Darf`s noch etwas Fahrverbot mehr sein?! => Noch gerechter!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 27.04.2020
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht3|2906 Aufrufe

"Wir machen den Straßenverkehr noch sicherer, klimafreundlicher und gerechter" - damit macht das BMVI Werbung für die jünste Änderung der StVO und der BKatV/des BKat. Ab dem 28.4.2020 gelten zahlreiche neue Regelungen. Teils dienen sie der Förderung des Radverkehrs. Teils klingen die neuen Vorschriften gut und sind sicher auch gut gemeint, helfen aber sicher nicht in der Praxis weiter (Stichwort: "Rettungsgasse").

Das Ministerium hat zur Information ganz eigentümlich animierte Darstellungen zu allen neuen Regelungen auf seiner Seite hochgeladen. Schauen Sie mal "HIER" rein.

Für mich am interessantesten sind aber die Fahrverbotsänderungen bei Geschwindigkeitsverstößen: Ab 21 km/h Überschreitung innerhalb geschlossener Ortschaften und 26 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gelten für jedermann Regelfahrverbote. Die Zahl der Fahrverbote wird da sicher steigen. Und Verteidiger werden deutlich häufiger als bisher mit Fahrverbotssystematik befasst sein. Schön! Ich empfehle da mein "Fahrverbot in Bußgeldsachen". Schauen wir aber erst einmal auf den neuen § 4 BKatV:

(1) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes kommt die Anordnung eines Fahrverbots (§ 25 Absatz 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes) wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand

1.
der Nummern 9.1 bis 9.3, der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs,

2.
der Nummern 12.6.3, 12.6.4, 12.6.5, 12.7.3, 12.7.4 oder 12.7.5 der Tabelle 2 des Anhangs,

3.
der Nummern 19.1.1, 19.1.2, 21.1, 21.2, 39.1, 41, 50, 50.1, 50.2, 50.3, 50a, 50a.1, 50a.2, 50a.3, 135, 135.1, 135.2, 83.3, 89b.2, 132.1, 132.2, 132.3, 132.3.1, 132.3.2, 152.1 oder

4.
der Nummern 244, 246.2, 246.3 oder 250a

des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.

(2) Wird ein Fahrverbot wegen beharrlicher Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers zum ersten Mal angeordnet, so ist seine Dauer in der Regel auf einen Monat festzusetzen. Ein Fahrverbot kommt in der Regel in Betracht, wenn gegen den Führer eines Kraftfahrzeugs wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße rechtskräftig festgesetzt worden ist und er innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h begeht.

(3) Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24a des Straßenverkehrsgesetzes ist ein Fahrverbot (§ 25 Absatz 1 Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes) in der Regel mit der in den Nummern 241, 241.1, 241.2, 242, 242.1 und 242.2 des Bußgeldkatalogs vorgesehenen Dauer anzuordnen.

(4) Wird von der Anordnung eines Fahrverbots ausnahmsweise abgesehen, so soll das für den betreffenden Tatbestand als Regelsatz vorgesehene Bußgeld angemessen erhöht werden.

 

Interessant: § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV ist eigentlich bedeutungslos geworden, existiert aber trotzdem weiter. 

 

Wie aber sieht der BKat zu den "normalen" Geschwindigkeitsverstößen aus? So:

 

11.3.4 21 - 25 km/h-Überschreitung .... innerorts 80 Euro und 1 Monat und 1 Monat FV - außerorts 70 Euro

11.3.5 26 - 30 km/h-Überschreitung .... innerorts 100 Euro und 1 Monat FV - außerorts 80 Euro und 1 Monat FV

11.3.6 31 - 40 km/h-Überschreitung .... innerorts 160 Euro und 1 Monat FV - außerorts 120 Euro und 1 Monat FV

11.3.7 41 - 50 km/h-Überschreitung .... innerorts 200 Euro und 1 Monat FV - außerorts 160 Euro und 1 Monat FV

11.3.8 51 - 60 km/h-Überschreitung .... innerorts 280 und 2 Monate FV - außerorts 240 Euro und 1 Monat FV

11.3.9 61 - 70 km/h-Überschreitung .... innerorts 480 Euro und 3 Monate FV - außerorts 440 Euro und 2 Monate

11.3.10 über 70 km/h-Überschreitung .... innerorts 680 und 3 Monate FV - außerorts 600 Euro und 3 Monate FV

 

 

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3 Kommentare

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In den Elfenbeintürmen der Berliner Ministerialbürokratie werden manchmal Gesetze fabriziert, die der Lebenswirklichkeit viele Normalbürger nicht gerecht werden.

