Millionenschwere Maskendeals der Abgeordneten sind straflos (OLG München 8 St 3/21)

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 19.11.2021

Vor einigen Monaten erschütterte die „Maskenaffäre“ die CSU. Zwei CSU-Abgeordnete, einer des Bayerischen Landtags, einer des Bundestags, hatten im März 2020  Importeuren von Schutzmasken  einen Deal mit den Zentraleinkäufern von Bundesbehörde (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat) – und Landesbehörde (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) verschafft. Stückpreis für eine (!) FFP2 Maske war 3,60 Euro und insgesamt ging es um mehrere Millionen solcher Masken. Dass sie selbst dabei ordentlich Kasse machten, haben die Abgeordneten natürlich nicht besonders erwähnt.

Dass sie für diese Vermittlungstätigkeit ihren Vertrauensvorschuss bzw. ihre guten Verbindungen als Abgeordnete des bayerischen Landtages bzw. des Bundestages zu nutzen wussten, ist zu Recht als politischer Skandal aufgefasst worden: Vom Volk gewählte Parlamentarier einer Regierungspartei haben sich persönlich an der Coronakrise bereichert. Moralisch ist das ein auf tiefster Stufe stehendes Verhalten.

Ob dieses Verhalten allerdings auch strafrechtlich bedeutsam ist, war von Anfang an sehr fraglich. Die Staatsanwaltschaft hat dies zunächst bejaht, und zwar im Einklang mit dem verbreitetsten Kommentar zum StGB. Thomas Fischer vertritt hier eine strenge Rechtsauffassung, die die Abgeordneten strafrechtlich ähnlich wie Amtsträger in Haftung nimmt. Das mag wünschenswert sein, lässt sich aber kaum mit der Auffassung des Gesetzes in Einklang bringen, das eben in § 108e StGB für die Strafbarkeit von Mandatsträgern eben andere, deutlich gegenüber den §§ 331 ff. StGB limitierte Maßstäbe setzt und den Zusammenhang mit der parlamentarischen Funktion verlangt (Wortlaut: „bei der Wahrnehmung seines Mandats“) .

Ich habe zu diesem Merkmal im Münchener Kommentar StGB wie folgt argumentiert (Auszüge aus § 108e Rn 32 ff., um die Fußnoten gekürzt und entscheidende Passagen hervorgehoben):

Die als Gegenleistung vom Mandatsträger angebotene bzw. geforderte Tätigkeit muss eine Handlung bei der Wahrnehmung des Mandats sein. Einbezogen ist die gesamte Mandatstätigkeit, neben Abstimmungen oder Wahlen im Plenum auch die Mitwirkung bei Verhandlungen und Abstimmungen in Parlaments- und Fraktionsgremien sowie bei der Beratung und Vorbereitung der Beschlussfassung, insbesondere in Parlamentsausschüssen sowie Arbeitskreisen und -gruppen der Fraktionen. (...)  Auch wenn außerhalb von Gremiensitzungen auf parlamentarische Vorgänge Einfluss genommen werden soll, ist dies vom Tatbestand erfasst, einschließlich der Tätigkeit in Parteigremien oder Parteizirkeln, sofern dabei auf andere Angehörige der Volksvertretung eingewirkt wird bzw. werden soll. Im Einzelnen kommen in Betracht zB das Diskussions- und Abstimmungsverhalten in Sitzungen, Aktivitäten bei Vorbereitung von Papieren und Entwürfen, der Einsatz für oder gegen bestimmte Gesetzesvorhaben oder Ansichten. Es kann sich auch um das Unterlassen eines Widerspruchs in Beratungen oder eine Enthaltung bei Abstimmungen handeln. Unbeachtlich ist, ob es sich dabei um eine einzelne Aktivität bzw. ein einzelnes Unterlassen handelt oder um die Förderung eines bestimmten Projekts durch eine Reihe von Maßnahmen.

Eine bloße Tätigkeit „im Zusammenhang mit dem Mandat“ soll hingegen nicht ausreichen.
Keine Wahrnehmung des Mandats liegt vor etwa bei Wahlkampfaktivitäten zur erstmaligen Erlangung eines Mandats oder bei Verhaltensweisen im Rahmen von Nebentätigkeiten des Mandatsträgers. Da auch bei außerparlamentarischen Tätigkeiten die Mandatsträgerschaft in der öffentlichen Wahrnehmung im Vordergrund steht, können sich dadurch zwar va in „Graubereichen, wie etwa Sponsoring, Drittmitteleinwerbung etc.“ Lücken und Umgehungsmöglichkeiten ergeben. Diese sind jedoch wohl zugunsten einer klareren Grenzziehung hinzunehmen.

Das OLG München hat gestern auf Beschwerde der beiden Beschuldigten die Strafverfolgungsmaßnahmen, darunter den Arrest von mehr als 1 Million Euro, die ihnen als ihr „Anteil“ aus dem Gewinn des Geschäfts zuflossen, mangels Tatverdachts aufgehoben.

Der Beschluss ist zwar noch nicht rechtskräftig und die Staatsanwaltschaft hat Beschwerde angekündigt, aber es bestehen große Zweifel, ob diese erfolgreich sein wird.

Ein kleiner Rückblick: Nachdem jahrzehntelang (von 1954 bis 1994) die Bestechung/Bestechlichkeit von Abgeordneten überhaupt nicht strafbar war, wurde dann 1994 mit § 108e StGB eine –  eher symbolische – Norm geschaffen, mit der zunächst nur der Kauf/Verkauf von konkreten Stimmen bei Abstimmungen im Parlament erfasst war. Erst weitere 20 Jahre später hat man, unter internationalem Druck durch die UN Convention against Corruption,  § 108e StGB so umformuliert, dass auch andere parlamentarische Aktivitäten der Abgeordneten erfasst werden können.

