Fahrverbotsfeindliche Verfahrensdauer: Tritt normalerweise 2 Jahre nach Tat ein!

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 24.09.2024
Rechtsgebiete: Verkehrsrecht2|965 Aufrufe

Eine Fahrverbotsanordnung kann ihren erzieherischen Sinn verloren haben, wenn das Fahrverbot zu lange nach der tat festgesetzt wird. Die Grenze hierfür liegt nach h.M. in der Regel bei 2 Jahren:

 

Insbesondere ist das Erkenntnis des Bußgeldgerichts, von der Verhängung des nach BKatV bei der hier vorliegenden Geschwindigkeitsüberschreitung um 49 km/h indizierten Fahrverbots vermittels Kompensation durch eine Verdoppelung der Geldbuße abzusehen, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

 Der Verhängung des Fahrverbots steht grundsätzlich nicht entgegen, dass die Ordnungswidrigkeit bereits 22,5 Monate vor der angefochtenen Entscheidung des Bußgeldgerichts begangen worden war. Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (vgl. BT-Drucks. V/1319, S. 90; BVerfGE 27, 36, 42). Das Fahrverbot kann deshalb seinen Sinn verloren haben, wenn seit dem Verkehrsverstoß ein erheblicher Zeitraum vergangen ist (vgl. KG StraFo 2007, 518 m. w. N.). Wann bei langer Verfahrensdauer der Zeitablauf entweder allein oder zusammen mit anderen Umständen ein Absehen vom nach der BKatV indizierten Fahrverbot rechtfertigen kann, ist eine Frage des Einzelfalls, die dem Tatrichter einen Beurteilungsspielraum eröffnet.

 Nach gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist der Sinn des Fahrverbots in Frage zu stellen, wenn die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt (vgl. OLG Hamm DAR 2012, 340; OLG Celle VRS 108, 118; OLG Karlsruhe DAR 2005, 168; OLG Bamberg DAR 2008, 651 m. w. N.; ständige Senatsrspr., vgl. statt vieler: Beschluss vom 05. Februar 2021 – 1 OLG 53 Ss-OWi 6/21; s. a. König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage, zu § 25 StVG, Rz. 24 m. zahlr. N.). Hinsichtlich dieser Zweijahresfrist kommt es auf den Zeitraum zwischen Tatbegehung und letzter tatrichterliche Verhandlung an, da der Tatrichter den sich anschließenden Zeitraum zwischen seiner Entscheidung und deren Rechtskraft nicht berücksichtigen kann und das Rechtsbeschwerdegericht lediglich zu prüfen hat, ob das Urteil des Bußgeldgerichts auch den Rechtsfolgenausspruch, insbesondere die Verhängung und Begründung des Fahrverbots, betreffend Rechtsfehler aufweist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. März 2011- 3 RBs 70/10; OLG Oldenburg, Beschluss vom 03. August 2011- 2 BsSs 172/11; jeweils zitiert nach juris).

 Selbst ein Zeitablauf von zwei Jahren zwischen Tatbegehung und tatrichterlichem Urteil führt nicht automatisch zu einem Absehen von einem Fahrverbot. Er beinhaltet lediglich einen Anhaltspunkt dafür, dass eine tatrichterliche Prüfung dazu, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck noch erfüllen kann, geboten ist. Bei einem Zeitablauf von mehr als zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es nach Auffassung des Senats besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (vgl. OLG Düsseldorf MDR 2000, 829; s. zum Ganzen auch: König in: Hentschel/Dauer/König a. a. O.).

 Im vorliegenden Fall war die Zweijahresfrist bei der Entscheidung des Amtsgerichts noch nicht abgelaufen. Die Kompensation seines Wegfalls durch eine Verdoppelung der Geldbuße ist deshalb nicht zu beanstanden.

OLG Brandenburg Beschl. v. 15.7.2024 – 1 ORbs 134/24, BeckRS 2024, 19453

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Ich weise hin auf die Entscheidung des BVerfG, 21.12.2022 - 2 BvR 378/20 – dejure.org Bekanntlich hat das BverfG mit dieser Entscheidung einen ganzen Stall voll Straftatbestände erfüllt, u.a. sukzessive Beihilfe zum Mord. Die Mörder hatten von Anfang an darauf spekuliert, dass der Rechtsstaat auch in ihrem Fall nicht funktionieren würde und sie für ihren Mord nie zur Rechenschaft gezogen werden würden. Indem das BverfG durch das Zunichtemachen aller Möglichkeiten zur Aufklärung des Mordes diese Spekulation wahr werden lässt, begeht das BverfG Sukzessive Beihilfe zum Mord.

