Strafrechtliche Mitverantwortung des Mitarbeiters in Kfz-Werkstatt

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 09.06.2008

Der BGH hat eine sicher für viele Werkstattbesitzer und deren Mitarbeiter höchst interessante Entscheidung vom 6. März 2008 (=BGH 4 StR 669/07) veröffentlicht. Demnach können sich diese Personen u.U. gem §§ 222, 13 StGB wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen strafbar machen:

"Zwar hat das Landgericht sich nicht dazu geäußert, ob dem Angeklagten fahrlässige Tötung durch positives Tun oder durch ein Unterlassen zur Last fällt. Doch ergeben die Erwägungen im Rahmen der rechtlichen Würdigung hinreichend deutlich, dass das Landgericht das Schwergewicht des Tatvorwurfs gegen den Angeklagten - insoweit anders als bei dem früheren Mitangeklagten S. - "lediglich" in einem Unterlassen gesehen hat. Insoweit hat der Senat auch keine Bedenken, dass der Angeklagte in seiner Eigenschaft als weisungsbefugter Mitarbeiter der Kfz-Werkstatt eine Garantenstellung hatte und ihn damit auch eine Erfolgsabwendungspflicht gegenüber den Verkehrsunfallopfern traf. Der Annahme dieser Garantenstellung steht nicht entgegen, dass im Verkehrssicherheitsinteresse für den jeweils aktuellen verkehrssicheren Zustand der Fahrzeuge kraft Gesetzes in erster Linie der Halter (§ 31 Abs. 2 StVZO) und der Fahrzeugführer (§ 23 Abs. 1 u. 2 StVO) zuständig sind. Das gilt schon deshalb, weil der Halter seine Verantwortlichkeit durch Bestellung einer sachkundigen, erwiesenermaßen zuverlässigen Hilfsperson einschränken kann (vgl. Hentschel, Straßenverkehrsrecht 38. Aufl. StVZO § 31 Rdn. 7, 7 a m.w.N.).

Diese neben die Verantwortlichkeit des Halters, hier der Firmenleitung der Spedition, tretende Garantenstellung des Angeklagten erwuchs aus seiner Übernahme der Wartungsaufgabe im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses; sie bezog sich auf die Beseitigung der mit dem Betrieb der von ihm zu wartenden Firmenfahrzeuge für die Allgemeinheit bestehenden Gefahren. Die arbeitsvertragliche Übernahme der Wartungspflicht begründete deshalb zugleich auch eine Schutzfunktion gegenüber allen Verkehrsteilnehmern, die in den durch unzureichende Wartung begründeten Gefahrenbereich der seiner Aufsicht unterliegenden Firmenfahrzeuge geraten würden."

 

 

 

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8 Kommentare

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Aus der verlinkten Entscheidung Rn 4

Auch die mit Druckluft gesteuerten Bremsen des Aufliegers funktionierten - mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Grund eines Lecks in der Druckluftzuleitung - im Unfallzeitpunkt nicht mehr. Wenn die Bremsen der Zugmaschine einwandfrei gearbeitet hätten, hätte der Sattelzug auch bei einem Ausfall der Bremsen des Aufliegers rechtzeitig zum Stillstand gebracht werden können.

