Schlechte Zeiten für zentrale Sicherheitsbelange – Bundesregierung: Entzug der Staatsbürgerschaft für IS-Kämpfer gilt nicht rückwirkend
von , veröffentlicht am 05.03.2019Die von Kurden in Syrien gefangenen Terrorkämpfer mit deutschem Doppelpass müssen nach Aussage der Bundesregierung nicht befürchten, dass ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen wird. Am geplanten Gesetzesentwurf zum Verlust des Doppelpasses für deutsche IS-Kämpfer will die Bundesregierung festhalten. Kurz: Nur wer künftighin für den IS kämpft, dem soll die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden können. Präventiv wirkt – entgegen Seehofers Sprecherin Eleonore Petermann – eine solche Ankündigung jedenfalls bei denjenigen sicher nicht, die sich aus fester Überzeugung dem IS künftig anschließen.
Dieser politische Kompromiss zwischen Union und SPD entspricht jedenfalls in keinster Weise deutschen Sicherheitsbelangen!
US Präsident Trump hatte u.a. Deutschland aufgefordert, „seine“ IS-Kämpfer aus kurdischer Haft zurückzunehmen, andernfalls werde man sie freilassen. Nur gegen 17 der von syrischen Kurden gefangenen IS-Kämpfern aus Deutschland liegt bislang ein Haftbefehl vor, wie ich aus den Medien entnehme. Für alle übrigen bemühen sich die deutschen Nachrichtendienste mit Nachdruck darum, Informationen zu sammeln, damit ein Strafverfahren in Deutschland geprüft werden kann. In den sozialen Medien prahlten in den besten Zeiten des IS junge deutsche Dschihadisten über ihre abscheulichen Taten, die sie jetzt als Prahlerei abtun. Die Situation für die Sicherheitsbehörden ist da alles andere als einfach.
Zur Rechtslage:
- Nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG darf deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden (siehe Staatsangehörigkeiitsgesetz). Nach S.2 darf der Verlust der Staatsangehörigkeit nur aufgrund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.
- § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz: „Ein Deutscher, der aufgrund freiwilliger Verpflichtung ohne eine Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung oder der von ihm bezeichneten Stelle in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eintritt, verliert die deutsche Staatsangehörigkeit. Dies gilt nicht, wenn er aufgrund eines zwischenstaatlichen Vertrages dazu berechtigt ist.“
Die Neuregelung will § 28 Staatsangehörigkeitsgesetz enger fassen.
Politik lebt von Kompromissen. Aber nicht stets sollte in zentralen Sicherheitsbelangen der politische Kompromiss gesucht werden. Denn sonst kann es dazu kommen, dass die Sicherheit auf der Strecke bleibt, die zu gewährleisten der Staat verantwortlich ist, noch dazu wenn er keine Lösung eines aktuellen Problems bringt sondern nur so tut als ob.
Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben
5 Kommentare
Kommentare als Feed abonnierenGast kommentiert am Permanenter Link
Meinen Sie nicht, dass eine rückwirkende Lösung gegen das Rückwirkungsverbot verstoßen würde und deshalb nicht in Frage kommt?
