Kommunikation in Not- und Krisenzeiten – nach innen und außen

von Gastbeitrag, veröffentlicht am 31.05.2021
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Krisenkommunikation

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Eler von Bockelmann, Mitherausgeber des Werks Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten.

Die Bedeutung der Kommunikation in für Unternehmen schwierigen Zeiten kann schlechterdings nicht überschätzt werden.

Die Zahl negativer Beispiele misslungener Krisenkommunikation in der Vergangenheit ist unüberschaubar (DFB-"Sommermärchen", Volkswagen Diesel-Affäre, D2 Mannesmann), und in jüngster Zeit fallen einem spontan die Beispiele Adidas, C&A, Deichmann und andere ein (wo Unternehmen sich durchaus begründbare zivilrechtliche Ansprüche sichern wollten) oder international ein FC Liverpool (der sich wie ein normaler Arbeitgeber verhalten und staatliche Unterstützungsleistungen beziehen wollte).

Ob ein betroffenes Unternehmen legitime Zwecke mit seiner Verhaltensweise verfolgt hat, ist dabei vollkommen gleichgültig – entscheidend ist der immense Schaden durch eine misslungene Krisenkommunikation, unabhängig von legitimem Zweck oder fehlendem Verschulden an einer Notlage.

Gerade auch im Hinblick auf die Belegschaft ist eine geeignete Kommunikation in der Krise wichtig: Die Arbeitnehmer sind in der Regel selbst direkt betroffen von der schwierigen Situation eines Unternehmens, und als solche sind sie typischerweise Auskunftspersonen für Dritte und selbst Multiplikatoren für (falsche, richtige oder erklärungsbedürftige) Informationen über das Unternehmen des Arbeitgebers.

Aber auch im Verhältnis nach innen ist eine unter Kontrolle gehaltene Kommunikation entscheidend, um interne Belastungen nach Möglichkeit zu vermeiden und unnötige zusätzliche Belastungen für die Belegschaft zu vermeiden. Tatsächlich sind es vorrangig nicht Außenstehende – Presse, Öffentlichkeit, Medienöffentlichkeit oder Politik –, die vom Unternehmen kommunikativ betreut und abgeholt werden müssen, sondern die eigenen Mitarbeiter.

1. Interessenssphären analysieren

In einem ersten Schritt lohnt es sich bewusst zu machen, dass in einer Krisen- oder Notsituation, in der sich ein Unternehmen befindet und der es sich ausgesetzt sieht, unterschiedlichste Interessensphären und Interessensgegensätze bestehen:
• Interessengegensatz Arbeitgeber – Führungskräfte – Mitarbeiter
• Interessengegensatz Unternehmen – Gewerkschaften
• Interessengegensatz Unternehmen – Politik
• Interessen Unternehmen – Presse – Öffentlichkeit
• Interessen Unternehmen – Behörden
• Interessen Unternehmen – Justiz

Ohne ein klares Verständnis der jeweiligen Interessen und der daraus resultierenden Interessengegensätze ist eine sachgerechte Krisenkommunikation nicht möglich. Oft beginnen Pressegespräche oder Presseanfragen mit der Aussage "Es interessiert die Öffentlichkeit …" oder "Es muss die Öffentlichkeit interessieren …" Wirklich? Tatsächlich gehen in aller Regel die internen Verhältnisse eines Unternehmens die Öffentlichkeit gar nichts an, und es muss Ziel des Unternehmens sein, die Verbreitung von Informationen aus dem Unternehmen – vornehmlich auch durch die Arbeitnehmer – zu vermeiden.

2. Vorbereitete Krisenkommunikation

Wie auch an anderer Stelle ist eine gute Vorbereitung der Krisenkommunikation ideal. In der Krise fehlt Zeit, eine Krisenkommunikation zu organisieren und zu erarbeiten. Zur Vorbereitung der Krisenkommunikation gehören daher:
• Entscheidung über die Besetzung des Krisenstabs
• Beschaffung fehlender Ressourcen im Krisenstab (zB Medienprofis)
• Telefonlisten, Mailverteiler (gepflegt!)
• Für unterschiedliche Szenarien: Kontaktdaten für externe Information, Dienstleister: PR-Berater, Marketingspezialisten, Texte, Pressestelle
• Kontaktdaten der lokalen, regionalen und überregionalen Presse und Medien

3. Der Chef steht vorne. Wirklich?

Oft entspricht es dem Verständnis des Unternehmers, Inhabers, Vorstandsvorsitzenden oder Geschäftsführers, auch in der Situation der Krisenkommunikation ganz vorne zu stehen. Es ist zu hinterfragen, ob dieser Ansatz immer richtig ist.
Besteht der Anspruch, dann gilt: Weiß der "Chef", was er zu sagen hat? Bereitet sich auch der Chef auf den Ernstfall Krisenkommunikation vor?

4. Der erste Schuss muss sitzen!

Bereits im ersten Treffen des Krisenstabes muss eine tragfähige Krisenkommunikation abgestimmt und vorbereitet werden. Die erste interne Kommunikation und mehr noch die erste öffentliche oder Presseerklärung gibt den weiteren Verlauf der Kommunikation vor.
Sind noch keine tragfähigen Aussagen möglich, ist die klare Kommunikation dieses Umstands immer voreiligen und absehbar später überholten Erklärungen vorzuziehen.