Dem Gesetzgeber (also den betroffenen Parlamentariern selbst) war allerdings sehr daran gelegen, dass sie nicht wie Amtsträger ganz von den angenehmen Vorteilen des Lobbyismus ausgeschlossen werden. Die Quelle, von der man gerne trinkt, will man ja nicht austrocknen. Insofern blieb die Strafbarkeit beschränkt auf solche durch Vorteile geförderte Aktivitäten, die gerade die parlamentarische Tätigkeit betreffen.  Einer der schärfsten Kritiker der Abgeordnetenkorruption ist Thomas Fischer, ehem. Vors. Richter am BGH. Kurioserweise ist er nun ausgerechnet in der Kanzlei von Gauweiler/Sauter tätig.

Die immer noch geltenden Einschränkungen haben dazu geführt, dass § 108e auch in der neuen Form ein recht zahnloser Tiger ist. Wenn Abgeordnete ihren Status als Abgeordnete lediglich dazu benutzen, sich Zugang zur Exekutive zu verschaffen und dadurch Gewinne erzielen, ist kein parlamentarischer Akt involviert. Denn nicht das Parlament kauft Masken und das Parlament ist auch nicht an der Auswahl der Vertragspartner beteiligt. Diese, sich aus dem Wortlaut und dem (damaligen) Willen des Gesetzgebers nahezu zwingend ergebende Folgerung hat dazu geführt, dass solche „Nebentätigkeiten“ wie die nicht kostenfreie „Vermittlung“ von Großaufträgen an die Bundes- bzw. Landesbehörden, straflos sind.

In der allgemeinen Wahrnehmung ist der Gedanke verbreitet, alles Unmoralische müsse auch strafrechtlich verboten werden. Das ist – im Hinblick auf eine drohende Überkriminalisierung - nicht unproblematisch. Aber aus meiner Sicht problematischer ist die Umkehrung dieses Gedankens. Die Öffentlichkeit kommt leicht zu der fehlerhaften Annahme, was nicht strafrechtlich verboten sei, sei auch politisch/moralisch in Ordnung. Das ist aber nicht der Fall. Es besteht alle Berechtigung dazu, Abgeordnete, die sich so verhalten, wie es hier geschehen ist, aus der Politik zu entfernen. Eine Partei oder Fraktion, die nicht sofort auf solches die Gemeinschaft schädigendes, egoistisches Verhalten reagiert, muss zu Recht um ihre Wählerstimmen fürchten.

 

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12 Kommentare

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Die LTO-Presseschau:

OLG München zu Masken-Affäre: Das Oberlandesgericht München sieht die Tatbestände der Bestechung und der Bestechlichkeit von Mandatsträgern bei dem CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter und bei dem mittlerweile aus der CSU ausgetretenen Ex-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein nicht erfüllt. Für ihre Vermittlung von Schutzmasken erhielten sie die Gegenleistung nicht – wie vom Wortlaut des § 108 e Strafgesetzbuch vorausgesetzt – bei der Wahrnehmung ihres Mandats, sondern lediglich durch ihre Kontakte bzw. durch die Autorität ihrer Mandate. Die bei Durchsuchungen arrestierten Gelder in Höhe von insgesamt 1,9 Millionen Euro gab das Gericht wieder frei. Das Gericht merkte an, dass ein eklatanter Widerspruch zum allgemeinen Rechtsempfinden vorliege. Die Generalstaatsanwaltschaft München kündigte an, eine Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof einzulegen. Die FAZ (Timo Frasch)SZ (Klaus Ott)LTO und spiegel.de berichten.

Klaus Ott (SZ) geht davon aus, dass die beiden Politiker am Ende wahrscheinlich ohne Verurteilung und Strafe davonkommen und schreibt dem Bundestag eine Verantwortung dafür zu. Thomas Holl (FAZ) sieht das ähnlich und glaubt, dass die beiden juristisch versierten Abgeordneten um die Lücke im Gesetzestext wussten. Jost Müller-Neuhof (Tsp) sieht den Bundestag ebenfalls in der Pflicht, aber bezeichnet es schon als Fortschritt, dass der Vorgang als Skandal gewertet wird.

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Es anscheinend wohl besteht ein Bedürfnis für neue Straftatbestände.

Das Urvertrauen der Menschen, und das Vertrauen in ein friedliches und geordnetes Zusammenleben der Menschen wird schwer gestört, wenn Leute sich in und aufgrund einer krassen Notlage heimlich und hemmungslos ungerechtfertigt auf Kosten der Allgemeinheit ohne adäquate Gegenleistung extrem bereichern.

Dagegen müssen wohl neue Straftatbestände geschaffen werden, wobei diese neuen Tatbestände zu formulieren und zu definieren für den Gesetzgeber nicht einfach werden wird, denn die Tatbestände dürfen nicht zu uferlos sein, und der Wohlstand unserer freien Marktwirtschaft und Leistungsgesellschaft beruht ja darauf, daß Gewinnstreben grundsätzlich gebilligt wird.

Aber auch diejenigen Leute, die den von der Flutkatatrophe getroffenen Menschen im Ahrtal die Häuser geplündert haben, müssen härter bestraft werden, ebenso wie Leute, die während laufender Rettungseinsätze die Beatmungsgeräte aus Notarztwagen und Feuerwehrwagen stehlen.

Es gibt Leute mit einem Grade von Verwerflichkeit und Taten mit einer solch erschütternden Gemeinschädlichkeit, für die die Fantasie der Gesetzgeber bisher offenbar nicht ausreichte, weil der  Gesetzgeber sich wohl nicht vorstellen konnte das es Leute gibt die derart skrupellos sind so etwas zu machen.

Der Staat büßt seinen Achtungsanspruch ein Stück weit ein, wennn er die Bürger vor derart empörenden Taten nicht angemessen schützt bzw. wenn er auf solche Taten nicht hinreichend abschreckend reagiert.

Irgendwelche Hitzköpfe könnten sonst glauben das Vigilantismus legitim würde, was er aber in einem Rechtsstaat selbstverständlich nie legitim werden kann.

