar gar nichts Neues. Aber, verehrte Journalisten, warum schreibt ihr das nicht auch so?

Ein ganz anderes Bild zeichnet ein Artikel, der in dieser Woche im Spiegel erschienen ist (bei Spiegel Plus, Blendle oder im Print erhältlich). Die Spiegel-Journalisten zitieren aus E-Mails der beschuldigten Ulrike B. Aus diesen ergebe sich, dass diese durchaus im Zusammenwirken mit den beschuldigten Anwälten das „System“ ausgenutzt bzw. missbraucht habe, um günstige Bescheide für deren Mandanten (v.a. jesidische Flüchtlinge) zu erreichen. Es ergeben sich Hinweise, dass sie bestimmte Verfahren bewusst verlangsamt habe, um eine Anwendung des Dublin-Verfahrens bei diesen Antragstellern zu vermeiden, zu einer Zeit, als das Dublin-Verfahren für Jesiden noch nicht ausgesetzt gewesen sei. Allerdings bleiben die Angaben im Artikel an entscheidenden Stellen eher unkonkret und nebulös, so dass es für eine strafrechtliche Subsumtion kaum ausreicht. Im Artikel wird auch die Story mit den angeblich von Anwälten angemieteten Bussen wieder aufgewärmt, allerdings wiederum nur im raunenden Stil von Gerüchte-Journalismus („Zeugen berichteten sogar…“).

Nebenbei: Dass E-Mails aus den sichergestellten Accounts in die Öffentlichkeit gelangen, bevor die Verteidiger der Beschuldigten Akteneinsicht bekommen haben, könnte die Fairness des Verfahrens ernsthaft beeinträchtigen. Insbesondere wenn sich herausstellt, dass hierfür ein Leak aus den Reihen der Polizei oder Staatsanwaltschaft verantwortlich ist.

Update (26.08.2018)

Heute melden Presseorgane und Sender, bei den 18315 überprüften Bremer Bescheiden seien 165 mit "groben Verstößen" festgestellt worden, also bei 0,9 % der Bescheide (von den ursprünglichen im April vom "Recherchenetzwerk" gemeldeten 2000 Fällen sind das 8,3 %). Was ein "grober Verstoß" ist und wie dieser unjuristische Begriff insbesondere mit den verschiedenen rechtlichen  Kategorien (Verwaltungsrecht und Strafrecht) zusammenhängt, blieb zunächst unbekannt. Auch wie viele der 165 grob verstoßenden Bescheide von der ehemaligen Leiterin Ulirke B. persönlich zu verantworten sind und ob sie zugleich als Indizien für "kriminelle" Machenschaften zählen können, lässt sich aufgrund der Angaben in der Presse noch nicht sagen. Auf Radio Bremen wird nun auch transparent gemacht, auf welchen Quellen die ersten Informationen im April offenbar basierten, nämlich auf dem Bericht der (inzwischen aus Bremen abgezogenen) Interimsleiterin Sch.

Update (07.09.2018)

Heute wird gemeldet, die Überprüfung der Bremer Fälle habe auch nicht 165, sondern (nur) 145 Verfahren mit groben Verstößen ergeben. Zitat Merkur:

Bei den Entscheidungen seien aktenkundige Sachverhalte wie bereits gewährter Schutz in einem anderen EU-Staat oder Belege für eine Identitätstäuschung ignoriert worden. In einem Medienbericht war zunächst von 165 Fällen die Rede gewesen. Untersucht wurde den Angaben nach jede positive Entscheidung von 2006 bis zum ersten Quartal dieses Jahres. Die Bamf-Prüfer schauten sich knapp 13 000 Verfahren mit gut 18 000 Antragstellern an. Die Bremer Bamf-Außenstelle war im Frühjahr in die Kritik geraten, weil dort möglicherweise unrechtmäßig Asylbescheide positiv entschieden wurden. Zu Beginn ging man von rund 1200 Fällen aus.

Inwiefern in diesen ca. 1 % der positiven Bescheide  seit 2006 "kriminelle Machenschaften" offenbar geworden sind bzw. Hinweise darauf, ist offenbar noch nicht bekannt. Auch fehlt eine Information dazu, ob und inwieweit die groben Verstöße auf Betreiben oder Interventionen der Leiterin Ulrike B. zurückgingen. Interessant wäre auch ein Vergleich mit Fehlerquoten (bzw. mit der Quote grober Verstöße) in anderen Filialen des BAMF. Möglicherweise stellt sich dann heraus, dass Bremen insofern gar nicht herausragt.

Update (11.09.2018)

Übersehen hatte ich einen Bericht des Spiegel, der darauf abstellt, bei den Überprüfungen seien nicht die 1371 Fälle einbezogen gewesen, die von den verdächtigen Anwälten eingereicht worden sind.

Spiegel Online:

Wie das Bamf auf Anfrage mitteilte, waren allerdings nicht die Fälle der in die Affäre verwickelten Rechtsanwälte Irfan C. und Cahit T. unter den geprüften Akten. Diese wurden bereits gesondert durch die Innenrevision des Amts bis Mai untersucht. 550 Verfahren der 1371 in Bremen entschiedenen Fälle dieser Anwälte sollen demnach "nicht rechtskonform" abgelaufen sein.

Laut der dortigen Zweitüberschrift seien davon weitere 150 Fälle "mutmaßlich manipulativ" bearbeitet bzw. entschieden worden:

Ein interner Bericht deckt nun nach SPIEGEL-Informationen knapp 150 weitere mutmaßlich manipulierte Asylverfahren auf - zusätzlich zu den bekannten Fällen.

Worin der Unterschied zwischen "nicht rechtskonform" und "mutmaßlich manipulativ" bestehen soll, dazu erfährt man nichts, auch nicht im Print-Artikel hinter der Kostenschranke, der wörtlich dem Bericht auf Spiegel Online entspricht.

Update (20.09.2018):

In einem Bericht in der  FAZ wird heute der Bremer BAMF-Fall aufgegriffen und wiederum eine Kehrtwende angedeutet. Ebenso wie zuvor schon der Spiegel (s.o.) wird darauf abgestellt, dass in den über 18000 Fällen (lt. FAZ sind es jetzt genau 18347 Fälle), die bislang geprüft worden seien, die Fälle aus den beiden inkriminierten Anwaltskanzleien nicht enthalten gewesen seien. Anders als vom Spiegel genannt sollen dies aber nicht 1371 Fälle, sondern 4568 Fälle (wie schon am 16.8. von Focus vermeldet, s.o.) sein, die Gegenstand eines zweiten Prüfberichts, diesmal vom Bundesrechnungshof gewesen seien. Die folgenden Auszüge aus dem FAZ-Artikel betreffen beide Prüfberichte, die am Montag dem Innenausschuss präsentiert werden sollen.

Zitat (Quelle: FAZ vom 20.09., kostenpflichtiger Blendle-Link):

Liest man den Abschlussbericht indes in seiner Gesamtheit, ergibt sich ein anderes Bild. Die Zahl der schweren Fälle liegt zwar bloß bei 145, nicht wie zuvor berichtet bei 165. Doch handelt es sich dabei um Fälle, bei denen sich die Prüfer sicher sind, dass eine „bewusst manipulative Einflussnahme zur Erreichung einer bestimmten Entscheidung“ vorliegt und „aktenkundige Informationen die getroffene Entscheidung ausschlossen“. Über diese krassen Fälle hinaus, die zur weiteren personalrechtlichen Prüfung übergeben worden sind, gab es jedoch auch noch 2043 Asylverfahren, in denen „nicht ausreichend ermittelt“ wurde. Insgesamt kommen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass bei 2845 Verfahren, das entspricht 22,3 Prozent, die Bearbeitung „kritikwürdig“ gewesen sei.

(...)

Den zweiten Bericht, der am Montag diskutiert werden wird, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nach dem Bekanntwerden der Vorgänge beim Bundesrechnungshof in Auftrag gegeben. In dem 62 Seiten umfassenden Papier wird detailliert aufgelistet, warum die Arbeitsweise der Bremer Bamf-Außenstelle mit manchen Fehlern in anderen Dienststellen nicht zu vergleichen ist. Einige Beispiele: Bei einer Prüfung von 4407 Verfahren, an denen die beiden verdächtigen Rechtsanwälte beteiligt waren, stellte sich heraus, dass die Bremer Außenstelle in 89 Prozent der Fälle tätig wurde, obwohl der Antrag woanders gestellt worden war. Bei den anderen Dienststellen lag diese Quote bei mickrigen drei Prozent. Darüber hinaus wurde in Bremen in 42 Prozent der Fälle die Identität der Asylsuchenden nicht geklärt (andere Dienststellen: neun Prozent), in 81 Prozent das Vier-Augen-Prinzip nicht eingehalten (andere Dienststellen: 44 Prozent), und in 87 Prozent der bearbeiteten Fälle der beiden Anwälte war in Bremen Dienststellenleiterin Ulrike B. persönlich beteiligt. Auch das ist im Vergleich zu anderen Außenstellen sehr ungewöhnlich. Der Rechnungshof kommt zu der Bewertung, die beiden Kanzleien seien in Bremen „systematisch bevorzugt behandelt und wohlwollend entschieden“ worden. Die Prüfung habe die „Verdachtsmomente erhärtet“, dass Ulrike B. mit mindestens fünf weiteren Mitarbeitern „jahrelang massiv gegen geltendes Recht, Sicherheitsvorgaben und hausinterne Anweisungen verstoßen“ habe.

(...)

Die These, es gebe überhaupt keinen Bamf-Skandal, dürfte sich kaum halten lassen.

Allerdings fehlt  im FAZ-Bericht (anders als im Focus-Bericht vom 16.08., s.o.) jeglicher Hinweis darauf, dass es sich bei den meisten (bzw. sehr vielen) dieser Fälle um jesidische Antragsteller handelt, für die auch vom Ministerium ein bevorzugter Schutzstatus als Devise ausgegeben wurde. Merkwürdigerweise benutzen die bislang bekannten Prüfberichte auch nicht rechtlich klar definierte Bewertungen (rechtswidrig, rechtmäßig, zulässig, unzulässig, zuständig, unzuständig, gesetzeswidrig, vorschriftswidrig, strafrechtlich relevant), sondern eher pauschale und weniger juristisch klare Bewertungen (falsch, fehlerhaft, grob verstoßend, nicht rechtskonform, manipulativ, kritikwürdig), die sie dann mit den Journalisten teilen. Auch die Prozentangaben passen nicht ins Bild. So wird angegeben, "die Schutzquoten hätten in der Spitze den Bundesschnitt um 47 Prozent übertroffen", Um welche "Spitze" es gehen soll und um welche Schutzquote (die Gesamtanerkennungsquote oder die von Jesiden?), wird nicht angegeben. Nach der bisherigen, sagen wir mal "suboptimalen" Recherche zum BAMF-Skandal hätte man erwartet, dass Journalisten, die sich jetzt damit beschäftigen, sich die Mühe machen, hier einmal genauer nachzufragen oder wenigstens quellenkritisch zu arbeiten. Wie kann man angesichts der bisherigen widersprüchlichen Meldungen einer Behörde so etwas durchgehen lassen wie die Bezeichnung von positiven Entscheidungen als "kritikwürdig"? Zumal ja nun bekannt ist, dass viele ablehnende BAMF-Entscheidungen von Gerichten aufgehoben wurden. Dass hier auch die erfahrenen FAZ-Journalisten Reinhard Bingener und Helene Bubrowski nicht nachhaken, enttäuscht mich.

Update (28.11.2018)

Der Blog "Frag den Staat" hat nach dem Informationsfreiheitsgesetz Auskunft vom Bundesinnenminister erfragt und nunmehr ein Dokument (mit Datum vom 30.12.2014)  erhalten, das belegen soll, dass die Bremer BAMF-Behörde nicht unzuständig war in den Fällen, sondern Fälle aus NRW und Niedersachsen nach Anweisung der Nürnberger Zentrale übernehmen sollte. Damit werden die Angaben der Verteidiger in der Tendenz bestätigt und es ergeben sich Hinweise, dass die Berichte des Recherchenetzwerks schon ganz zu Anfang auf dem Holzweg waren. Auf der Seite "detektor.fm" ist dazu auch ein Podcast veröffentlicht.

Von dem eingeleiteten Strafverfahren liest man seit Monaten nichts mehr.

Update (1.1.2019)

Kurz vor Jahresende erschien ein Artikel im Weser-Kurier, der die anhaltenden Ermittlungen in Bremen beschreibt:

(Auszug):

Die Polizei setzt unverändert ihre Ermittlungen fort und leistet dabei einen wahren Kraftakt: 43 Beamte sind seit Monaten damit beschäftigt, dem Verdacht nachzugehen, dass in der Außenstelle in Vegesack gegen das Asylgesetz verstoßen wurde. Außerdem geht es um den Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit.

