OLG München: Mitbestimmungsregelung beim SE-Formwechsel grundsätzlich vom Soll-Zustand in der Gründungsgesellschaft abhängig

von Dr. Cornelius Wilk, veröffentlicht am 23.04.2020

Das OLG München hat in drei parallelen Beschlüssen vom 26. März 2020 (31 Wx 278/18, 31 Wx 279/18 und 31 Wx 280/18) entschieden, dass beim SE-Formwechsel grundsätzlich der Soll-Zustand (und nicht der Ist-Zustand) der AG-Mitbestimmung vor der Umwandlung in der SE fortzuführen ist.

Vereinbarte Fortsetzung der AG-Mitbestimmungsfreiheit in der SE

Die betroffenen Gesellschaften waren jeweils durch Formwechsel einer AG gegründet worden. Den AG-Aufsichtsräten gehörten vor der SE-Gründung keine Arbeitnehmervertreter an. Dieselbe Mitbestimmungsfreiheit sahen die bei Gründung jeweils abgeschlossenen Beteiligungsvereinbarungen für die SE-Aufsichtsräte vor. Für das sogenannte Vorher-Nachher-Prinzip, nach dem im Zuge eines SE-Formwechsels das bisherige Mitbestimmungsniveau erhalten bleibt, hatte das LG München I als Vorinstanz auf die Ist-Mitbestimmungsfreiheit bei SE-Gründung abgestellt und deren Fortsetzung in der SE unbeanstandet gelassen (zu einem der Verfahren siehe Klaus von der Lindens Beitrag vom 16. August 2018).

Grundsätzliche Maßgeblichkeit des Soll-Zustands bei Gründung

In seinen Entscheidungen hebt der Senat die vorinstanzlichen Entscheidungen auf. Für die grundsätzliche Frage nach der Anknüpfung an den Ist- oder Soll-Zustand, so der Senat, komme es entscheidend darauf an, ob es bei SE-Gründung ein durchsetzbares Recht auf Mitbestimmung gegeben hätte.

BGH-Grundsätze auch bei Statusverfahrenseinleitung nach Gründung einschlägig

Zur Begründung beruft sich der Senat auf einen zwischenzeitlich in anderer Sache ergangenen Beschluss des BGH vom 23. Juli 2019 (II ZB 20/18; hierzu Klaus von der Linden am 6. September 2019). Darin hatte der BGH zwar die Frage der Maßgeblichkeit von Soll- oder Ist-Zustand offen gelassen, den Soll-Zustand allerdings dann für maßgeblich erklärt, wenn bereits vor SE-Gründung ein Statusverfahren eingeleitet worden war. In diesem Fall, so der BGH, werde der bei Gründung bestehende Ist-Zustand durch das laufende Statusverfahrens mitgeprägt und für eine spätere Korrektur geöffnet.

Streit oder Ungewissheit über Mitbestimmung bei SE-Gründung entscheidend

Diese Erwägung, so das OLG, könne auch dann gelten, wenn das Statusverfahren zwar wie in den vorliegenden Fällen erst nach Gründung eingeleitet worden sei, aber bereits bei Gründung hätte eingeleitet werden können, weil es bereits eine entsprechende Bekanntmachung nach § 97 Abs. 1 AktG gab oder weil Streit bzw. Ungewissheit über die rechtmäßige Zusammensetzung im Sinne des § 98 Abs. 1 AktG bestand. Denn dies präge ebenfalls den bei Gründung bestehenden Ist-Zustand. Für eine abschließende Entscheidung sei von der Vorinstanz daher jeweils zunächst aufzuklären, ob bei SE-Gründung bereits derartiger Streit oder Ungewissheit bestanden habe, und gegebenenfalls weiter, ob nach den damaligen Umständen eine Mitbestimmung hätte erfolgen müssen.

Die Rechtsbeschwerde wurde jeweils wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

Diesen Beitrag per E-Mail weiterempfehlenDruckversion

Hinweise zur bestehenden Moderationspraxis
Kommentar schreiben

Kommentare als Feed abonnieren

Kommentar hinzufügen