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Was Landtags- oder Bundestagsmandat innehabende Volksvertreter angeht, so wäre zu erwägen, auf diese die gleichen Regeln anzuwenden wie auf GmbH-Geschäftsführer. das Volk, das von den Volksvertretern vertreten wird, entspricht quasi den Gesellschaftern der GmbH, und die Volksvertreter sind in einer ähnlichen Position wie GmbH-Geschäftsführer. Wenn man diese Maßstäbe anlegen würde, würden sich viele Politiker wohl nicht rücksichtslos und selbstgefällig mehr so viele Freiheiten herausnehmen, sondern sich verantwortlicher fühlen und verantwortlicher handeln.

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Ich verstehe Sie so, dass Parlamentarier dem Parlament ihre vollständige Arbeitskraft schulden sollen und auch so haften sollen wie ein Geschäftsführer einer GmbH.

Wahrscheinlich wäre das gesetzlich annähernd konstruierbar. Allerdings müsste man dann Parlamentariern auch die gleiche Vergütung anbieten wie einem GmbH-Geschäftsführer. So werden in manchen Landesparlamenten Diäten geleistet, die an ein Lehrergehalt erinnern, aber ohne vergleichbare Arbeitsplatzsicherheit. Will man Spitzenpersonen der Gesellschaft in die Parlamente locken, und nicht nur Geringverdiener, wird man das Abgeordnetenmandat irgendwie attraktiv machen müssen.

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Das zum Schutz der Mandanten geltende, für Rechtsanwälte geltende, Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen, könnte in einem zukünftigen Gesetz vielleicht in ähnlicher Form auch für Abgeordnete gelten, die bei der Wahrnehmung ihres Mandats in erster Linie die Interessen des Gemeinwohl und des Staates im Auge haben sollten, und eigene Interessen hintenanstellen sollten.

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Mich überzeugt das, was sich bisher der Tagespresse über die Beschlüsse des OLG entnehmen lässt, so nicht. Das gewählte Verständnis, wonach die entsprechende Tätigkeit nicht mehr der "Wahrnehmung des Mandates" unterfällt, halte ich für keinesfalls zwingend und aus einer systematischen Betrachtung sogar eher fernliegend. Im Einzelnen:

Unstrittig dürfte - wie oben dargestellt - sein, dass § 108e StGB nicht nur den bloßen Abstimmungsvorgang erfasst. Sonst wäre die letzte Gesetzesänderung vollkommen sinnlos gewesen. Es muss also Tätigkeiten geben, die eine "Wahrnehmung des Mandates" sind, aber nicht nur in der bloßen Abstimmung liegen. Die oben vorgestellte Auslegung bezieht sich dabei allein auf parlamentsbezogene Tätigkeiten des Abgeordneten (Reden, Einwirken auf Ausschüsse usw.). Dieses Verständnis erfasst aber nach heutiger Realität kaum, was ein Mandat ist. Praktisch jeder Abgeordnete dürfte neben der eigentlichen Teilnahme am Parlamentsbetrieb auch Aufgaben wahrnehmen, die in einer allgemeingesellschaftlichen Verantwortung liegen. Insbesondere Gespräche im eigenen Wahlkreis (bzw. im eigenen Bundesland) oder Gespräche mit bestimmten Fachgruppen zu anstehenden Themen dürfte jeder Abgeordnete in mehr oder minder großem Umfang wahrnehmen. Da der Abgeordnete das einzige einer demokratischen Kontrolle unterliegende Glied für eine (zumindest) mittelbare Einflussnahme der Bürger auf Entscheidungen der Exekutive ist, ist dies grundsätzlich unproblematisch und sogar gewünscht. Dazu lässt sich auch nicht einbringen, dass der Abgeordnete zu solchen Tätigkeiten nicht verpflichtet ist. Denn das Grundgesetz sieht auch keine Verpflcihtung des Abgeordneten vor, überhaupt irgendetwas zu tun.

Diese Realität spricht nach meiner Aufffassung grundsätzlich dafür, ein weites Verständnis der "Wahrnehmung des Mandats" anzulegen. Gibt es mit einer solchen Auslegung Probleme mit dem Wortlaut? Ich meine eher nicht. Denn "Wahrnehmung des Mandates" ist kein definierter oder geprägter Begriff. Die Wortlautgrenze wäre erst dort gesprengt, wo der Abgeordnete wirklich rein private Tätigkeiten wahrnimmt: Wer ohne Nennung der eigenen Abgeordneteneigenschaft vom Privattelefon beim Landratsamt anruft und dort zu irgendwas "Druck" macht, der handelt eben nicht als Abgeordneter. Wer dem Landrat eine Brief mit dem Briefkopf des MdB-Büros schickt, tut dies hingegen schon. Und dafür, dass dieses Verständnis des Mandates im Gesetz angelegt ist, finden sich auch Anhaltspunkte. Das Grundgesetz enthält zwar keine umfassende Mandatsdefinition. Es gibt aber zumindest in Art. 38 I 2 GG und noch mehr in Art. 48 II GG dafür Anhaltspunkte, dass die Mandatsausübung nicht aufgespalten werden kann in Parlamentstätigkeit und sonstiger Abgeordnetentätigkeit. Es würde (wohl?) niemand auf die Idee kommen, dass es keine Einschränkung der Ausübung des freien Mandats darstellen würde, wenn einem MdB auf irgendeinem Wege untersagt wird, in Kontakt mit einer Behörde (ob Bund, Land oder Kummune) zu treten und dort Erkundigungen einzuholen oder allgemeine Stellungnahmen zur Tätigkeit der Behörde abzugeben. Wenn aber dieses Inkontakttreten mit einer Behörde schon geschützte Mandatstätigkeit ist, wie kann es dann in § 108e StGB augenommen werden?

