Sinnvoll oder OWi? Zu Radiomeldungen über Geschwindigkeitsmessungen

von Carsten Krumm, veröffentlicht am 02.09.2008

Ein Leser des Verkehrsrechtsblogs hat angeregt, doch einmal einen Beitrag zu dem Thema "Warnungen vor Geschwindigkeitsmessungen im Radio" zu eröffnen. Ich denke, dies ist ein ganz hervorragendes Diskussionsthema, über das sich schon einmal jeder Gedanken gemacht hat, der selbst am Straßenverkehr als Fahrzeugführer teilnimmt. 

Die Fragen, die sich natürlich stets stellen: Helfen "Blitzerwarnungen" eher oder schaden sie? Sollten eigene Regeln - ähnlich dem Verbot von Radarwarnern - geschaffen werden, die derartige Warnungen (als OWi) ahnden? Reichen ggf. bestehende Normen aus?

Hierzu ist auf einen Beitrag von Oberstaatsanwalt Dietrich Meyer in Rostock mit dem Titel "Warnung vor Geschwindigkeitskontrollen im Radio - wie lange noch?" hinzuweisen, der in NStZ 2004, 670 veröffentlicht ist. Hierin sieht Meyer in erster Linie eine ordnungswidrigkeitenrechtliche Verantwortung der Radiomoderatoren, die gegen § 118 OWiG verstoßen sollen:

"Die Vorschrift des § 118 OWiG schützt den äußeren Bestand der öffentlichen Ordnung. Der objektive Tatbestand verlangt eine grob ungehörige Handlung, deren Eignung die Allgemeinheit zu belästigen oder zu gefährden und eine mögliche Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung sowie einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen diesen drei Kautelen. Diese Voraussetzungen werden durch die Radiowarnungen erfüllt."

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9 Kommentare

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Das scheint mit den Wortlaut des § 118 OWiG zu überdehnen. Die Allgemeinheit wird bereits nicht durch die Warnungen belästigt, wenn man darunter ein "nicht nur geringfügiges, körperliches oder seelisches Unbehagen" versteht (vgl. Bohnert, OWiG, 2007, § 118, Rn. 6; so ja auch am Beispiel der Warnung von Verkehrsteilnehmern die bisherige Rspr.).

In Hinblick auf die Gefährdung ist darauf zu achten, dass diese zuerst durch die Raser selbst geschieht und nicht durch Radiowarnungen. Meiner Ansicht nach greift hier auch nicht das Argument, das bei Blitzerwarngeräten herangezogen wird ("...führen zu Sorglosigkeit"), da die Radios nur punktuelle Meldungen durchgeben, während das Gerät jederzeit warnen kann. Man müsste also von einem nur mittelbaren Verstoß ausgehen. Zwar soll eine reine Eignung zur Gefährdung ja genügen (vgl. Bohnert, a. a. O., Rn. 9), allerdings muss beachtet werden, dass der § 118 OWiG einerseits eine sehr unbestimmte Norm ist und so leicht in Konflikt mit Art. 103 Abs. 2 GG gerät, und es andererseits um einen Eingriff in Art. 5 Abs. 1 GG geht.

De lege ferenda kann man sicher diskutieren; der § 118 OWiG scheint aber wenig tauglich.

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Natürlich sagt ein Ober-Staatsanwalt "Pfui! Ganz schlimm ordnungswidrig! Anklagen!". Für das Gegenteil wäre kein Beitrag in einer Zeitschrift notwendig gewesen. Das wäre genauso so unbedeutend, wie wenn ein Chirurg verkünden würde: "Operation ist nicht notwendig". Dafür gäbe keine Veröffentlichung.

Anders wäre es vielleicht, wenn ein Richter ein Beitrag gemacht hätte. Der entscheidet schliesslich mal so, mal so, je nach Gesetz und Lage.

Hier in Berlin war es übrigens früher zeitweise so, dass die Polizei selbst ihre Standorte an die Radios mitgeteilt hat. Keine Ahnung ob es noch heute so ist.

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@ Tilman

Ich denke in dem Zusammenhang kann man sogar dann diskutieren, ob eine Radiomeldung nicht sogar positive Auswirkungen hat, denn eigentlicher Sinn der Blitzer soll/sollte ja die Verkehrserziehung sein und diese wird durch die Radiomeldung erhöht, weil die Fahrer dann an diesen Stellen die Geschwindigkeiten auch wirklich einhalten.

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@ Hr. Härtel

M.E. muss man hier differenzieren, die Geschwindigkeitsmessungen sollen sowohl an bestimmten, besonders gefährdeten Stellen die Fahrer zur Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit bringen als auch ein allgemeines "Unsicherheitsgefühl" erzeugen, das die grundsätzliche Einhaltung fördert.
Allerdings werden mobile Messanlagen in erster Linie dem zweiten Zweck dienen, an Gefahrenstellen werden dagegen feste Anlagen installiert. Vor diesem Hintergrund sind die Radiosendungen, die eben nur mobile Anlagen melden, als schädlich einzuordnen.
Für mich handelt es sich hier aber um eine polizeirechtliche Problematik, der Gesetzgeber müsste hier sonst einen spezielleren OWi-Tatbestand schaffen. Die Probleme im Zusammenhang mit § 118 OWiG sind bekannt (Stichwort "Nacktradler" usw.).

