Das Ende einer Rechtsprechung mit katastrophalen Folgen: Klarheit in der Anrechnungsfrage - dank des II. Zivilsenats des BGH!

von Dr. Hans-Jochem Mayer, veröffentlicht am 21.09.2009

Mit einem entschlossenen und unmissverständlichen Beschluss vom 02.09. 2009 - II ZB 35/07 - hat der II. Zivilsenat des BGH entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung von § 15a  Abs. 1 RVG die bereits um der Geltung des § 118 BRAGO und nachfolgend unter Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG bestehende Gesetzeslage lediglich klargestellt hat.Bemerkenswert ist insbesondere auch die Diktion, mit der die Rechtsauffasung des VIII.Zivilsenats in der Entscheidung abgehandelt wird. So vermochte der II. Zivilsenat, ohne die gegen die Lösung des Anrechnungsproblems durch den VIII.Zivilsenat anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachliche Argumente im einzelnen darzustellen, dieser Auffassung "nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen", aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermochte, nicht folgen. Der II. Zivilsenat wendet der § 15 RVG ab Inkrafttreten dieser Vorschrift an; statt im Hinblick auf seine abweichende Meinung den Großen Senat für Zivilsachen anzurufen, hat der II. Zivilsenat - wie in der Entscheidung ausgeführt wird - die Bearbeitung des vorliegenden Rechtsbeschwerdeverfahrens zurückgestellt, nachdem der Gesetzgeber die vom VIII. Zivilsenat begründete Rechtsprechung zum Anlass für eine klarstellende Änderung des RVG genommen hatte.

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18 Kommentare

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Leider erwähnt der II. Zivilsenat nicht einmal den § 60 RVG. Insoweit wirkt für mich die Argumentionslinie unvollständig.

Mein Lernprozess in diesem Streit um die Anwendung von § 15a RVG in Übergangsfällen ist, dass es eine vertretbare Meinung gibt, dass der Begriff "Gesetzesänderung" in einer Übergangsvorschrift nicht formal, sondern materiell verstanden werden kann. Für mich war es bisher immer glasklar gewesen, dass dieser Begriff in Übergangsvorschriften nur formal gemeint sein konnte. Da in Gesetzesbegründungen gerade in neuerer Zeit gehäuft der Begriff "Klarstellung" auftaucht, wird sich möglichweise auch anderweitig die Frage stellen, ob die dortigen Klarstellungen keine Gesetzesänderungen sind.

Diese materielle Sichtweise führt dazu, dass der an sich durch § 15a RVG beizulegende Streit über die Richtigkeit der Entscheidung des VIII. Zivilsenats des BGH vom 22.1.2008, fortgeführt wird.

 

 

 

 

 

 

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sehr geehrter Herr Kollege Fölsch,

im Kern geht es doch um § 15a Abs. 2 RVG. Bei dieser Vorschrift handelt es sich jedoch  um eine verfahrensrechtliche Vorschrift, denn anstelle einer Regelung im RVG hätte man die Berücksichtigung der Anrechnung im Kostenfestsetzungsverfahren in den jeweiligen Erstattungsregelungen der einzelnen Verfahrensordnungen unterbringen können, so zum Beispiel in § 91 Abs. 2 ZPO usw.. Die Aufnahme einer solcher Regelung in das RVG ist lediglich, was die Anzahl der Gesetzesänderungen anbelangt, verfahrensökonomischer, hätte  ohne weiteres aber rechtstechnisch auch anders umgesetzt werden können. Beim Verfahrensrecht ist jedoch - sofern nichts gesetzlich anderweitiges geregelt ist - das Übergangsrecht kein Thema, sondern Verfahrensrecht ist sofort anzuwenden.

Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,

diese Überlegungen habe ich im blog bereits an anderer Stelle angestellt.

Ich frage mich, ob eine Änderung der Erstattungsregelungen in den einzelnen Verfahrensordnungen in gleicher Weise erfolgen konnte. Wären beispielsweise im BMJ für den Gesetzentwurf die selben Personen zuständig gewesen, und dieselben Gremien zu beteiligen gewesen. Wäre das Gesetzgebungs- und Mitbestimmungsverfahren dasselbe gewesen?