Das ist, (mit Verlaub) Blödsinn!
Die Bremsen des Aufliegers werden nicht alleine mit Druckluft betätigt, sondern eine mechanische Feststellbremse des Aufliegers, die der jeweiligen Masse angepasst ist, geöffnet.
Die mechanische Bremsvorrichtung des Aufliegers ist im korrekten Zustand auf "bremsen" eingestellt, und lässt sich nur mit Druckluft gegen den Widerstand "offen halten". Ein Druckluftverlust einer beschädigten Leitung löst deshalb unweigerlich eine Bremsung des Aufliegers aus. Deshalb wurde ja dieses 2-Kreis-System so konzipiert. Die ordnungsgemäße Überprüfung des Bremssystems des Aufliegers gehört zur vorgeschriebenen Abfahrtkontrolle des Fahrers.
Bei einem ordnungsgemäß funktionierendem Bremssystem des Aufliegers, erfolgt eine ausreichende Bremswirkung auch wenn die Bremsanlage der Zugmaschine nicht funktioniert.
Eine eventuelle Leckage an Leitungen zwischen Zugmaschine und Auflieger sollte im Regelfall immer zu einer Vollbremsung des Aufliegers führen und geradezu nicht zu einer Bremsminderung.
Es sei denn: die Bremsanlage des Aufliegers war aus anderen Gründen funktionsunfähig, oder manuell "ausgeschaltet" (zur Handbewegung im Werkstattbetrieb), beides hätte der jeweilige Fahrer bei der Abfahrtkontrolle überprüfen müssen.

Eine ordnungsgemäße Bremsanlage der Zugmaschine bremst immer das komplette Gespann ab, und eine ordnungsgemäße Bremsanlage des Aufliegers ebenfalls.
(Auch bei Leckagen)
Genau das ist ja der Sinn dieses mehrgliedrigen Systems.

Und vom ordnungsgemäßen Zustand des Bremssystems hat sich der Fahrer vor Antritt der Fahrt zu überzeugen, das ist seine Hemisphäre.

Im Übrigen gibt es bei LKW und Omnibussen noch die SP (früher Bremsensonderuntersuchung) wo in kurzen Abständen von unabhängiger Seite eine Bremsüberprüfung stattfinden muss.

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Hm, hab mir grad überlegt, dass das etwas kompliziert formuliert ist, deshalb:
Zur einfachereren Erklärung für PKW Fahrer:
Beim PKW gibt's 2 Bremssysteme.
1. Fußbremse, wird übers Pedal betätigt.
2. Hand/Feststellbremse, wird von Hand per Seilzug betätigt (falls mans nicht vergisst)

Beim LKW als auch beim Auflieger oder Anhänger gibts auch 2 Bremssysteme.
1. Fußbremse, wird übers Pedal betätigt
2. Hand/Feststellbremse, wird von riesigen Stahlfedern betätigt, die immer auf "bremsen" eingestellt sind.

Bei einem LKW muss man also ständig aktiv die Feststellbremse "offen" halten, per Druckluft.
Entweicht die Luft durch ein Leck bremst der LKW alleine.
Deshalb lassen LKW Fahrer vor Fahrtbeginn auch den Motor mehrere Minuten laufen bis es ein lautes "Pffft" macht.
Es muss vor Fahrtbeginn erst genügend Druckluft aufgebaut werden um die Bremsen überhaupt lösen zu können, ohne Luft stehen die Bremsen immer auf "zu" erst mit Hilfe von Luft lassen sie sich "öffnen" und bei einem Entweichen von Luft stellen sie sich wieder zwingend auf "zu".

Wäre also in vorliegendem Fall eine Undichtigkeit beim Auflieger aufgetreten, hätte dieser selbsttätig gebremst, unabhängig von der Zugmaschine. Es sei denn, er war ebenfalls nicht in Ordnung.

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Die Entscheidung wird mit einer Anmerkung von Kühl in Heft 26 der NJW veröffentlicht. Das Heft erscheint am 20.06.2008.

Beste Grüße aus Frankfurt

Christoph Wenk-Fischer

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Wegen all der Technik natürlich das rechtliche übersehen.

Der Fahrer ist dafür verantwortlich, dass sein Fahrzeug mit ordnungsgemäßen Bremsen in Betrieb genommen wird. (Abfahrtkontrolle)
Und der Halter ist dafür verantwortlich, dass seine Fahrzeuge technisch in Ordnung sind.

Einem Werkstattmitarbeiter könnte man nur Vorwürfe machen, wenn er Mängel arglistig verschweigt.
Ihm im nachhinein Vorwürfe zu machen ist perfide, denn welchen Grund sollte er haben offensichtliche Mängel zu verschweigen?

