LAG Niedersachsen legt dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO vor

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 22.07.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|1302 Aufrufe

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in den Rechtsstreit einführt, verwertbar sind, ist nicht neu. Sie wird heutzutage vor allem unter datenschutzrechtlichen Vorzeichen geführt. Das LAG Niedersachen (vom 18.7.2024 -8 Sa 688/23) hat jetzt diesbezüglich mehrere Fragen dem EuGH zur Beantwortung vorgelegt. Sie stellen sich in folgendem Fall:

Die Arbeitgeberin verklagt eine ausgeschiedene Arbeitnehmerin auf Schadenersatz in Höhe von rd. 46.000 Euro. Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe unbefugt Gegenstände aus dem privaten Firmeneigentum an Dritte veräußert und sich am Erlös bereichert. Die Klägerin stützt ihre Erkenntnisse über die Veräußerungsvorgänge auf eine ohne Wissen und Willen der Beklagten erfolgte Einsichtnahme in deren privates ebay-Konto. Auf welche Weise die Klägerin die Kenntnis der ebay-Benutzerkennung der Beklagten und des zugehörigen Passwortes erlangt hat, ist zwischen den Parteien streitig.

Das LAG Niedersachsen hat in dieser Rechtssache beim EuGH ein Vorabentscheidungsverfahren anhängig gemacht. Der EuGH hat in seinen Urteilen vom 24. März 2022 - C-245/20 - (Autoriteit Persoonsgegevens) in Rn. 25 und vom 2. März 2023 – C-268/21 – (Norra Stockholm Bygg AB) in Rn. 26 deutlich gemacht, dass auch justizielle Tätigkeit, soweit dabei Daten verarbeitet werden, in den Geltungsbereich der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) fällt. Mit der ersten Vorlagefrage soll Klarheit darüber geschaffen werden, ob die Regelungen des deutschen Zivilprozessrechts bestimmt genug sind - d.h., die erforderliche Regelungstiefe aufweisen -, um den Anforderungen der DSGVO zu genügen. Des Weiteren wird der Gerichtshof - kurz zusammengefasst - gefragt, welche der Normen der DSGVO auf gerichtliche Datenverarbeitungstätigkeit Anwendung finden und welche Rechtsgrundsätze hierbei von den Gerichten zu beachten sind. Die Beantwortung der Fragen durch den Gerichtshof kann über die konkrete Rechtssache hinaus in allen Fällen hilfreich sein, in denen die nationalen Gerichte zu beurteilen haben, ob und unter welchen Voraussetzungen möglicherweise rechtswidrig erlangte Kenntnisse und Beweismittel, die eine Partei in den Rechtsstreit einführt, von ihnen verwertet werden können.

Das Verfahren wird beim EuGH unter dem Aktenzeichen C-484/24 geführt.

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