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So, jetzt mal zu meiner Meinung:

1. Ich meine auch, § 118 OWiG würde überdehnt, wollte man ihn auf derartige Sachverhalte übertragen.

2. Offenbar gehen die Polizei und die Verwaltungsbehörden selbst ja auch davon aus - sonst hätte es ja mal zumindest eine Art "Pilotverfahren" gegeben. Aus rein juristischer Neugier ist das natürlich schade :-)))

3. Ich meine schon, dass man was gegen "Blitzer-Warner" tun müsste. Sie führen m.E. nicht zu der gewünschten erzieherischen Wirkung von Geschwindigkeitskontrollen - hier erwarte ich Widerspruch der Leserschaft (!). Richtig wäre vielleicht eine Regelung in § 23 Abs. 1b StVO gewesen, der bekanntlich die Nutzung von Geräten zur "Anzeige von Geschwindigkeitsmessungen" untersagt. Hier hätte man systematisch ganz passend einen Zusatz anbringen können, der auch die öffentliche Verbreitung von Warnungen vor Geschwindigkeitsmessungen verbietet.

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Oh Gott, anscheinend keine Autofahrer hier?! Nur Bus- und Bahnbenutzer?! Oder nur ich-fahre-nachts-um-3-im-2-spurigen-Industriegebiet 50 km/h und keine 60 oder 70?!

Also meine Meinung:

1. Die Geschwindigkeitskontrolle soll der Gefahrenverhinderung an unfallträchtigen Stellen dienen? Richtig? Oder soll sie die Staatskasse aufbessern? Weil die Kommunen etwa fest mit dem Geld rechnen?

2. Wieso werden an Schulen, Spielstraßen, Industriegebieten in den 50 km/h herrschen, etc. nicht feste Anlagen eingerichtet? Diese Anlage wäre auch nicht wesentlich teurer als der Lohn, die spätere Pension der Polizeibeamten in ihrem KFZ, der Unterhalt des KFZ, die mobile Anlage, die Wartung der mobilen Anlage, die Benzinkosten....etc.

3. Ich kann es sagen wieso - weil sich dieses rumsprechen würde!!! Es würden plötzlich alle an den Gefahrenorten langsam fahren!!! Wollte man dies nicht mal ursprünglich erreichen?! :-) Ach so, es gäbe keine Einnahmen mehr.

4. Wieso nimmt man überhaupt Geld? Man könnte doch nur Punkte verteilen? Es gibt zB 40 Punkte und bei Erreichen ist der Schein weg. Der erzieherische Effekt ist dann sogar noch größer! Ich kanns sagen warum nicht - weils man Geld möchte! Geld! Die Gefahrenabwehr ist doch ein guter Grund, oder?! :-)

5. Ich habe für ein Jahr in England gelebt. Dort malt man die starren Blitzkästen in SIGNALFARBE und fluorizierender Farbe an!!! Damit jeder sie vorher sehen kann! Dort gibt es kein Versteckspielen! Mobile Anlagen werden mit mobilen Schildern einige Kilometer vorher von der Polizei angekündigt!!! Wenn ein solches Warnschild fehlt, ist die Messung nicht verwendbar!!! Gibts in England mehr Verkehrstote durch Raserei??? Es gibt sicherlich weniger Einnahmen für die Staatskasse :-)))

6. Ich freue mich über jeden entgegenkommenden Autofahrer der aufblinkt und mich warnt. Wenn gutes Wetter ist und ich 15 Minuten Zeit habe, drehe ich um, postiere mich etwa 500 Meter vor die mobile Kontrolle, parke mein KFZ, stelle mich an den Wegrand und warne die Autos per Handzeichen :-))) Wenn ich Rentner bin, wird das meine Tagesaufgabe! ;-) Jedes Auto was vor der Abzocke gewarnt wird, läßt mich besser schlafen :-)

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Ups, in Spielstraßen sind natürlich keine 50 km/h zulässig....nicht das der Leser denkt, ich hätte nicht zweimal gehobenes Prädikat in Bayern geschrieben ;-)

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In Australien muss die Polizei die Autofahrer vor der Kontrolle schon warnen. Das klingt zunächst absurd - ist aber tatsächlich sinnvoll, denn die Geschwindigkeitsbegrenzungen und deren Kontrollen sollen ja eigentlich Unfälle verhindern und nicht wie in Deutschland oft _ausschließlich_ Geld in die Staatskasse spülen.

Es ist außerdem gut belegt, dass ein Bescheid(oder sonstige negative Auswirkungen) einige Tage später idR keinen großen Lerneffekt auslöst.

Daher halte ich ein Verbot der Warnungen für sehr sinnfrei und eher schädlich. Alle sind ja nie dabei und es schreckt vielleicht viele auch davor ab, schnell zu fahren.

Ganz davon abgesehen, dass Raserei in Deutschland nunmal ein Gewohnheitsrecht von Verfassungsrang ist... ;-)

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Ziel von Verkehrsüberwachung sollte immer die Verbesserung der objektiven Verkehrssicherheitslage sein. Wenn Radiomeldungen ebenso wie Blitzer-Apps an Gefahrenstellen zur Einhaltung der Geschwindigkeit beitragen, dann dienen sie gerade diesem Ziel. Beide sind nicht verboten (a.A. für die Blitzer-Apps 2 Oberlandesgerichte, contra legem, vgl.§ 6 Abs.1 Nr.3 Buchst.i StVG)

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