Lieber Herr Dr. Mayer,

finden Sie nicht, dass ein Satz wie der folgende:

"So vermochte der II. Zivilsenat, ohne die gegen die Lösung des Anrechnungsproblems durch den VIII.Zivilsenat anzuführenden systematischen, teleologischen und sprachliche Argumente im einzelnen darzustellen, dieser Auffassung "nicht zuletzt im Hinblick auf die teilweise zu Recht als katastrophal bezeichneten Folgen", aber auch, weil er sie aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht abzuleiten vermochte, nicht folgen."

die Leidensfähigkeit des Lesers in geradezu bizarrer Weise überschätzt? Von dem anschließenden Satz, der ähnlich unlesbar, darüber hinaus auch noch grammatisch fehlerhaft ist, ganz zu schweigen.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie Ihre Schriftsätze ähnlich unverständlich formulieren. Worum ich Sie also bitte, ist nur, hier die gleiche Sorgfalt walten zu lassen, die Sie sonst auch für richtig halten. Vielen Dank.

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Der inkriminierte Satz wurde in indirekter Rede nahezu wörtlich aus der BGH-Entscheidung übernommen, und zwar deshalb, um die ungewöhnlich deutliche Sprache - katastrophale Folgen - zu zeigen.  Auch der weitere Satz stammt im Kern aus der Entscheidung des BGH, die beiden - nicht sinnentstellenden und mittlerweile korrigierten - Schreibversehen bitte ich zu entschuldigen. Vielen Dank.

Sehr geehrter Herr Schmeding,

ob eine Norm materiellrechtlichen oder verfahrensrechtlichen Charakter hat, entscheidet sich ausschließlich nach deren Inhalt und nicht danach, wer möglicherweise beim BMJ zuständig gewesen wäre. Dass es verfahrenstechnisch einfacher war, die Neuregelung nur im RVG unterzubringen, ändert am Charakter der Norm nichts.

Sehr geehrter Herr Dr. Mayer,

der Kern meiner Frage geht dahin, ob das Gesetzgebung- und Mitbestimmungsverfahren bei einer Änderung im Verfahrensrecht dasselbe gewesen wäre. Hätte z.B. der Bundesrat in diesem Fall auch nur Einspruch einlegen können oder wäre dessen Zustimmung zum Gesetz erforderlich gewesen (Art. 77 GG).

Ferner stellt sich die Frage der Zulässigkeit einer Nachfestsetzung in bereits antragsgemäß abgeschlossenen Festsetzungsverfahren.

Folgt man der Auffassung von Ihnen, Herr Dr. Mayer, und von dem II. Zivilsenat, heißt dies für die "Altfälle", dass eine Nachfestsetzung möglich ist, soweit nicht eine rechtskräftig Entscheidung entgegensteht.

a) Wurde also im Festsetzungsverfahren nur eine halbe VG beantragt und dann festgesetzt, ist eine Nachfestsetzung der zweiten Hälfte möglich.

b) Wurde im Festsetzungsverfahren die ganze VG beantragt, aber nur die halbe VG festgesetzt und im übrigen der Antrag zurückgewiesen, kommt eine Nachfestsetzung nicht in Betracht.

c) Wurde eine ganze VG beantragt, und nach Hinweis die halbe VG zurückgenommen und die andere halbe festgesetzt, ist eine Nachfestsetzung möglich.

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Hallo Herr Fölsch;

haben Sie sich bereits eine ggf. von #8 abweichende Meinung zu der aufgeworfenen Frage der Nachfestsetzung gebildet? In der mir insoweit bekannten gewordenen Rechtsprechung wird auf den Einzelfall und ggf. auch den Gesichtspunkt der Verwirkung abgestellt.

Eine besondere Bewertung der Entscheidung findet sich hier:

http://www.kanzlei-richter.com/zivilprozessrecht/bgh-s-15a-rvg-auf-altfaelle-anwendbar.html

 

Zumindest der nachstehend zitierte Teil der Interpretation der Entscheidung erscheint "gewagt":

"Der VIII: Zivilsenat habe zudem gegen wichtige Verfahrensgrundsätze verstoßen und eine Klärung der mit der Einführung des § 15a RVG aufgeworfenen Fragen rechtswidrig blockiert:"
 

Eine weitere Bewertung

http://www.damm-legal.de/bgh-der-neue-15a-rvg-gilt-auch-fuer-altfaelle

mag sich evtl. als verfrüht erweisen.