Im Fokus der Nachforschungen stehen Ulrike B., die frühere Leiterin der Außenstelle, drei Rechtsanwälte, ein Dolmetscher und ein Vermittler. Die Mitarbeiter der Ermittlungsgruppe „Antrag“ werden von der Polizei Bremen (24), der Bundespolizei (13) und der Polizei Niedersachsen (4) gestellt. Zwei Experten hat das Bamf geschickt, sie kommen selbstredend nicht aus der Bremer Außenstelle. „Die Ermittlungen werden intensiv geführt“, teilt die Polizei mit, „die Dauer ist prognostisch weiterhin auf mindestens neun Monate anzusetzen.“ Es sei die mit Abstand größte Ermittlungsgruppe, die von der Polizei Bremen in den vergangenen Jahrzehnten eingerichtet wurde.

Ob und wodurch diese Ermittlungen, die in Zeitdauer (seit Nov. 2017, "prognostisch" also fast zwei Jahre) und personellem Aufwand (41 bzw. 43 Beamte?) weit über eine übliche Mordermittlung hinausgehen, gerechtfertigt sind, bleibt auch in diesem Artikel offen. Neue Erkenntnisse werden jedenfalls nicht mitgeteilt.

PS: Hier noch einige bislang von mir übersehene Stellungnahmen zur Kritik der journalistischen Arbeit:

Marco Bertolaso, DLF (August 2018)
Jochen Grabler (Radio Bremen) im Interview (podcast August 2018)

 

Update (31.03.2019):

Vergangene Woche hat Panorama (NDR/ARD) erneut eine Zusammenfassung der bisher bekannten Ermittlungsergebnisse veröffentlicht. Darin heißt es jetzt:

Rund 18.000 positiv beschiedene Asylbescheide aus Bremen wurden im vergangenen Jahr überprüft. Das Innenministerium selbst hat nun Anfang März eingeräumt, dass nur 47 dieser Entscheide widerrufen oder zurückgenommen wurden. "Insgesamt", so teilt das Bundesinnenministerium mit, "liegt diese Anzahl der widerrufenen Verfahren mit Bezug zu Bremen auf einem ähnlichen Niveau wie die Zahl der insgesamt bundesweit widerrufenen Verfahren."
"Und es gibt nicht einen einzigen Fall von Identitätstäuschung und nicht einen einzigen Fall, wo jemand überprüft wurde und nicht aus dem Land kam, das er oder sie angegeben hat", betont Ulla Jelpke. Die Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion hat bereits mehrere parlamentarische Anfragen zur BAMF-Affäre an die Bundesregierung gestellt. "Was sehr wichtig ist, ist, dass es nicht einen einzigen Fall gibt unter den 1.200 Menschen, die zu Unrecht Asyl bekommen haben sollen. Das ist ja genau das, was immer behauptet wurde: Kriminelle konnten einreisen ohne dass sie im Blick der Behörden waren", berichtet Jelpke weiter.
Der "Skandal" von dem der Bundesinnenminister im Fernsehen sprach: Wo ist er geblieben?"

In der Hannoverschen Allgemeinen vom 27.03.19 wird noch konkreter berichtet:

Von rund 13.000 Bremer Anerkennungsbescheiden, die in den vergangenen Jahren von der Bremer Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) erstellt wurden, sind bislang lediglich 28 wegen Fehlern zurückgenommen worden. (...) Der Ministeriumssprecher wollte sich auf Nachfrage dieser Zeitung nicht zu Berichten des NDR und der „Süddeutschen Zeitung“ äußern, wonach sich unter den 28 Rücknahmen nur elf Fälle des Hildesheimer Rechtsanwalts Irfan C. befinden sollen, der einer der Hauptbeschuldigten in der Affäre ist. Irfan C. und ein mit ihm befreundeter Oldenburger Anwalt sollen die inzwischen abgesetzte Bremer Bamf-Leiterin Ulrike B. dazu bewogen haben, vor allem jesidische Flüchtlinge ohne genauere Überprüfung als schutzbedürftig anzuerkennen.

Warum es im einen Bericht um 18.000 Fälle geht, im anderen um 13.000 - fragen Sie die Journalisten!

Von der Süddeutschen Zeitung (21.03.19) wurde einer der beschuldigten Anwälte interviewt:

Auch die Frage nach dem womöglich entstandenen Schaden steht im Raum. Das Innenministerium hat bestätigt, dass zwar rund 13 000 seit dem Jahr 2000 in der Hansestadt angelegten Asylakten überprüft, aber nur 28 positive Entscheide zurückgenommen worden seien. Elf davon hätten Mandanten von ihm betroffen, sagt Çakar, sechs solcher Rücknahmen seien inzwischen gerichtlich korrigiert worden.

Waren es also tatsächlich nur noch zwischen fünf bis 22 Anerkennungen, die wg. Rechtswidrigkeit zurückgenommen werden mussten? Bei 13.000 bis 18.000 überprüften Akten?

Die Ermittlungen sollen aber auf drei weitere Beschuldigte ausgedehnt worden sein:

Laut Justizsprecher Passade richten sich die Ermittlungen inzwischen gegen neun statt sechs Personen: „Es sind drei Bamf-Mitarbeiter aus Bremen dazugekommen.“ Die anderen sechs Verdächtigen sind Ulrike B., drei Anwälte, ein Dolmetscher und eine Kontaktperson. Das Bamf leitete zusätzlich sieben Disziplinarverfahren ein.(...)

Passade hofft, dass ein wesentlicher Teil der Ermittlungen im Sommer abgeschlossen werden kann. Der Verdacht auf Straftaten habe sich zwar verstärkt, ob am Ende tatsächlich Anklage erhoben oder das Verfahren eingestellt werde, lasse sich aber noch nicht absehen. Unklar sei auch, ob der Vorwurf der Bestechung und Bestechlichkeit aufrechterhalten werde.

Dies berichtet auch der örtliche Weser-Kurier vom 3. April, der meint, "die Affäre kocht wieder hoch":

Die Prüfer gehen von einem „fehlgeleiteten Amtsverständnis der Akteure“ aus und adressieren ihre Vorwürfe an die ehemalige Amtsleiterin Ulrike B. und „zwei bis drei“ Entscheider der Behörde in Vegesack. Diese Beamten sind es jetzt wohl, die von der Staatsanwaltschaft auf die Liste der Beschuldigten gesetzt wurden. (...) Andere Bamf-Mitarbeiter werden zurzeit noch nicht strafrechtlich verfolgt, sie müssen sich aber einem Disziplinarverfahren stellen.

Des Weiteren werde jetzt seitens der Ermittler nicht mehr über Bestechungsgelder sondern über romantische Gefühle spekuliert (Auszug Panorama NDR/ARD):

"Die Ermittlungsgruppe "Antrag" geht inzwischen davon aus, dass zwischen der damaligen Leiterin der Bremer Außenstelle des BAMF und Irfan Cakar eine besondere Nähe bestand.
Um dem Anwalt zu gefallen, so der Verdacht, soll die Beamtin Asylanträge rechtswidrig positiv entschieden haben - in welcher Zahl dies der Fall sein soll, ist noch nicht endgültig geklärt. Der Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft sagt, der Eindruck verstärke sich, "dass die Motivlage eher im zwischenmenschlichen Bereich, im emotionalen Bereich - aber eher im einseitigen Bereich zu suchen ist." Der Verdacht ergebe sich aus einer Vielzahl von E-Mails, die Ulrike B. an Irfan Cakar geschrieben hat.
Für Cakar und seinen Anwalt ist diese Volte der Staatsanwaltschaft "abenteuerlich". "Aus unserer Arbeitsbeziehung hat sich eine Freundschaft entwickelt. Meines Wissens ist es nicht strafbar, mit einer Beamtin befreundet zu sein", so Cakar."

"Zwischenmenschlich", "emotional", aber "eher einseitig". Der betroffene Rechtsanwalt bezeichnet dies als "Unsinn", seine Familie (Ehefrau und Kinder) sei in das freundschaftliche Verhältnis einbezogen gewesen (Weser-Kurier vom 3.4.19).

Update (17.04.2019):

Ca. ein Jahr nach der ersten Skandalberichterstattung ist nun zu erwarten, dass noch einmal in verschiedenen Medien  (vorläufig) bilanzierend berichtet wird. Den Anfang macht "Buten und Binnen", das Regionalmagazin von Radio Bremen.

Dort heißt es (Auszüge):

Aktuell überprüft das BAMF erneut mehrere tausend Verfahren aus Bremen. Rund 3.500 sind schon geschafft. In 47 Fällen wurden Verfahren widerrufen oder zurückgenommen, was aber unterschiedliche Gründe haben kann – wie zum Beispiel eine veränderte politische Situation im Heimatland des Asylbewerbers. Auch diese Zahl lässt daher kaum belastbare Rückschlüsse zu, ob Asylanträge bewusst manipuliert wurden.

Wieder werden von Radio Bremen ohne Quellenangabe neue Zahlen zu überprüften und angeblich widerrufenen/zurückgenommenen Verfahren genannt. Hier - das muss ich gestehen - bin ich inzwischen sehr skeptisch, ob sich die Journalisten da womöglich wieder einen Bären aufbinden lassen. Zu oft mittlerweile wurden Zahlen genannt, die sich nach wenigen Wochen oder Monaten als falsch herausstellten. Wenn es allerdings stimmt, dass nun noch einmal tausende Verfahren "erneut" überprüft werden, spricht daraus eine gewisse Verzweiflung der Ermittler, unbedingt etwas finden zu müssen, was den bisherigen Ermittlungsaufwand legitimiert.

Was ist daran, dass in Bremen seit dem BAMF-Skandal deutlich weniger positive Asylbescheide ausgestellt werden? Nichts, heißt es aus der BAMF-Zentrale in Nürnberg: "Dieser Vorwurf kann aus Sicht des Bundesamts nicht nachvollzogen werden. Für das Ankunftszentrum Bremen gelten dieselben Anforderungen wie für alle anderen Organisationseinheiten des BAMF im Bundesgebiet.“ Die sogenannte "Gesamtschutzquote“, also der Anteil der Asylbewerber, die einen positiven Bescheid bekommen, zeigt aber einen klaren Trend. Vor dem Skandal im Jahr 2017 lag die Quote noch bei 60 Prozent. In den vergangenen Monaten ist sie dann auf rund 45 Prozent gesunken. Ein bundesweiter Trend, der vermutlich mit dem Skandal zu tun hat.

Fazit:

Im Sommer will die Bremer Staatsanwaltschaft ihr Ermittlungsergebnis präsentieren und entscheiden, ob sie Anklage bei Gericht erhebt. Spätestens dann wird wohl klar sein, ob der Bremer BAMF-Skandal einer war – oder nicht.

Eine kleine Bemerkung sei gestattet: Auch wenn im Sommer Anklage erhoben werden sollte, wird das Ausmaß des Skandals bzw. ob überhaupt von einem Skandal die Rede sein kann, dadurch nicht unbedingt oder "spätestens klar" sein:
1. Die Unschuldsvermutung gilt bis zur rechtskräftigen Verurteilung
2. Regelmäßig wird auch die Anklage wegen einer Straftat nicht schon einen bundesweiten Skandal nachträglich rechtfertigen, wenn die Anklage sehr viel geringeren Umfang hat als zunächst lauthals und wochenlang auf allen Kanälen vermeldet wurde.

Update (12.05.2019)

Während sich mein Beitrag hier hauptsächlich mit der Medienberichterstattung befasst hat, geht ein Beschluss des VG Bremen mit der Öffentlichkeitsarbeit der Staatsanwaltschaft ins Gericht, die eine von der Presse gern zitierte ("privilegierte") Quelle angesehen wird. Auszüge aus einem Bericht der taz:

Die Staatsanwaltschaft Bremen hat die ehemalige Chefin der Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Ulrike B., unzulässig in den Medien vorverurteilt. Zu dieser Einsicht ist das Bremer Verwaltungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss gekommen. Auch hätten bislang unbekannte DezernentInnen der Anklagebehörde durch im März auf Zeit-Online veröffentlichte Plaudereien „ein ehrenrühriges Bild“ der Beschuldigten im vermeintlichen Bamf-Skandal gezeichnet. Das sei keineswegs durch das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gedeckt gewesen, stellten die Richter klar.

Im Tagesspiegel hieß es:

Der am Donnerstag bekannt gewordene Gerichtsbeschluss, der auch dem Tagesspiegel vorliegt, bemängelt im Einzelnen, dass die Staatsanwaltschaft gegenüber Medien von zahlreichen Beweisen für eine kriminelle Zusammenarbeit zwischen B. und jesidischen Rechtsanwälten gesprochen habe und dass es in einem möglichen Strafprozess nur noch darum gehen werde, ob Haftstrafen mit oder ohne Bewährung verhängt würden. Dies sei eine „unzulässige Vorverurteilung“, heißt es in dem Verbotsbeschluss. Außerdem rügt das Verwaltungsgericht, dass sich die Ermittler über die möglichen Motive von B. geäußert haben. Die Staatsanwaltschaft hatte von einer „vermutlich einseitigen tiefen emotionalen Beziehung“ der Behördenleiterin zu einem der jesidischen Anwälte gesprochen. Dadurch, so die Richter, entstehe der ehrenrührige Eindruck, dass B. ihre Amtspflichten verletzt habe, um dem Anwalt zu gefallen. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt dieser Einschätzung gingen solche Mutmaßungen die Öffentlichkeit nichts an, entschieden die Richter.