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Auch wenn es wünschenswert sein mag, den Abgeordneten bzw. Mandatsträgern auch außerhalb des Parlaments die missbräuchliche Verwendung ihrer Funktion als Parlamentarier strafrechtlich zu verbieten, ist das mE eben gerade nicht der Fall in der geltenden Fassung des § 108e StGB. Das Gericht (und alle anderen Juristen) sind auch nicht etwa völlig frei darin, den Wortlaut so auszulegen, dass dieses Verhalten doch noch erfasst ist. Im Anschluss einige Auszüge aus der sehr ausführlichen Auslegung, die das OLG München in seinem Beschluss mitteilt. Da die Gesetzesänderung erst 2014 erfolgte, hat der Wille des Gesetzgebers, ermittelt aus den Parlamentsmaterialien, neben Wortlaut, Systematik und objektivem Telos, durchaus Relevanz für die Interpretation. Hier ein paar Auszüge (Hervorhebungen von mir):

,,Bei der Wahrnehmung seines Mandates" ist nach dem insoweit eindeutigen Willen des Ge­setzgebers so auszulegen, dass dieses Merkmal ausschließlich bei parlamentarischen Ver­handlungsgegenständen vorliegt und Tätigkeiten nicht erfasst, die - wie das in Rede ste­hende Verhalten des Beschuldigten - darauf abzielen, unter (Aus-}Nutzung der Autorität des Mandats oder der Kontakte des Mandatsträgers einen in der Zuständigkeit einer anderen Stelle liegenden Vorgang zu beeinflussen. Dies ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 108e StGB und den seiner Reform zugrunde liegenden Gesetzesmaterialen.

(a)

Wesentlicher Anlass für die Reform des § 108e StGB war das Bestreben des Gesetzgebers, die Voraussetzung für die Ratifikationen des Strafrechtsübereinkommens des Europarats über Korruption vom 27. Januar 1999 (im Folgenden: ER-Übk) sowie des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003 (im Folgenden: VN-Übk) zu schaffen und die entsprechenden Vorgaben der übereinkommen zu erfüllen (ST-Drucks. 18/476, S. 1 und ST-Drucks. 18/607, S. 1). Er wollte insbesondere die in Art. 3 und 4 ER-Übk und Art. 15 VN-Übk statuierten Pönalisierungspflichten erfüllen, was er auch in den Denkschriften zu den beiden Ratifikationsgesetzen zum Ausdruck gebracht hat (ST-Drucks. 18/9234, S. 34 und Drucksache 18/2138, S. 81).

...

Diesem Entwurf gingen mehrere Entwürfe ande­rer Fraktionen voraus, die sich alle durch das Bestreben auszeichnen, die strafrechtliche Missbilligung einer Bestechlichkeit des Abgeordneten mit Blick auf die vorzunehmende Handlung oder Unterlassung auf dessen parlamentarische Tätigkeiten zu begrenzen.

(aa)

Im Gesetzesentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war das Merkmal „in Aus­übung seines Mandates in der Volksvertretung oder im Gesetzgebungsorgan" vorgesehen (ST-Drucks. 16/6726, S. 3). Damit sollte die Strafbarkeit auf solche Leistungen des Abge­ordneten begrenzt werden, ,,die zum Kernbereich der Mandatsausübung gehören und des­wegen das Schutzgut der freien Willensbildung und -betätigung der demokratisch-parlamen­tarischen Gesetzgebungsorgane unmittelbar tangieren" (ST-Drucks. 16/6726, S. 4, vgl. auch den späteren Entwurf: ST-Drucks. 17/5933, S. 4 f.).

Nach dem Gesetzesentwurf der Fraktion DIE LINKE sollte die Gegenleistung des Abgeord­neten „im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats" stehen (ST-Drucks. 16/8979, S. 4). Damit sollte ein Verhalten im Sinne des§ 13 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages sowie dasjenige in Fraktionen und Arbeitskreisen erfasst werden (ST-Drucks. 16/8979, S. 6). Das Merkmal sollte auch dann erfüllt sein, ,,wenn sich die Tathandlungen auf ein Verhalten in der Bundesversammlung, dem Vermittlungsausschuss, dem Gemeinsamen Ausschuss oder dem Richterwahlausschuss beziehen, da die diesbezügliche Mitgliedschaft direkt an das Mandat anknüpft" (ST-Drucks. 16/8979, S. 6).

Der Gesetzesentwurf der Fraktion der SPD grenzte die Gegenleistung des Abgeordneten mit den Worten „bei der Wahrnehmung seines Mandates" ein (ST-Drucks. 17/8613, S. 2). Nach der dortigen Begründung sollten sämtliche Tätigkeiten in den Parlaments- und Frakti­onsgremien, also Tätigkeiten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Bun­destagsausschüssen, den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen erfasst wer­den. Auch Tätigkeiten in Gremien, wie Bundesversammlung, Vermittlungsausschuss, Ge­meinsamer Ausschuss oder Richterwahlausschuss sollten darunterfallen. Nach Ansicht der SPD-Fraktion handelt der Abgeordnete nicht mehr „bei Wahrnehmung seines Mandats", „wenn er lediglich seine ,Autorität' als Mandatsträger dazu einsetzt, Verwaltungsabläufe in seinem Wahlkreis zu beeinflussen (ST-Drucks. 17/8613, S. 4).

(b)

Diese bereits in den vorherigen Entwürfen aufgenommenen Einschränkungen der Gegen­leistung dahin, dass sie "bei der Wahrnehmung seines Mandats" erfolgen muss, sind in den Entwurf der Regierungsfraktionen eingeflossen, welcher der aktuellen Fassung des § 108e StGB zugrunde liegt. Unter Berücksichtigung der historischen Hintergründe des Entwurfs legen es die von den Regierungsfraktionen zu diesem Tatbestandsmerkmal genannten Bei­spiele (ST-Drucks. 18/4 76, S. 8) nahe, dass sie Handlungen im Blick hatten, die einen ge­wissen parlamentarischen Bezug haben, insbesondere auf parlamentarische Entscheidun­gen, Tätigkeiten, Prozesse oder Ähnliches abzielen. So sollen von diesem Merkmal "sämtli­che Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktionsgremien, also Tätigkeiten im Rahmen der parlamentarischen Arbeit im Plenum, den Bundestagsausschüssen und den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen" erfasst werden. Ebenso sollen Tätigkeiten in Gremien darunterfallen, "die der Bundestag ganz oder teilweise besetzt und die parlamentarische Aufgaben wahrnehmen, wie z. B. Vermittlungsausschuss, Gemeinsamer Ausschuss oder Richterwahlausschuss". Nicht erfasst werden sollten "Verhaltensweisen, die der Mandats­träger als Mitglied eines parteiinternen Gremiums oder im Rahmen einer Nebentätigkeit voll­zieht".