Der II. Zivilsenat hat einen sogenannten "Altfall" entschieden (vgl. das Aktenzeichen). Er hat zutreffend klargestellt, dass sich die materielle Rechtslage durch Einführung des § 15a RVG nicht geändert hat. Es konnte bereits vor der Einführung des § 15a RVG trotz einer in selber Angelegenheit entstandenen Geschäftsgebühr die volle Verfahrensgebühr erstattet verlangt werden, wenn die Geschäftsgebühr vom Gegner noch nicht ausgeglichen, nicht tituliert war, etc. Mit anderen Worten: Die Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats war - so auch die Ansicht des II. Zivilsenats - contra legem. § 60 RVG ist nicht einschlägig, da, wie gesagt, eine materielle Rechtsänderung nicht vorliegt, insbesondere keine "Gesetzesänderung" i.S.d. § 60 RVG, sondern eben nur eine Klarstellung. Eine "verfahrensrechtliche Vorschrift" ist § 15a RVG nicht. Sie ist dem materiellen Recht zuzuordnen, da sie klarstellt, in welchem Umfang Erstattung verlangt werden kann. Es geht also nicht um die Frage, in welcher Form ein Recht verfolgt werden kann, sondern in welchem Umfang überhaupt ein Anspruch besteht (materielles Recht). Insofern führen die Überlegungen, dass Verfahrensrecht mangels abweichender Bestimmungen stets ab seinem Inkrafttreten anzuwenden ist, nicht weiter.

 

Man darf gespannt sein, wie der VIII. Zivilsenat die Schelte verkraftet. M.E. war eine Vorlage an den großen Senat für Zivilsachen nicht entbehrlich, da ein Altfall entgegen der - ebenfalls Altfälle betreffenden - Rechtsprechung des VIII. Zivilsenats und der ihm folgenden Senate entschieden wurde. Der II. Zivilsenat hat offensichtlich bei den übrigen Senaten nicht nach § 132 III 1 GVG vorab angefragt. Er geht wohl wie selbstverständlich davon aus, dass der VIII. Zivilsenat und die diesem folgenden Senate aufgrund der Klarstellung in § 15a RVG ihren Standpunkt - für Altfälle - räumen. Aus der Sicht des VIII. Zivilsenats liegt es jedoch gerade nahe, § 15a RVG nicht als Klarstellungsvorschrift zu begreifen, sondern eine Gesetzesänderung anzunehmen und damit das Ergebnis des II. Zivilsenats erst seit Einführung des § 15a RVG für möglich zu halten, ihm aber für Altfälle zu widersprechen (so ja immerhin auch ein beachtlicher Teil der Instanzrechtsprechung).

 

Man wird sehen, ob der VIII. Zivilsenat Größe zeigt und einsieht, dass er insbesondere den Gesetzgeber mißverstanden und auch sonst eine nicht überzeugende Begründung abgeliefert hat. Den übrigen Senaten dürfte es leichter fallen, ihre Rechtsprechung zu ändern. Sie haben sich schließlich nie die Mühe gemacht, eine eigene Begründung zu liefern und können daher ohne großen Gesichtsverlust auf die Linie des II. Zivilsenats einschwenken. Ich bin zuversichtlich, dass bei einer Aufarbeitung des Themas durch den Großen Zivilsenat auch endlich die Literaturstimmen in Form des II. Zivilsenats ein Sprachrohr gefunden haben. Der VIII. Zivilsenat und alle ihm folgenden Senate hatten es nie für nötig gehalten, sich mit den Argumenten der Literatur und des KGs auseinanderzusetzen. In Anbetracht der Tatsache, dass das Thema der Anrechnung sehr kontrovers diskutiert wurde und schnell bekannt wurde, dass sogar der Gesetzgeber sich mißverstanden fühlt, war das ein Tiefpunkt in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Auch vom II. Zivilsenat, der offensichtlich von Anfang an eine andere Auffassung vertrat als der VIII. Zivilsenat, hätte man erwarten dürfen, dass er seine - nunmehr sehr klar und deutlich formulierte - Auffassung schon früher zum Gegenstand einer Vorlage an den großen Senat für Zivilsachen gemacht hätte. Aber immerhin, auch zu dem Schritt, den er nun getan hat, gehört einiger "Mut".

 

Setzt sich die Auffassung des II. Zivilsenats durch, sind Nachfestsetzungen in Altfällen dort möglich, wo der entsprechende Erstattungsanspruch nicht bereits rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

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Gast2, ihren letzten Satz kann ich voll und ganz unterschrieben.

