§ 15a RVG ist auch auf "Altfälle" anzuwenden

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 14.08.2009

Das OLG Stuttgart hat im Beschluss vom 11. 08. 2009,-8 W 339/09- zutreffend entschieden, dass der am 5. August 2009 in Kraft getretene § 15a RVG keine Gesetzesänderung im Sinne des § 60 Abs. 1 RVG beinhaltet, sondern lediglich eine Klarstellung des Gesetzgebers zu den bisherigen Anrechnungsregeln. § 15a RVG ist nach dieser Entscheidung auch auf noch nicht abschließend entschiedene "Altfälle" anzuwenden. Es bleibt zu hoffen, da sich diese zutreffende Rechtsauffassung in breiter Front in der Rechtsprechung durchsetzen wird, um die Auswirkungen ihrer unglücklichen BGH Rechtsprechung möglichst gering zu halten.

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5 Kommentare

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Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,

wie immer kann man das und wird das auch anders gesehen:

http://blog.beck.de/2009/06/27/keine-bindungswirkung-der-bgh-entscheidungen-in-der-anrechnungsfrage-mehr#comment-19173.

Für Klarheit wird wohl wiederum der BGH sorgen.

Ich möchte daher die nachfolgenden, nicht abgeschlossenen Überlegungen zur Diskussion stellen. Sie weichen von den bisher veröffentlichten Entscheidungen/Überlegungen zu den "Altfällen" ab:

§ 60 Abs. 1 RVG mag für die Anwendung des § 15a Abs. 2 RVG tatsächlich nicht maßgeblich sein. Diese Annahme könnte darauf gestützt werden, dass mit der Norm Erstattungsfragen (an dieser Stelle ein wenig systemwidrig?) geregelt werden, die u.a. § 91 ZPO und § 162 VwGO modifizieren. Handelt es sich aber tatsächlich um eine Änderung der Kostenerstattungsvorschriften, dann stützten sich Kostenentscheidungen vor dem Inkrafttreten des § 15a RVG auf die alte Fassung der Erstattungsvorschrift und § 15a RVG wäre auf Kostenentscheidungen mit Datum ab 05.08.2009 anzuwenden.

Besonderheiten mögen sich für die PKH-Vergütung ergeben. Hier greifen die Änderungen in das RVG ein und erweiterten die Höhe der aus der Landeskasse zu tragenden Vergütung.

Nach weiteren Überlegungen und Diskussionen komme ich nunmehr zu folgendem Schluss:
In Altfällen kommt es m.E. nicht auf den § 15a Abs. 2 RVG an.
Welche Kosten erstattungsfähig sind, regelt zunächst einmal die Verfahrensordnung. Bisher waren dies die tatsächlichen mit der gerichtlichen Rechtsverfolgung verbundenen Kosten des Erstattungsberechtigten. Ergo in Altfällen ggf. eine anrechnungsgeminderte Verfahrensgebühr. § 15a Abs. 1 RVG bewirkt hier über § 60 Abs. 1 RVG für Altfälle keine Veränderung. Der Erstattungspflichtige wäre demnach in Altfällen nicht auf § 15a Abs. 2 RVG angewiesen, weil z.B. § 91 ZPO eine Aussage über die erstattungsfähigen Kosten trifft. Dann aber sind wir wieder bei der nicht nur von dem BGH vertretenen h.M. zur Anrechnung und dem Wortlaut des Gesetzes. Eine isolierte Betrachtung des § 15a Abs. 2 RVG übersieht diesen Gesichtspunkt.
Meine Alternativüberlegungen, die auf den Zeitpunkt der Kostenentscheidung abstellen sind damit hinfällig geworden.

Das OLG Hamm wendet sich in seinem Beschluss vom 22.06.2009 in II-6 WF154/09 ebenso wie das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss vom 06.08.2009 in I-20 W 62/09 gegen die Anwendbarkeit des § 15a RVG auf Altfälle. A.A. ist hingegen das OLG Dresden in seinem Beschluss vom 13.08.2009 in 3 W 0793/09.

VG Osnabrück, B. v. 03.09.2009 in 5 A 273/09, Niedersächsische Rechtsprechungsdatenbank, zu einem Antrag anf Entscheidung des Gerichts gegen die Festsetzung der PKH-Vergütung:
Leitsatz/Leitsätze:

§ 15 a RVG ist in zeitlicher Hinsicht auch auf solche Streifälle anwendbar, die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind.

Aus den Gründen:

"Aus diesen Gesetzesmaterialien folgt zur Überzeugung der Kammer, dass der Gesetzgeber mit der Neuregelung nur eine in der Rechtsprechung entstandene Auslegung des Rechtsan-waltsvergütungsgesetzes, die seiner ursprünglichen gesetzgeberischen Intention nicht ent-sprach, unterbinden wollte; er wollte durch eine Präzisierung des geltenden Rechts "den mit den Anrechnungsvorschriften verfolgten Gesetzeszweck" wahren (a.a.O.). Denn der Gesetz-geber, der durch zahlreiche gesetzgeberische Vorhaben eine außergerichtliche Streitbeilegung fördern möchte, hat erkannt, dass durch die Auslegung des RVG durch die Rechtsprechung eine obsiegende Prozesspartei eine geringere Kostenerstattung erhält, wenn sie ihrem Rechtsanwalt vor dem Prozessauftrag in derselben Sache bereits einen Auftrag zu einer außergerichtlichen Vertretung erteilt hatte. Diese Auslegung lief der Intention des Ge-setzgebers, eine außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, entgegen. Diese Betonungen des Gesetzgebers lassen dann aber erkennen, dass auch die bisherige Rechtsprechung insbesondere des Bundesgerichtshofs zur Anrechnungspraxis der gesetzgeberischen Intention zur außergerichtlichen Streitbeilegung entgegen lief, mithin bei der Einführung des § 15 a RVG es sich nur um eine Klarstellung des bisher gesetzgeberisch Gewollten und nicht etwa um eine Neuregelung handelt. Diese Erwägungen gebieten es, die durch § 15 a RVG erfolgte Klarstellung auch auf noch nicht rechtskräftig entschiedene Streitverfahren anzuwenden (ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 11. August 2009, - 8 W 339/09 -, Juris, das jedoch dogmatisch zweifelhaft zur Begründung dieses Ergebnisses auf Presseerklärungen des BMJ abstellt; anderer Ansicht - indes ohne Begründung - OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. August 2009, I-20W62/09-, Veröffentlichung nicht bekannt)."

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