Wie die anschließende Diskussion des Entwurfs im Ausschuss für Recht und Verbraucher­schutz des Bundestags und die dort durchgeführte Expertenanhörung belegen, waren sich die Mitglieder des Ausschusses des Problems der Abgrenzung bewusst, welche von der Unrechtsvereinbarung erfassten Handlungen bzw. Unterlassungen eines Abgeordneten strafbar sein sollten und welche nicht. Die Abgeordnete Dr. Launert äußerte gegen Ende der Anhörung die Befürchtung, dass das Tatbestandsmerkmal "bei der Wahrnehmung des Man­dats" die diesbezüglichen Überlegungen in der Gesetzesbegründung nicht ausreichend wie­dergeben könnte, in der man sich "überwiegend auf die Arbeiten im Parlament" bezogen habe (Protokoll-Nr. 18/7 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, S. 39). Auf ihren Vorschlag, dieses Tatbestandsmerkmal durch die Formulierung "bei parlamentarischer Arbeit" klarer zu fassen, antwortete die Sachverständige Wimmer, dass sie keinen Mehrwert der Formulierung sehe, weil man bei der Auslegung von Gesetzen immer auch in die Ge­setzbegründung blicken und schauen müsse, was der Gesetzgeber gewollt habe (Protokoll­Nr. 18/7 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, S. 39). Wenn man das Schutz­gut und auch die Gesetzesbegründung nehme, werde schon klar sein, was gewollt sei (Pro­tokoll-Nr. 18/7 des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz, S. 39).

Vor diesem Hintergrund hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seinem Be­richt vom 19. Februar 2014 ausgeführt (ST-Drucks. 18/607, S. 8):

,,Der Ausschuss stellt weiterhin fest, dass eine Handlung oder Unterlassung „bei der Wahrneh­mung des Mandats" ausschließlich bei parlamentarischen Verhandlungsgegenständen vorliegt. Nicht erfasst dagegen sind Tätigkeiten außerhalb der durch das Mandat begründeten Zustän­digkeiten, etwa wenn lediglich die Autorität des Mandats oder die Kontakte des Mandatsträgers genutzt werden, um einen in der Zuständigkeit einer anderen Stelle liegenden Vorgang zu be­einflussen."

Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass der Rechtsausschuss des Deutschen Bundes­tags bei der Begrenzung des Tatbestandsmerkmals „bei der Wahrnehmung des Mandats" auf ausschließlich parlamentarische Verhandlungsgegenstände das der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags zugrunde liegende Verständnis des Verhandlungsgegenstands vor Augen hatte. Damit hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass die von § 108e StGB er­fassten Handlungen oder Unterlassungen des Mandatsträgers jedenfalls einen gewissen Bezug zum Parlament aufweisen und auf die Beeinflussung parlamentarischer Tätigkeiten, Entscheidungen, Prozesse oder Ähnliches zumindest abzielen müssen. Mit der Wendung „außerhalb der durch das Mandat begründeten Zuständigkeiten" hat der Rechtsausschuss seine Entscheidung verdeutlicht, Unrechtsvereinbarungen, die ein Handeln oder Unterlas­sen eines Mandatsträgers zum Gegenstand haben, das keine Auswirkung auf einen parla­mentarischen Vorgang hat, also keinen Weg in das Parlament finden wird, nicht pönalisieren zu wollen.

Dieses enge Verständnis des Gesetzgebers der von der Unrechtsvereinbarung erfassten Handlung bzw. Unterlassung des Abgeordneten findet seinen Ausdruck auch in dem von ihm als geschützt angesehenen Rechtsgut. Durch § 108e StGB wollte er "das öffentliche Interesse an der Integrität parlamentarischer Prozesse und der Unabhängigkeit der Man­datsausübung sowie der Sachbezogenheit parlamentarischer Entscheidungen" schützen (ST-Drucks. 18/476, S. 6). Die "freie Willensbildung und -betätigung in den Parlamenten" soll vor unzulässiger Einflussnahme bewahrt werden (ST-Drucks. 18/476, S. 6). Der Straftatbe­stand soll dabei "den Besonderheiten der parlamentarischen Willensbildung Rechnung [ ... ] tragen" (ST-Drucks. 18/476, S. 5).

Der so ermittelte Wille des Gesetzgebers (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, juris Rn. 66) kommt im Wortlaut des§ 108e StGB ausreichend zum Aus­druck.

Das Tatbestandsmerkmal "bei der Wahrnehmung seines Mandats" kann ohne sprachliche Probleme als "ausschließlich bei parlamentarischen Verhandlungsgegenständen" interpre­tiert werden. Das diesen Worten im allgemeinen Sprachgebrauch zugemessene Verständnis und der Sinn dieser Worte werden durch die einschränkende Lesart nicht verfälscht oder gar in das Gegenteil verkehrt. Dass der Wortlaut auch eine weiter gehende Interpreta­tion zulassen würde, spielt für die Auslegung keine entscheidende Rolle (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 23. Juni 2010 - 2 BvR 2559/08, juris Rn. 80).

Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft erfordert er jedenfalls nicht zwingend ein Verständnis des Tatbe­standsmerkmals dahin, dass auch Handlungen oder Unterlassungen des Mandatsträgers erfasst werden müssten, die nicht auf eine Beeinflussung parlamentarischer Entscheidun­gen, Tätigkeiten oder Prozesse abzielen.