Ob es in der personellen Zuständigkeit innerhalb der Ermittlungsgruppe auf Seiten der Staatsanwaltschaft Änderungen geben wird oder ob sogar gegen den Staatsanwalt selbst ermittelt wird, ist bislang noch offen. Noch einmal die taz dazu:

Ob man nicht mindestens den fraglichen Dezernenten vom Fall abziehen sollte, sei „Gegenstand der internen Prüfung“. Wer hier so offensiv in die Medien gedrängt war und der geschassten Behördenleiterin eine ehrenrührige Lovestory mit einem Hildesheimer Anwalt angedichtet hatte, sei „selbstverständlich bekannt“.

Bislang hatte sich die Staatsanwaltschaft in der Frage offenbar wenig kooperativ gezeigt: Sie „verweigerte die Namhaftmachung“, so die Kanzlei Eisenberg. Sinngemäß habe es geheißen, „das würde uns alles nichts angehen“. Auf die Beschwerde hin habe dann die Generalstaatsanwaltschaft erklärt, „von der ganzen Sache nicht zu wissen“. Das dürfte sich mittlerweile geändert haben.

[...]

Seine „Mutmaßungen“ über Liebesbeziehungen gingen „die Öffentlichkeit nichts an und sind in diesem Detailgrad insbesondere nicht zur Meinungsbildung erforderlich“, stellt das Verwaltungsgericht klar. Sie könnten den Straftatbestand „Verletzung von Privatgeheimnissen“ erfüllen, vielleicht aber sogar als öffentliche Verleumdung gewertet werden.

Die jetzt gerügte und untersagte "Geschwätzigkeit" (taz) der Staatsanwaltschaft erinnert an frühere Fälle, in denen Staatsanwaltschaften in verschiedenen Fällen neutrale "Information" und "Auskunft" über Ermittlungsverfahren zur PR unter Verletzung der Unschuldsvermutung missbrauchten (vgl. meinen früheren Beitrag hier). Der Zusammenhang mit der in meinem Beitrag kritisierten Medienberichterstattung ergibt sich von allein: So haben sich einige Journalisten explizit darauf berufen, dass sie ja berechtigt seien, die von einer Strafverfolgungsbehörde weitergegebenen Informationen zu verbreiten, da diese Quelle als zuverlässig anzusehen sei.

Auch schon früher hat die in diesem Ermittlungsverfahren Hauptbeschuldigte  drei gerichtliche Entscheidungen gegen  Bildberichterstattung und behördliche Äußerungen erwirkt, wie mir ihr Rechtsanwalt J. Eisenberg mitteilte:

Das VG Bremen (6 V 1559/18 vom 1.08.2018) hatte der Bundesrepublik aufgegeben, vorläufig die Behauptung zu unterlassen, die Vorgänge in Bremen seien natürlich auch deshalb möglich gewesen, weil hochkriminell und kollusiv bandenmäßig mehrere Mitarbeiter mit einigen Rechtsanwälten zusammengearbeitet hätten  (Es ging dabei um eine entsprechende Äußerung von Stephan Mayer in der Talk Show "Anne Will" - oben im Beitrag vermerkt)

Das OVG Bremen (2 B 213/18 vom 10.09.2018) untersagte der Bundesrepublik Deutschland zu behaupten und zu verbreiten, der Bericht der Internen Revision des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 11.05.2018 zeige deutlich, dass im Ankunftszentrum Bremen bewusst gesetzliche Regelungen und interne Dienstvorschriften missachtet wurden. (Es ging dabei um eine Presseerklärung des Bundesministeriurms des Innern, für Bau und Heimat)

Das Kammergericht (KG 10 U 133/18 vom 1.11.2018) untersagte dem Axel Springer Verlag, das Bild der Beschuldigten zu publizieren.

 

Update (17.05.2019)

Bei meinem Überblick über Artikel, die zum "Einjährigen" des Bamf-Skandals erscheinen, war mir zunächst ein Artikel von Gregor Mayntz in der Aachener Zeitung von Ende April entgangen, dessen Nachweis und Kommentierung ich jetzt nachholen möchte, weil er doch weitere Perspektiven ergänzt (Auszüge):

Die Linken sehen sich zudem durch die jüngsten Statistiken der Bundesregierung bestätigt. Danach sind unter dem behördeninternen Stichwort „Vollprüfung Bremen“ zwar 12.848 Akten zu Entscheidungen über 18.347 Personen aufgeklappt worden, doch von den vor einem Jahr öffentlich gemutmaßten 1200 Verdachtsfällen von eigentlich unzulässigen Schutzanerkennungen in Bremen sind bislang in lediglich 52 Fällen die Entscheidungen der Bremer zurückgenommen worden. Der Anwalt der Ex-Behördenleiterin verwies kurz vor Ostern darauf, dass bislang „nicht eine Asyl­entscheidung rechtskräftig aufgehoben“ worden sei.

Zunächst einmal großes Lob, dass die auffällige Differenz von 18.000 zu 13.000 überprüften Fällen/Akten, die sich seit ---Monaten durch die Berichterstattung zieht, nun mal nachrecherchiert wurde: Es handelt sich also um knapp 13.000 Akten, die etwas über 18.000 Personen betreffen. 52 Rücknahmen werden hier gezählt, also Fälle, in denen von vornherein kein Anspruch auf die positive Bescheidung bestanden hat, das sind je nach Grundgesamtheit 0,4% bzw. 0,28 %.  Natürlich kann sich die Zahl noch erhöhen (oder vor Rechtskraft verringern), aber auch die doppelte Anzahl nähme sich im Vergleich zu anfänglichen Behauptungen (1200/2000 Fälle rechtswidrig positiv beschieden) ziemlich klein aus. Und ob alle diese 52 Fälle auch seitens der Beschuldigten missbräuchlich, also vorsätzlich falsch beschieden wurden, davon wissen wir nichts.

Weiter heißt es in der Aachener Zeitung:

Zudem erläuterte Unions-Innenexperte Mathias Middelberg, dass etliche Asylbewerber auch ohne Manipulation Schutz erhalten hätten und dieser deshalb nun auch nicht widerrufen werde. Am „Unwert des Handelns“ ändere dies jedoch nichts. Für Middelberg steht jedenfalls fest, dass die Vorgänge in der Bremer Außenstelle „keine Bagatelle“ gewesen seien. Bei knapp einem Viertel aller positiven Entscheidungen seit 2006 habe es „erhebliche Mängel“ gegeben, und in mindestens 145 Fällen sogar ein „bewusst manipulatives Verhalten“ der Bearbeiter.

Hier werden wieder (wohl bewusst straf-)rechtlich irrelevante Begriffe benutzt. Ja, es hat Mängel bei 1/4 der positiven Bescheide gegeben, in 145 Fällen (von 13000/18000) sogar "bewusst manipulatives Verhalten", was immer das heißen soll. Beide Angaben schocken mich nicht: Dass das BAMF (auch Filialen außerhalb Bremens) zeitweise überfordert war mit der Abwicklung hundertausender Fälle, ist zwar keine "Bagatelle", aber längst ein Allgemeinplatz. Dass hier teilweise Schnelligkeit vor Sorgfalt das Prinzip war, war von der politischen Führung sogar gewollt. Zum "Skandal" wurde für Politik und Medien offenbar erst die Erkenntnis, dass nicht nur negative (die dann den VG Arbeit machen), sondern auch positive Asylbescheide mängelbehaftet sein können.

Wie der „Skandal“ letztlich zu bewerten ist, liegt auch in den Händen der Staatsanwaltschaft, die zunächst verdeckt ermittelt hat und nun Dutzende von Umzugskartons voll von Belegen sichtet. Sie will im Sommer entscheiden, ob sie Anklage erhebt. Jedenfalls hat sie inzwischen den Kreis der Beschuldigten von sechs auf neun ausgeweitet.

Mich irritiert hier das Wort "nun". Soll es bedeuten, die Staatsanwaltschaft fängt jetzt erst damit an? Wo ist die Skepsis des Journalisten angesichts des nun wirklich kaum mehr verständlichen Ermittlungsaufwands? Und welche "verdeckten Ermittlungen" sind gemeint?

Update (24.05.2019)

Anne Fromm befasst sich in einem längeren  Artikel in der taz  mit der Thematik meines obigen Beitrags, nämlich damit, ob es sich beim BAMF-Skandal um einen "Medienskandal" handelt. In dem Artikel, der auch meine hier geäußerte Klage (zugespitzt: Recherche erst nach dem Rufmord) zum Ausgangspunkt nimmt, kommen auch z.T. die von mir kritisierten Medienredaktionen zu Wort (Auszüge:)

„Unsere ersten Berichte waren klassische Verdachtsberichterstattung: Wir haben den Verdacht der Staatsanwaltschaft wiedergegeben“, sagt Christine Adelhardt, die für SZ/NDR/Radio Bremen die Bamf-Recherche koordiniert. „Dieser Verdacht, Korruption und Bestechung in einer deutschen Behörde, kam so monströs daher, da wüsste ich nicht, wie wir nicht hätten berichten sollen.“ Richtigzustellen habe man bei SZ/NDR/Radio Bremen nichts. Vielmehr habe sich wohl das Bamf selbst mit seinen Anschuldigungen gegen Ulrike B. verrannt.

Dass es sich mehr als um "klassische Verdachtsberichterstattung" handelt, sondern ein von einem Recherchenetzwerk koordinierte gleichzeitige Veröffentlichung in Großaufmachung unter Mitteilung von Details aus (unbekannt gebliebenen) Quellen, die sich nach einigen Wochen sämtlich als falsch herausstellten, glaube ich in meinem Beitrag oben herausgestellt zu haben. Da ich nirgends gefordert habe, überhaupt nicht zu berichten, ist das Argument, dass man doch in einem solchen Fall "berichten musste" ein Strohmann-Argument. Natürlich sollte berichtet werden, aber - wie es ja dann auch ein paar Wochen später geschehen ist, also keineswegs unmöglich war - NACH einer Recherche.

Auch Christine Adelhardt ist bei privilegierten Quellen vorsichtig. „Solche Informationen müssen sorgfältig geprüft werden, das haben wir gemacht.“

Aber: Es gab und gibt ja tatsächlich ein Ermittlungsverfahren mit schwerwiegenden Vorwürfen gegen Ulrike B. und andere. Ermittler haben Wohnungen und Kanzleien durchsucht, KollegInnen glaubten schon länger, dass Ulrike B. einige Geflüchtete anderen vorziehe.

Woher SZ/NDR/Radio Bremen seine Informationen im Einzelnen hatte, sagt Christine Adelhardt nicht. Nur so viel: Am Anfang der Recherche habe mehr gestanden als der Durchsuchungsbeschluss der Bremer Staatsanwaltschaft. Für die Zahl der 1.200 respektive 2.000 angeblich manipulierten Akten, habe man zwei unabhängige Quellen gehabt. Ein Bamf-Sprecher bestreitet gegenüber der taz, dass diese Zahlen damals in der Behörde kursierten.

Ich bestreite nach nochmaliger Lektüre der Berichte vom April 2018, dass eine "sorgfältige Prüfung" der privilegierten Quellen (Staatsanwaltschaft) VOR diesen Veröffentlichungen erfolgt ist. Ein wichtiges Indiz dafür ist (und war für mich auch) gerade die von Frau Adelhardt angeführte Anzahl der "angeblich manipulierten Akten", nämlich 1200 "respektive" 2000. Man habe  "zwei unabhängige Quellen dafür". Wofür denn eigentlich? Für 1200 oder für 2000 Akten? Hat eine Quelle 1200 gesagt, die andere 2000? Oder haben beide Quellen übereinstimmend gesagt, "es sind wohl so ungefähr 1200 oder auch 2000 Akten". Und ein/e recherchierende/r Journalist/in fragt dann nicht nach? Dann ist da die als skandalträchtiges Detail herausgestellte Tatsache, es seien von den Anwälten Busse gemietet worden. Was ist daran "sorgfältig geprüft", wenn sich herausstellt, dass die Busse von den Behörden selbst gestellt wurden, um die (schnellere) Bearbeitung in Bremen zu ermöglichen? Dann ist da die angebliche Unzuständigkeit in den meisten Fällen (und die angebliche Zuständigkeit in exakt 98 Fällen). Es ist ja  nun nicht so, dass es in  Deutschland keine Juristen gäbe. Warum hat man nicht mal einen von denen gefragt, was es mit Zuständigkeit der Filialen  einer Bundesbehörde auf sich hat, bevor man dieses "entlarvende" Detail mitteilt. Es entlarvt nämlich m.E. nicht die BAMF-Filiale in Bremen sondern die Journalisten bzw. ihre Quellen als ahnungslos.

