Weiter Streit um Tarifeinheit

von Prof. Dr. Markus Stoffels, veröffentlicht am 23.11.2010
Rechtsgebiete: ArbeitsrechtTarifeinheitMarburger BundHenke1|2611 Aufrufe

Nach der Entscheidung des BAG, den Grundsatz der Tarifeinheit aufzugeben (hierzu Blog-Beitrag vom 23.6.2010), geht der Streit um mögliche gesetzgeberische Eingriffe weiter. BDA und DGB hatten sich für eine gesetzliche Festschreibung des Grundsatzes der Tarifeinheit ausgesprochen. Die kleineren Berufsgewerkschaften wehren sich energisch gegen derartige Bestrebungen. „Wer die Koalitionsfreiheit aushöhlt, legt die Axt an die Wurzel unserer Verfassung.“ Mit diesen Worten reagierte Rudolf Henke, 1. Vorsitzender der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, auf jüngste Interview-Äußerungen des Arbeitgeber-Präsidenten Professor Dieter Hundt im Handelsblatt. „Die Bundesregierung wäre sehr schlecht beraten, wenn sie dem Rat von Herrn Hundt folgen und die Rechte von Berufsgewerkschaften beschneiden würde. Das von ihm geforderte Schnellschuss-Gesetz zur Festschreibung der Tarifeinheit würde einer verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten. Die Tarifautonomie der Berufsgewerkschaften ist in unserer Verfassung ausdrücklich verbürgt. Sie hat keinen geringeren Rang als die Tarifautonomie der DGB-Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände“, betonte Henke. Es sei deshalb unredlich und eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit, wenn Herr Hundt mit seinem Dogma der Tarifeinheit („Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“) aus einem gleichen Recht für alle ein Vorzugsrecht für die von ihm Erkorenen mache: „Das Grundgesetz funktioniert nicht nach dem Prinzip ‚Der eine hat Rechte, der andere nicht’. Die Gleichsetzung von Tarifeinheit und Tarifautonomie ist ein Taschenspielertrick, der davon ablenken soll, dass durch das von Herrn Hundt und DGB-Chef Sommer geforderte Gesetz elementare Rechte aller Arbeitnehmer zur Disposition stehen“, sagte Henke. Wer Berufsgewerkschaften wie den Marburger Bund mit über 107.000 Mitgliedern unter die Knute von DGB-Gewerkschaften wie Verdi zwingen wolle, forciere auch die Abwanderung von Fachkräften. „Es ist doch geradezu grotesk, wenn Herr Hundt eine stärkere Zuwanderung von Hochqualifizierten anmahnt, zugleich aber eine Verdrängung von berufsspezifischen Tarifverträgen fordert, sodass die hier ausgebildeten Leistungsträger ihre Selbstbestimmung einbüßen und aus dem Land getrieben werden. Um es klar zu sagen: Bevor Ärzte wieder nach der Pfeife von Herrn Bsirske tanzen müssen, werden sie lieber ins Ausland gehen“, sagte Henke.

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