Der deutsche Gesetzgeber ... hat auch in der Denkschrift zum "Entwurf eines Gesetzes zu dem übereinkommen der Vereinten Nationen vom 31. Oktober 2003 gegen Korruption" konstatiert, dass ein Straftat­bestand der missbräuchlichen Einflussnahme im deutschen Recht nicht existiere und auch nicht im Zuge der Umsetzung des Übereinkommens geschaffen werden sollte (ST-Drucks. 18/2138, S. 82). "Zuwendungen an Personen, die zwar die von dem Gewährenden erstrebte (Dienst-)Handlung nicht selbst vornehmen können, die aber Einfluss auf den Amtsträger in der zuständigen Verwaltung oder Behörde haben oder vorgeben zu haben", sollten nach dem Willen des deutschen Gesetzgebers daher nicht sanktioniert werden (ST-Drucks. 18/2138, S. 82).

Die vom Senat vorgenommene Auslegung des Tatbestandsmerkmals „bei der Wahrneh­mung seines Mandats" wird von der im Schrifttum vorherrschenden Auffassung im Ergebnis geteilt.

Einige Stimmen stellen dabei ebenfalls maßgeblich auf den in den Gesetzmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers (insoweit a. A. Peters, Korruption in Volks­vertretungen, 2017, S. 276 u. 304) ab. So führt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags aus, dass „ausweislich der Gesetzesbegründung" die mögliche Strafbarkeit auf solches Verhalten beschränkt ist, das sich „im Rahmen der parlamentarischen Arbeit ab­spielt" (Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom 17. De­zember 2014 „Zur Neufassung von§ 108e StGB (Mandatsträgerbestechung)" - WD?-3000- 257/14, S. 10). Derselbe Gedanke findet in der Formulierung, dass „der Gesetzgeber" mit diesem Merkmal „die Begrenzung des Anwendungsbereichs von § 108e StGB auf Tätigkei­ten innerhalb der parlamentarischen Zuständigkeit des Abgeordneten zum Ausdruck brin­gen" wollte, seinen Niederschlag (Busch, Ist die strafwürdige Beeinflussung und Beeinfluss­barkeit von Bundestagsabgeordneten durch § 108e StGB hinreichend geregelt?, 2018, S. 101).

Andere Stimmen schränken die von dem Tatbestandsmerkmal „bei der Wahrnehmung sei­nes Mandats" erfassten Handlungen oder Unterlassungen des Mandatsträgers - ähnlich wie der Senat - dahingehend ein, dass mit diesen „auf parlamentarische Vorgänge Einfluss ge­nommen werden soll" (MüKoStGB/H. E. Müller, 4. Aufl. 2021, StGB § 108e Rn. 32) oder dass „der Abgeordnete auf parlamentarische Prozesse Einfluss zu nehmen versucht" (Kubi­ciel/Hoven, NK 2014, 339, 345). Zwar bringt auch die Ansicht, dass „solche Einschränkun­gen [dieses Tatbestandsmerkmals] nur insoweit gelten dürften, als sich korruptiv beeinflusste Parteibeschlüsse oder Zusicherungen nicht auf Entscheidungen des parlamentarischen Gremiums auswirken, dem der Mandatsträger angehört, bzw. das nebenamtliche Gutachten eines Mandatsträgers nicht zu Gunsten eines Zuwendungsgebers in den parlamentarischen Entscheidungsprozess einfließt" (Schönke/Schröder/Eser, 30. Aufl. 2019, StGB § 108e Rn. 20) einen ähnlichen Gedanken zum Ausdruck.

Da für die Strafbarkeit nach§ 108e StGB die tatsächliche Vornahme der Handlung in Ausübung des Mandats allerdings nicht erfor­derlich ist (ST-Drucks. 18/476, S. 8), ist das Tatbestandsmerkmal „bei der Wahrnehmung seines Mandats" nicht erst dann erfüllt, wenn sich die als Gegenleistung vereinbarte Hand­lung auf Entscheidungen des parlamentarischen Gremiums auswirkt oder wenn sie in den parlamentarischen Entscheidungsprozess einfließt. ,,Bei der Wahrnehmung seines Mandats" ist vielmehr bereits dann erfüllt, wenn die Handlung auf eine Auswirkung oder ein Einfließen abzielt.

Diejenigen Stimmen, die sich in einer negativen Umschreibung des Tatbestandsmerkmals versuchen, führen abstrakt aus, dass es nicht genüge, ,,dass die Tätigkeit in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit dem Mandat steht" (LK/Weiß, StGB, 13. Aufl.,§ 108e Rn. 8), oder erklären, dass Verhaltensweisen „mit lediglich mittelbarem Bezug zur Mandatsaus­übung" nicht erfasst seien (SK-StGB/Sinn, 9. Aufl. § 108e Rn. 9). Konkreter stellt sich die Formulierung dar, dass ein Einwirken des Mandatsträgers auf Verwaltungsverfahren, ,,um sie im Sinne eines Vorteilsgebers zu beeinflussen, ( ... ] keine strafbare Gegenleistung des Tatbestands" sei (Eckhardt, Novellierung der Abgeordnetenbestechung, 2016, S. 110). Ähn­lich verhält es sich mit der Feststellung, dass „die häufigen entgeltlichen Tätigkeiten von Mandatsträgern als Lobbyisten" straflos seien, ,,selbst wenn die Bezahlung des Abgeordne­ten unangemessen hoch und auf unlautere politische Einflussnahme gerichtet sein sollte" (BeckOK StGB/Heintschel-Heinegg, 50. Ed.,§ 108e Rn. 18.1).