Der Spiegel schrieb auch: „Der Skandal in Bremen sendete Schockwellen durch die Republik“. Stimmt. Nur: Waren es nicht auch viele Medien, die diese Schockwellen mitsendeten?

„Das kann ich so nicht erkennen“, sagt Christine Adelhardt von SZ/NDR/Radio Bremen. „Wir haben so gut wir konnten in beide Richtungen recherchiert. Was daraus politisch gemacht wird, dafür können wir nichts.“ Abgesehen davon sei es ihre Redaktion gewesen, die schon früh viele Fakten infrage gestellt hätten: Die angeblich von Anwälten gemieteten Busse, die Flüchtlinge nach Bremen gebracht haben sollen, die Hotelrechnungen und Abendessen, die Anwälte Ulrike B. gezahlt haben sollen.

Dass es politische "Schockwellen" geben würde und eine erhebliche Rufschädigung einer bis dahin nicht öffentlich bekannten Beamtin, war vorhersehbar und wegen der großen Aufmachung auch durchaus "gewollt".  Journalist-inn-en stellen sich naiv, wenn sie sagen, sie könnten nichts dafür, was politisch daraus gemacht werde. Es ist doch völlig in Ordnung und sogar zu begrüßen, wenn gut recherchierte Enthüllungen und Artikel über öffentliche Skandale die Politik, meinetwegen auch schockwellenartig, beeinflussen. Ich bleibe jedoch dabei und fühle mich darin eher bestätigt als widerlegt, dass es eine sorgfältige Recherche "in beide Richtungen" VOR der ersten Veröffentlichung im April 2018 nicht gegeben hat.  Es trifft sicherlich zu und das habe ich  ja oben auch deutlich gemacht, dass die Redaktionen in den Wochen NACH der Erstveröffentlichung der Skandalnachricht ordentlich recherchiert haben und auch alle Seiten zu Wort kommen ließen. Deshalb ist ja Kern meines Vorwurfs an das Recherchenetzwerk genau diese meines Erachtens verfehlte Reihenfolge, die ich in der Überschrift mit Fragezeichen versehen formuliert habe: "erst der Rufmord, dann die Recherche?".

Dass jetzt darüber auch unter Journalisten diskutiert wird, ist ein Hoffnungsschimmer:

Beim diesjährigen Jahrestreffen der "Netzwerk Recherche" in Hamburg wird das Thema

"Die BAMF-Affäre - Grenzen der Verdachtsberichterstattung" diskutiert. Ich wurde dazu eingeladen, konnte aber wegen eines am selben Tag geplanten Blockseminars hier in Regensburg leider nicht zusagen. Aber selbstverständlich werde ich, soweit das aus der Ferne möglich ist, die Debatte bzw. deren Ergebnisse verfolgen.

Update (16.06.2019)

In dieser Woche jährt sich mein Beitrag zum BAMF-Skandal.

Dass ein Jahr später immer noch nicht feststeht, ob und inwieweit die Vorwürfe gegen die Bremer BAMF-Filiale und ihre ehem. Leiterin stimmen, konnte niemand ahnen. Fest steht allerdings, dass die damals von der Presse verbreiteten Details des Skandals sich zum größten Teil als fehlerhaft herausgestellt haben. Mittlerweile wird allerdings meine Einschätzung, es handele sich eher um einen Medien- als um einen BAMF-Skandal auch von einigen Kolleg-inn-en aus der von mir kritisierten Journalistenzunft geteilt. Ich werde nun nicht etwa selbst in diese Meta-Debatte einsteigen, aber möchte gern auf vier Texte eingehen, die sich mit der Frage beschäftigen, was in dieser Berichterstattung schief gelaufen ist und wie man eine Medien-Fehlerkultur entwickelt. Nach meinem Eindruck ist dies unbedingt notwendig und zwar eben nicht nur in krassen Fällen wie „Relotius“, sondern auch in Fällen wie dem hier vorliegenden, insbesondere weil hier Einzelpersonen direkt geschadet wurde und wird.

 1. Lorenz Matzat hat auf medium.com schon im September 2018 (ich hatte das übersehen) eine „bessere Fehlerkultur“ im Journalismus angemahnt, wobei er darauf hinwies, dass der staatsanwaltliche Anfangsverdacht in der BAMF-Sache offenbar selbst von einem Journalisten ausgelöst wurde:

2016 will der Mitarbeiter Hinweise über Schmiergeldzahlungen rund um das Bremer BAMF bekommen haben.
Faktenfinder: “Radio Bremen erklärte weiter, man habe sich dann im Rahmen der Recherche an Ombudspersonen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gewandt. Die wiederum schalteten die Staatsanwaltschaft Bremen ein. Dann, so Radio Bremen, habe man in einem vertraulichen Kontakt mit der Justizbehörde den Sachverhalt geschildert.”
In der Bremer Staatsanwaltschaft zeigte man sich wohl erkenntlich und stieß im Frühjahr 2018 den Durchsuchungsbeschluss hinsichtlich der ehemaligen Amtsleiterin an Radio Bremen durch. Ein hanebüchener Zirkelschluss: Journalisten gründen ihre Verdachtsberichterstattung auf einen Verdacht, den einer der ihren selbst mitinitiiert hatte.

(...)

Weder die Folgen für eine Person, die mit einem potentiellen “Rufmord” (…) durch Verdachtsberichterstattung einhergehen können, noch die absehbaren Konsequenzen — Änderung des Aufenthaltsstatus oder sogar Abschiebung –für tausende Menschen auf der Flucht waren für den Rechercheverbund ein Hinderungsgrund. So kam es möglicherweise zu einer unguten Melange aus Geilheit auf einen Scoop, einer Prise „Besorgtbürgertums“ sowie Angst vor der AfD und anderer rechter Schreihälse. Im vorauseilenden Gehorsam wurde gehandelt. Auf keinen Fall wollte man sich dem Vorwurf des angeblichen Verschweigens aussetzen und einmal früher als Bild und Co. bei dem Thema eine Schlagzeile machen.

 

2. Magdalena Neubig (message-online.de, 11. Juni 2019) beruft sich für ihre zusammenfassende Darstellung auf meinen Bericht und auf denjenigen von Matzat, stellt aber auch die Reaktionen von Jochen Gabler und Christine Adelhardt  vom Recherchenetzwerk noch einmal vor.

 

3. Benno Schirrmeister (Übermedien 13. Juni 2019, abonnementpflichtig)
stellt ebenfalls die Frage, ob ein von einem Journalisten der StA mitgeteilter Verdacht eine Verdachtsberichterstattung auslösen darf:

„Journalisten, die vertrauensvoll mit der Staatsanwaltschaft zusammenarbeiten, das kann man auch problematisch finden. (…) Und dass der Rechercheverbund, dem der Sender angehört, dessen Mitarbeiter Anstöße für die prestigeträchtigen Ermittlungen gibt, in deren Zuge dann privilegierten Zugang zu Durchsuchungsbeschlüssen erhält und als erster über die Angelegenheit berichtet, verringert das ungute Gefühl nicht.“

Schirrmeister lenkt den Blick außerdem auf einen weiteren skandalträchtigen Zusammenhang:

„Der immense politische Skandal, dass ein Dienstherr ihm untergebene und auf Loyalität verpflichtete BeamtInnen öffentlich aufgrund wilder Gerüchte eines bandenmäßig ausgeführten Verbrechens bezichtigt hat, harrt noch der medialen Aufarbeitung: Dass sich das für die Fragen der Verfassung zuständige Ministerium damit jenseits des Grundgesetzes bewegt hat, das die Fürsorgepflicht des Dienstherren verbrieft, hätte mehr kritische Aufmerksamkeit verdient gehabt.“

In seinem Artikel kommen außerdem insbesondere die Kolleg-inn-en von Spiegel und Spiegel-TV sowie der FAZ nicht gut weg, unter Nennung von weiteren konkreten Beispielen, die ich hier nicht aufgeschrieben hatte. Offenbar hat man dort - teilweise ohne Kentnisse der juristischen Zusammenhänge - unbedingt weiter an der Geschichte vom BAMF-Skandal festhalten wollen.
Stark kritisiert Schirrmeister auch den von Journalisten (insbesondere des Stern) betriebenen Personenkult um die "Whistleblowerin" Josefa S., deren Eigeninteressen und mangelnde Sachkenntnisse man nicht hinterfragt hatte.

Ein besonders schwärmerisches Porträt hat ihr der „Stern“ (22/2018, 36ff) gewidmet: „Mutig“ wird sie gleich groß im Inhaltsverzeichnis genannt; die Überschrift „In heikler Mission“ lässt an Spionageklassiker denken. Online steht der Text unter der Überschrift: „Nix mit ‚geräuschlos‘ regeln – über eine Beamtin, die sich den Mund nicht verbieten ließ“. Nicht nur stilistisch, auch bezüglich seines Wahrheitsgehalts kommt der Text mitunter dem Ton von Heiligen-Legenden oder Heldenepik bedenklich nahe.

Ergänzt (17.06.2019) sollte werden, dass der Text von Schirrmeister inzwischen an mehreren Stellen von der Übermedien-Redaktion transparent korrigiert wurde. Dazu gibt es auch einen weiteren Artikel an dortiger Stelle (Übermedien, 16.06.19).

 

4. Ralf Heimann schreibt im „Altpapier“ vom MDR (14. Juni 2019)  zu den Verbreitungsmechanismen:

 

Ist eine Geschichte erst mal unterwegs, stellen Journalisten sich ihr nur ungern in den Weg, was zum einen am Confirmation Bias liegt – die Erwartungen zeigen ja schon in eine andere Richtung – zum anderen aber auch an einem Effekt, den jeder kennt, der schon mal mit ortskundigen Menschen oder einem Navi in einer fremden Stadt unterwegs war. Man verlässt sich blind darauf, dass der Navi oder der Ortskundige es schon wissen wird. Journalisten verlassen sich auf Agenturen, und was über die Agenturen geht, verbreitet sich epidemisch, auch wenn es falsch ist.“

(...)

Die Frage wäre: Wie kann so etwas in Zukunft verhindert werden?

Eine schlüssige Antwort habe ich leider nicht. Aber vielleicht wäre es ein Anfang, sich auch in Situationen, in denen vermeintlich keine Zweifel angebracht sind, sich trotzdem zu Zweifeln zu zwingen.

 

Update (15.08.2019):

Während alle auf die für den Sommer angekündigte Entscheidung der StA warten, ob, wen und weswegen sie anzuklagen gedenkt, fasst Martin Klingst auf Zeit Online noch einmal den aktuellen Sachstand zusammen, führt die Gründe dafür an, warum die Behörde auch in den umstrittenen Fällen  im Wesentlichen richtig entschieden habe und kommt am Ende zu folgendem Fazit:

Warum die Staatsanwaltschaft Bremen dennoch weiterermittelt und wahrscheinlich anklagen wird, bleibt einstweilen ihr Geheimnis.

Neuigkeiten enthält der Bericht allerdings nicht, hinsichtlich der Rücknahmen (Anzahl 28) wird der Stand von März 2019 wiedergegeben (siehe oben in den Updates), die zwischenzeitliche Erhöhung auf 52 Bescheide (Mai 2019), die wegen (anfänglicher) Rechtswidrigkeit zurückgenommen werden (sollten), wird hier nicht mehr genannt. Es scheint mir allerdings etwas verfrüht zu resümieren, die Staatsanwaltschaft werde wahrscheinlich sowieso anklagen, werde aber dazu wenig Grund haben. Weder das eine noch das andere muss zutreffen.

Dass es sich am Ende allerdings, wenn überhaupt, um ein eher lokal relevantes Geschehen gehandelt hat, das keineswegs die nationale Aufregung rechtfertigte, die das Recherchenetzwerk damit auslöste, liegt für mich weiterhin sehr nahe.

Update (2.09.2019)

Nach Presseberichten (zunächst Bild am Sonntag vom 1.9.2019) soll Anklage u.a. gegen die Beschuldigte Ulrike B. erhoben worden sein (vgl. Weser-Kurier, ); es gehe um 200 Fälle des Betrugs und Asylmissbrauchs. Weder, welche Tatabläufe damit im Detail gemeint sind, wurde bekannt, noch, wer (neben Ulrike B.) noch angeklagt worden sein soll. Offenbar ist die Anklage auch noch nicht an die Verteidiger zugestellt. Sicherlich werden wir in den nächsten Tagen diese Details noch erfahren. [Ergänzung: Offenbar waren die Informationen der Bild am Sonntag nicht zuverlässig, s.u.].

In einem Bericht der FR taucht erstmals die Zahl von "77 zurückgenommenen Bescheiden" auf (hier). Die Kritik an der Berichterstattung im vergangenen Jahr scheint jedenfalls der Redakteur des Radio Bremen (Fernsehbericht ), Uwe Wichert, sehr Ernst zu nehmen: Eine selten gehörte objektive, abgeklärte und vorsichtige Stellungnahme eines Journalisten zu diesem Ermittlungsverfahren.