Den (waren es 5, 6 oder 7) Senaten des BGH, die von einem eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ausgingen (gehen) steht auch das BVerwG mit einer Entscheidung zur Seite, die unmittelbar vor dem Inkrafttreten und in Kenntnis des § 15a RVG zu dem Ergebnis kommt, dass die gesetzliche Regelung eindeutig sei. Vor dem 8. Senat des BGH gab es bereits eine Reihe von Gerichten, die diese Auffassung auch gegen die seinerzeit herrschende Auffassung vertraten und dieser argumentativ entgegen traten. Der 8. Zivilsenat des BGH ist folglich nicht der "Erfinder", sondern allenfalls der bekannteste Vertreter der Anrechnung in der Kostenfestsetzung.

Dem  BMJ hat es in seinen Verlautbarungen gefallen, die Gesetzesneufassung mit den Attributen einer Klarstellung zu verbinden.

Senate des KG, OLG Celle, OLG Hamm, OLG Düsseldorf und OLG Frankfurt/M. und zumindest eines LAG gehen gleichwohl von einer Gesetzesänderung aus und wenden das am 05.08.2009 in Kraft getretene Recht nicht auf Altfälle an. Vergleichbar viele obergerichtliche Senate und der 2. Zivilsenat des BGH  verstehn diese gesetzliche Neufassung gegenwärtig als Klarstellung.

Dem einen oder anderen Senat mag dies leichter fallen, möglicherwiese weil er sich der Rechtsprechung des 8. Zivlsenats des BGH lediglich aus Gründen der  Rechtseinheitlichkeit angeschlossen hatte. Anders wohl die Senate des OLG Celle und des OLG Hamm, die von einer Gesätzesänderung i.S.v. § 60 Abs. 1 RVG ausgehen.

Die obersten Gerichte mögen sich einigen, ggf. in einem Verfahren nach § 132 Abs. 2 GVG bzw vor dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichte.

Den Gründen der Entscheidung des 2. Zivilsenats ist zu entnehmen, dass dieser den Gemeinsamen Senat nach § 132 Abs. 2 GVG anrufen konnte. Das geht nur, wenn er vorher bei mindestens einem Senat mit anderer Auffassung eine negative Auskunft nach § 132 Abs. 3 GVG eingeholt hat.

Das ist wohl auch Kern der Kritik gegen eine kritikfähige Entscheidung. 

Ausgehend von der Annahme, der Gesetzgeber wollte mit der Anrechnung nichts anderes regeln als er nunmehr geregelt hat, stellt sich die Frage, ob es legitimiert ist, etwas durch eine Äußerung des BMJ rechtlich für Altfälle klarzustellen. Banal gesprochen, kann eine deutliche Aussage zu einem Sachverhalt anderweitig klargestellt werden.

Hier werden sich m.E. die obersten Gerichte verständigen und eine einheitliche Meinung nach Außen hin bilden müssen.

Der Erstattungspflichtige wird sich bei Nachfestsetzungen nach meinem ersten Dafürhalten nicht auf Rechtssicherheit berufen können, weil eine zurückreichende Meinungsänderung über § 132 Abs. 2 GVG nicht ausgeschlossen sein dürfte.

Der Gesetzgeber gibt nach meiner Erinnerung als einen zentralen Grund seines Handelns unbefriedigende Ergebnisse der BGH- Rechtsprechung für den obsiegenden Beklagten an, die dem erklärten Ziel einer gerichtsunabhängigen Lösung angeblich zuwider laufen. Eruiert worden ist dies möglicherweise bisher nicht, jedenfalls liegen mir hierzu bisher keine anderweitigen Informationen vor. 

Man mag u.U. auch Besonderheiten in den fachgerichtlichen Verfahren sehen, denen eine (anteilige) Erstattung vorgerichtlich entstandener Kosten für die Vertretung in einem Ausgangsverfahren völlig fremd ist.

Der 8. Zivilsenat des BGH mag den Gesetzgeber seinerzeit mit seiner Rechtsprechung überrascht haben und letzterer mag die sich seit Ende 2004 im Vordringen befindliche Rechtsprechung unterschätzt haben, dass besagt jedoch nicht, dass der Wortlaut der Anrechnungsbestimmung nicht insoweit eindeutig ist, als sich die entstandene Verfahrensgebühr aufwandsbezogen mindert.

Mit der rechtlich nicht geklärten, vielleicht modernen Klarstellung ist eine rechtliche Klarheit gegenwärtig nur bedingt erreicht. Der Preis hierfür ist m.E. beachtlich und das Ergebnis nicht so eindeutig wie es hier begrüßt wird.

Stellt sich die Fragen: Warum dies alles und zu welchem Zweck?

Bleibt zu hoffen, dass derartige Irritationen sich nicht wiederholen, auch wenn der Gesetzgeber mit den Gerichten und diese mit dem Gesetzgeber rechnen müssen.