Die singulär gebliebene Auffassung, dass sich aus dem Wortlaut der Norm keine Einschrän­kung des Tatbestands ergebe und eine „Wahrnehmung des Mandats" daher auch dann vor­läge, ,,wenn ein Abgeordneter außerhalb seiner parlamentarischen ,Zuständigkeit' die Nähe zu politischen Entscheidungsträgern nutzt, um ,auftragsgemäß' fremde Interessen durchzu­setzen (Fischer, StGB, 68. Aufl.,§ 108e Rn. 28) vermag demgegenüber nicht zu überzeu­gen. Sie steht im Widerspruch zu der von ihr selbst erkannten „Auffassung des Gesetzge­bers" (Fischer, StGB, 68. Aufl.,§ 108e Rn. 27) und kann deshalb den Entscheidungen der an Recht und Gesetz gebundenen Gerichte nicht zugrunde gelegt werden.

bb)

Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe stellen sich die dem Beschuldigten vor­geworfenen Handlungen, nämlich die Kommunikation mit dem Bayerischen Staatsministe­rium für Gesundheit und Pflege mit dem Zweck der Herbeiführung eines Vertragsschlusses zwischen dem Ministerium und der Firma Lomotex, nicht als Handlungen dar, die er "bei der Wahrnehmung seines Mandats" vornahm. Bei der Kommunikation mit der Exekutive solcher handelt es sich - von Großen Anfragen an die Bundesregierung und ihre Beantwor­tung abgesehen, § 75 Abs. 1 Buchst. f) BTGO - grundsätzlich nicht um "parlamentarische Verhandlungsgegenstände". Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen zielten auch nicht darauf ab, einen Vorgang im Bayerischen Landtag zu generieren oder auf einen solchen Einfluss zu nehmen, geschweige denn, eine Entscheidung dieses Parlaments herbeizuführen oder auf eine solche einzuwirken.

Mein Kollege Kubiciel hat nun im Verfassungsblog dezidiert dem OLG München widersprochen und dargelegt, dass aus seiner Sicht, die außerparlamentarische Tätigkeit unter bestimmten - hier gegebenen - Umständen dem Merkmal "bei Wahrnehmung des Mandates" zu subsumieren sei. Auszug (bei Interesse unbedingt im Verfassungsblog den ganzen Artikel lesen)

Indem die Senate den weiten Wortlaut des Tatbestandes auf Grundlage ambivalenter Gesetzesmotive einschränkend interpretieren, nehmen sie eine eigene politische Wertung vor. Sie unterwerfen sich also nicht dem in § 108e StGB zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, sondern bringen diesen erst hervor, um ihn – in einem zweiten Schritt – mit dem deutlich weiter gefassten Wortlaut des Gesetzes gleichzusetzen und damit für verbindlich zu erklären.

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In der Anfangsphase der Corona-Pandemie haben es sich Dutzende von Abgeordneten zur Aufgabe gemacht, Staat und Gesellschaft – unentgeltlich – bei der Beschaffung von Masken und Materialen zu unterstützen. Sie haben damit eindrücklich gezeigt, dass zur Wahrnehmung des Mandats nicht nur parlamentarische Aufgaben und der Einsatz für die Bürger*innen, Vereine und Unternehmen des eigenen Wahlkreises zählen, sondern auch die Unterstützung staatlicher Organisationen durch die Vermittlung von Kontakten. Reiz und Bürde des politischen Mandats ist seine thematisch-sachliche Offenheit. Wer aber in Wahrnehmung seines Mandats handelt, übt nicht nur seine mandatsspezifische Freiheit aus, er (und sie) unterliegt auch den damit korrespondierenden Pflichten.

 Im Übrigen stellen die Gesetzesmotive lediglich phänotypische Gegenpole der Auslegung gegenüber: Zum einen sollen sämtliche Tätigkeiten in den Parlaments- und Fraktionsgremien erfasst sein, zum anderen Nebentätigkeit aus dem Anwendungsbereich fallen. Grenzfälle, in denen Beschuldigte bewusst Mandats- und Nebentätigkeit in arkaner Weise vermengen, thematisieren die Gesetzesmotive nicht. Diese sind nach Maßgabe jenes Zwecks zu beurteilen, den der Gesetzgeber dem § 108e StGB gleichsam „eingeschrieben“ hat.

Ich finde die Ausführungen des Kollegen Kubiciel ebenso wie diejenigen des Kommentators "Mandat" (oben), die in eine ähnmliche Richtung gehen, durchaus bedenkenswert. "Bei Wahrnehmung seines Mandats" ist nach ihnen also nicht als Beschränkung auf die parlamentarische Arbeit zu verstehen, sondern zu definieren als "unter Bezugnahme auf das Mandat". Dies würde - ich sehe das ebenso als wünschenswert an - allerdings bedeuten, dass sich Mandatsträger mit Nebentätigkeiten bei Ausübung ihrer Nebentätigkeit jeweils von ihrer Mandatsträgerschaft aktiv distanzieren müssten. Dass zB die Strafbarkeit Herrn Sauters oder eines anderen Mandatsträgers von dem jeder weiß, dass er Parlamentarier ist, der innerhalb seiner Nebentätigkeit agiert,  allein davon abhängen soll, welche E-Mail-Absenderadresse oder welchen Briefbogen er benutzt, scheint mir eine in der Praxis äußerst schwierig einzuhaltende Subsumtion.

Vielen Dank für die beiden Antworten! Sind die Beschlüsse des OLG München schon irgendwo vollständig abrufbar?

Soweit das OLG München Fischer als "singulär geblieben Auffassung" zitiert, überzeugt mich das jedenfalls in dieser Pauschalität aus einer dogmatischen Sicht nicht. Da Fischer sich - aus naheliegenden Gründen - wohl kaum noch dazu äußern wird, will ich Ihn - oder jedenfalls seine frühere Auffassung - hier mal verteidigen. Denn in dem, was Fischer schreibt, ist die Widersprüchlichkeit, die das OLG zu erkennen meint, nicht enthalten.

