LAG Baden-Württemberg kritisiert IBM

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 02.08.2011

In ungewöhnlicher Form hat das LAG Baden-Württemberg die Firma IBM wegen ihres Prozessverhaltens in einer Reihe von Verfahren kritisiert. Beim ArbG Stuttgart gingen in der ersten Jahreshälfte 1148 Klagen von Betriebsrentnern gegen IBM ein, beim LAG Baden-Württemberg im gleichen Zeitraum 470 Berufungen. Die Rentner machen geltend, dass IBM ihre Pensionen zu gering angepasst habe, weil das Unternehmen seinen Anpassungsentscheidungen einen unrichtigen Prüfungszeitraum zu Grunde gelegt habe. IBM habe nicht - wie vom BAG gefordert - den Zeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum Anpassungsstichtag, sondern nur die letzten drei Jahre herangezogen. Die Klagen hatten bislang durchgängig Erfolg, die Berufungen von IBM hat das LAG zurückgewiesen. Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision waren beim BAG erfolglos. Weiter heißt es in der Pressemitteilung dann:

Für das Arbeitsgericht Stuttgart und das LAG haben die IBM-Verfahren erhebliche Folgen für die Arbeitsbelastung. Da die Firma IBM nahezu jedes Verfahren durch alle Instanzen prozessiert, muss jeder Fall durch eine streitige Entscheidung abgeschlossen werden. Eine zeit- und kostensparende Erledigung der Prozesse durch ein Pilotverfahren, dessen Ergebnis für die Folgeverfahren übernommen wird, hat IBM - entgegen der Praxis in ähnlichen Masseverfahren - abgelehnt. Die Situation der Arbeitsgerichtsbarkeit wird dadurch verschärft, dass bisher nur ein Bruchteil der nach hiesiger Kenntnis ca. 20.000 Betriebsrentner eine Klage auf zutreffende Betriebsrentenanpassung eingereicht hat. Es drohen noch Hunderte von weiteren Klagen.

Die Leidtragenden dieser Prozesstaktik sind an erster Stelle die Betriebsrentner, die sich ihr Recht in jedem Einzelfall erstreiten müssen. Die Leidtragenden sind aber auch die anderen Parteien, deren Verfahren wegen der Betriebsrentenfälle weniger zügig bearbeitet werden können. Besonders bedenklich ist, dass die Firma IBM nicht bereit ist, die Grundsatzentscheidungen des Bundesarbeitsgerichts zu akzeptieren. Die Firma IBM untergräbt damit die Autorität der Rechtsprechung. Außerdem steht das Verhalten der Firma IBM im Widerspruch zu den eigenen Ethik-Richtlinien, wonach sich jeder Unternehmensangehörige zur Einhaltung der Gesetze und der allgemein gültigen ethischen Standards verpflichtet.

Den Unmut der Stuttgarter Richter kann man menschlich ja verstehen. Mir erscheint allerdings zweifelhaft, ob ein Gericht in dieser Weise öffentlich das Prozessverhalten einer Partei kritisieren darf. IBM verhält sich ja nicht rechtsmissbräuchlich. Es mag gängige - und gute - Praxis sein, das Ergebnis eines "Pilotverfahrens" zu akzeptieren. Auf ein solches Verhalten hat aber niemand Anspruch, weder das Gericht noch die übrigen Rentner. Entscheidungen im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren wirken nun einmal nur "inter partes" und nicht auch gegenüber Dritten, selbst wenn die Rechtsfragen identisch sind.

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3 Kommentare

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Anscheinend möchte IBM in die Fußstapfen von YMOS wandern?! YMOS hatte auch versucht, ihre Betriebsrentner zu, äh, (selbstzensiert). Jedenfalls gabs dann auch über 1000 Klagen. YMOS verlor fast alle Verfahren und ging pleite.

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Ich kann mir das nur so erklären, dass die Arbeitnehmer aufgrund der Kosten der ersten Instanz von Klagen abgehalten werden sollen.

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