Update (18.09.2019)

Der "Spiegel" bestätigt heute, dass Anklage gegen drei Beschuldigte, darunter Ulrike B., erhoben worden sei. Die Anklage betreffe die Vorwürfe der (bes. schweren) "Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung" (§ 84 Abs.1, 2 AsylG), deren gewerbsmäßige Begehung durch die beiden mitangeklagten Rechtsanwälte (§ 84 Abs.3 AsylG), "Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt" und den der Bestechlichkeit. Beim erstgenannten Vorwurf gehe es um "fast hundert Fälle". Von Betrug und von "200 Fällen" wie vor zwei Wochen von der Bild am Sonntag berichtet wurde, s.o., ist hier nicht mehr die Rede. Die Fälle der Bestechlichkeit (im Bericht steht nichts vom spiegelbildlich regelmäßig mitverwirklichten Tatbestand der Bestechung) beträfen Hotelaufenthalte der B., die zunächst von einem der mitbeschuldigten Rechtsanwälte bezahlt worden seien, für deren behauptete Rückzahlung an den Rechtsanwalt es aber keine Belege gebe.

Da ich den Zahlenangaben in den Medien bisher große Aufmerksamkeit gewidmet habe, hier die im heutigen Beitrag vom Spiegel mitgeteilten Zahlen:

- "fast 100 Fälle" der Gesetzesverstöße von Ulrike B.

- "601 fragwürdige Fälle" der beiden beschuldigten Rechtsanwälte

- "145 zusätzliche Fälle" mit "manipulatven Einflussnahmen"

- 263 "zurückgenommene oder widerrufene Entscheidungen" der Bremer Bamf-Behörde

- "250 Seiten Anklageschrift" (die Süddeutsche Zeitung erhöht in ihrem Bericht auf "350 Seiten")

Laut Spiegel-Bericht bestreiten die Beschuldigten (bzw. ihre Verteidiger) die Vorwürfe.

Update (19.09.2019)

Hier die Pressemitteilung der StA Bremen vom heutigen Tage (Auszug):

Den Angeschuldigten wird zur Last gelegt, im Zeitraum zwischen Juni 2014 und März 2018, in unterschiedlicher Tatbeteiligung, insgesamt 121 Straftaten, insbesondere aus dem Bereich des Asyl- und Aufenthaltsgesetzes, darüber hinaus aber auch Straftaten der Vorteilsannahme bzw. Vorteilsgewährung, der Fälschung beweiserheblicher Daten, der Urkundenfälschung und der Verletzung des Dienstgeheimnisses begangen zu haben. Schwerpunktmäßig wird den Angeschuldigten vorgeworfen, ein auf Dauer angelegtes System bei der Bearbeitung von Asylfolgeanträgen geschaffen zu haben, mit dem sie in strafbarer Weise ausländische Mandanten der angeschuldigten Rechtsanwälte vor Abschiebung bewahrten oder ihnen zu einer Verbesserung ihres Aufenthaltsstatus verhalfen. Dabei sollen sich die Angeschuldigten über Gerichtsbeschlüsse und bestandskräftige Entscheidungen anderer BAMF-Außenstellen bewusst hinweggesetzt haben. So sind in einer Vielzahl von Fällen schriftliche Asylfolgeanträge durch die angeschuldigten Rechtsanwälte gestellt worden, in denen sie u.a. bewusst falsche Angaben zur Staatsangehörigkeit, dem jeweiligen Herkunftsland oder aber auch zu den sog. Wiederaufgreifensgründen gemacht haben sollen. Allen Fällen ist insoweit gemein, dass in den vorangegangenen Asylverfahren der Antragsteller entweder bereits Ablehnungsentscheidungen ergangen waren oder ihnen ein ungünstigerer Schutzstatus zuerkannt worden war.

Es sind, wie schon gestern angemerkt, durchaus schwerwiegende Vorwürfe, wenn auch im Ausmaß weit geringer als im vergangenen Jahr gemeldet wurde. Innerhalb eines Tages wurde die Spiegel-Berichterstattung (s.o.) in einigen Details widerlegt. Wichtig: Gegenüber der Spiegel-Berichterstattung fehlt es in der Anklage am Vorwurf der Bestechlichkeit, es ist nun von Vorteilsgewährung/Vorteilsannahme die Rede.  Es bleibt nun abzuwarten, ob und mit welchen Vorwürfen das Hauptverfahren eröffnet wird.

Update (8.6.2020)

Nächste Woche jährt sich mein Bericht zum zweiten Mal. Es ist inzwischen still geworden  um den (anfangs) großen BAMF-Skandal in Bremen. Seit fast einem Jahr steckt die Anklage im Zwischenverfahren vor dem LG Bremen fest. Das ist, ich drücke es sachlich aus: bemerkenswert. Denn alle mit Strafverfahren bewandten Juristen wissen, dass das Zwischenverfahren normalerweise eher eine Durchwinkstation ist. Und je eingehender und besser die Staatsanwaltschaft die Anklage vorbereitet hat (hier waren bis zu 50 Beamte über ein Jahr lang beschäftigt und kristallisierten 121 Fälle, also ca. ein Zehntel der den Skandal auslösenden Anzahl, heraus, in denen die Angeklagten in strafrechtlich erheblicher Weise Asylanträge manipuliert haben sollen), desto weniger Anlass hat regelmäßig das Gericht, im Zwischenverfahren auf die Bremse zu treten.
Teilweise  klagte die bremische Polizei über Personalnot, weil dieser Fall so viele Beamte beschäftigte.  Und nach monatelanger Medien-Funkstille meldet nun Anfang Mai dieses Jahres das Magazin "buten und binnen" von Radio Bremen:

Das Landgericht Bremen rechnet bis zum Sommer mit einer Entscheidung über die Anklage gegen die frühere Leiterin des Flüchtlingsamtes wegen angeblich manipulierter Asylverfahren. Das sagte Gerichtssprecher Gunnar Isenberg auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. Die Corona-Pandemie beeinflusse die Prüfung der umfangreichen Akten durch die zuständige Strafkammer nicht. Die Richter arbeiten sich seit Januar in das Flüchtlingsamts-Verfahren ein und sind von anderen Verfahren weitgehend freigestellt worden.

Wieder - wie schon letztes Jahr - muss nach vielen Monaten des Abwartens erneut bis zum Sommer gewartet werden, da die dazu "weitgehend freigestellten" (?) Richter sich seit Januar in das Verfahren einarbeiten. Soll das bedeuten, dass man zunächst drei Monate gewartet hat, bevor man sich überhaupt mit der Akte beschäftigt hat? Und jetzt noch einmal für die intensive Prüfung im Zwischenverfahren sechs  bis neun Monate benötigt  (man bedenke, dass die StA mit "bis zum Sommer" tatsächlich eher Ende September meinte)? Bekommt das Zwischenverfahren hier eine neue Bedeutung und ersetzt quasi die Hauptverhandlung? Oder spricht dieses zeitintensive und offenkundig wiederum personalintensive Zwischenverfahren  eher dafür, dass die Anklage trotz des großen Personaleinsatzes  die Richter-innen eher weniger überzeugt? Dass von den 2000 bzw  1200 bzw  975 bzw  578 bzw 165 bzw  145 Fällen jetzt auch die 121 Fälle der Anklage noch einmal reduziert werden müssen?

Update 20.07.2020

Nach langer Zeit liest man wieder etwas über den BAMF-Skandal. Nun heißt es in einem Artikel des Weser-Kurier (11.07.), die eigentlich zuständige Kammer des LG sei wegen der Behandlung von Haftsachen ausgetauscht worden gegen eine andere Kammer. Der Zeitplan, bis zum Ferienbeginn mit dem Zwischenverfahrene fertig zu werden, sei mittlerweile nicht mehr realistisch. Ich würde hier gern ein emoji mit gerunzelter Stirn und großem Fragezeichen platzieren.

Update 16.10.2020

Mittlerweile berichtet nur noch der Bremer Weser-Kurier (8.10.2020), konkret  der Journalist Jürgen Hinrichs , über den Fall. Nur von ihm erfahren wir, ob und wie sich das Verfahren entwickelt. Die "Skandal"-Berichterstatter von Zeit, Spiegel, FAZ etc. haben sich mittlerweile, was Publikationen angeht, wohl von dem Fall verabschiedet. Ein deutliches Zeichen dafür, dass es sich für die große Presse nur noch um ein lokales oder regionales Thema handelt. Vielleicht sollte auch ich den "Skandal" nun Skandal sein lassen. Aber dennoch halte ich es weiterhin für bedeutsam: Die Bremer Justiz (und Polizei) hat sich mit 40 bis 50 Mitarbeitern durch hunderte oder tausende (?) Akten gewühlt, um daraus am Ende ca. 150/121 Fälle zu isolieren, die nun aber wirklich "strafbar" sein sollen. Eine Anklageschrift von mehreren hundert Seiten wurde dem LG Bremen im September 2019 vorgelegt. Und seither, 13 Monate lang, brüten die Richter im Zwischenverfahren über dem Aktenberg. Ursprünglich wollte man im Sommer 2020 fertig sein. Natürlich kann es sein, dass nun doch die Corona-Krise dazwischengefunkt hat.

Dass mittlerweile der Gerichtssprecher gar keine Einschätzung mehr abgeben will,

„Eine Prognose, wann über die Eröffnung des Verfahrens entschieden wird, kann gegenwärtig nicht erfolgen“, erklärt Gunnar Isenberg vom Landgericht.

lässt erahnen, dass die Richter wohl noch länger benötigen. Mit jeder Woche erscheint es mir wahrscheinlicher, dass die Richter auch grundsätzliche rechtliche Problem mit der Anklage haben. Zum "Durchwinken", wie es im Zwischenverfahren häufig der Fall ist, eignet sich die Sache offenbar nicht. In seinem Kommentar (ebenfalls Weser-Kurier) zieht  Jürgen Hinrichs, folgendes Fazit:

Die Lage ist verzwickt, in der sich das Bremer Landgericht befindet. Es muss über einen Prozess entscheiden, auf dem politischer Druck lastet. Das Bundesinnenministerium hatte sich in der sogenannten Bremer Bamf-Affäre weit aus dem Fenster gelehnt. Die Vorgänge in der Vegesacker Außenstelle des Bamf waren eine Steilvorlage für die Kritiker der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. (...)

Sich von dieser Gemengelage freizumachen und allein die strafrechtliche Seite zu betrachten, ist schwierig. Es gibt freilich noch eine andere Last: Wie soll das Gericht unbeeinflusst über die Eröffnung der Hauptverhandlung befinden, wenn der Aufwand so riesengroß ist, der bis heute betrieben wird?

 

 

FAZIT (Stand 08.06.2020)

Die Überprüfung der Bescheide wird seit Bekanntwerden des "Skandals" im April 2019 mit Hochdruck betrieben (hier die Pressemitteilung zum Prüfbericht der BAMF selbst vom September 2019). Der Presse (insbes. dem oben kritisierten Recherchenetzwerk) wurden ja zunächst Zahlen von 2000 rechtswidrigen positiven Bescheiden genannt, dann 1200, dann hieß es, 975 seien "nicht plausibel", und zuletzt, "Manipulationen in 145 Fällen". Jetzt (September 2019) sollen  77 Fälle zurückgenommen worden sein, aber auch diese Rücknahmen sind teilweise noch nicht rechtskräftig. In die Anklage aufgenommen wurden nun 121 Fälle. Bislang immer noch nicht korrekt werden in einigen Berichten dabei Widerrufe und Rücknahmen zusammen gewürfelt: Geht es um angebliche "kriminelle Machenschaften" der früheren Leiterin Ulrike B., die ja Auslöser des Skandals waren, kann es aber

1. nur um solche Bescheide gehen, an denen sie irgendwie persönlich mitgewirkt hat (also nicht "Fehler" von Untergebenen, für die sie als Leiterin zwar organisatorisch mitverantwortlich ist, aber für die sie strafrechtlich nicht haftbar gemacht werden kann),

2. nur um solche, die zurückgenommen werden müssen, die also von Anfang an rechtswidrig waren, Widerrufe zuvor rechtmäßiger Bescheide sind irrelevant,

3. nur um solche Bescheide, aus denen sich Hinweise ergeben, dass sie  vorsätzlich unter Mitwirkung/Anleitung der Beschuldigten mit falschen Angaben missbräuchlich gestellt bzw. bearbeitet wurden.