Man muss ganz einfach nur danach fragen wer aus welchem Verhalten einen wirtschaftlichen Vorteil zieht und dann hat man den richtigen Ansprechpartner.

Ein (teilweise) "Abwälzen" der Schuld auf einen abhängig Beschäftigten, wird insbesondere in diesem Gewerbe, ein völlig falsches Signal geben.

Ich verweise da mal auf eine Analogie:
"Kapitän" "Reeder" "Leitender Ingenieur"
und wem da wohl welche Verantwortung übertragen ist.

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Na ja, so ganz mag ich Ihnen da nicht folgen. Es ist ja nicht wirklich so, dass ein Abwälzen der Schuld stattfindet. Der BGH hat die strafrechtliche Verantwortung "neben" den anderen Verantwortlichen angenommen. Und - seien wir ehrlich - meist haben diejenigen, die ein Fahrzeug reparieren ja deutlich "überschießendes" Wissen dem Auftraggeber gegenüber (Bsp.: Wenn ich mein Fahrzeug zum Kontrollieren der Bremsen in eine Werkstatt gebe, dann hoffe ich [und erwarte es natürlich auch], dass der Werkstattinhaber mir ein verkehrstüchtiges Fahrzeug zurückgibt. Ebenso erwarte ich, dass seine Angestellten sich Mühe geben. Auch sonst ist eine Garantenstellung aus Vertrag ist hier sicher etwas nicht Unübliches.Ich glaube, dass man sich vor allem auf den ersten Blick an der Vermittlung der strafrechtlichen Verantwortung durch den Arbeitsvertrag stößt. Ein Problem mag sicher sein, dass ein weisungsgebundener Mitarbeiter eines Reparaturbetriebs üblicherweise gerade nur das tun darf, was ihm als Weisung aufgegeben wird. Verbietet ihm etwa der Chef jede Äußerung gegenüber dem Auftragnehmer, so darf er natürlich auch eigentlich gar nichts sagen - ihm drohen dann ggf. gar arbeitsrechtliche Konsequenzen. Zum anderen ist sicher ein Problem die Zurechnung der Garantenpflicht aus arbeitsvertraglichen Pflichten, die aber bei einem weisungsgebundenen Werkstattmitarbeiter gar nicht unmittelbar zum Geschädigten bestehen. Ich bin daher schon gespannt wie ein Flitzebogen, was Prof. Dr.Dr. Kühl hierzu schreibt (Ich gehe einmal davon aus, dass es sich um "den" Kühl handelt).
Kurz und gut: Ich weiß es auch nicht besser!
Gibt es vielleicht einen geneigten Leser, der etwas zu der Dogmatik der Unterlassungsdelikte an dieser Stelle beitragen kann?

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Herr Crumm,

Zitat aus der Entscheidung:

Dies war darauf zurückzuführen, dass der Fahrer Ma. wegen der ihm bereits seit längerem bekannten Bremsprobleme, von denen er zuvor sowohl dem Angeklagten als auch dem früheren Mitangeklagten S. berichtet hatte, das Fahrzeug regelmäßig mit der Handbremse abbremste, die nur auf die Hinterräder und die Bremsen am Auflieger wirkte, und so die Vorderradbremsen nicht betätigte, um ein Schrägziehen des Gespanns wegen einer defekten Vorderradbremse zu vermeiden.

In der Fahrausbildung sind die Bremsen Hauptunterrichtstoff und auch bei der vorgeschriebenen Abfahrtkontrolle spielen sie die wichtigste Rolle.
Der Fahrer wusste doch über die Bremsprobleme Bescheid, und fuhr trotzdem offenbar tagelang mit einer defekten Bremsanlage.