In vielen deutschen Großstädten bzw. innerstädtischen Stadtteilen wird man nun wohl viele Wohnhäuser abreißen oder Nutzungsverbote ausprechen müssen, weil bei den Wohnhäusern die im Baurecht geforderte Erschließung (wozu die Erreichbarkeit per PKW gehört) aufgrund der jetzigen Änderung der StVO wohl nicht mehr gegeben ist.

Es ist ignoriert worden, daß viele Wohnhäuser, insbesondere Altbauten, keine Garagen und auch keine Parkplätze haben. Will man dort seine Mutter oder Großmutter abholen und zum Arzt fahren, dann muß man vor solchen Häusern kurz in zweiter Reihe anhalten, wenn man diese einsteigen lassen will.

Zumindest in Tempo-30-Zonen entsteht durch das kurze Anhalten keine Gefährdung, sondern im Gegenteil werden die auf Schleichwegen durch Wohngebiete Abkürzungen nehmenden in der Tempo-30-Zone zum Beispiel 65 km/h fahrenden Raser etwas ausgebremst, und motiviert, demnächst wieder vermehrt die Hauptstraßen zu benutzen.

Auch Handwerker, die ihr Fahrzeug beim Kunden beladen oder entladen, sind in der realen Lebenswirklichkeit und Praxis oft gezwungen, kurz in zweiter Reihe zu Parken.

Gleiches gilt für Pizza-Boten, Getränke-Liefer-Service, Paketdienst-Fahrer, Brief-Boten, Zustellungen vornehmende Post-Beamte oder Justiz-Wachtmeister oder Gerichtsvollzieher, Zeitungs-Boten, Taxifahrer, Behinderten-Transporte, Krankenwagen, Polizei-Streifenwagen, Mitarbeiter von Wach-und-Schließ-Gesellschaften, Müllabfuhr-Fahrzeuge, Straßenreinigungs-Fahrzeuge, sowie eigene Transporte von Getränken (zum Beispiel Bierkästen oder Wasserkisten).

Bisher haben die Mitarbeiter der Ordnungsämter und die Streifen-Polizisten in solchen Situationen immer mit Augenmaß reagiert, aber durch die neue Verschärfung der Strafvorschriften werden viele Menschen von ihrem Zuhause wohl quasi abgeschnitten, bzw. können dieses demnächst nur als Fußgänger oder Fahrradfahrer erreichen.

Die federführenden hochrangigen Mitarbeiter im Berliner Bundesverkehrsministerium haben vermutlich wohl selber für sich alle Häuser in Villenvierteln mit Garagen und Parkplätzen, denn sonst wäre nicht verständlich, wie sie die Bedürfnisse vieler Normalbürger schlicht und einfach übersehen konnten.

Und der Bundesverkehrsminister hätte daran denken sollen, daß wenn er gesetzliche Straf-Vorschriften fabrizieren lässt, welche die legitimen Bedürfnisse vieler Menschen ignorieren, dann seine Straf-Gesetze nicht mehr als gerecht empfunden werden und nicht mehr als legitim empfunden werden, und er und seine Behörde sich von den Menschen entfremden und zukünftig weniger ernst genommen werden könnten.

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Sehr geehrter Mux----- 28.4. 18:24 Uhr, Sie schreiben "In den Elfenbeintürmen der Berliner Ministerialbürokratie werden manchmal Gesetze fabriziert, die der Lebenswirklichkeit vieler Normalbürger nicht gerecht werden."

Wie kommen Sie auf "manchmal"?

Noch vor wenigen Monaten hätte ich die Schutzmaßnahmen für Radfahrer noch begrüßt. Da wir jetzt aber alle  miterleben müssen, wie ein überfürsorglicher Staat agiert, wir eine Politik zu sehen bekommen, die Bevormundung, um nicht zu sagen Entrechtung, als "Schutz" bezeichnet und selbst vor höchstpersönlichen Lebensbereichen (Daten, medizinische Selbstbestimmung, Wohnung) nicht Halt macht, bin ich so weit, auch jene eher wenig eingriffsintensiven Straßenverkehrsregeln zumindest auf der Gefühlsebene strikt abzulehnen.

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