AG Bautzen: Nur die Cannabismenge ist einzuziehen, die die Freigrenze des § 3 Abs. 2 KCanG überschreitet

von Prof. Dr. Jörn Patzak, veröffentlicht am 07.06.2024

Sachverhalt:

Dem Beschuldigten wird vorgeworfen, in seiner Wohnung vier Cannabispflanzen zum Eigenkonsum angebaut zu haben. Diese Pflanzen wurden am 12.5.2024 in einem eigens dafür errichteten Anbauzelt in der Wohnung jeweils in einem Gefäß bei einer Durchsuchungsmaßnahme aufgefunden, zudem ca. 47 g Cannabisblüten in zwei Gläsern in einem Küchenschrank. Pflanzen und Cannabisblüten wurden sichergestellt.

Der Beschuldigte verlangt die Herausgabe sämtlicher von der Polizei sichergestellten Gegenstände.

Entscheidung des AG Bautzen (Beschluss vom 27. Mai 2024 – 47 Gs 409/24 –, juris):

Das AG Bautzen hat entschieden, dass lediglich die Beschlagnahme einer Cannabispflanze richterlich zu bestätigen war, da die (vierte) Cannabispflanze nebst Pflanztopf sowohl als Beweismittel dient, als auch der späteren Einziehung im Hauptverfahren nach § 37 KCanG, § 74 StGB unterliegt.

Den Antrag der Staatsanwaltschaft auf richterliche Bestätigung der Beschlagnahme der sichergestellten drei weiteren Cannabispflanzen und der beiden Glasbehälter mit den Cannabisblüten lehnte es dagegen ab.

Es geht nämlich davon aus, dass bei Überschreitung der erlaubten Menge nach § 3 Abs. 2 KCanG nur die Gegenstände der Beschlagnahme zum Zwecke der Sicherung der späteren Einziehung unterliegen, die die Freigrenzen überschreiten.

In Entscheidungsbegründung heißt es u.a. wie folgt:

a) Beschlagnahme als Einziehungsgegenstand:

Nach der mit dem CanG getroffenen gesetzgeberischen Entscheidung zur Neuausrichtung im Umgang mit Cannabis sind in gewissen Grenzen unter anderem Besitz und Anbau von Cannabis erlaubt. Damit einhergehend stehen diese erlaubten Tätigkeiten auch nicht (mehr) unter Strafe. Konkret ist nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KCanG der Besitz von bis zu 50 g Cannabis am Wohnsitz (Buchst. a) und der Besitz von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen (Buchst. b) erlaubt. Das Additionsverbot von § 3 Abs. 2 Satz 2 KCanG erfasst nicht die Gegenstände und Mengen nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a und b KCanG.

Anders als die Staatsanwaltschaft ist das Gericht nicht der Auffassung, dass sich die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat des unerlaubten Anbaus von Cannabis auf alle vier lebenden Cannabispflanzen bezieht und damit alle vier Pflanzen der Beschlagnahme (zur Sicherung der späteren Einziehung) unterliegen. Der Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen gleichzeitig zum Eigenkonsum ist nicht nur gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 KCanG straflos, sondern nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b KCanG gesetzlich erlaubt. Die in diesem Rahmen erlaubte Tätigkeit wird nicht dadurch insgesamt zur unerlaubten Tätigkeit, da die erlaubte Menge (hier um eine lebende Cannabispflanze) überschritten wird. Eine derartige Auslegung wäre nach Auffassung des Gerichts contra legem. Gleiches gilt im Ergebnis beim Zusammentreffen des Besitzes der nach § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KCanG erlaubten Menge mit dem gleichzeitigen Anbau von bis zu drei lebenden Cannabispflanzen zum Eigenkonsum, da das Additionsverbot insoweit nicht eingreift. Das Gericht ist sich durchaus bewusst, dass dies im Ergebnis dazu führen dürfte, dass die Ermittlungsbehörden die erlaubten Mengen Cannabis abwägen bzw. abzählen und beim Beschuldigten belassen oder an zurückgeben werden müssen.

b) Beschlagnahme als Beweisgegenstand:

Eine Beschlagnahme der drei weiteren Cannabispflanzen und der 47,494g Cannabisblüten nach §§ 94, 98 Abs. 2 StPO als Beweisgegenstand kommt ebenfalls nicht in Betracht. Die Staatsanwaltschaft hat bereits nicht vorgetragen, zu welchen Beweiszwecken diese Gegenstände im Strafverfahren Verwendung finden sollen. Es zeigt sich auch nicht als erforderlich, die Gegenstände als potentielle Beweismittel vorerst im staatlichen Gewahrsam zu belassen. Denn eine fotografische Sicherung der Gegenstände ist erfolgt. Nach den Ausführungen der Mitbeschuldigten besteht auch kein Zweifel daran, dass es sich jeweils um Cannabis bzw. Cannabispflanzen handelt. Auch hat der Beschuldigte dies dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er „sein Cannabis“ zurückgefordert hat.

Meine Meinung zur Entscheidung:

Ich halte die Entscheidung für richtig, denn ich vertrete ebenfalls die Auffassung des AG Bautzen. Siehe dazu meinen Blog-Beitrag vom 19.5.2024 (dort Ziffer 6).

 

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