A.A. KG Beschluss vom 10.09.2009 in 27 W 68/09:

Leitsatz

Durch den am 5. August 2009 in Kraft getretenen § 15 a RVG ändert sich für "Altfälle" hinsichtlich der Anrechnungsregelung nach der bisherigen Rechtslage nichts, weil insoweit § 60 Abs. 1 RVG Anwendung findet, wonach die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt wurde.
Aus den Gründen:

Eine andere Auslegung der Anrechnungsvorschrift lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass der Gesetzgeber durch die Einführung der Regelung des § 15 a RVG keine Gesetzesänderung, sondern lediglich eine Klarstellung vorgenommen habe, was nach seiner Auffassung schon immer der Regelungsgehalt der Vorschrift war (so OLG Stuttgart, Beschluss v. 11.08.2009 - 8 W 339/09). Aus der Begründung des Gesetzesentwurfes ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass der Neuregelung lediglich eine klarstellende Funktion zukommt. Als Begründung für die Gesetzesänderung wird ausdrücklich nur das Verständnis des Bundesgerichtshofs von der Anrechnungsvorschrift genannt, das zu unbefriedigenden Ergebnissen führe. Die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr für die außergerichtliche Vertretung auf die Verfahrensgebühr für die Vertretung im Prozess habe zur Folge, dass eine kostenbewusste Partei die außergerichtliche Einschaltung eines Rechtsanwalts ablehnen und ihm stattdessen sofort Prozessauftrag erteilen müsste. Das Kostenfestsetzungsverfahren werde überdies mit einer materiell-rechtlichen Prüfung belastet, soweit Rahmengebühren anzurechnen seien. Beides laufe unmittelbar den Absichten zuwider, die der Gesetzgeber mit dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz verfolgt habe (Bundestagsdrucksache 16/12717 v. 22.04.2009, S. 67 f). Diese Begründung spricht gerade dagegen, dass der Gesetzgeber einen in den bisherigen Anrechnungsvorschriften bereits enthaltenen Regelungsgehalt lediglich klarstellen wollte. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung den Zweck verfolgt, die von ihm nicht bedachten Auswirkungen der Anrechnungsvorschriften für die Zukunft zu korrigieren. Dies zeigt sich auch daran, dass der Gesetzgeber davon abgesehen hat, eine von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG abweichende Überleitungsregelung zu treffen.

 Nun scheint alles ganz schnell zu gehen. Nach dem II. Zivilsenat des BGH haben sich  mit der Entscheidung des Xa Zvilsenats vom 09.09.2009 in Xa ZB 2/09 (vorgehend OLG Frankfurt/M., 18 W 361/08) und dem Beschluss des I Zivilsenats vom 14.09.2009 in I ZB 98/08 (vorgehend KG Berlin, 1 W 395/08) zwei weitere Beschwerden zur Frage der Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr erledigt.

  In der bisher nicht geänderten Rechtsprechung des BGH und des BVerwG (B. v. 22.07.2009 in 9 KSt 4/08, juris) wird der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG als eindeutig angesehen. Hierauf gründen auch die gerichtlichen Entscheidungen, die kostenrechtliche Altfälle konsequent über § 60 abs. 1 RVG ausschließlich nach altem Gebührenrecht beurteilen. So zuletzt OLG Bamberg, Beschluss vom 15.09.2009 in 4 W 139/09.   Eine argumentative Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidungen pro § 60 Abs. 1 RVG (z.B. OLG Celle, B. v. 26.08.2009 in 2 W 240/09; KG Berlin, B.v.13.8.2009, Az. 2 W 128/09 und B.v.10.9.2009, Az. 27 W 68/09) bleibt möglich/scheint nötig.

Gegen den Beschluß des OLG Bamberg vom 15.09.09 - 4 W 139/09 - wurde Rechtsbeschwerde eingelegt (war zugelassen). Es bleibt also die weitere BGH-Rechtsprechung abzuwarten. Ich bin gespannt.

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Eine ausdrücklich von der zitierten Rechtsprechung des 2. Zivilsenat des BGH abweichende, umfassend begründete Ansicht vertritt das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 25.09.2009 in 25 W 333/09 (PKH-Vergütungsfestsetzung).

Eine ausdrücklich von der zitierten Rechtsprechung des 2. Zivilsenat des BGH abweichende, umfassend begründete Ansicht vertritt auch das OLG Oldenburg in seinem Beschluss vom 07.10.2009 in 13 W 43/09 (Kostenfestsetzung).

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