BAG: Was sind die Folgen einer rechtswidrigen SE-Beteiligungsvereinbarung?

von Achim Kirchfeld, veröffentlicht am 29.08.2023

Unwirksamkeit, Teilunwirksamkeit, ergänzende Auslegung? Das BAG hatte die Frage zu klären, was passiert, wenn nachträglich festgestellt wird, dass eine SE-Mitbestimmungsvereinbarung so nicht hätte abgeschlossen werden dürfen (Beschluss vom 23. März 2023, 1 ABR 43/18; BeckRS 2023, 20030).

SE-Formwechselgründung mit paritätischer Mitbestimmung

Gegenstand der Entscheidung ist die Beteiligungsvereinbarung einer durch Formwechsel gegründeten SE. Der frühere Aufsichtsrat der Gründungsgesellschaft hatte gemäß § 7 MitbestG insgesamt 16 Mitglieder mit acht Arbeitnehmervertretern einschließlich zwei Vertretern von Gewerkschaften. Die SE-Beteiligungsvereinbarung führte das Exklusivrecht der Gewerkschaften für die zwei Sitze nur eingeschränkt fort. Es sollte weitergelten, solange der Aufsichtsrat aus 16 Mitgliedern bestand. Für den Fall der Verkleinerung auf zwölf Sitze sollte es jedoch entfallen. Gegen die Wirksamkeit dieses Teils der Gesamtvereinbarung wendeten sich die betroffenen Gewerkschaften.

Beteiligungsvereinbarung verletzt Gewerkschaftsrecht

In seiner Entscheidung stellt der Senat fest, dass der mögliche Wegfall der Sitzgarantie für Gewerkschaftsvertreter gegen § 21 Abs. 6 SEBG verstößt. Nach dieser Vorschrift muss in einer Beteiligungsvereinbarung beim SE-Formwechsel „in Bezug auf alle Komponenten der Arbeitnehmerbeteiligung zumindest das gleiche Ausmaß [wie in der Gründungsgesellschaft] gewährleistet werden.“ Diese Einschätzung hatte der Senat bereits in einem früheren Beschluss zu diesem Verfahren (hierzu mein Beitrag vom 26. November 2020) geäußert. Die Auslegung war anschließend vom EuGH bestätigt worden (hierzu der Beitrag von Prof. Dr. Christian Rolfs vom 24. Oktober 2022).

Gesamtunwirksamkeit der betroffenen Teilregelung

Als Folge des Verstoßes, so der Senat, sei die gesamte auf eine mögliche Verkleinerung des Aufsichtsrats bezogene Teilregelung unwirksam. Eine nur teilweise Unwirksamkeit dieser Teilregelung komme nicht in Betracht. Denn die übrigen Regelungen enthielten keine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung zur Bestimmung der Arbeitnehmerbank in einem verkleinerten Aufsichtsrat.

Kein Lückenschluss durch Mitbestimmung kraft Gesetzes

Auch per ergänzender Auslegung könne die Lücke nicht geschlossen werden. Dabei könne insbesondere nicht auf die Regeln der Mitbestimmung kraft Gesetzes (§§ 34 ff. SEBG) zurückgegriffen werden. Diese gelten regelmäßig subsidiär, wenn bei einer SE-Gründung keine Einigung auf eine Vereinbarung zustande kommt. Hier auf die Mitbestimmung kraft Gesetzes zurückzugreifen, so der Senat, werde dem europarechtlich gebotenen Vorrang einer Verhandlungslösung nicht gerecht. Den Partnern einer teilunwirksamen Beteiligungsvereinbarung sei stattdessen zunächst die Möglichkeit zu neuen Verhandlungen zu geben.

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