OVG NRW: Keine AGG-Entschädigung für Lehrerinnen wegen Kopftuchverbots

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 14.10.2019

Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat die Entschädigungsklage von zwei Lehrerinnen, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ein Kopftuch tragen, abgewiesen. Die Klägerinnen sahen sich bei der Stellenbesetzung wegen ihrer Religionszugehörigkeit benachteiligt.

Die beiden muslimischen Klägerinnen haben geltend gemacht, sie seien wegen des - vom BVerfG 2015 für verfassungswidrig erklärten (BVerfG, Beschl. vom 27.1.2015 - 1 BvR 471/10 u.a., BVerfGE 138, 296 = NJW 2015, 1359) - pauschalen "Kopftuchverbots" im nordrhein-westfälischen Schulgesetz nicht ins Beamtenverhältnis übernommen worden. Darin erblicken sie eine unzulässige Benachteiligung aufgrund ihrer Religion. Eine Klägerin macht geltend, sie sei nach Beendigung ihres Referendariats 2007 und auch später wegen dieses "Kopftuchverbots" nicht als Berufsschullehrerin eingestellt worden. Die andere ist 2004 (nur) im Angestelltenverhältnis eingestellt worden und hatte auch mit ihrem 2005 gestellten Antrag auf Übernahme in das Beamtenverhältnis keinen Erfolg. Die Verbeamtung erfolgte erst nach dem Beschluss des BVerfG im September 2015. Die Klagen blieben sowohl beim VG Köln als auch beim OVG NRW ohne Erfolg.

Ausweislich der Pressemitteilung des OVG hat der Vorsitzende in der Urteilsbegründung ausgeführt: Der Entschädigungsanspruch nach dem AGG setze zwingend eine Bewerbung voraus. Dass das pauschale "Kopftuchverbot" im früheren nordrhein-westfälischen Schulgesetz eine unzulässige Diskriminierung darstelle, reiche nicht aus. Im Verfahren 6 A 2170/16 habe die Klägerin sich zwar teilweise erfolglos beworben. Es sei aber nicht anzunehmen, dass das beklagte Land die Klägerin wegen des Kopftuchs nicht in den Schuldienst und ins Beamtenverhältnis übernommen habe. Dafür fehlten jegliche Indizien. Es sei schon nicht festzustellen, dass das beklagte Land als Dienstherr überhaupt davon gewusst habe, dass sie aus religiösen Gründen ein Kopftuch getragen habe. Bei manchen Stellenbesetzungsverfahren stehe sogar fest, dass die Klägerin nicht wegen ihrer religiösen Bekleidung, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen der Examensnote oder aufgrund der Ergebnisse von Auswahlgesprächen, nicht zum Zuge gekommen sei. Im Verfahren 6 A 2628/16 könne die Klägerin keine Entschädigung nach dem AGG beanspruchen, weil sich die Benachteiligungshandlung vor dessen Inkrafttreten 2006 ereignet habe. Ein daneben grundsätzlich in Betracht kommender unionsrechtlicher Haftungsanspruch scheide mangels eines Schadens ebenfalls aus. Ein finanzieller Nachteil sei nicht Gegenstand des Verfahrens, ein darüber hinausgehender Schaden sei nicht erkennbar.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. vom 7.10.2019 - 6 A 2170/16 und 6 A 2628/16

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Die LTO-Presseschau:

BAG – Kopftuchverbot für Lehrerin: Gibt es einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, wenn eine Lehrerin nicht eingestellt wird, weil sie ein Kopftuch trägt? Das wird das Bundesarbeitsgericht am heutigen Donnerstag erstmals entscheiden. Wie LTO (Tanja Podolski) berichtet, hatte sich die Schulaufsicht auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Die Klägerin hingegen sah in der Ablehnung eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion.

Die LTO-Presseschau:

BAG – Kopftuchverbot für Lehrerin: Gibt es einen Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, wenn eine Lehrerin nicht eingestellt wird, weil sie ein Kopftuch trägt? Das wird das Bundesarbeitsgericht am heutigen Donnerstag erstmals entscheiden. Wie LTO (Tanja Podolski) berichtet, hatte sich die Schulaufsicht auf das Berliner Neutralitätsgesetz berufen. Die Klägerin hingegen sah in der Ablehnung eine Diskriminierung aufgrund ihrer Religion.

Die LTO-Presseschau:

BAG zu Lehrerinnen mit Kopftuch: Das Bundesarbeitsgericht hat einer Muslima Recht gegeben, die sich dagegen wehrte, dass sie wegen ihres Kopftuchs in Berlin nicht als Lehrerin eingestellt wurde. Die Erfurter Richter bestätigten das Urteil des Landesarbeitsgerichts, nach dem die Klägerin einen Entschädigungsanspruch gegen das Land Berlin hat. Dazu beriefen sie sich auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen nur verfassungsgemäß sei, wenn der Schulfrieden gefährdet ist. Das Berliner Neutralitätsgesetz müsse daher verfassungskonform ausgelegt werden. Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof lehnte das Bundesarbeitsgericht ab. Es berichten die FAZ (Alexander Haneke), die taz (Christian Rath) und LTO.

Jost Müller-Neuhof (Tsp) sieht in dem Urteil eine Chance: "Schülerinnen und Schüler mit muslimischen Lehrerinnen zusammenzubringen, birgt Möglichkeiten zum Dialog und Aussicht auf Gewöhnung."

Die taz (Susanne Memarnia) zeichnet die Diskussion um das Berliner Neutralitätsgesetz nach.

Die LTO-Presseschau:

BAG zum Berliner Kopftuchverbot für Lehrerin: Nachdem das Bundesarbeitsgericht in der vergangenen Woche bestätigt hatte, dass ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an der Schule nach dem Berliner Neutralitätsgesetz verfassungswidrig ist, hat in Berlin die Diskussion um die Konsequenzen aus der Entscheidung begonnen. Während Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) das Gesetz für sachgerecht hält und eine Verfassungsbeschwerde prüft, vertritt Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne) die Meinung, "das Gesetz sei in der gegenwärtigen Form nicht zu halten". Sa-SZ und LTO fassen die Debatte zusammen.

Daniel Deckers (Sa-FAZ) findet, dass unsere Gesellschaft mit der hierzulande geltenden Logik der Verhältnismäßigkeit in Religionsdingen besser fahre als etwa die französische mit ihrer starren, inzwischen immer absurdere Züge tragenden laïcité.

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