Dass in Behörden, die in kürzester Zeit mit (fast) ungeschultem Personal eine enorme Menge von Bescheiden herausgeben mussten, eine gewisse prozentuale Fehlerquote existiert, ist hingegen KEIN Hinweis auf Missbrauch oder gar Korruption. Ebenso wenig ist strafrechtlich (wenn auch mglw. disziplinarrechtlich) relevant, wenn "bewusst manipulativ" lediglich Verwaltungsvorschriften umgangen wurden zugunsten etwa von Asylbewerbern, die materiell asylberechtigt waren. Wie viele Fälle insgesamt tatsächlich in krimineller Weise von der früheren Leiterin beschieden wurden und ob es ggf. (weitere) Hinweise auf missbräuchliche Asylantragstellung gibt, sind weitere Fragen, zu deren Beantwortung Polizei und Staatsanwaltschaft viele Monate ermittelt haben. In der Anklageschrift werden nun 121 Fälle genannt. Das ist im Vergleich zum ursprünglichen medial verbreiteten Vorwurf zwar wenig, allerdings unabhängig von diesem Vergleich ein durchaus "schwerer" Vorwurf. Immerhin geht § 84 Abs.2 Nr.2 AsylG schon dann von einem besonders schweren Fall aus, wenn die Verleitung "wiederholt oder zugunsten von mehr als fünf Ausländern" geschieht. Auch die anderen in der Pressemitteilung genannten Tatbestände einschl. Vorteilsannahme/Vorteilsgewährung  sind schwere Vorwürfe.

Die Staatsanwaltschaft wird für diese Vorwürfe Fälle vorlegen müssen, in denen tatsächlich Recht gebrochen wurde. Allein eine Beschleunigung von (begründeten) Anträgen, selbst wenn dies gegen behördeninterne Vorschriften verstoßen würde, genügt dazu kaum, es sei denn, es wurde etwa für die beschleunigte Bearbeitung Geld bezahlt bzw. angenommen. Ich hatte im Sommer 2019 zwar keinen Zweifel mehr daran, dass insbesondere jesidische Asylantragsteller, die von den beiden involvierten Kanzleien kamen, in Bremen sehr wohlwollend behandelt wurden und hierbei wohl auch möglicherweise interne Vorschriften missachtet wurden. Meine bisherige Einschätzung, dass der Bremer BAMF-Skandal stark übertrieben wurde und sich am Ende als weit begrenzter herausstellen wird als zunächst verkündet, ist nun mit der Anklageerhebung mit (lediglich) 121 Fällen, ohne Bestechung/Bestechlichkeit, bestätigt worden. Angesichts der jetzigen Anklageerhebung hat sich jedoch meine Annahme  nicht bestätigt, dass "möglicherweise von einem "Skandal" auch gar nichts übrigbleibt außer der Skandal der (übertriebenen) Medienberichterstattung darüber". Es wird - nach realistischer Prognose - nun wohl auch zu einem Hauptverfahren kommen, wobei der Umfang der Anklage  gerichtlich im Zwischenverfahren auch noch reduziert werden kann, wenn nicht alle von der Staatsanwaltschaft genannten Fälle tatsächlich einen hinreichenden Tatverdacht begründen.

Dass das Zwischenverfahren noch einmal ein gutes Jahr in Anspruch nimmt, ist ungewöhnlich, insbesondere, wenn offenbar mehrere Richter dafür seit Januar 2020 "weitgehend freigestellt" wurden, wie der Gerichtssprecher mitteilte.

Über die Mechanismen, die die Berichterstattung im vorletzten Jahr befördert haben, gibt es mittlerweile einige Äußerungen aus berufenem Munde (siehe oben Update vom 16.06.19). Danach mag nun allerdings unwahrscheinlich erscheinen, was ich zuvor nicht ganz ausschließen wollte, nämlich dass im April 2018 aus politischem Kalkül dem Recherchenetzwerk investigativ arbeitender Journalisten vorzeitig "Skandal"-Informationen untergejubelt wurden.

[Dieser Beitrag wurde zuletzt am 16.10.2020 bearbeitet, ergänzt oder korrigiert.]

Hier geht es zum neuen Beitrag (ab 30.10.2020)

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112 Kommentare

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Im Prinzip passierte dasselbe bei der öffentlichen Vorverurteilung des Regisseurs Dieter Wedel. Augenscheinlich war Thomas Fischer damals der Einzige, der zur Vorsicht bei solchen Vorverurteilungen mahnte. 

Schöner Artikel.

Bemerkenswert fand ich persönlich die von Anfang an aufgestellte Verdächtigung, es handele sich um einen Korruptionsfall. Dafür spricht bisher offenbar wenig. Falls die Beamtin überhaupt falsch gehandelt hat, dann vielleicht auch aus politischer Überzeugung.

Das macht die etwaigen Taten nicht rechtmäßig. Aber erstens liegt dann möglicherweise gar keine strafbare Handlung vor - behördliche Fehlentscheidungen sind für sich noch nicht unter Strafe gestellt. Und zweitens ist ein etwaiger strafrechtlicher Vorwurf dann ein ganz anderer.

Wie es ausgeht, wird man abwarten müssen, und wahrscheinlich werden wir die ganze Wahrheit nie erfahren. Aber der Vorwurf der Korruption war doch sehr schnell im Raum.

Persönlich glaube ich aber durchaus, dass es dort zu unrechtmäßigen Handlungen gekommen ist. Möglicherweise wird da aber eine Beamtin aus der Linie gehängt, um die Führung zu verteidigen, während man eigentlich gegen beide vorgehen müsste.

Ich möchte an einen anderen Fall erinnern: Gurlitt. Da wurde, um es mal deutlich zu sagen, vermutlich jemand durch Verdachtsberichterstattung getötet, dem wohl nichts vorzuwerfen war, außer erstens jemandes Sohn und zweitens seine Privatsphäre zu schätzen - und beides scheint mir eigentlich erlaubt zu sein.

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Fairerweise muss man sagen, dass der Korruptionsvorwurf auch schon in den ersten Artikeln des Recherchenetzwerks eher mit Fragezeichen versehen worden ist:

"Noch ist nicht klar, ob und wie die Beamtin oder die Anwälte mit der Sache Geld verdienten. Die ehemalige Bamf-Mitarbeiterin soll zumindest Zuwendungen, etwa in Form von Restaurant-Einladungen, erhalten haben." (SZ 20.04.)

und schon relativ früh darauf hingewiesen wurde, dass die Beamtin möglicherweise einfach aus humanitären Motiven gehandelt habe.
Allerdings gibt es viele weitere Presseberichte, die "Korruption" und "Asylbetrug" in den Vordergrund stellen (kann man googeln, mit Zeiteinstellung bis Ende April).

Der strafrechtliche Vorwurf des § 84 Abs.3 Nr. 2 AsylG setzt allerdings kein Bereicherungsinteresse voraus, sondern ein bandenmäßiges Vorgehen, d.h. rechtswidrige Absprachen zwischen den Beteiligten, und eine Verleitung zur missbräuchlichen Antragstellung. Letzteres Merkmal muss m.E. beinhalten, dass die Anträge nicht nur fehlerhaft oder schneller als andere bearbeitet wurden, sondern dass von vornherein beabsichtigt war, eigentlich unberechtigte Anträge positiv zu bescheiden. 

Nach diesem Bericht des örtlichen Weser-Kurier wird allerdings immer noch mit enormen polizeilichen Personaleinsatz ermittelt. Es habe auch eine weitere Durchsuchung bei der Hauptbeschuldigten stattgefunden.

"Noch ist nicht klar, ob und wie die Beamtin oder die Anwälte mit der Sache Geld verdienten. Die ehemalige Bamf-Mitarbeiterin soll zumindest Zuwendungen, etwa in Form von Restaurant-Einladungen, erhalten haben."

 

Das ist Framing allererster Güte. Wenn überhaupt nichts darauf hinweist, dass es dabei ums Geldverdienen geht, muss - eigentlich darf - es auch nicht erwähnt werden.

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Offenbar hat sich aber keiner für die Fragezeichen innerhalb des Artikels interessiert. Die sind schlicht überlesen worden. Gerade dann in einschlägigen Foren, Netzwerken und Fb-Gruppen ist die Wut mittlerweile so blind, dass ein Fragezeichen nur existiert, wenn man selbst "kritische" Fragen stellt. 

Wohin das geführt hat, haben wir auch schon bei anderen Personen gesehen, ein gewisser Kachelmann kennt das. 

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Vielen Dank für diesen engagierten Artikel. Ich hatte mich bisher von dem Thema ferngehalten und werde das im Prinzip wohl auch weiter tun. Politischer und medialer Aktionismus, basierend auf dem Anspruch, tiefgreifende gesellschaftspolitische Herausforderungen allein mit Strafrecht und Restriktionen oder aber im Gegenteil nur mit Willkommenskult und vielen freiwilligen Helfern bewältigen, lassen kaum differenzierte Überlegungen für gerechtfertigte Lösungen zu. Mit den Auseinandersetzungen um das Asylrecht werden auch weder die Fluchtursachen "bekämpft", noch die soziale Schieflage im Lande (Reichtums-Armuts-Schere) ausreichend thematisiert. Beides ist aber nicht von dem fokussierten Thema zu trennen. Aktuell scheint die Aufregung vor allem dem CSU-Wahlkampf in Bayern geschuldet zu sein.

Persönlich werde ich häufig mit ablehnenden bis feindlichen Äußerungen zu Asyl und Zuwanderern konfrontiert, obwohl ich nicht an Veranstaltungen von Rechtsradikalen oder sogenannten Rechtspopulisten teilnehme. Vielmehr bestimmen Bildzeitung und TV-Nachrichten des Vortages, im normalen Alltag "was mal gesagt werden muss". Die Medienberichte treiben die Leute um und klar ist, dass weder Politik, noch Medien den Herausforderungen gewachsen sind, sondern das Thema in jede Richtung nur für kurzfristige Effekte instrumentalisiert wird. Das lässt sich nicht bestreiten. Also Ärger und Ängste sind berechtigt und werden von angeblich "seriösen" Quellen angeheizt. Meine Einwände beschränken sich daher meist darauf, dass das Wüten gegen Schwache auch auf der Feigheit zum Zorn gegen die überforderten Mächtigen und "Seriösen" beruht und ich meinen Gegenüber nicht tendenziell als denunzierenden Blockwart mit patriotischem Führerglauben erleben will. Die Gespräche werden dann oft differenzierter und ehrlicher, eine Lösung bringen sie sicherlich auch nicht.

Eine kleine Kritik will ich loswerden. Es gibt seriöse Medienberichte, aber keine seriösen Medien. Das gilt faktisch für jede Art Institution. Es gibt keinen gesellschaftspolitischen oder rechtlichen Vertrauensvorschuss, sondern nur die echte Tat. Alles andere ist Voreingenommenheit, die oft ein nützliches, aber auch mindestens ebenso gefährliches Mittel der Vereinfachung ist. Das Staatstragende sollte sich gerade eine auf unabhängige Justiz und willkürfreie Demokratie ausgerichtete Rechtswissenschaft möglichst umfassend abgewöhnen. Das wäre ein guter Anfang.         

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Ich weiß nicht, warum mich die Software heute nicht mag. Also ein neuer Versuch, einen Text loszuwerden:

Das eigentliche Thema heißt Konformität (ich lasse irgendwelche Verzierungen weg, vielleicht haben ja die Verzierungen der Software nicht gepasst). Es hat ja auch z.B. kein einziges MdB (sprachlich immer schön neutral bleiben)  gegen das "Nein heißt Nein"-Gesetz gestimmt. Und der sorgfältige und nachdenkliche Beitrag von Herrn Prof. Müller wird natürlich im Geplapper untergehen. Es macht noch nicht mal "blub" auf der Wasseroberfläche.    

 

 

Vielen herzlichen Dank, Herr Professor Müller! Das ist ja der Hammer. Das von einem Hochschullehrer zu erfahren, das gibt mir zu denken. Es sollte eigentlich nicht seine Hochburg sein, das mit Tatsachen und Sachverhalt.

Ich muss mir leider selbst eingestehen, dass ich wohl zu denjenigen gehört hatte, die sich offenbar zu leicht täuschen lassen. Ich dachte auch - so blöd es eigentlich auch ist: Da wird wohl etwas dran sein müssen.

Schließlich entschuldigt sich Seehofer nicht ohne Grund, wenn er sich überhaupt für etwas entschuldigt. Ob er sich jetzt noch einmal für seine irreführende Entschuldigung entschuldigen wird? Für die Suspendierung einer Amtsleiterin muss es doch auch gute Gründe geben, dachte ich. Und auch an den Anfangsverdacht der staatsanwaltlichen Ermittlungen sind keine so hohen Hürden gestellt, aber so völlig ins Blaue hinein wird doch auch nicht ermittelt. Davor sollten schon 164 und 344 StGB schützen.