Was das OLG vornimmt, ist eine rein historische Auslegung. Es bezieht sich allein darauf, was der Gesetzgeber damals gemeint haben soll. Das halte ich schon inherent für keinesfalls zwingend. Das OLG legt selbst dar, dass es in den Ausschüssen abweichende Verständnisse gab. Ich wäre jedenfalls bei der Auslegung des OLG, wenn im Wortlaut "parlamentarische" Tätigkeit stehen würde. Dann wäre zweifelsfrei nur das umfasst, was im Parlament passiert. Tatsache ist aber, dass es dieser Begriff nicht ins Gesetz geschafft hat.

Die systematische Auslegung kann jedoch mit der historischen Auslegung in Konkurrenz treten. Wer das (allgemein) anzweifelt, müsste einmal erklären, warum der Originalismus in Deutschland - um es ganz vorsichtig auszudrücken - keine breite Anhängerschaft hat, warum das Institut der verfassungskonforme Auslegung überhaupt existent sein kann und wie es sonst möglich sein kann, dass die Gericht allgemein anerkennen, das manche Unsinnigkeiten in Gesetzen als "bloße Redaktionsversehen" abgetan werden dürfen.

Wegen diesem Unterscheid zwische systematischer und historischer Auslegung enthalten auch die beiden Textstellen von Fischer keinen Widerspruch. Was der Gesetzgeber vor seiner Entscheidung gemeint hat, muss nicht das sein, was er in das Gesetz gegossen hat.

Das bedeutet nun natürlich nicht, dass eine vollkommen freie Auslegung möglich wäre. Der Wortlaut bleibt die Grenze und im Übrigen kommt es darauf an, wie eben ausgelegt wird. Zu diesem Aspekt will ich aber nochmals in Erinnerung rufen, dass sich der Schutz des Art. 103 II GG nur auf den Wortlaut bezieht (der vom BVerfG betonte Vertrauensgrundsatz kann hier keine Rolle spielen, weil die Norm noch nie angewandt wurde). Einen Schutz vor einer abweichenden Interpretation einer Norm innerhalb des Wortlauts gibt es nicht. Dass die Auffassung von Fischer nicht mehr mit dem Wortlaut vereinbar wäre, behauptet das OLG nicht und das wird so wohl kaum jemand ernsthaft behaupten.

Das bedeutet nicht, dass die Auslegung des OLG unvertretbar wäre (davon ist sie selbstverständlich weit entfernt). Ebenso ist es aber auch nicht unvertretbar, den Begriff so auszulegen, wie Fischer es getan hat. Mich überzeugt die Argumentation des OLG insoweit nicht, soweit ich sie bisher kenne. Denn beim OLG fehlt die systematische Perspektive weitgehend. Das ist nicht per se fehlerhaft, weil es sich eben im Rahmen der methodisch vertretbaren Auslegung bewegt. Ich würde einen anderen Schwerpunkt setzen - nur bin ich eben nicht das zur Entscheidung berufene Gericht. Welche Gewichtung der BGH vornehmen wird, bleibt offen. Der BGH kontrolliert aber auch nicht allein auf bloße Vertretbarkeit der Rechtsauffassung, sonder setzt seine eigene Rechtsauffassung ein.

Dass es zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen kann, ist für mich kein durchschlagendes Argument. Auch bei Verwendung der falschen Mailaddresse braucht es noch eine Unrechtsvereinbarung, die nicht bei jedem versehentlichen Nutzen eines falschen Briefkopfs vorliegt.

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Die eine Frage ist die strafrechtliche Sanktionierung - wie aber sieht es um die "Provision" aus? Im Zivilrecht ist "normalerweise" über eine § 667 eine sehr strenge und weite Herausgabepflicht im Falle eines Geschäftsbesorgungsvertrags. Gibt es für Abgeordnete keine vergleichbare Herausgabepflicht? 

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Die LTO-Presseschau:

OLG München zu Masken-Affäre: Das Oberlandesgericht München sieht in den Maskendeals des Ex-CSU-Bundestagsabgeordneten Georg Nüßlein und des CSU-Landtagsabgeordneten Alfred Sauter keinen Fall der Abgeordnetenbestechlichkeit gem. § 108e Strafgesetzbuch (StGB). Die Münchner Entscheidungen seien nicht unbedingt falsch, meint Christian Rath (Sa-taz) in seinem Kommentar. Als der Strafparagraf zur Abgeordnetenbestechung vor einigen Jahren verschärft wurde, hätten alle Fraktionen betont, dass sich die Strafbarkeit nur auf die parlamentarische Tätigkeit beziehen dürfe. Das OLG könne sich also auf die historische Auslegung berufen, obwohl das Vorgehen der Abgeordneten vom Wortlaut des § 108e gedeckt sein dürfte.

Rechtsprofessor Michael Kubiciel sieht im Verfassungsblog, anders als die Richter in ihrem Beschluss, nicht die Notwendigkeit einer Änderung von § 108e StGB. Der Tatbestand sei bereits jetzt weit gefasst. Um die wenigen schwarzen Schafe zu erfassen, sei eine wortlautgetreue und zweckorientierte Anwendung des § 108e StGB vollkommen ausreichend.

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Die LTO-Presseschau:

Abgeordnetenbestechung: Die SZ (Klaus Ott) beleuchtet den rechtspolitischen Teil der Beschlüsse des Oberlandesgerichts München von letzter Woche zu den Masken-Deals der damaligen CSU-Abgeordneten Georg Nüßlein und Alfred Sauter. Das OLG regte an, den Paragrafen § 108e StGB (Abgeordnetenbestechung) auf Vorgänge auszuweiten, in denen Parlamentarier als Gegenleistung für eine Zuwendung Einfluss auf Entscheidungen außerhalb des Parlaments nehmen. Bisher ist § 108e (nach Auslegung des OLG) auf Handlungen in den Parlamenten beschränkt, weshalb die Ermittlungsverfahren gegen Nüßlein und Sauter, die sich gegen Geld bei Ministerien für bestimmte Masken-Händler eingesetzt hatten, vom OLG als unzulässig eingestuft wurden.

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