Der Geschäftsführer wusste ebenfalls Bescheid. Zitat:

Er suchte aber den früheren Mitangeklagten S., den "Juniorchef" der Firmengruppe, in dessen Büro auf und berichtete ihm von den wieder aufgetretenen Bremsproblemen an der Zugmaschine; er habe eine Probefahrt gemacht, das Fahrzeug sei nicht mehr beherrschbar, damit könne Ma. nicht mehr fahren, zunächst müssten die Einsteller repariert werden.

Und ließ die Inbetriebnahme trotzdem zu.

Bei einer LKW-Flotte von über 50 Fahrzeugen
a) keinen KFZ-Meister in der Werkstatt zu beschäftigen
oder b) Sicherheitsrelevante Reparaturen außer Haus zu geben
ist an sich schon ein starkes Stück,
aber trotz Wissens um massive Bremsprobleme ein Gespann mit zls Gsgw. von 40t in Betrieb zu nehmen, bzw dies zuzulassen oder noch schärfer: anzuordnen, das ist schon heftig.

Und was soll der kleine Werkstatthansel dazwischen denn machen?
Der Fahrer weiß Bescheid und fährt trotzdem. (verbotswidrig)

Der Halter weiß Bescheid und ordnet das Fahren (verbotswidrig) sogar an.

Soll er als kleiner Hansel ohne die passende Berufsausbildung, die Reifen platt stechen? Oder die Polizei informieren?

Seiner arbeitsvertraglichen Wartungspflicht ist er doch nachgekommen. Er hat festgestellt das die Bremsanlage nicht in Ordnung ist, die Ersatzteile bestellt, Geschäftsleitung und Fahrer informiert, vor einer Inbetriebnahme ausdrücklich gewarnt.
Ja was wird denn noch erwartet?

Der eine Schuldige ist bedauerlicherweise tot, und der der die Gesamtsituation zu verantworten hat, rechtskräftig verurteilt, das sollte doch reichen.

Und mit "abwälzen" meinte ich als Nichtjurist, wie sieht es denn bei einer Verurteilung zivilrechtlich, versicherungstechnisch aus?
Gäbe es da nicht den Versuch einer "Quotierung"?

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Herr Krumm,

(Bsp.: Wenn ich mein Fahrzeug zum Kontrollieren der Bremsen in eine Werkstatt gebe, dann hoffe ich [und erwarte es natürlich auch], dass der Werkstattinhaber mir ein verkehrstüchtiges Fahrzeug zurückgibt

versteh ich voll und ganz, würde mir bei einem Arzt oder Anwalt genau so gehen, nur:

“überschießendes” Wissen hatte der Angeklagte hier gerade nicht, er war ursprünglich als Fahrer beschäftigt, und hatte keine Werkstattausbildung. Und wenn Sie für sich oder ihre Tochter ein Fahrzeug aus der Werkstatt abholen sind Sie (als Richter) Laie, und wenn der Werkstattangestellte Ihnen was von "Bremsproblemen" erzählt, können Sie das wohl nicht völlig abschätzen.

Aber, der Fahrer hier war Berufskraftfahrer zu dessen Berufsausbildung es gehörte über seine Bremsen besser Bescheid zu wissen als irgendein PKW Fahrer. Und der Mitangeklagte war kein Familienvater der 3 Autos betrieb, eins für sich, eins für die Gattin, und eins für die Tochter die gerade den Führerschein erwarb, sondern ein Geschäftsführer einer LKW-Flotte von über 50 Fahrzeugen, von denen jedes täglich über 12 Stunden im Einsatz gewesen sein dürfte.

Beide, der tote Fahrer und der Geschäftsführer hatten beruflich mit nichts anderem als mit dem Betrieb von großen, schweren, Kraftfahrzeugen zu tun, die wussten beide ganz genau, wovor sie der Mitarbeiter warnte, und die kannten beide ganz genau die gesetzlichen Bestimmungen und die Risiken.
Hier hat nicht irgendein Elektriker einer Hausfrau den Herd falsch angeschlossen.

Deshalb greift ihre Analogie hier imho nicht ganz.

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