Finanzbeamte müssen alle Straftaten anzeigen - eine wichtige Entscheidung des BFH!

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 29.08.2008

Die mannigfachen Durchbrechungen des Steuergeheimnisses, die im Rahmen der Verfolgung von Steuerstraftaten oder anderen gravierenden Delikten unabdingbar oder in sonstigen Fällen vom Gesetzgeber ausdrücklich zugelassen sind, sind vielfach unbekannt. Darauf hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einer Presseerklärung hingewiesen, mit der er den Beschluss vom 14.7.2008 - VII B 92/08 - bekannt gab.

Zu der letztgenannten Gruppe gehört die Verpflichtung der Finanzbehörden, den Straftverfolgungsbehörden Tatsachen mitzuteilen, die den Verdacht rechtswidriger Schmiergeldzahlungen begründen. Im Rahmen umfangreicher Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung in den 90er Jahren hatte der Gesetzgeber den bis dahin möglichen Abzug solcher Zahlungen als Betriebsausgaben abgeschafft und die wechselseitige Informationspflicht der Finanzverwaltung und der Strafverfolgungsbehörden in die Regelung aufgenommen; § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG.

Zum Sachverhalt des Beschlusses

Diese Mitteilungspflicht war Gegenstand eines Antrags auf einstweilige Anordnung, mit dem ein Unternehmen dem Finanzamt (FA) untersagen lassen wollte, die Staatsanwaltschaft über Zahlungen zu informieren, die es in der Vergangenheit in Höhe von 10 % des Wertes der bestellten Waren an den Einkäufer eines maßgeblichen Kunden geleistet hatte. Zwar wurde nicht in Abrede gestellt, dass die Zahlungen geflossen waren, um weiterhin die bevorzugte Berücksichtigung als Lieferant des Kunden sicherzustellen. Die Antragstellerin war aber der Meinung, dass die Mitteilung unterbleiben müsse, weil die in der Betriebsprüfung gewonnenen Erkenntnisse mangels entsprechender Belehrung nicht strafrechtlich verwertet werden dürften und außerdem inzwischen Strafverfolgungsverjährung eingetreten sei.

Zur Entscheidung

Das Finanzgericht und auf die Beschwerde hin der BFH wiesen den Antrag zurück:

Der Wortlaut des § 4 Abs. 5 Nr. 10 EStG verpflichte das FA, Tatsachen, die den Verdacht einer Korruptionstat begründen, der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Einen Spielraum, der eine selbstständige Prüfung erlaube, ob eine strafrechtliche Verfolgung durch die Staatsanwaltschaft überhaupt in Betracht komme oder von vornherein ausgeschlossen sei, räume die Vorschrift der Finanzbehörde nicht ein. Die Prüfung, ob eine Strafverfolgung einzuleiten sei, obliege allein den Strafverfolgungsbehörden. Die Herrschaft der Staatsanwaltschaft über das Ermittlungsverfahren gelte auch im Verhältnis zur Finanzbehörde. Selbst in einem offensichtlich strafverfolgungsverjährten Fall greife die Offenbarung nicht unverhältnismäß in die Rechte des Steuerpflichtigen ein; denn in einem solchen Fall habe dieser keine Ermittlungen der an Rücken der. Recht und Gesetz gebundenen Staatsanwaltschaft zu befürchten.

Noch ein Hinweis

Neben Steuerstraftaten und Korruptionsfällen müssen Finanzbeamte auch bei anderen Delikten die jeweiligen Behörden einschalten. Eine Mitteilungspflicht besteht auch bei Leistungsmissbrauch und Schwarzarbeit. Dies hat der BFH mit Beschluss vom 4.10.2007 - VII B 110/07 - unter Hinweis auf § 31a AO bestätigt. Umgekehrt dürfen die Strafverfolger bei Beamten auch deren Dienstvorgesetzten über eine Steuerhinterziehung verständigen, damit diese außerdem disziplinarrechtlich geahndet werden könne.

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3 Kommentare

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Thema ist gleichzeitig auch im Blog "Compliance" zur Diskussion gestellt - Die BFH-Entscheidung mit unterschiedlichen Aktenzeichen zitiert.

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Ich habe 2 Fragen:
1. Was ist bei Betriebsprüfungen von Anwaltskanzleien? Der BFH sagt, ohne "dass das FA ... prüft, ob ... Verwendungsverbote bzw. Verwertungsverbote vorliegen".
2. Wie sollen denn die Staatsanwaltschaften die Arbeit bewältigen?

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Zunächst einmal funktionieren jetzt dank der Mithilfe unseres Community Managers Ralf Zosel im Beitrag die Links!

Die zweite Frage von Herrn Rechtsanwalt Schäfer ist rechtlich schnell beantwortet: Nach dem Legalitätsprinzip (abgesichert durch die Strafvereitelung im Amt, § 258a StGB) ist die Staatsanwaltschaft grundsätzlich verpflichtet, bei Anhaltspunkten für eine Straftat zu ermitteln und bei hinreichendem Tatverdacht Anklage zu erheben, §§ 152 Abs. 2, 160, 170 Abs. 1 StPO. Ich glaube aber auch, dass die Staatsanwaltschaft rein tatsächlich diesen weiteren Mehraufwand "stemmen" wird.

Für die erste Frage versuche ich einen Experten zu einer Antwort zu bewegen, weil ich mich auf diesem Feld nicht sicher fühle.

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