"Entnazifizierung" von Aktenzeichen

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 29.08.2024

Haben Sie, liebe Leserinnen und Leser, beim Aktenzeichen des Urteils eines Landesarbeitsgerichts bislang an nationalsozialistische Umtriebe gedacht? Ich nicht. Die Aktenzeichen der Arbeitsgerichtsbarkeit leiten sich traditionell aus denen der ordentlichen Gerichtsbarkeit ab. Erstinstanzliche Verfahren führen beim Amtsgericht ein "C", beim Arbeitsgericht "Ca"; Berufungsverfahren beim Landgericht das "S", beim Landesarbeitsgericht "Sa". Revisionen in Zivilsachen sind beim Bundesgerichtshof mit "ZR" anhängig, beim Bundesarbeitsgericht mit "AZR".

Nordrhein-Westfalen hat nun gemeint, das bundesweit übliche "Sa" für Berufungsverfahren beim LAG erinnere an die dunkelbraune Sturmabteilung. Seit einigen Monaten erhalten Neueingänge bei den drei nordrhein-westfälischen Landesarbeitsgerichten in Düsseldorf, Hamm und Köln deshalb das Aktenzeichen "SLa". Lediglich Altverfahren werden unter dem alten "Sa" zu Ende geführt.

Sommerloch? Ja. Nessie? Nein. SLa wurde schon gesichtet. Beispielsweise hier: LAG Hamm, Urt. vom 11.6.2024 - 16 SLa 27/24, BeckRS 2024, 17545

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5 Kommentare

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Das sind schon eigenartige Gedanken. Ich jedenfalls hätte nie das Gefühl, dass Arbeitsgerichte durch Sa-Aktenzeichen bräunlich wirken. Wenn man sich einmal auf diese Gedankenwelt einlässt, wird es schwierig: Manche Menschen kürzen Samstag mit Sa ab - was nun?! Ich würde auch einmal Mathematikücher durchgehen, ob dort etwa die Zahl 88 gegen die Zahl 161 ersetzt werden kann...auch auf Zollstöcken sollte man statt 88 vielleicht besser "87 +1" schreiben. 

Es gibt sicherlich wichtigere Baustellen, zumal ich persönlich diese Assoziation bisher in keiner Weise hatte und auch nicht unbedingt für nachvollziehbar halte.

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Es ist eine Schande, dass das so lange gedauert hat. Endlich hat eine Regierung Haltung gezeigt und sich gegen Rechts engagiert. Da kann man nie was falsch machen. Gerade die Bereiche, in denen es völlig ungefährlich ist, werden beim Zeigen von Mut oft einfach ausgelassen.

Und umso schöner, dass es NRW ist. Die dortige Regierung steht ja in der Kritik, weil sie den Solinger Terroristen nicht abschieben konnte. Ja, wie denn auch, wenn ihre Mitarbeiter so wichtige gesellschaftliche Probleme lösen?

Und auch das Zeichen, dass von dieser Entscheidung ausgeht, ist erfreulich. Offensichtlich haben wir kein dringenderes Problem, sodass wir Zeit haben, Aktenzeichen zu entnazifizieren. Alles ist gut.

Zu kritisieren ist allerdings, dass die Aktenzeichen noch nicht gegendert sind. Muss sich eine lesbische Transfrau wirklich gefallen lassen, sich dasselbe Aktenzeichen mit einem heterosexuellen Cis-Mann zu teilen? Das ist ein schwerer Verstoß gegen die Menschenwürde und Zeichen der Alltagsdiskriminierung aufgrund transfeindlicher Gesellschaftsstrukturen. Aktenzeichen müssen zwingend die offiziell anerkannte Flagge jeder sexuellen oder geschlechtlichen Orientierung enthalten. Solange das grafisch noch nicht geht, dann eben durch Einfügen entsprechender Sonderzeichen.

Und das bitte in einfacher Sprache, sonst weiß eine klagende Person ggf gar nicht, dass auf ihre Geschlechteridentität*Innen Rücksicht genommen wurde.

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