Bremer Brechmittelprozess in Bremen gemäß § 153a StPO eingestellt

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 01.11.2013

Der nach zwei vom BGH aufgehobenen Freisprüchen zum dritten Mal durchgeführte Prozess gegen einen Polizeiarzt (hier mein letzter Blog-Beitrag), unter dessen Einwirkung ein junger Mann verstorben war, endete nun mit einer Einstellung nach § 153a StPO. Der Arzt soll nun 20.000 Euro an die Mutter des Opfers zahlen.

Laut der ungewöhnlich ausführlichen Pressemitteilung des LG Bremen sprach die bisherige Beweislage (nur) für eine fahrlässige Tötung und vorsätzliche Körperverletzung, nicht aber für die vom BGH in seiner letzten Aufhebungsentscheidung angeführten Körperverletzung mit Todesfolge (§ 227 StGB).

Für die jetzige Einstellung, der auch die Nebenklage zugestimmt hat, sprach auch die Verfassung des Angeklagten, der aufgrund des Verfahrens in eine psychische Krise geraten war, so dass die Fortführung der Hauptverhandlung erst ab April 2014 möglich gewesen wäre.

Für die Abweichung von der grds. bindenden Ansicht des BGH in seienr Aufhebungsentscheidung macht das Schwurgericht Folgendes geltend:

"Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 20.06.2012 zwar ausgeführt: „Entgegen der Auffassung der Schwurgerichtskammer ergeben die durch sie getroffenen Feststellungen ohne Weiteres die Voraussetzungen einer Körperverletzung mit Todesfolge.“ Zu beachten ist aber, dass sich die Bindungswirkung dieser BGH-Entscheidung gemäß § 358 StPO allein auf die rechtliche Beurteilung des festgestellten Sachverhalts bezieht. Nur diesen Sachverhalt konnte der BGH durch die Feststellungen im schriftlichen Urteil des Schwurgerichts II vom 14.06.2011 für seine rechtliche Bewertung berücksichtigen. Der BGH vernimmt nicht selbst Zeugen oder Sachverständige. Wird also in einer neuen Hauptverhandlung am Ende der identische Sachverhalt festgestellt, so hat dessen rechtliche Bewertung durch das Tatgericht unter Berücksichtigung der bundesgerichtlichen Entscheidung zu erfolgen."
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13 Kommentare

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Zum Glück handelt ein Spruchkörper, da scheidet eine Rechtbeugung ja grundsätzlich aus...

Ist ja schließlich einer der ihren, über den sie da urteilten.
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"Für die jetzige Einstellung, der auch die Nebenklage zugestimmt hat, sprach auch die Verfassung des Angeklagten, der aufgrund des Verfahrens in eine psychische Krise geraten war"

Ich bin aufgrund dieses Verfahrens auch in eine psychische Krise geraten... Ich habe vorher bloß niemanden umgebracht.

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Wenn alle einverstanden sind (inklusive Nebenklagevertreter), gibt's doch nur lachende Gesichter.

 

Der Arzt ist doch durch den schon ewig dauernden Prozess genug gestraft.

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Kein Wunder, dass die Pressemitteilung besonders ausführlich ist. Nachdem der BGH bereits zwei Freisprüche aufgehoben hat und sich in seiner letzten Entscheidung genötigt sah, zum einen in überaus deutlichen Worten auf die Bindungswirkung seiner Entscheidungen - und deren Missachtung durch das LG Bremen - hinzuweisen und zum anderen offen zu bedauern, dass eine Zurückverweisung an ein anderes Gericht aus Rechtsgründen nicht möglich ist, dürfte das wohl das mindeste sein, was sich als geboten erweist.

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"Gut so, die Freisprüche waren richtig.". Nein, waren sie ganz offenkundig nicht, wenn man sich mal eine der BGH-Entscheidungen in dem Verfahren durchliest. Da liest man, dass die BGH-Richter die erstinstanzlichen Kollegen gerne einen Kopf kürzer machen würden (und bringen das in den passenden Worten auch zum Ausdruck). Auch der 153a fühlt sich nicht gut an, wird aber den BGH niemals beschäftigen.

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wer die BGH-Urteile in Gänze gelesen hat dem wird bei dem Gedanken der Einstellung des Verfahrens richtig schlecht. So auch mir.

Das Opfer hätte einer Einstellung sicherlich nicht zugestimmt.

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Gibt es schon Informationen, wie (also mit welchem Einflüssen) die Nebenklage zugestimmt hat?

 

Bereut der Arzt überhaupt seine Tat, wenn er so gut unterstützt wird?

 

Wenn man den Fall näher untersucht, wird einem schlecht...

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Ein Student schrieb:
Bereut der Arzt überhaupt seine Tat, wenn er so gut unterstützt wird?

 

Meine Vermutung:

 

Tatzeitpunkt 27.12.2004

+

"Die von der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten akzeptierte Auflage der Zahlung eines
Geldbetrages in Höhe von 20.000,- Euro an die Mutter des Geschädigten, ist geeignet, das öffentliche
Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen."

=

gerichtsmüde

 

Man stelle sich einmal vor, neun Jahre damit zuzubringen, gegen Gericht, Polizei und Staatsanwaltschaft anzukämpfen, und trotz wiederholter Siege vor dem BGH durch das Landgericht Bremen wieder vorgeführt zu werden mit einer neuen Begründung, wieso die staatliche Hand keine Sühne dafür üben will, dass eine andere staatliche Hand den Sohn bei dem Versuch getötet hat, ihm ein Verbrechen nachzuweisen.

 

Um auch das Positive zu erwähnen: Als Drogendealer muss man fürchten, verhaftet und ohne Gerichtsverfahren in Haft getötet zu werden, ohne dass die Täter später auch nur strafrechtlich belangt werden. Das sollte eine gewisse Abschreckungswirkung haben.

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Falsch, der BGH hat die Freisprüche des LG Bremens 2 mal aufgehoben. Damit das nicht noch einmal passiert, hat das LG Bremen dem Beschuldigten geraten die Nebenklägerin mit ein paar Groschen ruhig zu stellen.

Das scheint mir doch ein vielversprechendes Modell für die Zukunft zu sein.

Überhaupt sollte dies ein mutiger erster Schritt zur Rückkehr zu einem Bußensystem sein. Daneben sollten durch die Polizei verfügte Leibes- und Lebensstrafen ohne ein vorheriges gerichtliches Verfahren zur Norm werden.

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