Dr. Egon Peus kommentiert am Permanenter Link
Entziehng der Staatsanehörigkeit für Terroristen war laut Verfassungsblog (2014) in GB seit 2002 möglch. Da die Rechtsstaatsanerfuzzis seit Jahren ins sland blicken, hätten sie bei Wunsch nach Schutz des Rechtsstaats auch insoweit also längst ins Ausland blicken können. Wie man dann etwa erforderliche GG-ÄNderungen herbeiführt, wusste und weiß dieser Typenkreis. Wieschnell das geht - mit Bundesrat - , ist seit 17. Oktober 2008 durch öffentliche Urkunden belegt ( ab Vorlage des dann beschlossenen Textes weniger als 24 Stunden bis zum Inkrafttreten. Wenn man also Deutschland wirklich schützen WILL - es geht. Es geht durchaus. Es ginge durchaus. Art. 16 GG ist nicht in Art. 79 III GG zitiert. - Ob GG-Änderung erforderlch wäre, das wäre noch zu bedenken. Wir lügen uns da viel in die Tasche. Was ist Strafe (Rückwirkungsverbot), was ist Polizei- und Ordnungsrecht ( Gefahrenprognostische Analyse? Zukunft, Ursache ziemlich egal, es ist jedenalls weder Begehung noch Verurteilung wegen einer Straftat erforderlich) ? Das BVerwG hat im Bereich des Bodenschutzrechts erkannt: kein Rückwirkungsverbot. Inanspruchnahme bis zum Ruin. Die ganze Debatte um "Gefährder" ist Thema des Ordnungs-/Sicherheitsrechts, nicht des Strafrechts. Da gibt es Vorbilder, die niemand in Zweifel stellt außer den Betroffenenbegünstigern, etwa PsychKG, Sicherungsverwahrung. Für das Handhabungsmaß haben Stichworte gegeben SPD ( Maas: "volle Härte des Gesetzes"), Roland Koch/CDU: "brutalstmöglich". Der Blick in die weite Welt könnte Erkenntnisse fördern.Und - additiv muss man vorgehen. Keine Maßnahme allein wird je völlige Sicherheit für das deutsche Volk und seine berechtigt einwohnenden Gäste bringen.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
# Gast
Sie haben recht: eine (belastende) rückwirkende gesetzliche Regelung (es geht hier nicht um eine verfassungs- wie einfachrechtlich verbotene strafrechtliche Rückwirkung nach Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB) ist am Rechtsstaatsprinzip zu messen.
Ausgehend von einer echten Rückwirkung, weil der Gesetzgeber rückwirkend in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, die Rechtsfolgen des Gesetzes also für einen vor der Verkündung beendeten Sachverhalt gelten sollen, scheidet diese grundsätzlich aus, aber doch nur grundsätzlich und ist in streng umrissenen Ausnahmefällen gleichwohl zulässig. Zu den Ausnahmefällen zählen zwingende Gründe des Allgemeinwohls.
Nach Deutschland abgeschobene ehemalige IS-Kämpfer, die aufgrund der Beweislage hier strafrechtlich nicht verfolgt werden können, gefährden in erheblichem Maß Deutschlands Sicherheit, wie die Ereignisse der vergangenen Jahre belegen. Wer kann ausschließen, dass der Rückkehrer nach wie vor an den Zielen des IS festhält. Derjenige, der keine gravierenden Gründe des Allgemeinwohls sieht, muss sich aus rechtlicher Sicht dem in der Politik gefundenen Kompromiss anschließen.
Ob eine rückwirkende Entziehung der Staatsbürgerschaft vor dem BVerfG Bestand haben wird, ist fraglich, aber nicht vornherein zum Scheitern verurteilt, so sieht es z.B. auch der Staatsrechtler Christoph Degenhart. Auch gibt es in der Politik neuen Widerstand kaum dass der Kompromiss gefunden wurde (Artikel im Handelsblatt hier).
Gast kommentiert am Permanenter Link
Ich halte den von Ihnen angeregten Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot für äußerst problematisch. An die Verfassung sollte man sich nicht nur im Blick auf das gestrenge Bundesverfassungsgericht halten, sondern von Grund auf wegen der Muttermilch, die man eingesogen hat und wegen der Gene, von denen der Rechtsstaat lebt. Der von Ihnen als Ihr Gewährsmann genannte Christoph Degenhart sieht das ebenso; auch nach ihm gilt "das allgemeine rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot". Das Grundgesetz gilt nicht nur in Zeiten schönen Wetters, sondern ist insbesondere auch ein Schlechtwetterrrecht.
Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg kommentiert am Permanenter Link
# Gast
Sehr dankbar bin ich, dass Sie die Problematik nochmals an der Wurzel anpacken!
Aus voller Überzeugung stimme ich Ihnen zu, nicht vorschnell das allgemeine Rückwirkungsverbot mit dem Hinweis "Ausnahmesituation" zu kippen. Einig sind wir beide uns wohl auch dahingehend, dass nach Deutschland abgeschobene IS-Kämpfer, zu denen wenig Erkenntnisse vorliegen, ein Sicherheitsrisiko darstellen können. Ob diese Möglichkeit eine anzuerkennende Ausnahmesituation darstellt, dazu hätte ich gerne die Argumente pro und contra eingesammelt, nachdem sich Degenhart dazu meines Wissens nicht geäußert hat.