EU-Plattform-Richtlinie

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 08.04.2024

Markus Stoffels hatte es im März bereits berichtet: Nachdem es lange Zeit so aussah, als scheitere die EU-Plattform-Richtlinie in dieser Legislaturperiode (bereits Anfang Juni 2024 wird ja das neue EU-Parlament gewählt, damit wäre der bisherige Entwurf der Diskontinuität anheimgefallen), hat die belgische EU-Ratspräsidentschaft doch noch einen Kompromiss erreichen können: Nicht die EU selbst, sondern die Mitgliedstaaten legen Kriterien fest, bei deren Erfüllung vermutet wird, dass ein Plattformbeschäftigter Arbeitnehmer ist.

Die zentralen Art. 4 und 5 der Richtlinie lauten jetzt:

Artikel 4. Korrekte Bestimmung des Beschäftigungsstatus

(1) Die Mitgliedstaaten halten geeignete und wirksame Verfahren bereit, mit denen die korrekte Bestimmung des Beschäftigungsstatus von Personen, die Plattformarbeit leisten, überprüft und gewährleistet wird, um – unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs – feststellen zu können, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, wie es in den Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder gemäß den Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten definiert ist, einschließlich über die Anwendung der Vermutung eines Arbeitsverhältnisses gemäß Artikel 5.

(2) Die Feststellung, ob ein Arbeitsverhältnis besteht, stützt sich in erster Linie auf die Tatsachen, die sich auf die tatsächliche Arbeitsleistung beziehen, einschließlich des Einsatzes automatisierter Überwachungs- oder Entscheidungssysteme bei der Organisation der Plattformarbeit, wobei die Frage, wie das Verhältnis in einer eventuell zwischen den beteiligten Parteien geschlossenen vertraglichen Vereinbarung eingestuft wird, unerheblich ist.

(3) Wird das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses festgestellt, so ist nach nationalem Recht eindeutig anzugeben, welche Partei oder Parteien die Verpflichtungen des Arbeitgebers übernimmt bzw. übernehmen.

 

Artikel 5. Gesetzliche Vermutung

(1) Das Vertragsverhältnis zwischen einer digitalen Arbeitsplattform und einer Person, die Plattformarbeit über diese Plattform leistet, wird rechtlich als Arbeitsverhältnis angesehen, wenn gemäß den nationalen Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder den Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs Tatsachen, die auf Kontrolle und Steuerung hindeuten, festgestellt werden. Möchte die digitale Arbeitsplattform die gesetzliche Vermutung widerlegen, hat sie nachzuweisen, dass das betreffende Vertragsverhältnis kein Arbeitsverhältnis im Sinne der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder Gepflogenheiten ist, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu berücksichtigen ist.

(2) Zu diesem Zweck legen die Mitgliedstaaten eine wirksame widerlegbare gesetzliche Vermutung des Arbeitsverhältnisses fest, die eine Erleichterung des Verfahren zugunsten von Personen, die Plattformarbeit leisten, darstellt; ferner stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass diese gesetzliche Vermutung nicht dazu führt, dass die Belastung von Personen, die Plattformarbeit leisten, oder von ihren Vertretern durch Anforderungen im Verfahren zur Bestimmung ihres Beschäftigungsstatus erhöht wird.

(3) Die gesetzliche Vermutung gilt in allen einschlägigen Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, wenn es um die korrekte Bestimmung des Beschäftigungsstatus der Person geht, die Plattformarbeit leistet. Die gesetzliche Vermutung gilt nicht in Verfahren, die Steuerfragen, Strafsachen oder Sozialversicherungsfragen betreffen. Die Mitgliedstaaten können jedoch die gesetzliche Vermutung in diesen Verfahren nach nationalem Recht anwenden.

Den gesamten Kompromisstext finden Sie hier.

Die formelle Verabschiedung im Europäischen Parlament gilt als Formsache.

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