 

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Sehr geehrter Herr Kolos,

ob "etwas dran" ist (oder nichts) wissen wir alle bis heute nicht. Angeblich (das Wort muss ich jetzt immer vor den Satz schreiben) ist eine Ermittlungsgruppe von bis zu 50 bis 55 Beamten (!) mit der Aufklärung befasst. Vielleicht wird am Ende ein Vorwurf erhalten bleiben, der in geringerem Umfang zutrifft, aber unter normalen Umständen keinen bundesweit ausgerufenen Skandal verursacht und auch kein "Recherchenetzwerk" auf den Plan gerufen hätte. Die Suspendierung der Beamtin geschah nach den neuesten Berichten (Panorama 3) wegen dreier Fälle (von damals 26 beanstandeten) und also nicht wegen des aktuellen viel umfangreicheren Verdachts.
Mir ging (und geht) es um die Berichterstattung, die hier zunächst aus dem Ruder gelaufen ist, bevor man sich auf das Recherchieren besonnen hat und die journalistische Tugend der Skepsis gezeigt hat.

Mehr weiß ich auch nicht.

Mit besten Grüßen

Henning Ernst Müller

 

 

Ich danke Herrn Prof. Dr. Müller herzlich für diese Dar- und Klarstellungen. Während dieser gesamten Affaire sind mir diese Unstimmigkeiten sehr wohl aufgefallen. Als ich dann noch las, dass die Staatsanwaltschaft von "bandenmäßigen" Aktivitäten sprach, dachte ich mir: Hier sucht ein Ermittler den großen "Wurf". Mich würde brennend interessieren, auf welcher Grundlage seine Anklage basiert. Die Handlungsweise der Vertreter des Bundesamt kennzeichnet vermutlich auch treffend die dortigen Zustände. Vorschnelle Behauptungen, Handeln bevor belastbare Fakten vorliegen und eine Revision, welche die tatsächlichen Vorgänge im eigenen Bereich nicht kennt. Hinzu kommt, dass ein früherer Leiter die Personalproblematik schon 2012 klar erkannt und auch dem Ministerium mitgeteilt hat. Reaktion dort: Null. Ich habe mich aus persönlichen und beruflichen Gründen bisher nur im privaten Kreis zu den Geschehnissen geäußert. Es wäre wünschenswert, wenn manche Politiker, Behördenvertreter und der Großteil der (Sensations-) Journaille bei Ihnen einen Intensivkurs zu den Thematiken "Verlautbarungen, Rufmord, Umgang mit Halbwissen, etc" absolvieren und möglichst jährlich wiederholen würde. Ich wünsche den hier so negativ Betroffenen eine baldige Rehabilitation. Auf Entschuldigungen der vorzeitig handelnden Aktivisten (auch auf Behördenseite) wird man wohl vergeblich warten! 

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Die Rechercheure von SZ, NDR und Radio Bremen haben etwas getan, was sie auf keinen Fall tun durften: Sie haben  Menschen mit Vorwürfen maximal geschadet, um eine Geschichte zu bringen, die schlecht recherchiert und unausgegoren war und damit den Rufmord vor die Recherche gestellt. Und als sich fast zwei Monate später herausstellt, dass sie daneben lagen, haben sie sich weder entschuldigt noch ihre ursprünglichen Berichte transparent berichtigt, sondern einfach geschrieben: „Zunächst hatte es geheißen“ (SZ 13.06.) .Danke

fuer den objetiven Bericht -Ihre stuttgarter fans

Die Print-Ausgabe der SZ von heute behandelt in ihrem "berühmten" "Buch Zwei unter der Überschrift "Das Amt" das Bamf. Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die vormalige Leiterin der Bremer Außenstelle werden hierin, gut versteckt, implizit aufrechterhalten. Die SZ verschanzt sich dabei hinter Formulierungen wie "die StA ermittelt noch" etc. etc. Ich habe jedoch meine Lektüre der SZ wegen stark zunehmendem Brechreiz abgebrochen.  

Aber es trifft ja zu: Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Wie schon oben gesagt: Wir wissen nicht, was noch herauskommt. Ob etwa die neuerlichen Durchsuchungen/Sicherstellungen und die offenbar laufende TKÜ noch wichtige Erkenntnisse/Beweise bringen, oder ob es sich eher um Verzweiflungsakte der StA handelt, nachdem man so einen großen Skandal losgetreten hat.

Naja, die SZ tut sich natürlich leicht: Zuerst hat sie ins Blaue hinein irgendwelche Vorwürfe erhoben, und jetzt lehnt sie sich zurück und sagt einfach, die Ermittlungen dauern noch an. Dabei muss man bedenken, dass die Ermittlungen - so wie es aussieht - noch ein paar Monate lang dauern werden. Während der nächsten paar Monate kann also die unfehlbare SZ das Thema schön am Köcheln halten, ohne irgendwas Konkretes dazu sagen zu müssen. Hauptsache, das Thema bleibt am Köcheln. Ich denke, dass es der SZ noch nicht einmal um rechte oder linke Asylpolitik geht. Ich denke, es geht der SZ bei der ganzen Sache nur noch um Gesichtswahrung. Es geht darum, auf keinen Fall zugeben zu müssen, die strafrechtlichen Vorwürfe vorschnell und ohne jede seriöse Recherche erhoben zu haben.     

Ich schließe mich an: Wenn man in dieser Sache auch nur ansatzweise mitreden will, sollte man das Interview auf jeden Fall vorher gelesen haben. 

Tja, das "Recherchekollektiv" hat ja schon so manchen Erfolg vorzuweisen. In der SZ war am 14.6.2018 ("Mauern, schwärzen, schweigen" )  zu lesen, dass die 3 BND-kontrolleure vom BND keine ausreichenden Informationen zu Abhörmaßnahmen erhalten. Das ergebe sich aus einem als geheim eingestuften Bericht. Und dann wird  im Artikel ausgebreitet, "wenn man richtig deutet, was Beteiligte über dieses neue Ritual berichten, das mindestens einmal im Quartal stattfindet"  Man muss ja bei der Sz etwas vorsichtig sein, siehe Prantls erfundener Küchenbesuch bei Vosskuhle....

Dass der BND vielleicht gerade deshalb mit Informationen sparsam ist (mauert, schwärzt, schweigt), weil man dort weiß, dass beim Bundestag und bei dem Kontrollgremium  alles an die Investigativpressekollektive durchgestochen wird, darauf kommen die Reporter nicht....

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In dem heutigen Bericht der Süddeutschen zum Thema BaMF geht es - das ist erfreulich - einmal um die Perspektive der Antragsteller. Aber warum muss der Artikel immer noch starten mit dieser Meldung?

"In der Bremer Bamf-Außenstelle sollen mehr als 1200 Asylanträge ohne ausreichende Prüfung gewährt worden sein."

Abgesehen von der sprachlichen Unschärfe (Anträge werden ja nicht gewährt), stimmt doch die Zahl nicht mehr, zuletzt war schließlich nur noch von 578 bis 975 Fällen die Rede, wenn richtig war, was die Süddeutsche Zeitung vor einigen Tagen schrieb.

Abgesehen von der sprachlichen Unschärfe (Anträge werden ja nicht gewährt)...

So ganz "unscharf" finde ich diese Formulierung gar nicht. Da gibt es bekanntlich viel schlimmeres. Der Duden schreibt zu "gewähren" als Beispiel "einer Bitte o. Ä. entsprechen, sie zulassen, erfüllen Beispiel jemandem einen Wunsch, ein Gesuch, Anliegen gewähren". Wenn man lt. Duden ein Gesuch oder eine Bitte o. Ä. gewähren kann, kann man recht zwanglos auch einen Antrag gewähren, scheint mir.

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Die Formulierung ist sicher Folge fehlenden Gegenlesens und weist auf die Hektik und fehlende Sorgfalt in heutigen Zeiten hin. Ich kenne kaum einen Gerichtsbeschluss, der nicht mit solchen Ausdrucksfehlern gespickt ist. In meinem Kommentaren fallen mir nach dem Absenden auch immer wieder solche Unschicklichkeiten auf. Geschenkt!

Aber viel wirkmächtiger sind doch die bewusst unscharf formulierten Passagen, die eine bestimmte Bedeutung suggerieren sollen, ohne das man den Verfasser darauf festlegen kann. Das Fragezeichen ist die eine Variante (Framing). Die steht Gerichten in Entscheidungen nicht zur Verfügung. Ich kenne Gerichtsbeschlüsse, in denen Aussagegehalt, Entscheidung und Rechtslage / Gesetze eindeutig korrelieren. Diese werden selten beanstandet. Ich kenne aber mindestens ebenso viele Entscheidungen in denen Sorgfalt nur vorgetäuscht wird, z.B. durch umfangreiche Zitate aus der höchtrichterlichen Rechtsprechung und die knappe Eigenleistung "so auch hier" oder "hier nicht", wie auch geschwurbelte Sätze, die Tatsachen oder Wertungen irgendwie nahelegen, ohne sich darauf festzulegen. Es wird behauptet, dass Jura eine Textdeutungs-Wissenschaft wäre. Ich behaupte, dass es eine (kritische) Struktur- und Systemwissenschaft sein müsste und das angesichts weitreichender Abwesenheit von Struktur häufig Text- und Deutungsmanipulation stattfindet (Prinzip OStA Meindl). Das gefährdet die Funktion und Reputation der Justiz deutlich mehr, als die Schlamperei in den Medienstuben anrichtet. Interessant wäre es für einen Rechtsblog wohl daher, was die Justiz als Pressearbeit vorgegeben hat und ob das besser als die mediale Verwertung ist.  

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Wenn man den Tagesschau Faktenfinder liest, gewinnt man den Eindruck, dass an den strafrechtlichen Vorwürfen gegen die vormalige Leiterin der Bremer Außenstelle nichts, gar nichts, dran ist. Oder täuscht mein Eindruck? Wie kann dann die SZ so vollmundig über den Fall berichten?

Wie zu Beginn und am Ende meines Beitrags klargestellt: Ob die Vorwürfe (zum Teil) stimmen oder nicht, ist bislang offen. Inzwischen ist eine (lt. Pressebericht des Weser-Kuriers) 50-köpfige Ermittlungsgruppe der Polizei (Bundespolizei und Bremer Polizei) mit der Nachforschung befasst. Dies erscheint mir etwas übertrieben.

Wenn die SZ weiterhin zum Recherchenetzwerk gehört, dann haben deren Reporter immerhin auch daran mitgewirkt, ihren früheren Bericht in Frage zu stellen - das ist zu begrüßen. Mein Vorwurf geht ja v.a. in die Richtung: Erst schweren Verdacht zu veröffentlichen, dann zu recherchieren, ist die falsche Reihenfolge.

Die SZ kann sich auch nicht darauf hinausreden, eine präzise Sprache und eine präzise Berichterstattung sei doch auch gar nicht so sehr erforderlich. Gerade zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das exakte Gegenteil der Fall: Die Asylpolitik steht aktuell im Mittelpunkt des politischen Geschehens in Deutschland. Der sog. "BAMF-Skandal" spielt dabei eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die SZ ist dabei eine der großen, anerkannten, angeblich seriösen Tageszeitungen. Es ist deshalb alles andere als gleichgültig, wie die SZ über den sog.  "BAMF-Skandal" berichtet.

Aber die öffentliche Berichterstattung hat auch in weiteren Fällen aus dem Dunstkreis Asylpolitik eine gewaltige Schlagseite. Soweit ich sehe, wird nur im Artikel  Katharina Iskandar: Such mich nicht. In: FAS Nr. 23 vom 10. Juni 2018, S. 22 der Aspekt in den Vordergrund gestellt, dass die deutsche Polizei in diesem Fall schlicht und ergreifend geschlafen hat. Sonst werden immer die bösen, bösen Asylanten in den Vordergrund gerückt.  

Ich zitiere mal aus dem Artikel von Frau Iskandar:

"Aber sie war 14, da gebietet es allein schon das Alter, dass die Polizei mit einer Großfahndung tätig wird. Vor allem aber trügt das Gefühl einer Mutter in der Regel nie."

Das Gefühlstrügeargument ist in der Tat der durchschlagende Beweis für  Staatsversagen. Klar hat die Polizei geschlafen, wenn die Mutter sagt, sie hat etwas gespürt.

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Frau Iskander hält sich schon nicht an die elementare Journalisten_Regel, dass man Fakten und Bewertungen trennen sollte. Fakten in den Bericht, Bewertungen in den Kommentar. Jemanden, der  so einen "Gefühlstäusche"-Unsinn zusammenschreibt und das als ernsthafte Begründung für Polizeiversagen heranzieht, dann mit dem pauschalen Vorwurf "reine Polemik "zu verteidigen ist argumentativ recht schwach.

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Nein, Sie haben sich aus dem - sonst sehr guten - Artikel genau denjenigen Gedanken der Autorin herausgepickt, der zugegebenermaßen nicht so sehr überzeugt. Mit diesem Vorwand versuchen Sie dann, den gesamten Artikel in Misskredit zu ziehen.  

Na gut, der Link funktioniert nicht (wahrscheinlich wegen den Unterstrichen), aber Sie können sich von dort ein Häuserl weiterhangeln. 

