LAG Berlin-Brandenburg: Kündigung wegen unterlassener Krankmeldung bei Krankenhausaufenthalt

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 27.11.2023
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht3|1988 Aufrufe

Muss eigentlich ein Arbeitnehmer, der sich in stationäre Krankenhausbehandlung begibt, seinen Arbeitgeber hierüber informieren? Stellt es gar eine gravierende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar, die den Arbeitgeber zur außerordentlichen Kündigung berechtigt, wenn der Arbeitnehmer dies unterlässt? Mit diesen praktisch wichtigen Fragen beschäftigt sich eine neuere Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg 13.7.2023 – 10 Sa 625/23, BeckRS 2023, 26162). Der Fall lag wie folgt: Die klagende Arbeitnehmerin erkrankte am 18. Juli 2020 und wurde zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus aufgenommen. Umstritten war, ob der Arbeitgeber durch eine Freundin oder durch die Tochter der erkrankten Arbeitnehmerin über den Krankenhausaufenthalt informiert wurde. Jedenfalls setzte der Sozialdienst des Krankenhauses am 10. August 2020 den Arbeitgeber per E-Mail über die stationäre Behandlung in Kenntnis. Am darauffolgenden Tag kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos. Hiergegen richtet sich die Kündigungsschutzklage der Arbeitnehmerin. Vor dem LAG hatte sie damit Erfolg.

Das LAG stellt zunächst klipp und klar fest: „Ein arbeitsunfähiger Mensch fehlt nicht unentschuldigt, egal ob er diese Arbeitsunfähigkeit anzeigt oder nachweist.“ Von daher kann es von vornherein nur um eine Nebenpflichtverletzung gehen, nämlich die Pflicht, die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber anzuzeigen. Hier allerdings zeigt sich die Bedeutung der Abmahnung, an der es vorliegend fehlte: „Selbst wenn die Klägerin zuvor wochenlang ihre Anzeige- und/oder Nachweispflicht aus dem EFZG verletzt haben sollte, handelte es sich um eine auf steuerbarem Verhalten der Klägerin beruhende Vertragspflichtverletzung. Bei derartigen Pflichtverletzungen ist nach der ständigen Rechtsprechung des BAG grundsätzlich davon auszugehen, dass ihr künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Sie dient der Objektivierung der negativen Prognose.“ Abschließend resümiert das LAG, dass der Sachverhalt keinerlei Anhaltspunkt gebe, weshalb nur die fristlose Kündigung ein etwaiges Fehlverhalten der Klägerin angemessen sanktionieren kann (und nicht eine Abmahnung oder eine fristgemäße Kündigung).

 

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3 Kommentare

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Moin!

Frage zum Urteil: war der AN noch kommunikationsfähig und hat zB einfach keine Lust gehabt, sich beim Arbeitgeber zu melden oder war er evtl psychisch oder körperlich so angeschlagen, dass er dazu objektiv nicht in der Lage war?
Steht dazu etwas im Urteil?

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