Der Mord an Ouri Jallow hätte aufgeklärt werden können, wenn das Verfahren der Klageerzwingung nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung geführt worden wäre: BGH kippt Freispruch im Fall C in Dessau nach dessen Tod im Polizeigewahrsam | Page 8 | beck-community

An dem aktuellen Beispiel dieses Justizskandals kann man sehen, wie wichtig ein funktionierendes Verfahren der Klageerzwingung nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung wäre:

Beschwerden verworfen: Keine Ermittlungen nach Antisemitismus-Eklat bei documenta (msn.com)

Gericht bestätigt: Keine Antisemitismus-Ermittlungen gegen Documenta-15-Künstler (msn.com)

KURZMELDUNGEN - Kultur: Keine Ermittlungen nach Antisemitismus-Eklat bei documenta (msn.com)

Documenta: Kunst, Justiz und Judenhass | Jüdische Allgemeine (juedische-allgemeine.de)

Jerzy Montag [ˈjεʒɨ] (* 13. Februar 1947 in KatowicePolen) ist ein deutscher Politiker (Bündnis 90/Die Grünen).

Sonderermittler

Montag war neben Manfred Nötzel einer der beiden Sonderberater des Landtags von Sachsen-Anhalt zum Fall Ouri Jallow. Bei der Vorstellung des Abschlussberichts am 28. August 2020 warf er der Polizei fehlerhafte bzw. rechtswidrige polizeiliche Maßnahmen vor, sah allerdings keine Ansätze für neue Ermittlungen.[7] Obwohl zum Zeitpunkt der Erstellung des Sonderberichts bereits durch mehrere wissenschaftliche Gutachten nachgewiesen worden war, dass Ouri Jallow sich in seinem gefesselten Zustand gar nicht selbst angezündet haben konnte und damit das staatliche Narrativ von einer Selbstentzündung nach Art eines sommerlichen Heuballens widerlegt worden war, stellte Jerzy Montag aus politischem Kalkül alle Mordvorwürfe gegen die diensthabenden Polizeibeamten wider jedes bessere Wissen in Abrede.[8]

Einzelnachweise

  1.  Christian Jakob: Jerzy Montag über Fall Ouri Jallow: „Keine zweite Anklage“. In: Die Tageszeitung: taz. 29. Oktober 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 28. August 2020]).

  2.  Juristische Ausführungen zum Fall Ouri Jallow, abgerufen am 14. August 2024

In meinem Verteiler befindet sich seit letzten Herbst u.a. auch Katharina Schulze. Das Problem, dass das eMail-Postfach des Adressaten überläuft und deswegen Mails an mich zurückkommen, kenne ich gut von besagter Katharina Schulze. Das war im Fall von Katharina Schulze bisher zwei Mal der Fall, um Neujahr herum und zuletzt Ende Juni. Das einzige, was ich von Katharina Schulze höre, sind von Zeit zu Zeit automatisierte Abwesenheitsagenten ihrer Mitarbeiter, wenn sich der betreffende Mitarbeiter allgemein, offenbar an alle in seinem elektronischen Adressbuch, in den Urlaub oder sonstwohin verabschiedet. Sonst höre ich von Katharina Schulze nichts, gar nichts, und ich wüsste auch nicht, warum sich das in Zukunft nochmal ändern sollte.

Ist hier gerade die Rede von der Zeitenwende?

Der Aufsatz HRRS 2016, 29 stellt die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO auf eine gesetzliche Grundlage.

So allmählich sieht ja auch die Justiz ein, dass die Klageerzwingung einer gesetzlichen Grundlage bedarf: VIS Berlin - 80/22 | Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin | Beschluss | Verfassungswidrige Zurückweisung eines Klageerzwingungsantrags aufgrund überspannter ...

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Der Aufsatz HRRS 2016, 29 stellt die Verfahren nach den §§ 172 ff StPO auf eine gesetzliche Grundlage.

So allmählich sieht ja auch die Justiz ein, dass die Klageerzwingung einer gesetzlichen Grundlage bedarf: VIS Berlin - 80/22 | Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin | Beschluss | Verfassungswidrige Zurückweisung eines Klageerzwingungsantrags aufgrund überspannter ...

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