Dabei hätte der Artikel  von Katharina Iskandar: Such mich nicht. In: FAS Nr. 23 vom 10. Juni 2018, S. 22 eigentlich jede Menge kritischer Nachfragen auslösen müssen. Denn das in diesem Artikel dargestellte Versagen der deutschen Sicherheitshörden kann man mit Fug und Recht als "eklatant" klassifizieren. Der Artikel ging aber in der öffentlichen Wahrnehmung vollständig unter. Das Geplapper ist einfach übermächtig.   

Für den [https://www.welt.de/vermischtes/article177722574/Fall-Susanna-F-Ali-B-s-... Fall Susanna F.] gilt natürlich dasselbe wie für den Fall "BAMF-Skandal": Er taugt ganz hervorragend zur Instrumentalisierung und steht - angesichts der aktuellen politischen Großwetterlage - im Zentrum des öffentlichen Interesses. Das bedeutet, dass jede Berichterstattung in diesen Fällen hochgradig politische Wirksamkeit entfaltet.  

Dasselbe übrigens mit Kandel. Es reicht schon, wenn man einfach nur das Stichwort "Kandel" sagt. Die mediale Berichterstattung surft ganz einfach auf der Woge mit. Den Medienmachern - oder soll man besser und genauer sagen "Meinungsmachern" -  ist es dabei offenbar schlicht gleichgültig, ob sie sich auf diese Weise zu einem Instrument politischer Interessen machen lassen oder nicht. Hauptsache mitsurfen scheint das Motto zu sein.    

Die Software streikt schon wieder: Ich wollte schreiben, dass die Verlinkung natürlich nur ein willkürlich ausgewähltes Beispiel ist. 

Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es die Damen und Herren von der SZ die Bohne interessiert, was wir hier schreiben und wie wir hier argumentieren, die SZ wird natürlich ungeniert in ihrem Duktus fortfahren. 

Es geht mir weder um ein allgemeines Journalisten-Bashing noch um eine Kritik an der SZ insgesamt. Es geht um Verdachtsberichterstattung, die in diesem Fall gründlich schief gelaufen ist. Mein Artikel sollte eine Mahnung sein, bei der Berichterstattung zu Strafverfahren gegen Einzelpersonen vorsichtig(er) zu sein.

BAMF Bremen hatte Anträge auf Anerkennung positiv beschieden. Zumindest darin stimmen die Pressemeldungen überein (von der sprachlichen Unschärfe abgesehen, die Professor Müller völlig zurecht bei diesem Fakten-Krümel angemerkt hatte). Das ist der Skandal.

Doch egal wie dieser "Konjunktiv-Skandal" ausgeht. Er wird alle, die regel- und berufsmäßig am Asylverfahren teilnehmen, schon jetzt mächtig eingeschüchtert haben. Spätestens jetzt wird allen klar sein müssen, dass Teilnahme, das Mit- und Hinwirken auf Anerkennungsentscheidungen mit nicht unerheblichen Risiken behaftet sind (strafrechtliches Ermittlungsverfahren, Beschlagnahme aller Kanzleiakten, Suspendierung vom Dienst u.a.). Die hintergründige Botschaft dürfte schon unmissverständlich sein. Das Ergebnis des Verfahrens ist keineswegs irrelevant. Der Mitgliedschaft an Verschwörung zur "aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie" - einer ausgegorenen Kreation von Alexander Dobrindt - kann man auch sich sicher nur dann verdächtig machen, wenn am Ende die Anerkennung als Asylberechtigter steht. Daran knüpft auch der Straftatbestand des § 84 AsylG. Bei Verweigerung ist das Gesetz egal. Das interessiert niemanden. Wenn Verwaltungsgerichte massenhaft Ablehnungsbescheide wegen Rechtswidrigkeit aufheben müssen, weil sich Beamte des BAMF offensichtlich nicht mehr trauen, nach Antrag zu entscheiden, dann ist das keinen Skandal wert.

 

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Wiesn 2018. Noch zwei Wochen bis zur Landtagswahl. Volksfeststimmung in ganz Bayern. Es gibt genau zwei Themen: Der Fußball und die Ausländer. Beim Fußball haben zwar die Deutschen bei der WM nicht so gut abgeschnitten, aber das ist Schnee von gestern, denn die Bayern sind souverän auf dem Weg zur siebten Meisterschaft in Folge.  

 

Beim Thema Ausländer hat sich die CSU dann doch dazu entschlossen, auf die Plakate einfach nur „Wir sind die bessere AfD“ zu schreiben. Denn die Prognosen sind eindeutig: SPD, FDP, Grüne und Linke kommen zusammen auf ein Drittel, CSU und AfD kommen zusammen auf zwei Drittel. Zwei Drittel – ein Drittel, ganz einfach.

 

Das spannende Thema am Landtagswahlkampf ist eigentlich nur, wie sich die zwei Drittel auf CSU und AfD verteilen. Davon handelt auch der Politikteil der Zeitungen. Es ist natürlich nur eine winzig kleine Facette, aber eben auch eine Facette, die zur gesamten Atmosphäre beiträgt: Die strafrechtlichen Vorwürfe gegen die vormalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bamf haben sich trotz intensiver Ermittlungen der Staatsanwaltschaft immer noch nicht endgültig klären lassen. Es steht immer noch der – nach wie vor nicht endgültig ausgeräumte – Vorwurf im Raum, dass das ganze staatliche System korrupt ist. In den Zeitungen wird nach wie vor ausführlich darüber berichtet, dass der Vorwurf immer noch nicht endgültig ausgeräumt ist, dass die Pro-Ausländer-Maschinerie ihr eigenes Korruptionssystem entwickelt hat. Es ist natürlich nicht der einzige Faktor, aber es trägt doch auch dazu bei, die Zwei-Drittel-Verteilung der Stimmen bei der bayerischen Landtagswahl zu stützen.        

Man muss nur "BAMF-Skandal" bei Google eingeben, dann stößt man auf eine wild blubbernde Gerüchteküche, die sich nie im Leben mehr einfangen lässt. Der fantastische "Rechercheverbund" hat perfekt das Geschäft der AfD betrieben. 

Aber die Tatsache, dass eine deutsche Spitzenpolitikerin auf das hier besprochene Thema aufmerksam geworden ist, ändert natürlich nichts daran, dass die (Medien-)Herde von unserer Diskussion keinerlei Notiz nimmt. 

Der Artikel wird heute auch auf uebermedien.de (medienkritisches Internet-Magazin von Stefan Niggemeier u.a.) erscheinen. Dort wird wohl auch eine Antwort des Recherchenetzwerks veröffentlicht.

Die Behörde BAMF ist seit 2014 erheblich gewachsen.

Eine flächendeckende effektive Kontrolle der Entscheidungen der Behörde fand anscheinend nicht.

Solche Situationen verleiten die neuen unbeaufsichtigten Mitarbeiter, nicht immer ganz streng nach Recht und Gesetz zu handeln, sondern sich von sachfremden Gesichtspunkten (Eitelkeiten, eigenen Gefühlen, Freundschaften, Machtrausch, Bequemlichkeit, ...) beeinflussen zu lassen.

Das war während der Wiedervereinigung und in der ersten Zeit nach der Wiedervereinigung auch bei der Treuhand so.

Das ist nichts Abartiges, nichts Ungewöhnliches, sondern etwas, mit dem jemand, der die menschliche Natur kennt und der weiß wie Behörden arbeiten, rechnen muß.

Ich sehe die Verantwortung daher nur zu einem Teil bei den einzelnen Sachbearbeitern, aber auch zu einem teil bei denjeigen, welche den Behördenaufbau konzipiert haben.

Mit dem, was geschenen ist, hätte man von vornerherein rechnen können, vielleicht sogar rechnen müssen, und dagegen hätte man von Vorneherein Vorkehrungen in Form von mehr und effektiverer Aufsicht und Kontrolle und Qualitätsmanagement treffen und einsetzen müssen.

Die einzelnen offenbar schlecht ausgebildeten und wohl weitgehend unkontrolliert und unbeaufsichtigt arbeitenden Sachbearbeiter sind nur teilweise und nur bedingt als Sündenböcke für den "Skandal" (der meiner Einschätzung nach gar nicht überraschend aufgetreten ist, sondern mit dem von Vorneherein zu rechnen war) geeignet.

In vielen Behörden sind die innerbehördlichen Kontrollinstrumente und die Dienstaufsicht zu schwach - leider oft auch bei Polizeibehörden.

Manche Politiker und Spitzenbeamte glauben wohl naiverweise, daß Behördenmitarbeiter schon von sich aus immer schön preußisch korrekt arbeiten würden, aber die Wirklichkeit sieht doch anders aus, und zwar in vielen Behörden.

Vielleicht fehlt manchmal an der staatlichen Spitze auch der politische Wille zu Kontrollen und zum Qualitätsmanagement.

Fairerweise sollte man zugeben, daß es sowas oft auch in der Privatwirtschaft gibt, und daß der Konkurrenzdruck in der Privatwirtschaft keineswegs immer zu besserer Mitarbeiterführung und Kontrolle und Qualitätsmanagement führen.

Trotzdem sollten die Behörden und deren Chefs und die Minister dafür sensibler werden - nicht nur bzgl. der BAMF.

 

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Es war nur eine Frage der Zeit, bis der/ die nächste mit Küchenpsychologie um die Ecke kommt und etwas davon schwafelt, die "wahre Natur des Menschen" zu kennen. Es versteht sich von selbst, dass das Ganze mit Behauptungen und Verallgemeinerungen garniert wird und als Sahnehäuptchen dann noch Empfehlungen und Handlungsanweisungen oben drauf.

Also vielen lieben Dank liebe(r) Forumskollege/ - kollegin, Sie haben unser aller Wissen bereichert!

 

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Professor Müller hatte vor wenigen Tagen geschrieben: "ob 'etwas dran' ist (oder nichts) wissen wir alle bis heute nicht." Das lässt sich bisher wohl nicht bestreiten. Aber das ist zu wenig für einen Skandal, zu wenig für den Anfangsverdacht, zu wenig für Hausdurchsuchungen, zu wenig für Beschlagnahmen und zu wenig für die Suspendierung einer Beamtin. Dass wenigstens die STA Bremen doch nur etwas mehr weiß, das hatte ich schon gehofft und bin enttäuscht.

Ich zitiere aus den Pressemitteilungen der STA:

Aus der Pressemitteilung vom 20.04.2018:

"Die Durchsuchungen erfolgten im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen des Vorwurfs der bandenmäßigen Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung gemäß § 84 des Asylgesetzes sowie wegen Bestechung und Bestechlichkeit gemäß §§ 332, 334 des Strafgesetzbuches . [...] Die Beschuldigten werden verdächtigt, Asylantragsteller gezielt veranlasst zu haben, Asylanträge bei der formell unzuständigen Außenstelle Bremen zu stellen. In diesen Asylverfahren kam es auch zu zahlreichen weiteren Rechtsverstößen, sodass falsche Anerkennungsbescheide ergingen. Dabei soll es auch zur Gewährung von Vorteilen an Amtsträger gekommen sein."

Aus der Pressemitteilung vom 14.06.2018:

"Im Rahmen der laufenden Ermittlungen wegen Straftaten im Zusammenhang mit der Bremer BAMF-Außenstelle wurden heute erneut die Wohnungen von zwei der sechs Beschuldigten durchsucht. Darunter befand sich auch die Wohnung der früheren Leiterin der Außenstelle. Ziel der Maßnahmen war es, Mobiltelefone und sonstige Datenträger sicherzustellen, aus denen sich weitere Hinweise zur Aufklärung der Tatvorwürfe ergeben. Die Ermittlungen dauern an."

Aus der Pressemitteilung vom 25.05.2018:

"Am 17.05.2018 ist bei der Staatsanwaltschaft Bremen eine Anzeige vom 16.05.2018 gegen die Präsidentin und den Vizepräsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und zwei weitere leitende Mitarbeiter eingegangen. Der Inhalt der Anzeige beruht ausschließlich auf der aktuellen Medienberichterstattung im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren gegen die ehemalige Leiterin der Bremer Außenstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und fünf weitere Beschuldigte. Mit der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wurde vereinbart, die dort eingegangene Strafanzeige desselben Anzeigeerstatters vom 11.05.2018, die bereits Gegenstand der Medienberichterstattung war, zu übernehmen."

https://www.staatsanwaltschaft.bremen.de/pressemitteilungen-1473

 

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Grüß Gott Herr Kolos,

vielen Dank für Ihren Kommentar. Die aktuelle Lage ist die, dass sich der Rechercheverbund in seiner Stellungnahme im wesentlichen auf die Regeln für die Verdachtsberichterstattung beruft. Die StA hat "kilometerweise" (wie sich einer der Verteidiger ausdrückt) Akten beschlagnahmt und bleibt erstmal für die nächsten Monate darauf sitzen. Die Verteidiger bekommen (derzeit) keine Akteneinsicht. Ideale Bedingungen also dafür, dass der "Skandal" lustig weiterbrodelt und der AfD in die Hände spielt.   

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