5. Gute Erfahrungen in der Krisenkommunikation

Glücklicherweise ereilen Krisen, Notlagen oder Unfälle Unternehmen selten. Wenn, dann meist überraschend und unerwartet. Entsprechend schwer ist die konkrete Vorbereitung auf den Kommunikationsbedarf in der Krise. Genutzt werden können folgende gute Erfahrungen aus der Krisenkommunikation.

a) Internet als Hub nutzen

Gut ist eine geeignete (Presse-) Erklärung im Internet. Bei externen, insbesondere Presseanfragen, kann auf diese verwiesen werden. Dies unterstützt die einheitliche Sprachregelung.

b) Mitarbeiter mitnehmen und einbinden

Die Kommunikation nach innen ist genauso wichtig oder sogar wichtiger als die nach außen: Die eigenen Mitarbeiter (Kunden, Kollegen, Mitglieder) sind der potentiell größte Multiplikator. Die klare Kommunikation nach innen hilft, Spekulationen zu vermeiden. Die eigenen Mitarbeiter (Kunden, Kollegen, Mitglieder) sollten daher in das Kommunikationskonzept eingebunden werden. Andernfalls gibt es beliebig viele Ansprechmöglichkeiten für die Presse.

Abhängig vom Unternehmen muss daran gedacht werden, interne Gremien (Aufsichtsrat, Beirat, Betriebsrat) in die Kommunikation einzubinden. Die gesetzlichen Verschwiegenheitspflichten (zB § 79 BetrVG, § 116 S. 2 AktG), die Mitglieder derartiger Gremien meist treffen, genügen nicht, um eine einheitliche Krisenkommunikation sicherzustellen. Die Gremien müssen inhaltlich von der Bedeutung der einheitlichen Kommunikation überzeugt werden.

c) Si tacuisses …

Schweigen ist schwer, aber richtig. Durchhalten!
Die Erklärung "Während laufender Ermittlungen (Verfahren, Entwicklungen) können wir nicht …" ist abgedroschen, aber hilfreich. Das Problem liegt in der zu befürchtenden Übertragung bekannter Uralt-Skandale (Contergan, VW Diesel-Skandal, WM-Vergabe) auf aktuelle Situationen. Daher gilt auch gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit klarzustellen: Bei zurückhaltender Kommunikation und anfänglichem Schweigen geht es nicht um Vertuschung oder Kumpanei, sondern um die Kontrolle in der konkreten Krisensituation. Es gilt einen Medienhype auf falscher oder unklarer Tatsachenlage zu vermeiden. Am Beispiel Adidas verdeutlicht sehr aktuell, was ohne geeignete begleitende Kommunikation auch bei der Sache nach rechtmäßigem oder wirtschaftlich vernünftigem Tun mit dem Ruf des Unternehmens geschehen kann.

d) Kollegen einbinden

Binden Sie weitere potentielle Adressaten der Presse in die Kommunikation ein:
• Wettbewerber
• Berufsverbände
• berufsständische Vereinigungen
• sonstige auskunftsfähige Einrichtungen

Oft befinden sich diese naheliegenden Adressaten von Presseanfragen in einer vergleichbaren Situation, umso wichtiger ist die Abstimmung von Kommunikation.

e) Aktive Kommunikation

Ist eine inhaltliche Kommunikation möglich, bleiben sie dran! Führen Sie die Kommunikation, zB:
• durch aktive Erklärungen/Presseerklärungen.
• aktualisieren sie diese nach Möglichkeit regelmäßig.
• geben Sie laufende Informationen nach innen in das Unternehmen, um Spekulationen und Nachfragen zu vermeiden.
• setzen Sie einen internen Prozess für die Kommunikation auf:
– Regelmäßige Treffen bzw. Telefonkonferenz vereinbaren, gegebenenfalls mit externen Partnern
– Im vereinbarten Rhythmus (täglich oder mehrfach täglich zu vereinbarten Zeitpunkten) aufrechterhalten, auch wenn es einmal nichts Neues gibt
– Im Außenverhältnis gibt es nur einen Ansprechpartner!

f ) Die Rolle des Anwalts/der Rechtsabteilung

Der Anwalt oder die interne Rechtsabteilung helfen in der Krisensituation nur bedingt – eine außer Rand und Band geratene Presse fängt kein noch so guter Anwalt ein.
Aber: Falsche Tatsachenbehauptungen und strafrechtlich relevante Äußerungen können unterbunden werden. Sie sind aber nicht das akute Problem. Deshalb muss versucht werden, die Kommunikation und Berichterstattung nach Möglichkeit zu kontrollieren. Zugleich sollten die Juristen frühzeitig hinzugezogen werden, um die Interessen- und Risikolage zu analysieren und die Positionierung in der Nach-Krisenphase im Auge zu behalten.

g) Ehrlich aber positiv bleiben!

Bleiben sie mit Ihren Aussagen gerade im Innenverhältnis positiv, aber der erkennbaren Lage angemessen. Offenkundig unrichtige oder unrealistische Kommunikation nach innen ist doppelt schädlich. Realistische, positive und zukunftsgewandte Kommunikation wird von den Mitarbeitern umgekehrt jedoch umso mehr honoriert.

Mitarbeiter, die das Unternehmen durch ungeeignete oder unterlassene Kommunikation tatsächlich oder durch "innere Kündigung" verliert, fehlen dem Unternehmen nach der Krise doppelt.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus dem Werk Tödtmann/von Bockelmann, Arbeitsrecht in Not- und Krisenzeiten.

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1 Kommentar

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"Tatsächlich gehen in aller Regel die internen Verhältnisse eines Unternehmens die Öffentlichkeit gar nichts an, und es muss Ziel des Unternehmens sein, die Verbreitung von Informationen aus dem Unternehmen – vornehmlich auch durch die Arbeitnehmer – zu vermeiden."

In dieser Pauschalität so sicherlich nicht zielführend. Ansonsten weitgehend Zustimmung.

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